von Dr. Eran Yardeni
Die folgende Tatsache scheinen viele in Europa vergessen oder verdrängt zu haben.
Am 25. Januar 2006 haben die Wahlen zum Palästinensischen Legislativrat stattgefunden. Die Liste „Wechsel und Reform“ der Hamas hat die Wahl mit 440.409 (44%) Stimmen gewonnen, ca. 30.000 Stimmen mehr, als die Liste der Fatah-Bewegung (410.554 / 41,4%). Weil die 132 Sitze des palästinensischen Parlaments nur zur Hälfte über Listenwahl vergeben werden, während die andere Hälfte über relative Mehrheitswahl in Wahlkreisen verteilt wird, gewann die Hamas nicht weniger als 74 Sitze, 29 mehr als die Fatah (45 Sitze).
Die Liste der „Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP)“ unter dem vielversprechenden Namen „Märtyrer Abu Ali Mustafa“, landete auf dem dritten Platz und gewann mit 42.101 Stimmen (4,2%) 3 Sitze.
Was die Palästinenser damals motivierte, ihre Stimme einer mörderischen islamistischen Terror-Organisation zu geben, ist im Grunde genommen nichts anderes als die Motive der 37,3% der deutschen Bevölkerung, die ihre Stimme einem gewissen Adolf Hitler und seiner NSDAP gegeben hatten. In beiden Fällen ging es, auch wenn die Ursachen und die Umstände unterschiedlich waren, um eine tiefgreifende Frustration, um das Gefühl, dass „es so einfach nicht weitergehen kann“, ein Gefühl, das fast immer mit messianischen Visionen verbunden ist. Erlösung anstatt Lösung.
Dazu kommt noch etwas: Sowohl die Palästinenser heute als auch die Deutschen damals „meinten es nicht wirklich so“. Die Deutschen sahen nicht die Vision von rauchenden Krematorien, als sie Hitler wählten und später unterstützten. Und die Palästinenser träumten nicht von dem Altar, auf dem sie jetzt im Namen Allahs geopfert werden.
Beide aber wussten ganz genau, mit wem sie ins Bett gingen - und zwar bevor sie die Beine spreizten. Die Hamas hat sich bis 2006 als eine Terror-Organisation etabliert, deren Opferliste länger war als die Einkaufliste einer fünfzehnköpfigen Familie. Vor allem mit dem Angebot „72 Jungfrauen für Selbstmordattentäter“ hat sie sich einen weltweiten Ruf herbeigebombt. Dass Hitler und seine Partei bis 1933 keine Friedensstifter und keine Philosemiten waren und dass ihr Herz nicht für die Demokratie schlug - das wusste jeder, von Rostock bis zum letzten Dorf in den bayrischen Bergen.
Trotz der Gemeinsamkeiten gibt es natürlich auch ein paar Unterschiede. So haben sich die Palästinenser den Traum erfüllt, an dem die Deutschen gescheitert sind. Sie haben die Welt davon überzeugt, dass sie nicht die Verursacher ihrer eigenen politischen Katastrophe sind. Während die Aussage „Das erste Land, dass Hitler eroberte und versklavte war Deutschland“ uns völlig bescheuert vorkommt, weil diese These die Deutschen von der Last der Verantwortung befreit, finden viele die Trennung zwischen der Hamas und der Bevölkerung in Gaza völlig legitim. So hört man oft, dass „die Hamas ihre eigene Bevölkerung als Geisel nimmt“, als wäre nicht diese Bevölkerung der Grund, warum die Hamas so mächtig geworden ist.
Warum die Palästinenser dort Erfolg haben, wo die Deutschen gescheitert sind, kommt auch daher, dass die meisten Deutschen ihre politische Verantwortung nicht leugnen konnten. Weil Deutschland, vor allem West-Deutschland, aus politischen Gründen diese Verantwortung nicht loswerden durfte. Die Anerkennung der eigenen Schuld und der damit verbundenen Verantwortung galten als notwendige Bedingung für Deutschlands Rückkehr in die Weltgemeinschaft.
Anders ist es aber mit den Palästinensern. Sie haben sich erfolgreich als die ewigen Opfer der Geschichte etabliert. Und aus dieser Rolle kommen sie aus eigener Kraft nicht raus.
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