von Thomas Heck...
Die Klima-Terroristen der Extinction Rebellion haben gestern Berlin lahm gelegt. Das Blut der rechtschaffenden Bürger, die sicher nicht nur so zum Spaß mit ihren Autos durch die Gegend fahren, ist am Kochen. Die Wut steigt, doch der Rechtsstaat geht immer noch viel zu milde mit denen um, die skrupellos ihre Menschen gefährden. Gestern musste sich ein Krankenwagen in der Frankfurter Allee, wo das Frankfurter Tor von 60 "Aktivisten" der Klima-RAF in alle Richtungen blockiert wurde, zu einem Schlaganfall-Patienten durch das Gleisbett der Strassenbahn kämpfen. Ausgang ungewiß.
Der Tod einer Radfahrerin in der vorletzten Woche, an denen die Klima-Kleber eben nicht so schuldlos waren, wie sich selbst immer gerierten, wurde schon aus allen Richtungen instrumentalisiert. Jetzt erheben die Befürworter der Proteste auch noch den absurden Vorwurf, von politischer Seite würde ein "Feindbild Klimaaktivist" abgebaut werden. So hatte die Senatsinnenverwaltung, die den Klimaprotesten zwar nicht so abgeneigt ist, dennoch die Feuerwehr im Sommer aufgefordert, Verzögerungen von Rettungseinsätzen durch Straßenblockaden von selbsternannten Klimaschützen statistisch zu erfassen. Diese Anweisung wurde kritisiert, in einem Zeitungsbericht wurde eine Einsatzkraft zitiert, die von einem "Feindbild" sprach. Senat und Feuerwehr hatten in den letzten Tagen mitgeteilt, dass seit dem Sommer Rettungseinsätze in 17 Fällen durch Blockaden behindert und verzögert wurden. Fast immer ging es um verspätetes Eintreffen von Krankenwagen, zum Teil auch bei dringenden Nottransporten.
Man merkt aber, dass die selbsternannten Weltenretter den Stimmungsumschwung sehr wohl erkannt haben und verstärkt versuchen, die Deutungshoheit ihrer Aktionen für sich zu beanspruchen. Eine weitestgehend sympathisierende Presse macht zwar schon lange gemeinsame Sache, doch die Klimafront zerbröselt zusehends. Die Tod der Radfahrerin der vorletzten Woche stellt da schon einen Paradigmen-Wechsel dar. Wenn man jetzt aufhören würde, diese Klima-Spinner auch noch in jede Fernsehsendung einzuladen, wenn die Justiz beginnen würde, hart und stringent abzuurteilen, würde der Protest zusehends abebben.
Was uns nun aber zu der Frage führt, warum der Verfassungsschutz nicht die Klimajugend überwacht, die ja eindeutig verfassungsfeindliche Tendenzen vertritt, enge Verbindungen zu Linksextremen unterhält und unseren Staat und seine Wirtschaft in der jetzigen Form ablehnt? Der Tod einer Radfahrerin in Berlin wirft die Frage auf, wohin radikale Öko-Proteste im Extremfall führen. Dennoch beobachtet der Verfassungsschutz die «Querdenker», nicht aber die Klima-Bewegung. Ein Lehrstück über höhere Moral und politische Einseitigkeit.
Alle sind gleich, aber manche sind gleicher. Diese Erkenntnis aus George Orwells Parabel auf das totalitäre Sowjetsystem hat heute noch Bestand – auch im demokratischen Rechtsstaat Deutschland.
Obwohl auf das Konto von Linksextremisten genauso viele Gewalttaten gehen, behauptet Innenministerin Nancy Faeser unverdrossen, die Rechtsextremisten seien die grösste Gefahr.
Von der Blindheit auf einem Auge profitierten schon Lenin und Stalin: Selbst wenn die Linken Verbrechen begehen, kämpfen sie eigentlich für eine bessere Welt, für Fortschritt und Gerechtigkeit. Die Rechten hingegen sind nur Verbrecher. Sie haben keine Erlösungsideologie, die ihren Taten ein Mäntelchen der Legitimität umhängt.
Der Grundsatz, wonach einige stets gleicher sind als andere, gilt auch dort, wo Gewalt allenfalls billigend in Kauf genommen wird. Dass die Extremisten der «Letzten Generation» in Berlin einen Stau verursachten, der unter Umständen eine Mitursache für den Tod einer Velofahrerin war, wurde pflichtschuldig verurteilt. Aber eben nur pflichtschuldig.
Die Urheber der Aktion veröffentlichten ein von Selbstgerechtigkeit triefendes Manifest. Reue oder auch nur einen Zweifel, ob der gute Zweck wirklich sämtliche Mittel rechtfertigt, zeigten sie nicht. Stattdessen reklamierten sie eine höhere Moral für sich.
Die Klimajugend «Fridays for Future» sah im Anschluss an den Unfalltod keinen Grund, sich in aller Form von ihrer extremistischen Schwester-Bewegung zu distanzieren. Grüne und Sozialdemokraten wiederum distanzierten sich nicht von «Fridays for Future». Denn man kämpft ja für eine bessere Welt ohne Erderwärmung, und das hehre Ziel erfordert Opfer.
Wer delegitimiert den Staat mehr – die Klima-Bewegung oder die «Querdenker»?
Wie anders fällt doch die Reaktion auf «Querdenker», Corona-Leugner und Putins fünfte Kolonne aus – auf den ganzen Narrensaum einer von den vielen Krisen unserer Zeit verunsicherten Mittelschicht. Obwohl im Zusammenhang mit ihren Demonstrationen keine Todesopfer zu beklagen sind, schuf der Inlandgeheimdienst eine Kategorie, um eine Überwachung zu begründen: die «verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates».
Wenn sich die Aktivisten der «Letzten Generation» auf Strassen festkleben, verüben sie Straftaten. Sie kalkulieren Notsituationen mit lebensgefährdenden Folgen ein, denn sie wollen die Gesellschaft nötigen. Trotzdem macht das allein sie noch nicht zu «Öko-Terroristen», wie es jetzt heisst. Von Strassenblockaden ist es ein ziemlich weiter Weg bis zum mörderischen Irrsinn der «Rote-Armee-Fraktion».
Die «Querdenker» glauben an finstre Mächte, an eine Impf-Lüge, die Schuld der Ukrainer und der USA am Kriegsausbruch. Deswegen sind sie noch keine Verfassungsfeinde. Das Grundgesetz schützt die Freiheit, auch absonderliche Meinungen zu äussern.
Beide Bewegungen stellen – derzeit – keine ernstliche Gefahr für den Staat dar; beide werden die Demokratie nicht zum Einsturz bringen. Aber nur eine Bewegung wird vom Verfassungsschutz beobachtet, obwohl die Begehung von Straftaten nicht einmal den Kern ihrer Aktionen darstellt. Manche Protestformen sind eben gleicher als andere.
Würde das Bundesamt für Verfassungsschutz dieselben Kriterien anlegen wie bei den «Querdenkern», müsste die Behörde auch die Beobachtung von «Fridays for Future» öffentlich verkünden. Deren Anhänger fordern, die soziale Marktwirtschaft «zu verbrennen» und nicht fossile Brennstoffe. Sie stellen wie Luisa Neubauer die Demokratie infrage, sollten deren nun einmal langwierige Verfahren einen schnellen Klimaschutz behindern. Deutlicher kann man den Staat und seine verfassungsmässigen Grundlagen nicht delegitimieren.
«Fridays for Future» hat für Reformer und Realisten nur Verachtung übrig
Dennoch bleibt der Verbalradikalismus der Klimajugend ohne Folgen. Der Staat drückt ein Auge fest zu, weil die Mehrheit der Bevölkerung die Erderwärmung für eine grosse Gefahr hält. Der Klimaschutz-Bewegung wird moralische Legitimität zugeschrieben, selbst wenn ihr extremistischer Rand vor kriminellen Handlungen nicht zurückschreckt.
Dieselbe Mehrheit sieht hingegen in den Menschen, die sich bei «Montagsspaziergängen» einfinden, nichts als Spinner, deren krude Anliegen kein Verständnis verdienen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Demonstranten oft Ostdeutsche sind. Deren Ansichten betrachten die Westdeutschen ohnehin mit Argwohn.
Der Inlandgeheimdienst als Büttel zur Verfolgung einer Minderheit im Namen der Mehrheit? Die Behörde könnte es eines Tages bereuen, dass sich ihr Präsident Thomas Haldenwang so bereitwillig politisch instrumentalisieren lässt. Mehr Zurückhaltung wäre wünschenswert. In der Demokratie sind Geheimdienste nicht dazu da, missliebige Weltanschauungen zu verfolgen.
Von der gebotenen weltanschaulichen Neutralität, mit der der Staat allen Protestformen begegnen sollte, sofern sie die Grenze zur Straftat nicht überschreiten, hat sich die Bundesrepublik im Namen einer höheren Moral längst verabschiedet.
Dabei gibt es eigentlich nichts Gefährlicheres in der Politik als Revolutionäre, die sich auf Moral berufen. Und revolutionär will die Klimajugend ja sein.
Sie verachtet den Pragmatismus der Reformer, die im Gestrüpp der internationalen Konferenzen und der widerstreitenden innenpolitischen Interessen nach tauglichen Konzepten für den Klimaschutz suchen. Sie verachtet die Bescheidenheit der Realisten, die eine Anpassung an die Erderwärmung für unumgänglich halten, wenn sich das ambitionierte Zwei-Grad-Ziel nicht in der nötigen kurzen Frist erreichen lässt.
Eine neue Generation von Unbedingten will Katharsis statt Kompromisse. Sie träumt von der grossen Wende, die wieder einmal Erlösung bringen soll.
Entlastungspakete und konsequenter Klimaschutz passen nicht zusammen
«Fridays for Future», von den extremistischen Gruppen ganz zu schweigen, vertritt einen Absolutheitsanspruch, der einem Robespierre oder Lenin nicht fremd gewesen wäre. Die Ideologie ist hermetisch, weil sie Güterabwägungen nicht zulässt. Die Rettung des Klimas steht bedingungslos über allen anderen Staatszielen.
Dieser kategorische Imperativ des 21. Jahrhunderts passt nicht zu einer Politik, die mit Entlastungspaketen den sozialen Frieden zu garantieren versucht. Die volle Schockwirkung der Energiepreise würde den CO2-Ausstoss deutlich senken, doch betrachten selbst die deutschen Grünen dies als politischen Selbstmord.
Der Vergleich mit Berufsrevolutionären früherer Tage mag zunächst weit hergeholt erscheinen. Natürlich unterscheiden sich die Mittel fundamental. Die Bolschewisten haben sich nicht vor dem Winterpalais festgeklebt, sondern es gestürmt. Aber die Klimajugend wäre die erste pseudorevolutionäre Bewegung, in der sich nicht einzelne Mitglieder aus Frustration über ausbleibende Erfolge radikalisieren würden.
Schon die Selbstbezeichnung als «Letzte Generation» verrät ein totalitäres Denken, das sich mit der auf Ausgleich angelegten Demokratie schlecht verträgt. Wenn die Politik nicht auf die Forderungen eingeht, stirbt die Menschheit aus. Sofort. Unausweichlich. Unwiderruflich. Ideologien der Alternativlosigkeit unterdrücken alle Zweifel und fördern den Fanatismus. Das macht sie gefährlich.
Die Erderwärmung ist eine gut belegte Tatsache, deren menschengemachte Ursache immer weniger Menschen infrage stellen. Doch selbst unbestreitbare Erkenntnisse produzieren politische Widersprüche. Werden diese nicht aufgelöst, münden sie in Heuchelei oder Frustrationen.
Einerseits kommt eine Velofahrerin im Zusammenhang mit einem Klima-Protest zu Tode. Anderseits subventionieren viele europäische Staaten den Energieverbrauch von Privathaushalten und Unternehmen mit hohen Summen. Die Regierungen sind sogar zufrieden, wenn mehr klimaschädliche Kohle verfeuert wird, solange niemand friert.
Der Widerspruch zwischen so viel Pragmatismus und dem Anspruch der Klima-Bewegung auf rasche und totale Umkehr lässt einen frösteln. Der Sprengstoff ist unübersehbar.
Die Frage ist legitim, was mit den Aktivisten geschieht, wenn ihre Erwartungen enttäuscht werden. Noch bevölkern sie die Talkshows und scheinen davon überzeugt, dass die grosse Wende bald kommt. Was aber passiert, wenn die Läuterung der globalen Konsumgesellschaft Stückwerk bleibt? Löst sich die Bewegung dann auf und zieht sich ins Private zurück, oder sucht sie andere Wege?