von Thomas Heck...
Anne Will gestern. Was soll man noch sagen? Die öffentlich-rechtlichen Medien können sich mit Trump schlichtweg nicht anfreunden. Er könnte für den Weltfrieden verantwortlich sein, er könnte den Nahostkonflikt im Alleingang lösen, den Krebs heilen. Deutsche Medien würde auch noch dann über seine Frisur lästern oder die Schuhauswahl Melania Trumps kritisieren.
Man kann ja Trump in der Frage Jerusalem kritisieren und muss nicht einer Meinung mit ihm sein. Ihm aber zu unterstellen, er betreibe Außenpolitik mit Vorschlaghammer und Brechstange – in einer Zeit, in der chirurgische Präzision gefragt ist, geht am Thema vorbei. Wie gefährlich ist die Außenpolitik des US-Präsidenten? Die Antworten fallen bei „Anne Will“ gemischt aus. Doch schon die Fragestellung ist falsch. Denn Trump hat seinen Jerusalem-Joker mit Bedacht ausgespielt. Er hat zuvor bei der Saudis sondiert und gute Deals vorbereitet. Er arbeitet eng mit Ägypten zusammen. Beide Länder, sicher keine enge Freunde Israels, aber eng über gemeinsame Interessen verflochten, halten sich beim Protest der Tage doch sichtlich zurück. Doch das findet keinerlei Erwähnung in der deutschen, mehrheitlich ideologisch geprägten Medienlandschaft.
Will hatte sich für ihre Sendung ein Thema vorgenommen, das zuletzt immer wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit stand: die erratische Außenpolitik des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Kernfrage dabei: Wie gefährlich ist diese Politik der Disruption und Hauruckentscheidungen – wie zuletzt bei die Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt – wirklich? Und könnte sie vielleicht sogar klappen?
„Obwohl es von Trump kommt …“
„Das glaube ich nicht!“ ist die direkte Reaktion von Cem Özdemir, als Will diese Frage kaum ausgesprochen hat. „Es wird alles noch komplizierter.“ Die Jerusalem-Entscheidung sei nur die Einlösung eines Wahlkampfversprechens an die Evangelikalen, dem Nahen Osten bringe sie gar nichts.
„Ich sehe das anders“, sagt der. Die bisherige Politik der „Nichtanerkennung von Realitäten“ habe auch nichts gebracht. Westjerusalem sei, so Wolffsohn, seit den 50er-Jahren de facto die Hauptstadt Israels. „Wenn man den Kriegszustand überwinden will, muss man die Realität anerkennen.“ Er sei kein Freund des amerikanischen Präsidenten, doch „obwohl es von Trump kommt, halte ich es für sinnvoll.“
„Kann Amerika jetzt noch vermitteln?“
Irene Dische, deutsch-amerikanische Schriftstellerin jüdischen Hintergrunds, die Freunde und Familie in Israel hat, drückt sich verhaltener aus, schlägt jedoch eine ähnliche Richtung ein. „Ob es etwas Gutes bringt, kann ich nicht sagen“, bemerkt sie mit Verweis auf Trumps Ankündigung, Jerusalem anzuerkennen und die US-Botschaft dorthin zu verlegen. Es sei jedoch die Realität und alle früheren Präsidenten hätten in der Vergangenheit ähnliche Aussagen gemacht, sie jedoch natürlich nicht umgesetzt. Ein Stück weit hält sie Trumps Ankündigung jedoch für lächerlich, schließlich gäbe es in Jerusalem überhaupt keinen geeigneten Platz für eine US-Botschaft. „Wenn sie es überhaupt machen, dann außerhalb in Richtung Tel Aviv.“
Stefan Niemann, Leiter des ARD-Studios in Washington, hat hingegen weniger Verständnis für Trumps markante Worte. „Kann Amerika jetzt noch vermitteln?“, fragt er laut und gibt gleich seine Antwort dazu: Er bezweifle das. „Es war für ihn eine perfekte Gelegenheit, um bei seinen Wählern zu punkten“, innenpolitisch sei er kein Risiko eingegangen. Gleichzeitig habe er jedoch den Trumpf, bei Verhandlungen von beiden Seiten gehört zu werden, eindeutig verspielt. Jetzt, so Niemann, sei die Frage: „Was hat er dafür bekommen?“
Ein Staat oder zwei?
Doch auch hier widerspricht Wolffsohn, der in der Sendung ein auffallend hohes Maß an Selbstgefälligkeit aufweist, sofort vehement. Diese Einseitigkeit sei die ganze Zeit da gewesen, viel ändere sich eigentlich nicht. Die Handhabe der USA sei ohnehin begrenzt: „Es wird immer verkannt: Wenn Israel und Palästina nichts tun, kann keine ausländische Macht sie dazu zwingen.“
Angesprochen darauf, wie realistisch eine Annäherung zwischen Israel und Palästina sei, schafft es Dische dann gerade noch zu erwähnen, dass sich die Feindseligkeiten zwischen beiden Seiten zuletzt verschärft hätten, bevor Wolffsohn das Wort an sich reißt und der Schriftstellerin „mansplaint“, dass das alles so ja gar nicht stimme und er nur übrigens noch einmal erwähnen wolle, dass endlich Bewegung in die Sache kommen müsse. Seine kurz darauf folgende Schleichwerbung für sein Buch wird glücklicherweise von Will kurzerhand unterbunden.
Es folgen einige Minuten Gezanke über die richtige Lösung für Israel, in der sich Wolffsohn (Ein-Staaten-Lösung) und Özdemir (Zwei-Staaten-Lösung) gegenüberstehen, ohne wirklich Neues zu Tage zu fördern. Erst als Will Trumps Strategie für den Nahen Osten ins Gespräch bringt, wird die Angelegenheit wieder interessanter.
„Wenn Kushner das nicht schafft, dann schafft es niemand“, zitiert sie den US-Präsidenten, der seinen Schwiegersohn Jared Kushner mit dem Frieden im Nahen Osten beauftragt hat. Müsse man, so Will, dies ernst nehmen?
Wolffsohn lacht daraufhin nur, drückt damit jedoch aus, was vermutlich die Mehrheit der Zuschauer denkt, während Niemann seufzt: „Natürlich muss man das ernst nehmen, weil es von Trump kommt.“ Ein fairer Vermittler könne Kushner jedenfalls nicht sein, dafür stehe er Israel und Präsident Netanjahu zu nahe.
Wolffsohn hat harschere Worte in petto: „Kushner ist ein Anfänger. Ihn als Allzweckwaffe zu verkaufen, ist ein schlechter Witz“ – eine Aussage mit der der Publizist und Historiker keineswegs übertreibt, bedenkt man, dass Kushner weder das Immobilienimperium seiner Familie noch die „New York Post“ besonders erfolgreich geleitet hat und die Universität Harvard nur besuchen konnte, weil ihm sein Vater einen Platz gewissermaßen erkauft hatte.
Europäische Union weiß nicht, wie sie reagieren soll
Vor diesem Hintergrund verwundert Wolffsohns gnadenloses Urteil keineswegs. „Kushner hat keinerlei außenpolitische Erfahrung“, sagt er abschließend fast mit Verachtung, während Niemann noch glucksend hinzufügt: „Sein Schwiegervater auch nicht.“ Dass Publikum bricht an dieser Stelle, wenig überraschend, in schallendes Gelächter und Applaus aus.
In diesem Moment betritt Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn mit hochrotem Kopf das Studio – er hatte mit dem Auto im Schnee festgesteckt. Um flugs Israel als Apartheids-Staat zu diffamieren.
Die erste Frage nach US-Außenminister Rex Tillersons Perspektive pariert er sofort mit der gewohnten Professionalität. Der, so bemerkt Asselborn nur knapp, habe sich sehr bedeckt gehalten – vermutlich, weil er um die Brisanz der Thematik wisse. Aber auch die Europäische Union wisse aktuell nicht, wie sie reagieren solle. „Wir bringen keine Erklärung dazu fertig“, so Asselborn – und das liege vor allem an der Uneinigkeit innerhalb der EU zu diesem Thema.
„Das ist gegen die Würde der Palästinenser“
Was er persönlich jedoch in der gesamten Debatte über Palästina und Israel bisher vermisst habe, sei die Erwähnung, dass ein Gespräch mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas möglich wäre, wenn Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Siedlungspolitik stoppen würde. „Das ist gegen die Würde der Palästinenser. Das hat Netanjahu in der Hand.“
Wills Frage, ob die EU nicht scheinheilig sei, wenn sie Netanjahu kritisiere, gleichzeitig aber die Raketenangriffe der Palästinenser außer acht lasse, beantwortet dann wieder Wolffsohn: Ein Stück weit habe sie damit recht, doch gleichzeitig handele es sich dabei auch um Plattitüden, Totschlagsargumente, mit denen Netanjahu sich immer wieder verteidige.
Eine bittere Note bekommt die Israel-Debatte gegen Ende, als Dische auf Wills Nachfrage berichtet, wie Trumps außenpolitische Torheiten bei seinen Wählern ankommen. „Die lieben das. Wenn er ruppig ist, ist es Ehrlichkeit, wenn er dumm ist, ist es Ehrlichkeit. Es gibt nichts, was er macht, das ihm schadet. Es ist erstaunlich.“
„Donald Trumps Außenpolitik ist sehr gefährlich“
In den zehn verbleibenden Minuten der Sendung wird dann noch schnell das Thema Nordkorea angeschnitten – ein Wechsel, der so spät in der Sendung wenig bringt und dementsprechend nichts Erhellendes zutage befördert.
Journalist Niemann immerhin glaubt, dass Trump „auf keinen Fall“ Krieg mit Nordkorea wolle und seine Strategie sei, den Druck hochzuhalten, vor allem auf die Chinesen, die Nordkorea immer noch unterstützten. Man kann nur hoffen, dass Niemann recht behält.
Asselborn und Özdemir schlagen von Nordkorea aus noch einmal die Brücke zum Nahen Osten. „Es wäre ein kapitaler Fehler Trumps, den Iran-Deal zu zerstören“, so Asselborn. Das Signal, das man damit an Nordkorea sende, sei nur, dass man nicht zu seinem Wort stehe und kein Verlass auf einen sei. Dies könne nicht im Interesse der USA sein. Und doch ist es offenbar der Weg, den Trump gehen will.
Wie gefährlich ist also Trumps Außenpolitik, möchte Will zum Ende wissen. „Sehr gefährlich, weil sie erratisch ist“, gibt Özdemir zurück – eine Feststellung, die Anlass zur Sorge sein sollte. Und Beruhigung darüber, dass Cem Özdemir nicht deutscher Bundesaußenminister geworden ist.