Montag, 6. April 2020

Die angeblichen Gründe für Deutschlands niedrige Mortalität in Sachen Corona...

Die Zahl der Infizierten ist hoch, doch die Todesrate ist in Deutschland sehr niedrig. Das sorgt weltweit für Aufsehen. Wie gelingt Deutschland dies? Experten nennen fünf Gründe – einer hat mit Angela Merkel zu tun. 


Die Zahl der in Deutschland am Coronavirus Verstorbenen ist sehr niedrig, das fällt auch in anderen Ländern auf, etwa Großbritannien oder den USA.

Mit seinen derzeit 1400 Todesfällen kommt Deutschland auf eine Sterblichkeitsrate von 1,5 Prozent. Das ist sehr niedrig verglichen mit 12 Prozent in Italien, rund 10 Prozent in Spanien, Frankreich und Großbritannien, 4 Prozent in China und 2,5 Prozent in den USA. Selbst Südkorea, das immer wieder als Vorbild genannt wird, weist mit 1,7 Prozent eine höhere Todesrate auf.

Einige stellten, so schreibt der britische „Guardian“, schon die Datenerfassung infrage. Der Kontrast zu Italien sei besonders überraschend, da beide Länder den höchsten Anteil an Über-65-Jährigen in Europa haben. Der Bloomberg Global Health Index deute sogar darauf hin, dass Italiener einen gesünderen Lebensstil haben als Deutsche.

Auch wenn der Vergleich, den die „New York Times“ anstellt, aus wissenschaftlicher Sicht hinkt: Die Zeitung widmet am Wochenende der Frage, was Deutschland anders, ja besser macht, einen Artikel und lässt Experten zu Wort kommen.

Der Wendepunkt nach einer Woche Infektion

„Es ist schon von einer deutschen Anomalie die Rede“, sagt der Virologe Hendrik Streek, der deshalb Anrufe von Kollegen aus aller Welt bekommt. Für Bewunderung sorgen dabei zum Beispiel die sogenannten Corona-Taxis in Heidelberg: Mediziner in Schutzkleidung, die zu Patienten nach Hause fahren, fünf oder sechs Tage, nachdem diese an Covid-19 erkrankt sind.

„Am Ende der ersten Woche gibt es einen Wendepunkt“, erzählt Professor Hans-Georg Kräusslich, Leiter der Virologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Einen Punkt, an dem sich entscheidet, ob die Krankheit schlimmer wird. Die Ärzte schauen, ob die Patienten Anzeichen für eine solche Verschlechterung zeigen, und wenn, werden sie auch mit milden Symptomen ins Krankenhaus geschickt. Die Überlebenschancen würden erheblich verbessert, wenn man zu Beginn dieser Verschlechterung in einem Krankenhaus sei.

Heidelberg sei nur eine von vielen Initiativen, so heißt es anerkennend, die zeige, wie viel „Engagement und Einsatzbereitschaft“ der Staat in Deutschland im Kampf gegen die Epidemie aufwende.

Die niedrige Todesrate sei insgesamt das Ergebnis von statistischen Verzerrungen, aber auch tatsächlichen Unterschieden in der Art und Weise, wie Deutschland mit dem Virus umgehe.
Die Skifahrer und die Charité

Zuerst einmal ist das Durchschnittsalter der Infizierten in Deutschland viel niedriger als in anderen Ländern. Das liegt daran, dass das Virus vor allem von jungen Skifahrern nach Deutschland gebracht wurde. Erst mit der Ausbreitung des Virus waren immer mehr Ältere betroffen. Das Durchschnittsalter liegt trotzdem mit derzeit 49 noch immer niedriger als in Frankreich und Italien, wo es rund 62 Jahre beträgt.

Eine weitere, auch bereits hierzulande diskutierte Erklärung ist, dass in Deutschland weit mehr Menschen getestet werden als in anderen Ländern. Somit werden auch Proben von mehr Menschen ohne oder mit milden Symptomen genommen, was die Zahl der Infizierten, aber nicht der Todesfälle erhöht.

Als ein Erfolgsbaustein gilt auch, dass in der Berliner Charité bereits Mitte Januar einen Test entwickelt und online bereitgestellt wurde. In Laboren im ganzen Land wurde seitdem ein Bestand an Tests aufgebaut.

„Der Grund, warum wir in Deutschland derzeit so wenige Todesfälle haben, kann größtenteils durch die Tatsache erklärt werden, dass wir eine extrem große Anzahl von Labordiagnosen durchführen“, sagt Christian Drosten, Chefvirologe in der Charité. Inzwischen sind es wöchentlich 350.000 – weit mehr als in jedem anderen europäischen Land. Ein weiterer Vorteil sei, so Virologe Kräusslich aus Heidelberg, dass die Überlebenschancen bei früher Behandlung höher seien.

Darüber hinaus werde das medizinische Personal, das das Virus leicht verbreiten kann, in Deutschland regelmäßig getestet. Kostensparend werden in einigen Krankenhäusern Blocktests von zehn Mitarbeitern durchgeführt, nur bei einem positiven Ergebnis erfolgen Einzeltests. Ende April planten die Gesundheitsbehörden zudem eine große Antikörperstudie mit 100.000 Menschen.
USA: lange keine kostenlosen Tests

In den Vereinigten Staaten fällt ein Umstand besonders ins Auge: dass all dies in Deutschland für die Bürger kostenlos ist. Das ist nach Ansicht des Virologen Streeck der Schlüssel dafür, dass breit getestet wird. Und eben auch ein großer Unterschied zu Amerika. Erst ein im letzten Monat vom Kongress verabschiedetes Gesetz sieht kostenlose Tests vor. Zuvor sei in den Vereinigten Staaten ein junger Mensch ohne Krankenversicherung und mit leicht schmerzendem Hals wohl eher nicht zum Arzt gegangen, vermutet Streeck.

In den USA sind – wie in den meisten Ländern – die Tests vornehmlich auf die gravierend erkrankten Patienten beschränkt. In Deutschland wurden Menschen auch ohne Symptome getestet, weil sie in einem Gefahrengebiet waren oder auf einer Karnevalsveranstaltung, auf der auch ein Infizierter war. Undenkbar in vielen anderen Ländern. So wie auch dieses: Nach einem Infiziertenfall eines deutschen Schulmitarbeiters wurde gleich die Schule geschlossen und 235 Personen getestet.

„Testen und verfolgen ist die Strategie, die in Südkorea erfolgreich war, und wir haben versucht, daraus zu lernen“, sagte Streeck. Deutschland habe aber auch gelernt, dass es am Anfang noch aggressiver hätte verfolgen müssen. So hätten alle, die aus dem Skiort Ischgl zurückkehrten, aufgespürt und getestet werden müssen.

Als weiterer Vorteil gilt Deutschlands gutesGesundheitssystem. In der Coronakrise stockten viele Kliniken ihre mit Beatmungsgeräten ausgestatteten Intensivbetten auf. Dass Deutschland Zeit hatte, sich so vorzubereiten, nannte bereits der „Guardian“ als Vorteil.

Im Januar gab es rund 28.000 solcher Intensivbetten oder 34 pro 100.000 Menschen. Zum Vergleich: In Italien sind es zwölf und in den Niederlanden sieben. Mittlerweile stehen in Deutschland 40.000 Intensivbetten zur Verfügung. Die Kapazität reicht nun, um Patienten aus Spanien, Italien und Frankreich aufnehmen zu können.

Inzwischen seien schon einige Experten vorsichtig optimistisch, dass die Maßnahmen zur sozialen Distanzierung die Kurve so weit abflachen könne, dass das deutsche Gesundheitssystem die Pandemie übersteht, ohne dass Beatmungsgeräte ausgehen.

Die Zeit, die benötigt wird, um die Anzahl der Infektionen zu verdoppeln, hat sich deutlich verlangsamt.

Wenn es noch langsamer wird, 12 bis 14 Tage, so Susanne Herold, Ärztin in Gießen, deuten die Modelle darauf hin, dass eine Triage vermieden werden könnte. Also die Regeln für die Sortierung der Patienten, wenn nicht genug Beatmungsgeräte vorhanden sind.

Lob bekommt auch Kanzlerin Angela Merkel. Neben Massentests und dem Gesundheitssystem könnte sie ein Grund dafür sein, dass die Todesrate niedrig ist, heißt es. Merkel habe während der Krise „klar, ruhig und regelmäßig kommuniziert, als sie dem Land immer strengere soziale Distanzierungsmaßnahmen auferlegte“, schreibt die „New York Times“. Die Beschränkungen seien auf wenig politischen Widerstand gestoßen und würden weitgehend befolgt. Die Zustimmungsraten der Kanzlerin seien gestiegen.

„Unsere vielleicht größte Stärke in Deutschland“, sagt Kräusslich, „ist die rationale Entscheidungsfindung auf höchster Regierungsebene in Verbindung mit dem Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung.“ Schade, dass das in Sachen Flüchtlinge nicht möglich war oder ist...



2 Kommentare:

  1. Triage......wurde sogar in der Schweiz vor 20 Jahren schon angewendet, aber niemand sprach das Wort "Triage" aus.

    Meine Mutter hatte eine Hüftoperation, bekam Gehilfen ….von denen der eine Stock den Gummifuss verlor. Sie rutschte aus, stürzte und schlug mit dem Kopf auf die Fliesen in der Küche.
    Die Folge davon kam aber erst einige Tage später als sie eine Hirnblutung erlitt.
    Sie kam ins Krankenhaus wo sie sich Anfangs sehr schnell erholte.
    Aber sie konnte nicht richtig sprechen und als sie realisierte das sie eventuell eine Pflegefall werden könnte, starb sie innert 2 Tagen.
    Niemals im Leben wäre sie auch nur in Altersheim gegangen und schon gar nicht in eine Pflegeeinrichtung. Sie konnte gehen.... und es war gut so.

    Wir Kinder wussten das, also sagten wir dem Arzt, dass er sie nicht "Intensivbehandeln" solle.
    Der Arzt meinte daraufhin...... dass man das bei einer 80 Jährigen sowieso nicht tun würde, denn dazu hätten sie keinen Platz und die verfügbaren Betten müssten den jüngeren vorbehalten bleiben.

    Nun ja wir wollten ja nicht das sie um jeden Preis am Leben gehalten wird, nur um etwas zu bekommen, was sie niemals hätte haben wollen.

    Allerdings stellte ich bei dem Gespräch sofort und sehr energisch klar ......dass wir, die Familie, schlussendlich Entscheiden werden, uns den Stichentscheid vorbehalten wollen.
    Sollte dem nicht so sein, werde das sehr ernste Folgen für den Arzt haben.

    Der war daraufhin geschockt, ich hoffe aber er hat dabei etwas gelernt.

    Faktisch wurde also das Triage-System angewendet.
    In der reichen Schweiz wurde bei einer 80-Jährigen die Intensivbehandlung von vornherein ausgeschlossen.

    So ist es.... und nicht anders.
    Wenn da nun von den vielen über 80-Jährigen geschrieben wird die auf den Intensivstationen sterben, dann Frage ich mich ......was ist bei Corona anders als bei den Folgen einer Hirnblutung ?

    Ist es der Medienhype um Corona das man der breiten Bevölkerung nicht die Wahrheit über unser Gesundheitssystem sagen darf...?

    Pflegt man die vielen Ü-80 jetzt, WO MAN SIE SONST NUR STERBEN LIESS....?

    Das alles ist doch der Gipfel der Heuchelei.

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  2. Die Eloge des Herrn Kräusslich auf Merkel und ihre Regierung ist schlichtweg peinlich. Sie hat mit der Realität nichts zu tun.
    Cui bono?

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