von Thomas Heck...
Was für ein Kontrast. Der Unterschied zwischen dem amtierenden US-Präsidenten Joe Biden und seinem Amtsvorgänger Donald Trump könnte nicht größer sein. Biden letzte Pressekonferenz liegt schon weit über 2 Monate zurück, jetzt weiß man warum. Ein unsicheres Gestottere, Konzentrationsprobleme und ein schwerer Fehler angesichts eines gigantischen russischen Truppenaufmarsches an der ukrainischen Grenze, der von Putin als grünes Licht für eine kleinere Invasion ausgelegt werden könnte. All das wäre unter Donald Trump nicht möglich gewesen, der, sicher nicht ohne Fehler, aber selbstbewusst, stolz und im Gegensatz zu Biden ziemlich wach auftrat. Der Mann wusste noch, was er wollte.
Ein Jahr nach seiner Amtseinführung färbt der US-Präsident seine mittelmäßige Bilanz schön. Ausgerechnet am Vorabend eines möglichen russischen Einmarsches in die Ukraine unterläuft ihm ein schwerer verbaler Fehler.
Hintergrund: Joe Bidens Amtseinführung am Donnerstag liegt ein Jahr zurück. Aus diesem Grund gibt Biden, 79, am Mittwochnachmittag eine seiner seltenen Pressekonferenzen. Der Präsident steht unter Druck, er hat miserable Umfragewerte, bekommt sein zentrales Sozial- und Klimaprojekt nicht durchgesetzt, scheitert an Senatoren der eigenen Partei. Es herrscht eine Sieben-Prozent-Inflation, auf die das Weiße Haus keine Antwort hat. Das Covid-Management läuft nicht.
Kurzum: Biden liefert nicht, wirft Wahlversprechen über Bord. Den Demokraten droht deshalb bei den Zwischenwahlen im November eine Wahlschlappe.
Biden hat 78 Tage lang keine Pressekonferenz gegeben. Er spricht ab 16.02 Uhr im East Room des Weißen Hauses, beginnt mit der Anrede „Hello folks“, redet zunächst eine Viertelstunde lang über seine vermeintlichen Erfolge. Anschließend beantwortet er gut eineinhalb Stunden lang über 40 Fragen.
Biden verstolpert sich mehrfach. Er zeigt Konzentrationsschwächen. Mehrfach schließt er die Augen, starrt an die Decke, um sich konzentrieren zu können. Nach über einer Stunde Fragen schaut er auf die Uhr, fragt die Reporter: „Wie lange wollte Ihr das noch machen?“ Gesteht ihnen weitere 20 Minuten zu. Man versteht, warum Bidens Mitarbeiter den Präsidenten so selten wie möglich vor dem Mikrofon sehen wollen.
Schwerster Fehler: Biden sagt, er glaube, dass russische Soldaten in die Ukraine eindringen würden. Die sei allein die Entscheidung Wladimir Putins. Dieser wolle den Westen „testen“. Er glaube aber nicht, dass Putin „einen ausgewachsenen Krieg“ wolle.
„Es ist eine Sache, wenn es sich um ein geringfügiges Eindringen handelt“, sagt Biden mit Blick auf eine mögliche Reaktion der Nato. Was aber meint er mit einem „geringfügigen Eindringen“ („minor incursion“)? Der Begriff ist ausgesprochen, in der Welt.
Im State Department dürften sie sich an den Kopf packen. Im Nationalen Sicherheitsrat erst recht. Man muss sich das einmal vorstellen: Am Vorabend eines möglichen Einmarsches Russlands in die Ukraine, also eines Krieges mitten in Europa, philosophiert der US-Präsident über einen gewissermaßen kleinen Einmarsch Russlands und, indirekt, eine verhaltene Reaktion der Nato. Zugespitzt: Gestehen die USA Russland also einen kleinen Teil der Ukraine zu? Noch während der Pressekonferenz versucht sich das Weiße Haus in Schadensbegrenzung. Eine Sprecherin twittert, Biden habe die Sache später „klargestellt“.
Er habe sich auf den Unterschied zwischen militärischen und nicht-militärischen Aktionen der Russen bezogen, etwa Cyber-Attacken. In der Tat lässt sich Biden später zu diesem Thema ein. Seine vorherige Aussage stellt er jedoch mitnichten klar, nimmt sie nicht zurück. Angesichts dieses schweren Fehlers wirkt die Drohung von Sanktionen im Falle eines Einmarsches („ein Desaster für Russland“) wenig kraftvoll.
Bidens Äußerung sorgt für Ärger
Eine halbe Stunde nach Bidens Auftritt sieht sich seine Sprecherin zu einem Statement gezwungen. „Wenn sich russische Streitkräfte über die ukrainische Grenze bewegen, ist das eine erneute Invasion, und darauf werden die Vereinigten Staaten und unsere Verbündeten schnell, hart und geschlossen reagieren“, heißt es darin.
Die Äußerung von Biden hat da bereits für Ärger gesorgt. Der US-Sender CNN zitiert einen ungenannten ukrainischen Regierungsvertreter mit den Worten, er sei „schockiert, dass US-Präsident Biden zwischen Eindringen und Einmarsch unterscheidet“. Das gebe dem russischen Präsidenten Wladimir Putin „grünes Licht, nach Belieben in die Ukraine einzudringen“. Der prominente republikanische Senator und Außenpolitiker Lindsey Graham sagt, er sei „fassungslos“ über die Worte Bidens.
Gravierender Fehler: Biden wird gefragt, ob er den Ablauf der Zwischenwahlen im November für legitim erachten wird. Er vermeidet eine klare Antwort. Es hänge davon ab, ob es ihm gelinge, die eigenen Wahlgesetze durch den Kongress bekommt. Auf gut Deutsch: Ohne die von ihm verlangten Reformen dürften die Wahlen rechtswidrig ablaufen. Was aber, wenn er seine Wahlgesetze nicht durchsetzt?
Schönfärberei: Biden lobt die 210 Millionen „voll geimpften“ Amerikaner. Damit bezieht er sich auf diejenigen, die noch nicht den Booster erhalten haben. Den Booster haben nämlich gerade mal 39 Prozent in den USA (Deutschland: 48,3 Prozent). Er habe nicht zu viel versprochen, behauptet Biden – während er im Sommer 2021 schon die „Unabhängigkeit vom Virus“ beschwor. Er preist die Covid-Tests, die die Regierung nun – im Jahr Drei der Pandemie – an die Bevölkerung zu verschicken beginnt. Biden betont: „Ich bin ein Optimist.“
Eingeständnis: Seit Monaten liegt das zentrale Sozial- und Klimapaket im Senat, Parteifreunde blockieren es. Biden gibt sich zuversichtlich, dass „große Teile“ des Paketes Gesetz würden. Den Weg dahin beschreibt er nicht. Es handelt sich um ein Eingeständnis, dass das schon jetzt halbierte Paket weiter filetiert werden muss, um Teile davon umzusetzen. Aber was genau? Wann? Wie? All das bleibt offen.
Softe Angriffe: „Wofür stehen die Republikaner?“ „Was ist ihr Wahlprogramm?“ „Was will Mitch McConnell? Was ist seine Position in der Migrationspolitik? Im Umgang mit Russland?“ In der Tat: All das ist offen, die Republikaner haben kein Programm, sie haben nur Donald Trump. Aber mit solchen Wattebäuschchen-Fragen werden die Demokraten die Kongresswahlen in gut zehn Monaten kaum gewinnen.
Biden will 2024 noch einmal mit Harris antreten
Kurz und wertlos: „Ja und Ja“ – so lautet Bidens kürzeste Antwort. Er reagiert damit auf zwei Fragen: ob er mit der Leistung seiner Vizepräsidentin Kamala Harris beim Thema Wahlreform einverstanden ist und ob er mit ihr 2024 wieder antreten will.
Die Frage ist berechtigt, Harris‘ Bilanz ist bescheiden, ihre Umfragewerte sind desaströs. Bidens Antwort aber ist wertlos. Eine erneute Biden/Harris-Kandidatur 2024 erscheint, Stand heute, wenig wahrscheinlich. Biden kann derzeit nur keine Debatte über Harris zulassen. Das hätte er mit jeder Antwort, die nicht „Ja und Ja“ heißt, jedoch getan.
Zweifel am Team: Der Biden-freundliche Fernsehsender CNN fragt, ob er mit der Kompetenz seiner Regierung und seinen Mitarbeitern zufrieden sei. Die Frage sitzt. Biden lässt sich aber nichts anmerken, sagt: „Ich bin zufrieden mit meinem Team.“ Das stimmt insoweit, als er bisher keinen Minister oder Spitzenbeamten gefeuert hat.
Bekenntnis: „Ich bin kein Sozialist. Ich bin ein Mainstream-Demokrat.“ (Auf die Frage des Fernsehsenders Fox News, warum er das Land so weit nach links ziehe.)
Wortkarg: „Ich habe keine Ahnung.“ (Auf die Frage des rechten Trump-freundlichen Fernsehsenders Newsmax, warum angeblich so viele Amerikaner ihn als Präsidenten für mental ungeeignet halten.)
Widerspruch: „Ich glaube nicht an Umfragen“, sagt Biden, um wenige Minuten später ausgiebig über eigene Zustimmungswerte und die seiner Vorgänger nach einem Jahr im Amt zu reden. Samt diversen Prozentwerten.
Fazit: Ein peinlicher Auftritt des US-Präsidenten mit politisch hochgefährlichen Aussagen, die das Weiße Haus nun als Ausrutscher zu relativieren versucht. Biden redet die Lage des Landes schön. Dabei weist er keinen Weg, wie er eine Zustimmung für Wahlreformgesetze und Sozialpaket bekommt.
Ein Ausblick auf die kommenden drei Jahre? Fehlanzeige. Bidens Team dürfte künftig noch rigoroser darauf drängen, die Zahl seiner Pressekonferenzen zu beschränken.
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