Samstag, 15. Oktober 2016

Warum nicht mal ein Neger als Bundespräsident?

von Thomas Heck...

Karamba Diaby. In Halle an der Saale scheinen ihn irgendwie alle zu kennen. Im angeblich fremdenfeindlichen Osten Deutschlands. Er grüßt von weitem, jedem reicht der elegant gekleidete SPD-Bundestagsabgeordnete die Hand, mit jedem hat er was zu schnacken, immer ein Scherz auf den Lippen. Er ist der erste Abgeordnete mit afrikanischer Herkunft im Bundestag. Und sein Terminkalender ist voll, denn Diaby – der aus der Casamanche, dem Süden Senegals stammt - ist ein Mann des Volkes. "Ja, das ist ja so, dass in den Wahlkreiswochen steht natürlich im Mittelpunkt, Kontakte mit den Bürgerinnen und Bürgern….", erzählt Diaby.


Der 54jährige Sozialdemokrat Diaby hat nun eine Bilanz seiner ersten vier Jahre im Bundestag vorgelegt. Titel: Mit Karamba in den Bundestag. Ein Text über einen Politiker, der als muslimischer Vollwaise im Senegal von seinem Schwager groß gezogen wurde. Mitte der 1980er Jahre kam er mit einem Stipendium in die DDR, später promovierte er über deutsche Schrebergärten. 


Sein Buch erzählt auch vom Alltagsrassismus in Deutschland. Doch es ist mehr als das, denn die 217 Seiten erzählen auch viel über Diabys Erfahrungen als Schwarzer in Deutschland, über den Alltagsrassismus. Unschöne Erlebnisse, die bis in den Bundestag reichen. So erzählt Diaby, wie ihn an seinem ersten Tag als Abgeordneter die Kassiererin in der Bundestagskantine nicht bedienen wollte und rief: "Nein, Sie nicht!"


"Ich war überrascht, was will sie denn von mir. Ich frage, was meinen sie denn damit. Sie haben keine Karte, sie dürfen hier nicht rein. Ich sage, wie kommen sie denn da drauf, ich bin Abgeordneter. Sie: "Oh, Entschuldigung Herr Abgeordneter." Ich bin dann weiter gegangen und habe ihr trotzdem einen schönen Tag gewünscht."


Solche Anekdoten lacht Diaby weg. Schlimmer ist es, wenn Polizisten ihn einfach anhalten und kontrollieren, nur weil er kein Weißer ist, wie es ihm mal in Halle am Bahnhof passiert ist: "Ich fühlte mich gekränkt, ich fühlte mich richtig diskriminiert, ausgegrenzt. Das hat mich bedrückt."

Racial profiling nennt man das, ein echtes Problem in Deutschland, sagt Diaby: "Ich bin der Meinung, das Bundespolizeigesetz müssen wir uns ganz genau anschauen müssen. Denn es geht nicht, dass Menschen aufgrund physiognomischer Eigenschaften in der Art angehalten werden." Natürlich nicht. Ich selbst halte es für sehr zielführend.

Diaby fährt Fahrrad – trotz Politikergehalt


Während andere Politiker mit dunklen Karossen unterwegs sind, fährt Karamba Diaby ganz bescheiden Fahrrad. Marke Diamant. Ein ostdeutsches Fabrikat. Auch ein Grund, warum ihn die Menschen in Halle als volksnah und authentisch erleben. "Wie er auf die Leute zugeht. Ohne Vorurteile, ohne Angst auch. Ich meine, man muss ja diese Besonderheit auch sehen, mit dem Migrationshintergrund." Wenn man Karamba Diaby, den Vater zweier Kinder fragt, wie denn seine erste Bilanz im Bundestag ausfällt, dann lächelt er zufrieden.

Zu Diaby kommen ständig Journalisten. Ob das Journal Jeune afrique, die "New York Times" oder "Al Jazeera" alle wollen von ihm wissen, wie es ist, als Afrikaner im Bundestag zu sitzen.

Entwurf eines Einwanderungsgesetzes liegt ihm am Herzen

Neben den Bildungsthemen, ist für den Menschenrechtsexperten ein Einwanderungsgesetz eine Herzensangelegenheit. Für die SPD ein schweres Thema, sagt Diaby und lacht. In den nächsten Wochen will er der Fraktion seinen Entwurf vorstellen: Ein Gesetz per Punktesystem nach kanadischem Vorbild. "Das sind dicke Bretter, die wir bohren müssen. Wir müssen das den Menschen vermitteln, wir müssen das auch erklären…"


2001 hat sich Karamba Diaby einbürgern lassen. Man dürfe ihn ruhig Schwarzer nennen, sagt er noch, ergänzt aber, dass er nicht auf seine Herkunft reduziert werden wolle. Sein Buch, das den Untertitel trägt "Vom Senegal in den deutschen Bundestag", beschreibt treffend Diabys Credo: Jeder kann es schaffen.


Diaby versteht sich als senegalesischer Ostdeutschland-Erklärer

"Es ist nicht nur alles geradlinig. Ich habe auch sehr viele Tiefpunkte erlebt. Zum Beispiel, dass ich als Waisenkind nach dem Abitur kein Stipendium bekommen habe. Kam in die DDR, habe Gottseidank das Stipendium bekommen, wurde trotz des Studiums und der Promotion arbeitslos. Das ist auch ein Tiefpunkt. Ich habe gesagt, es wird sich nichts alleine etwas ändern, du musst etwas dafür tun."

Diaby versteht sich auch als senegalesischer Ostdeutschland-Erklärer. Und erzählt von seiner Schwiegermutter, die in der DDR Kranfahrerin war, nach dem Mauerfall arbeitslos wurde, mit 50 zur Altenpflegerin umgeschult hatte und dann mit 59 gestorben ist. Eine ostdeutsche Biografie, vor der er allergrößten Respekt habe, sagt Karamba Diaby.

"Ich habe den Eindruck, dass die Vorurteile gegenüber Ostdeutschland bei manchen Leuten, genauso vergleichbar sind, wie gegenüber Afrikanern."


Auch 2017 will er für den Bundestag kandidieren

Die ersten vier Jahre im Bundestag waren nur der Anfang, sagt Diaby. Jetzt will er wieder kandidieren. Doch dazu muss er innerhalb der SPD Sachsen-Anhalts erstmal einen der ersten drei Listenplätze erringen, denn nur die garantieren auch einen sicheren Einzug in den Bundestag. Doch damit will er sich jetzt noch nicht beschäftigen, sagt Diaby und atmet tief aus.

Wenn er sich entspannen will, setzt er sich Kopfhörer auf und hört Kora-Musik, die gezupften Klänge einer 28seitigen Harfe. Oder er stellt sich in die Küche und kocht. "Ich koche meisten Lammfleisch mit Okra-Schoten und Reis als Beilage."

Wichtig ist nur: "Richtig, es muss scharf und würzig sein. Wenn ich sie einlade, keine Angst, dann werde ich das europäisch scharf machen (lacht)." 

Ich empfehle ihn als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten. Warum nicht mal ein Neger und Muslim? Besser als Frau Käßmann ist er allemal.

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