Sonntag, 27. Oktober 2013

Kastanien für den Frieden

von Dr. Eran Yardeni

Das folgende Szenario hat wohl jeder Lehrer schon mal erlebt: Im Herbst fallen die Kastanien von den Bäumen und der Schulhof wird zum Schlachtfeld. Die Kastanien fliegen hin und her wie sonst nur die Anopheles-Mücken in den Sumpfgebieten Brasiliens. Damit auf dem Schulhof wieder Ruhe einkehrt, muss der Aufsichtslehrer zwei Schritte unternehmen: Den Kindern das Sammeln bzw. Besitzen von Kastanien untersagen und dementsprechend diejenigen sanktionieren, die trotz des klaren Verbots ihr Arsenal weiter ausbauen. Denn jeder Lehrer weiß: Ohne eine starke und entschlossene Autorität bricht der “Waffenstillstand” bald wieder in sich zusammen.

Für Schneeballschlachten gilt das Gleiche.

Alles wäre sehr einfach, wenn es keine Antiatomwaffenaktivisten gäbe, die die Logik der Schulordnung und die damit verbundenen pädagogischen Maßnahmen überall anwenden möchten, als wäre die Welt samt ihren Diktatoren, Tyrannen und Ajatollahs nicht mehr als ein größeres Modell des Schulhofs.

Die Grundannahme dieser Art von Pazifisten ist, dass das bloße Vorhandensein atomarer Waffe die Existenz der Menschheit in Gefahr bringt. Die Welt ohne Atombomben, so behaupten sie, wäre einfach sicherer.

Dieser Behauptung liegt aber eine andere Annahme zugrunde , die mit der Realität so gut wie nichts zu tun hat: Dass bei einer Abrüstung alle mitmachen würden. Denn schlimmer als jede atomare Aufrüstung kann nur eine einseitige atomare Abrüstung sein. Wer diesen Weg geht, ohne sicher zu sein, dass die anderen auch denselben Weg gehen, der macht das Leben auf dieser Erde nicht sicherer, sondern sein eigenes Leben unsicherer.

Mit anderen Worten: Die Frage ist, wie wollen die Ritter der Moral alle Kinder dazu bringen, die atomaren Kastanien abzugeben und zwar ohne die Hilfe einer von allen Beteiligten anerkannten Autorität, die vielleicht auf dem Schulhof, nicht aber auf der globalen Arena funktioniert.

Erstaunlicherweise fällt es den Gutmenschen leicht, diese hochkomplizierte Frage zu beantworten. Sie glauben, wenn die westliche Welt abrüstet, werden alle anderen folgen. Denn der Westen ist der Initiator und die Ursache jeden Unheils - während die anderen Kräfte und Mächte nur auf seinen kulturellen, politischen und militärischen Expressionismus reagieren.

Auf welchen Tatsachen aber basiert diese selbstzerstörerische Annahme, dass die anderen mitmachen werden? Gibt es einen Plan B für den Fall, dass ein paar Kinder nach den neu konzipierten Regeln nicht spielen wollen? Nicht einmal auf einem Schulhof kann man allein durch Vertrauen einen stabilen Waffenstillstand erreichen. Und wer im Namen des Friedens die Abrüstung verlangt, wird kaum bereit sein, gegen die Verweigerer etwas zu unternehmen, um sie zur Abrüstung zu zwingen. Das Beispiel Iran zeigt das Problem am besten.

Es wäre im Interesse des Friedens auf dem Schulhof und in der Welt besser, wenn ein paar vernunftbegabte und verantwortungsbewusste Kinder ihre Kastanien behalten würden, statt sie allen abzunehmen - bis auf paar Schurken, die alle anderen terrorisieren können. 

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