Donnerstag, 9. September 2021

Und dann trendet plötzlich #PimmelGrote...

von Thomas Heck...

Deutschland ist, wenn die Polizei wegen eines primären männlichen Geschlechtsmerkmals eines SPD-Politikers morgens um 6 Uhr an die Wohnungstür klopft und eine Hausdurchsuchung zur Beweissicherung vornimmt, unterdessen bei Vergesslichkeiten bei Cum-Ex-Geschäften und Milliardenschäden wie bei Olaf Scholz nichts geschieht. Was war passiert? Hamburgs Innensenator Andy Grote fühlte sich durch einen Twitter-Nutzer beleidigt, als dieser einen Tweet absetzte worin stand: "Du bis so 1 Pimmel" (Zitat Ende). Nun könnte man als Politiker, der schon im Amt als Innensenator beim G20-Gipfel 2017 grandios versagte, über eine derartige Petitesse hinwegsehen. Oder man macht wie Grothe ein Fass auf und sorgt dafür, dass am heutigen Tage Hashtags wie #Pimmelgate, #PimmelGrote und ähnliches trendeten. Wer es braucht...


Kein Einzelfall. Im Mai des Jahres durchsuchten Beamte die Wohnung einer Berlinerin, der vorgeworfen wurde, in satirischer Absicht ein Foto des Regierenden Bürgermeisters verfälscht zu haben, auf dem Müller, der auf dem Foto für den Berliner Kältebus warb, Flüchtlinge nach Berlin holen wollte.




Man mag darüber schmunzeln, doch für Nutzer der Sozialen Medien, Blogger und auch Journalisten können satirische Beiträge schnell nach hinten losgehen und dann kann es teuer werden. Wir beim Heck Ticker wissen, wovon wir reden und fragen uns täglich, wo die Grenze zwischen hinzunehmender Satire und Beleidigung verläuft, bewegen wir uns doch selbst in unserem täglichen Schreiben im dieser Grauzone. Das Handeln des Staates, der ansonsten Vergewaltiger, Kinderschänder und Straftäter allzu schnell wieder auf freien Fuss setzt und diese auch ansonsten mit aller Milde des Rechtsstaats rechnen können, steht in einem dermaßen scharfen Kontrast zu solchen Hausdurchsuchungen, die einen durchaus einschüchternen Charakter annehmen können und vermutlich nur zufällig gerade die regierungskritischsten Geister trifft. Etwas was man sich selbst kaum vorstellen kann und eher in Russland oder im Iran verorten würden, bis man es selbst erlebt hat. Wir werden aber auch künftig nicht schweigen...

#Pimmelgate

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) wurde im Internet beleidigt. Die Polizei durchsuchte daraufhin die Wohnung des mutmaßlichen Twitter-Nutzers. Im Netz entbrannte ein erbitterter Streit über den Hintergrund der Polizeiaktion. 

Wo fängt eine Beleidigung im Internet an und welche Konsequenzen können daraus erwachsen? Über diese beiden Fragen echauffiert sich die Internetgemeinde seit diesem Mittwochmorgen. Losgelöst wurde der Sturm auf Twitter durch zahllose Kommentare und Meinungen, die unter dem Hashtag #Pimmelgate kursieren.

Was war passiert? Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) war auf eben jenem Kurznachrichtendienst beleidigt worden. Genauer gesagt hatte ein Nutzer mit dem Pseudonym „ZooStPauli“ unter eine Twitteräußerung von Grote geschrieben: „Du bist so 1 Pimmel.“ Am Mittwochmorgen dann hatte die Hamburger Polizei gegen 6 Uhr an die Wohnungstür des Twitter-Nutzers geklopft und die Wohnung in der Bernhard-Nocht-Straße auf St. Pauli durchsucht. Mehrere elektronische Geräte des Mannes wurden sichergestellt.

Andy Grote versichert: "Mein Pimmel ist so lang..."



Der Nutzer hatte daraufhin einen Teil des Durchsuchungsbeschlusses online gestellt. Sechs Beamte hätten seine Wohnung am frühen Morgen durchsucht, obwohl die Polizei gewusst habe, dass es in dem Haushalt zwei kleine Kinder gebe. Auf Twitter wurde daraufhin die Sinnhaftigkeit der Polizeiaktion infrage gestellt. Wenn ein Innensenator also im Netz derart beleidigt werde, müsse gleich mit einer Hausdurchsuchung gerechnet werden, so der Tenor. Der Hashtag #PimmelGrote war zeitweilig der von anderen Twitter-Nutzern am häufigsten aufgegriffene.


Nachfrage bei der Hamburger Polizei: Dort heißt es, die Äußerung sei bereits am 30. Mai veröffentlicht worden. Grote hatte sich an jenem Tag über Personen geärgert, die ungeachtet der Corona-Pandemie in Hamburgs Szenevierteln gefeiert hatten. Konkret hatte Grote geschrieben: „In der #Schanze feiert die Ignoranz! Manch einer kann es wohl nicht abwarten, dass wir alle wieder in den Lockdown müssen… Was für eine dämliche Aktion! Danke @PolizeiHamburg, die wieder einmal den Kopf hinhalten, damit die Pandemie nicht aus dem Ruder läuft.“ Auf seinen Tweet hatte es eine ganze Reihe unschöner Äußerungen gegeben, unter anderem auch jene, die sich auf ein Geschlechtsteil bezog.

Wie WELT erfuhr, hatte daraufhin nicht Innensenator Grote, sondern ein Polizist, der die Äußerungen gelesen hatte, Strafanzeige gestellt. Damit die Anzeige verfolgt werden konnte, – es handelt sich um ein sogenanntes Antragsdelikt –, sei die Polizei an Grote herangetreten, der daraufhin Strafantrag gestellt habe. So kamen die Ermittlungen in Gang.

Im Zuge der Ermittlungen beantragte die Hamburger Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des Twitter-Nutzers, der vom Amtsgericht Hamburg genehmigt wurde. Aus der Pressestelle der Hamburger Polizei heißt es, der Fall sei kein Einzelfall. Im Zuge von Ermittlungen gegen Beleidigung im Internet, gegen sogenanntes Hate Speech, sei bereits eine mittlere zweistellige Zahl an Durchsuchungen durchgeführt worden. Die Prominenz des Beleidigten habe in diesem Fall keine Rolle gespielt.

Auffinden von „tatrelevanten Beweismitteln“

Von Hate Speech wird gesprochen, wenn Menschen insbesondere im Internet abgewertet, angegriffen oder wenn gegen sie zu Hass oder Gewalt aufgerufen wird. Oft sind es rassistische, antisemitische oder sexistische Kommentare, die bestimmte Menschen oder Gruppen als Zielscheibe haben.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft äußerte sich ebenfalls dazu, ob das Wort „Pimmel“ bereits unter Hate Speech fällt: „Wenn jemand so etwas schreiben würde, würde das schon den Tatbestand der Beleidigung erfüllen“, erklärte eine Sprecherin. Ziel der morgendlichen Durchsuchung sei es gewesen, zu klären, wer Zugriff auf den Twitter-Account hatte und das Auffinden von „tatrelevanten Beweismitteln“, heißt es aus der Polizei. Beleidigung wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe geahndet.


Ob sich die ganze Angelegenheit gelohnt hat, muss jeder für sich entscheiden. Mich persönlich würde es ziemlich stören, wenn ein Googeln nach "pimmel" als Ergebnis mein Gesicht zu Tage fördern würden. Aber da scheint jeder anders zu sein...






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