Dienstag, 26. August 2025

Wie das „Klimacamp“ versuchte, Frankfurt judenrein zu machen

von Julian Marius Plutz

Stein des Anstoßes: Gedenkplakat für die von der Hamas festgehaltenen Geiseln



Die Verfolgung der Juden in Frankfurt am Main begann unmittelbar nach der Machtübernahme der Nazis. Bereits wenige Monate später setzte die NSDAP den Boykott jüdischer Geschäfte, Anwaltskanzleien und Arztpraxen durch und tauschte die vertriebenen und enteigneten jüdischen Kaufleute, Mediziner oder Juristen durch eingesetzte Günstlinge und Schergen von SA und SS aus. Es markierte in der Mainmetropole den Beginn der systematischen Ausgrenzung, die die Nürnberger Gesetze von 1935 dann noch weiter verschärften und die am Ende ihren mörderischen Höhepunkt in den Konzentrationslagern fand. In Frankfurt entschied man sich zunächst für sogenannte „Judenhäuser“, in denen man Juden nach den Novemberpogromen internierte, um sie dann in Richtung der Vernichtungslager zu deportieren.

Einige dieser „Judenhäuser“ fanden sich auch im Frankfurter Westend, genauer gesagt in der Bockenheimer Landstraße. Es ist just der Stadtteil, der in diesen Tagen erneut in den Schlagzeilen geraten ist, weil dort ein sogenanntes “Klimacamp” seine wortwörtlichen Zelte aufgeschlagen hat – offenkundig nahtlos an die Geschichte ihrer Großväter und Urgroßväter von 1933 anknüpft. Die Rede ist vom ISR (“System Change Camp”), eine selbstorganisiertes Zeltlager, das vom 14. bis 26. August 2025 im Grüneburgpark in Frankfurt am Main, Westend, stattfindet. Es dient laut den Veranstaltern als Plattform für “Bildung, Austausch und Vernetzung der Klimabewegung” mit dem vergeblichen Ziel, eine sogenannte “sozial-ökologische Transformation” zu fördern. Das Motto spricht Bände: „Geschichte ist machbar – System Change auch“. Wenn man so will, nahmen die Beteiligten das Motto bislang auch beim Wort.

„Wir wollen doch nur das Lager sehen!“

Am vorgestrigen Samstag wurden im nämlich mitten im Frankfurter Grüneburgpark drei jüdische Aktivisten, darunter Sacha Stawski, mit roter Farbe attackiert, als sie Plakate mit Bildern von Hamas-Geiseln an Bauzäunen anbrachten. Der Angriff erfolgte durch Teilnehmer des Camps, die zuvor die Aktivisten als „Mörder“ beschimpft und bedrängt hatten. In den Tagen vor dem Vorfall wurden wiederholt Plakate, die an die von der Hamas entführten Geiseln erinnern sollten, mutmaßlich von einem Frankfurter Studenten abgerissen. Das muss wohl die „Geschichte“ gewesen sein, die hier „machbar“ gemacht werden soll. Mit Erfolg: Bis zuletzt hingen keine Plakate mehr, um auf die Geiseln, die immer noch in den Tunneln der Hamas, sofern sie überhaupt noch leben, festgehalten werden, hinzuweisen.

Bei einer „Lagerführung“ durch das Camp stellten Teilnehmer der Begehung kritische Fragen bezüglich der Vorfälle am Tag zuvor. Doch statt einer Diskussion bügelte der Führer, der sich als „Biene“ vorstellte, die Diskussion ab: Es wären nur Einzelpersonen gewesen, die sich von den aufgehängten Plakaten “provoziert” gefühlt hätten. Man muss sich das einmal vorstellen: Vor der lokalen Gegenwart eines geschichtsträchtigen Ortes, an dem Juden konzentriert festgehalten wurden, um sie in gleichnamige Lager zu deportieren, lassen es Klimabewegte allenfalls bedingt zu und wollen im Prinzip gar nicht, dass Juden (einer der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Frankfurt war bei der Begehung sogar persönlich zugegen!) in die Diskussion gehen. „Wir wollen hier das Lager sehen!“, empörte sich eine ältere Dame, ehe die Diskussion beendet wurde, als sie erst begonnen hatte.

Eindeutige Parolen an der “Zeltstadt des Klimawiderstands“



Das “Klimacamp” in Frankfurt markiert einen weiteren Tiefpunkt einer grünen Bewegung, die durchsetzt ist mit judenfeindlichen Narrativen. Ihre Mitstreiter agieren methodisch nicht anders als ihre geistigen Ahnen. Das alles geschieht in einem beliebten Park im Frankfurter Westend, der für mehrere Tage herhalten musste, damit dedizierte Judenfeinde ihre braun-grüne Propaganda verbreiten durften. Unweit des Camps befindet sich die Jüdische Volkshochschule, neben der – wie bei vielen anderen jüdischen Einrichtungen – eine 24-Stunden-Polizeistation für den Erhalt der Bildungsstätte sorgen muss. Vielleicht würde es den Klimaspinnern ja guttun, statt ihr Camp mit feindseligen Aktionen judenrein zu machen, einmal den simplen Banner zu lesen, der die Pforten der dortigen Schule schmückt: „Bring them home now“. Dieses Motto sollte eigentlich der Minimalkonsens eines jeden Menschen sein, der behauptet, das Herz an der richtigen Stelle zu haben.

Was hier bleibt, ist mehr als nur ein fader Beigeschmack. Es ist eher die neuerliche Bestätigung eines Gefühls, dass es vielen Menschen widerstrebt und sie gar nicht in die Lage gebracht werden möchten, aus der Geschichte Rückschlüsse in die Gegenwart und Zukunft zu ziehen. So etwas wie “Judenhäuser” in der Bockenheimer Landstraße und an anderen Orten in Frankfurt wird es vermutlich nicht mehr geben – doch die Verunmöglichung jüdischen Lebens, getarnt als „Solidarität mit Gaza“ und „Israelkritik“, hat längst den Mainstream und das vermaledeite Juste Milieu erreicht. Die SA von heute scheint grün zu sein, und die neue SS wirkt in ihrer Agitation erschreckend links. Am Ende ist der Effekt gleich: Ein Land, das so stolz auf seine “Erinnerungskultur” ist (als könne man allen Ernstes stolz auf die Shoah sein…!), versucht , sich selbst wieder Stück für Stück judenrein zu machen.


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