Samstag, 1. April 2023

König Charles zu Besuch bei den Piefkes: Karlheinz Durchschnitt und Karla Mittelmaß...

von Thomas Heck...

Als Offizier hatte ich in den 90er-Jahren gute Verbindungen zur britischen Armee, war oft zu Empfängen eingeladen und habe immer den Stil in den britischen Offizier-Casinos bewundert, etwas, von dem wir uns hätten immer eine Scheibe abschneiden können. In Sachen Stil hat Großbritannien sein Level bis heute gehalten, während Deutschland auch hier so wie in anderen Bereichen abgewirtschaftet hat.

So beim Staatsbesuch von König Charles: Deutschland präsentiert sich als Entwicklungsland. C-Promis, sackige Uniformen und mieses Essen: Warum die BRD nur noch zu Mittelmaß imstande ist. Ein Ranking der Peinlichkeiten.

Oje, was kommt jetzt schon wieder? So werden sich Charles und Camilla die vergangenen drei Tage gefühlt haben


„No Substance but Style“, dieser englische Satz beschreibt den Zustand von Großbritannien gut. Das zeigte sich beim Begräbnis der verstorbenen Queen Elizabeth. Stilvolle Uniformen, Kutschen, geschmackvolle Blumenarrangements und Millionen Zuschauer. Von außen betrachtet präsentiert sich das Königreich immer noch als imperiale Großmacht, dahinter aber bröckelt und knirscht es gewaltig.

Großbritannien ist zwar mit einer jährlichen Wirtschaftsleistung von 3,2 Billionen Dollar (hinter Deutschland, 4,3 Billionen Dollar) noch die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, aber nur noch ein wirtschaftlicher Zwerg im Vergleich zu goldeneren Zeiten.

König Charles war im Bentley unterwegs. 3,4 Tonnen pure Eleganz


Laut Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist Großbritannien „die einzige große fortgeschrittene Volkswirtschaft, für die die Ökonomen in diesem Jahr eine Rezession vorhergesagt haben“. Damit schneidet Großbritannien sogar schlechter ab als Russland.

Stilkritik der Woche: Königin Camilla lässt Deutschlands First Lady Elke Büdenbender alt aussehen


Die Briten können's, die Deutschen können's nicht – das zeigt sich auch während des Berlin-Besuchs von Charles III. und seiner Frau.

1. Made in Germany hat auch ausgedient

Als Deutscher könnte man auf die Idee kommen, für die Bundesrepublik gelte das Gegenteil: „No Style but Substance.“ Oder so gefragt: Sind das gute alte „Made in Germany“ und der sagenumwobene Mittelstand von der Schwäbischen Alb nicht der Garant für unseren Wohlstand? Sind wir nicht spießig, aber dafür eben reich? Wer ein bisschen die Wirtschafts-News studiert, der merkt: Auch wir befinden uns in einem schleichenden Niedergang. „No Style, no Substance.“

Der erste Staatsbesuch seiner Majestät König Charles III. hat das peinlich belegt. Protokollmäßig schien man nicht nur überfordert, sondern präsentierte sich zudem wie ein Entwicklungsland. Frei nach dem Motto: Wenn man sich selbst nicht mehr sieht, hat man auch keinen Blick für sein Gegenüber.

Flecktarn und weiße Handschuhe: Bundeswehr-Uniformen aus der Hölle beim Staatsbesuch von König Charles



2. Militärische Ehren am Pariser Platz

Am Mittwoch wurde der König mit militärischen Ehren auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor empfangen. Charles III. trug einen würdigen Mantel und polierte Oxford-Schuhe. Unser Bundespräsident einen zu kurzen Anzug mit einer Art Baggy-Hose, dazu grobe Hüttenschuhe. Camilla präsentierte sich in einem stilvollen Gehrock, Elke Büdenbender trug Rohseide und ein Sommerhütchen nach Art der Pensionäre im Ostseebad Binz auf Rügen.

Viel wichtiger aber: Was ist das für eine Karikatur von Militär, die da am zweithässlichsten Platz (nach dem Alexanderplatz) von Berlin Spalier stand? Sackige hellgraue Uniformen mit Schlips, Hosen mit hohem Synthetik-Anteil in die Knobelbecher gesteckt.

Hässlicher Platz und sackige Uniformen: Wenn man Staatsempfänge nicht drauf hat, dann sollte man es lassen


Unter ihren grünen Baretts trugen manche lange Haare und Spitzbärte wie jene Art von dicklichen jungen Männern, die gerne Videospiele zocken und die Haustür nur für den Pizzalieferanten öffnen. Einen Krieg gewinnt man mit diesen Figuren jedenfalls nicht. Stichwort: Zeitenwende.

Warum nicht mal wie zu Kaisers Zeiten ein paar Pferdchen und Kavallerieoffiziere mit glänzendem Kürassier und einem Säbel? Wenigstens für diesen einen Tag im Jahr?

Generell lassen sowohl der Flecktarn- als auch der Ausgehanzug der Bundeswehr seinen Träger gedrungen aussehen. Man fragt sich, ob die Bundesrepublik aus Kalkül so hässliche Uniformen eingeführt hat, damit sich intelligente Menschen bloß nicht für eine Karriere bei den Streitkräften entscheiden.

Würdevoll trifft auf stillos: König Charles III. und Königsgemahlin Camilla sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit Ehefrau Elke Büdenbender



Ich verstehe, wir wollen keinen Kaiser mehr und distanzieren uns auch vom Dritten Reich, aber schauen Sie doch mal nach Frankreich, da sehen die Gardesoldaten auch anständig aus – und die haben auch keinen Kaiser mehr und sind eine stolze Republik.

Und wo waren eigentlich die Eurofighter, die die Farben des britischen Union Jack an den Himmel von Berlin malten? So jedenfalls musste der Monarch vor gerade einmal 1000 Bürgern – bei dem Besuch seiner Mutter 1965 waren es allein in West-Berlin eine Million Zuschauer – antreten, bevor er im piefigen Adlon eincheckte. Dass sich auch in ganz Berlin oder Potsdam nicht ein Gäste-Schloss finden lässt ... Absurd!

Defilee im Schloss Bellevue beim Staatsbesuch von König Charles III. in Berlin bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier


3. Das Staatsbankett im Schloss Bellevue

Auch das totrenovierte Barockschloss Bellevue war am Mittwochabend für die Windsors kein einladender Ort. Die Gästeliste bestand aus C-Promis (Campino in Gauklerschuhen und keine Claudia Schiffer, kein Boris Becker) und viel zu vielen provinziellen deutschen Politikern.

Dorothee Bär (schulterfrei!) verwickelte den König nach dem Essen sogar in ein Gespräch. Warum sagt dieser Frau eigentlich keiner, dass sie zu jedem Anlass unpassend gekleidet ist?

Unangenehm fielen die vielen geliehenen Fräcke aus zu dünnem Anzugstoff auf. Auf Fotos schimmern sie – im Gegensatz zum schweren Frack des Königs – in Silbergrau statt tiefschwarz. Waren Walter Scheel, Richard von Weizsäcker oder Roman Herzog noch echte Herren, die man bedenkenlos auf Monarchen loslassen konnte, so ist das Bundespräsidentenamt inzwischen zu einer Resterampe für gescheiterte Politiker verkommen. Auf Dieter Bohlen als Bundespräsident könnten sich vermutlich mehr Deutsche einigen als auf Frank-Walter Steinmeier.

In Deutschland gibt es keine Promis, sagt man. Und wenn doch, dann wären diese beiden Personen unser bestes Glamour-Paar


Christian Lindner und seine Frau Franca, geborene Lehfeldt (Schule des Lebens: RTL), nutzen das Staatsbankett, um mit ihren weißen Zähnen vor dem Hauptportal des Schlosses zu posieren, als wären sie auf einer Party eines neuen Haarpflegeproduktes in Düsseldorf.

Lindner begrüßte das Königspaar mit der Haltung eines Buben in der Pubertät, sie mit frischem Fuerteventura-Teint. An Camillas routiniertem Lächeln konnte man gut erkennen, dass sie daheim im Königreich auch schon einige Sonnenstudio-Aficionados empfangen hatte.

Zum neuen deutschen Glamour-Paar passte sowieso das ganze Ambiente des Abendessens: Die riesigen Leinwände mit zitronengelber abstrakter Malerei, der cremefarbene Teppich und vor allem die weißen Stühle mit Hussen. All das sah exakt so aus wie in der frisch renovierten Trattoria des Golfklubs von Wermelskirchen.

Das Menü des Staatsbanketts im Schloss Bellevue: blasse Skulpturküche des Hauskochs


4. Das Menü

Schaut man sich das Menü des Banketts (siehe Foto) an, dann zeigt sich darin die fehlgeleitete deutsche Nachkriegskultur. Alles soll volksnah sein, bloß keine Luxusprodukte. Wie immer gilt: nur keine Exzellenz. Das hat sich ja in die deutsche DNA eingeschlichen. Nur in den 1960ern wurde bei solchen Banketts zwar einfacher, aber viel besser gegessen.

Aufgetischt wurde am Mittwochabend rein deutsch. Auch die Weine kamen aus deutschen Weinanbaugebieten. All das ist Vorgabe des diplomatischen Protokolls. Der Baukasten, aus dem der Hauskoch Jan-Göran Barth schöpfen darf, ist also limitiert. Bundesweit haben wir einiges zu bieten und unsere Lebensmittelproduzenten und Produkte verdienen es, zelebriert zu werden.

Das Ambiente im Schloss Bellevue: Wie in der frisch renovierten Trattoria des Golfklubs von Wermelskirchen



Das Menü für König Charles jedoch entstammt einem Küchenstil, der sich „Deutsche Avantgarde“ schimpft und der schon vor gut zehn Jahren von der „New German Cuisine“ abgelöst wurde. Letzterer setzt auf einen Minimalismus, der fast schon an zivilen Ungehorsam erinnert. Die „Deutsche Avantgarde“ war noch deutlich verspielter, mit Gel und Schaum, Punkt, Komma, Strich, fertig ist der Fine-Dining-Firlefanz.

Diese Skulpturenküche findet man auch auf der Webseite des blassen Bellevue-Kochs. Der schlichte und authentische Stil der jungen Nachkriegsrepublik ist also verschwunden und wurde durch einen stillosen Schmu, absurde Hauptstadtarchitektur, peinliche Business-Kostüme und unserer Wir-machen-es-allen-recht-Politik abgelöst.

Barths Motto sei „Saibling statt Hummer“, sagte er mal in einem Interview. Dabei ist dieses Motto zu kurz gedacht, denn vor Helgoland etwa fängt man die schmackhaftesten Hummer der Welt. Pochiert in Holsteiner Butter, das wäre angemessen für diesen Abend gewesen.

Stattdessen: erster Gang, Karpfen mit Erfurter Brunnenkresse, Molke und Pumpernickel. Dann Rinderkraftbrühe, Weidehuhn mit Baumpilzen, Steckrübe, Spinat und Brombeer-Malzreduktion. Einen Pluspunkt gibt es für den Karpfen (sehr mutig!) und die Rinderkraftbrühe.

Selbst bei uns Deutschen inzwischen fast völlig unbekannt: Tote-Hosen-Sänger Campino


Aber der Rest und die Zutaten sind gewollt und nicht gekonnt. Wo bleibt der exzellente Beelitzer Spargel, der jetzt schon reif ist? Das Wild? Bestes Rindfleisch einfach zubereitet? Oder ein Stubenküken oder eine junge Taube? Pilze und Brombeeren, die haben jetzt gar keine Zeit. Alles ein unkoordiniertes Durcheinander. Dazu gibt es guten gereiften Riesling, aber eben nicht die besten Weine, die dieses Land zu bieten hat.

Britische Staatsbanketts werden nicht nur im Buckingham-Palast abgehalten, sie haben auch eine klare Linie. Hier legt man Wert auf Einfachheit, aber Raffinesse. Es gibt Beef Wellington, gefüllten Fasan aus Windsor, Hirsch aus Balmoral (selbst geschossen natürlich!) oder Wildlachs in Blätterteig. Vorweg eine Brühe, hinterher Pflaumeneis. Das hat Klasse!

Panorama des Schreckens: der gut gefüllte Bundestag bei der Rede von König Charles III.


5. Die Rede im Bundestag

Während sich die Komische Oper für den Besuch von Camilla und Elke Büdenbender noch nicht einmal die Mühe gemacht hatte, die Fenster zu putzen, zeigte sich bei der Rede des Monarchen am Donnerstag im Bundestag noch Schlimmeres: Alexander Dobrindt mit offenem Hemdknopf in Reihe eins, Abgeordnete im T-Shirt oder Kaki-Hemd und Turnschuhen. Protestierende Linke-Abgeordnete. Und ein souveräner Monarch im hellblauen Nadelstreifenanzug, der die deutschen Teile seiner Rede mit weniger Akzent sprach als Dorothee Bär oder Julia Klöckner.

Ist das ein Grabgesteck? König Charles musste in Berlin einiges ertragen



Vor dem Monarchen spannte sich das ganze Panorama deutscher Mittelmäßigkeit auf. Blumengestecke aus roten und weißen Rosen, die wie Grabkränze aussahen, und ein Bundeskanzler Olaf Scholz, der da vor dem Monarchen auf seinem Plastikstuhl saß wie ein kleiner Schuljunge.
Ein passendes Bild, denn insgesamt kann man den Zustand Deutschlands zusammenfassend so beschreiben: Stellen Sie sich den einen Kollegen bei Ihnen im Büro vor, der sich immer für alles entschuldigt. Und jetzt fragen Sie ihn mal, wann er das letzte Mal ein neues Gehalt verhandelt hat. Ja, genauso ambitionslos ist Deutschland.


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