Nie für das eingesetzt, was er am besten konnte
Dann erzählt er von Afghanistan. Viermal sei er dort gewesen, aber nie für das, wofür er sich vor 23 Jahren beim KSK beworben habe. Deutsche Staatsbürger aus Geiselhaft im Ausland zu befreien, das sei für ihn der Grund gewesen, Kommando-Soldat zu werden. «Wie oft dachten wir, dieses Mal endlich zum Zug zu kommen», sagt er. Doch die Politiker hätten sich seiner Ansicht nach vor den Konsequenzen gefürchtet, falls bei einem solchen Einsatz die Geiseln oder einer der Soldaten getötet worden wären – und lieber Lösegeld gezahlt.
Nach dem Mittagessen legt Schaaf Holz nach und setzt sich wieder aufs Sofa. Ihn fröstele, sagt er lächelnd und bemüht einen Vergleich, um seine Motivation zu erklären. Wie ein Sportler einen Teil seines Antriebs daraus schöpfe, eines Tages siegen zu wollen, so hätten er und die anderen Soldaten ihre Motivation daraus gezogen, etwas Wichtiges für Deutschland und seine Menschen zu leisten.
Doch statt Geiseln zu befreien, seien sie immer wieder nach Afghanistan in mehr oder weniger sinnlose Einsätze geschickt worden. Die Frustration darüber, sein Können aus jahrelanger Ausbildung in allen Klimazonen bei der Ausbildung afghanischer Polizisten verschwendet zu haben, spricht noch immer aus ihm. «Das hätten normale Soldaten gekonnt, dafür bin ich nicht Kommando-Soldat geworden.»
Wie muss das sein, wenn man nie das tun kann, wofür man sich am besten geeignet fühlt? Wenn man ein Leben führt, in das andere geheime Missionen hineininterpretieren, die aber oft so banal und, wie Schaaf in seinem Buch andeutet, wohl auch erfolglos waren, dass man darüber tatsächlich lieber schweigt, um den eigenen Mythos zu bewahren? Wenn man andere von Elite reden hört, aber erkennt, dass es bei vielen Soldaten mit diesem Anspruch nicht wirklich weit her ist?
Niedertracht in der Eliteeinheit
Schaaf berichtet von Kameraden, die Buch über die Fehler anderer geführt hätten, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Von Kommandeuren, die in der Truppe keinerlei Vertrauen genossen hätten, weil sie dort als «Politiker in Uniform» betrachtet worden seien. Und er erzählt von Engpässen bei der Munition, bei Sprengstoff, bei der Ausrüstung generell. Das Gespräch ist dennoch keine Abrechnung mit dem Kommando, sondern eher eine mit sich selbst.
Schaaf war Ausbilder und hatte seit Jahren Munition und Sprengstoff gehortet, weil es für Übungen immer zu wenig gegeben habe. Das hätten auch andere Soldaten so gemacht, sagt er. Es sei illegal, aber akzeptiert gewesen. Als im Sommer 2017 die internen Ermittlungen wegen der «Schweinekopfparty» angelaufen seien, habe er befürchtet, dass ihm die im Kompaniekeller gesammelte Munition negativ ausgelegt werden könnte. Schaaf brachte sie im Privatwagen nach Collm und vergrub sie im Garten. Drei Jahre später bot der damalige KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr den Soldaten Straffreiheit an, wenn sie illegal gebunkertes Material innerhalb eines Monats zurückgäben.
Hier ist der Zusammenhang zwischen den falschen Anschuldigungen von «Diane» und dem Anlegen von Munitionsverstecken im heimischen Garten. Hätte Schaaf nicht mit verschärften Ermittlungen gegen sich rechnen müssen, hätte er die «grösste Dummheit seines Lebens» wahrscheinlich nicht begangen. Doch zugleich ist er auch nicht schuldlos in die rechtsextreme Ecke geraten. Die Polizei hatte in seinem Haus Nazi-Lektüre, ein SS-Liederbuch und Postkarten mit NS-Symbolen gefunden.
Warum in aller Welt hat man so etwas zu Hause? Schaaf redet von Interesse an Einsatztaktiken der Wehrmacht, an Kriegsgeschichte. Aber schlüssig erklären kann er es nicht. Ja, sagt er, man habe dadurch sicher Rückschlüsse auf eine eventuelle politische Gesinnung ziehen können.
Doch er sei kein Nazi und lehne jegliche Form von Extremismus ab. Vielmehr sei er «ein konservativer Patriot», der einen Eid auf Deutschland geleistet habe. Wie sonst solle man bereit sein, das eigene Leben für dieses Land zu geben, wenn man nicht stolz auf sein Land sei, sagt er. Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Sauberkeit und Ordnung – das seien für ihn wichtige Werte, für die Deutschland stehe. Sie gäben Orientierung, setzten Grenzen. «So ist das Leben. Es funktioniert nicht, wenn jeder macht, was er will.»
Seine Ex-Frau verriet das Munitionsversteck
Anna bringt Kaffee und legt Schaaf ein Waffeleis neben die Tasse. «Megalecker», sagt er, wickelt das Konfekt aus dem Papier, legt es aber wieder hin. Er habe dem damaligen Kommandeur nicht getraut, sagt er. Er habe erlebt, wie Kreitmayr Kameraden dazu aufgerufen habe, andere anzuschwärzen. «So was geht nicht in meiner Wertewelt.» Er habe daher warten wollen, bis sich alles beruhigt habe, bis die Vorwürfe mit dem Hitlergruss aus der Welt seien. Er brachte die Munition nicht nach Calw zurück, sondern liess sie in seinem Garten. Seine Ex-Frau verriet das Versteck dem Militärnachrichtendienst.