Donnerstag, 12. November 2020

AKK als Ministerin angekommen. Fragt sich nur in welchem Ministerium...

von Thomas Heck...

Die Bundeswehr hat Geburtstag, 65 Jahre ist sie geworden. 65 Böllerschüsse, keiner hat getroffen. Aber die Tagesschau stellt fest, dass AKK als Ministerin angekommen ist. Fragt sich nur in welchem Ministerium, denn beliebt ist die peinliche Ministerin in der Truppe sicher nicht.

Dem Verteidigungsministerium eilt der Ruf voraus, unregierbar zu sein. Viele sind hier schon gescheitert. Kramp-Karrenbauer hat den Job trotzdem angenommen. Wie schlägt sie sich?

Eine Analyse von Stephan Stuchlik, ARD-Hauptstadtstudio

"Diesen Job hier behalte ich, der macht mir Spaß", sagt die Verteidigungsministerin und es klingt überzeugend. Es ist Februar 2020, Annegret Kramp-Karrenbauer hat soeben ihren Rückzug als CDU-Vorsitzende verkündigt, darüber wirkt sie erleichtert. Die Frage, ob sie auch vorhabe, als Verteidigungsministerin zurückzutreten, beantwortet sie auf der Münchener Sicherheitskonferenz mit einem klaren "Nein".

Spaß an der "Mission Impossible"?

Aber Spaß an einem Job, der vielen in Berlin als "Mission impossible" gilt? Wer Kramp-Karrenbauer bei Truppenbesuchen im In- oder Ausland beobachtet, stellt zumindest fest, dass sie im Kontakt mit Soldaten entspannter und natürlicher wirkt als in vielen Interviews. Sie fragt dann bodenständig und interessiert. Natürlich hat sie als ehemalige saarländische Innenministerin viel Routine im Umgang mit Ordnungskräften, aber es sieht nicht gestellt aus. Der Eindruck, den viele Soldaten dabei mit nach Hause nehmen, ist ein deutlich anderer als der von ihrer Vorgängerin Ursula von der Leyen, die vielen in der Truppe immer noch als "Medienministerin" gilt.

Abkehr vom Kurs ihrer Vorgängerin

Beinahe unbemerkt revidierte Kramp-Karrenbauer schon zu Beginn ihres Ministeramtes einige grundlegende Entscheidungen ihrer Parteifreundin: Die von ihrer Vorgängerin geplante Privatisierung dreier Hauptwerke der Heeresinstandsetzunglogistik etwa, eine Art große Reparaturwerkstatt der Bundeswehr, nahm sie im Oktober 2019 zurück. In der Öffentlichkeit blieb das beinahe unbemerkt.

Auf der improvisierten Pressekonferenz unterstützten sie auch die Politiker der Opposition, die sich zum damaligen Zeitpunkt im Untersuchungsausschuss zur sogenannten Berateraffäre mit dem Privatisierungsauswüchsen unter von der Leyen und deren damaliger Staatssekretärin Katrin Suder beschäftigten. Auch im Verteidigungsausschuss herrschte also zunächst einmal Erleichterung über Kramp-Karrenbauers neue Linie.

Schluss mit der "Goldrand-Lösung"

Bereits bei ihrer Rede an die Mitarbeiter des Beschaffungsamtes der Bundeswehr fragten sich aber Beobachter, ob Kramp-Karrenbauer mit ihrer Abkehr vom Kurs ihrer Vorgängerin nicht des Guten zu viel tut. Das Beschaffungsamt, im Bundeswehr-Kürzel BAAIN-BW genannt, gilt vielen als der Schwachpunkt, was die vielen Beschaffungspannen bei der Truppe angeht: Notorisch unterbesetzt, wirkt es oft überfordert, zu bürokratisch, zu umständlich und zu langsam.

Die Ministerin will nach vielen Versuchen der Umorganisation Ruhe ausstrahlen und Wertschätzung vermitteln, dieses Signal kommt an. Der Frage, ob und wie überhaupt das Amt reformiert werden solle, weicht sie jedoch erkennbar aus. Vieles, was sie damals kritisch anmerkt, ist nicht mehr als die Beschreibung des Offensichtlichen. So sagt sie etwa sinngemäß, die Bundeswehr dürfe nicht immer die "Goldrand-Lösung" bestellen.

Pannen passieren weiterhin 

Ein Jahr später musste sie das Vergabeverfahren für den neuen schweren Transporthubschrauber stoppen, das im Februar 2019 begonnen worden war: Die Anforderungen an die Hersteller der beiden konkurrierenden US-Modelle, auch der Wunsch, die Hubschrauber von deutschen Herstellern anpassen und weiterentwickeln zu lassen, wären am Ende zu teuer geworden.

Die nächste Panne: Nachdem im September 2020 verkündet wurde, man wolle das neue Sturmgewehr, den Nachfolger des umstrittenen G36, beim Thüringer Hersteller Haenel und nicht mehr bei Heckler und Koch herstellen lassen, musste die Ministerin einen Rückzieher machen. Anscheinend hatten externe Rechtsberater das Ministerium darauf aufmerksam gemacht, dass bei einem Streit um Patente Heckler und Koch gute Chancen auf Revision und Schadensersatz hätte. Warum das nicht bereits vorher den Experten im Geschäftsfeld des Verteidigungsministerium auffiel, bleibt ein Rätsel.

Noch kein Ersatz für das "Lastentier" 

Klüngelvorwürfe bleiben

Auch die Tatsache, dass trotz Dementi des Ministeriums immer noch der Vorwurf einer möglichen illegalen Preisabsprache mit Haenel im Raum steht, zeigt, in welchem Umfeld Beschaffungsvorgänge bei der Bundeswehr immer noch stattfinden: Die Abkehr von jahrzehntelang betriebenem Klüngel mit der Rüstungsindustrie mag noch keiner glauben, selbst wenn er mittlerweile stattgefunden hätte. Dass der Vorwurf der Preisabsprache von FDP und Grünen im Verteidigungsausschuss erhoben wird, zeigt auch, dass auch das anfängliche Wohlwollen bei den Fachpolitikern teilweise geschwunden ist.

Was ging schief bei der Vergabe?

Ministerin löst Irritationen aus 

Im eigenen Haus verärgerte Kramp-Karrenbauer wichtige Mitarbeiter mit politischen Vorstößen. Ihre Idee aus dem Oktober 2019, in Syrien unter UN-Mandat eine Sicherheitszone auch mit Einsatz deutscher Soldaten einzurichten, sei ohne vorherige Einbindung der Fachleute passiert, so ist unter der Hand aus dem Verteidigungsministerium zu hören. Der Plan verschwand schnell aus der öffentlichen Diskussion, er war einfach nicht realisierbar.

Syrien-Vorstoß sorgt für Irritationen

Auch ihr Vorschlag, den deutschen Einsatz in Mali mehr nach dem robusten Vorbild der französischen Truppen dort zu gestalten, verschwand schnell wieder in der Schublade. Beide Vorstöße wollte Kramp-Karrenbauer nach eigener Aussage als Aufruf zu mehr deutscher Verantwortung in der Welt verstanden wissen, aber auch eine große Diskussion über diese Frage stellte sich in der Folge nicht ein.

Als zählbares Plus auf ihrem Konto wird wahrscheinlich weder die neue Reservestrategie noch der "Freiwillige Wehrdienst Heimatschutz" - ein Freiwilligenprogramm für die Bundeswehr - verbucht werden.

Freiwillige für Heimatschutz gesucht 

Operation "Eiserner Besen" gegen KSK

Schon eher könnte Kramp-Karrenbauer als die Verteidigungsministerin in die Annalen eingehen, die dem rechtsextremen Treiben im Kommando Spezialkräfte (KSK) mit der nötigen Entschlossenheit begegnete. Nachdem über Jahrzehnte aus dem Ministerium eher Lippenbekenntnisse über die zum Teil abenteuerlichen rechtsextremen Umtriebe in Teilen des Kommandos in Calw zu hören waren, veranlasst augenscheinlich ein Waffen- und Munitionsfund bei einem Soldaten des Kommandos im Mai 2020 die Ministerin und den Generalinspekteur zu einer erkennbaren Richtungsänderung.

Die Vorstellung, dass ausgebildete Spezialkräfte mit rechtsextremer Gesinnung Waffen und Munition etwa zu Anschlägen nutzen könnten, ließ Kramp-Karrenbauer ein strenges Programm beschließen. Die wichtigsten Bestandteile: Auflösung der 2. Kompanie, Schluss mit der Ausbildung in eigener Regie und Veränderung der Zulassungsvorraussetzungen. Der ganze Prozess dauert noch an, aber sogar scharfe Kritiker halten die Ministerin zugute, dass sie nicht nur guten Willen zeige, sondern dass die Maßnahmen auch sinnvoll und angemessen seien.

Im weiteren Sinn gehört dazu auch ein Führungswechsel im militärischen Nachrichtendienst MAD, der über Jahre bei der Aufklärung der rechtsextremen Vorfälle im KSK unzureichend, in Einzelfällen sogar mit Sympathien für die Rechtsextremen agierte.

"Operation Eiserner Besen"

Und nach der Bundestagswahl?

Das Image der Bundeswehr in der Bevölkerung ist laut aktuellen Umfragen gut, dazu mögen auch die 6500 Soldaten beitragen, die momentan in der Corona-Krise bundesweit helfen. Die von der Ministerin gewünschte Debatte über mehr Verantwortung in der Welt nimmt nach der US-Wahl vielleicht doch noch an Fahrt auf. Zum Kauf eines Teils neuer Kampfflugzeuge hat der Bundestag jüngst grünes Licht gegeben.

Ob Kramp-Karrenbauer ihr Amt auch nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 behalten wird, ist schwer vorherzusagen. Zumindest häuslich im Ministerium eingerichtet hat sie sich schon einmal: Eine Corona-Quarantäne hat sie in einem kleinen Zimmer ihres Berliner Amtsitzes verbracht.




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