von David Klein...
Das UNO-Mitglied Israel, der einzige Staat der Welt, dessen Existenzrecht in Frage gestellt wird, sieht sich seit geraumer Zeit einer internationalen Delegitimationskampagne ausgesetzt.
Kürzlich hat die United Church of Christ (UCC), eine der grössten protestantischen Denominationen der Vereinigten Staaten, in bester neutestamentarisch-antijüdischer Tradition und mit überwältigender Mehrheit einem Israel-Boykott zugestimmt. Damit folgt die UCC dem Beispiel der Presbyterian Church USA (PCUSA), die letztes Jahr eine entsprechende Resolution verabschiedete. Das Wort «Israel» aus sämtlichen Gebeten und Texten der PCUSA zu streichen, wurde dabei knapp abgelehnt.
Nachdem im Februar 700 Künstler (u.a. Roger Waters, Brian Eno, Ken Loach, Mike Leigh, Emma Thompson) zu einem Boykott gegen Israel aufriefen, verkündeten im Oktober fast 400 britische Akademiker ebenfalls einen solchen.
m November beschloss die EU Kennzeichnungspflichten für Waren, die nicht in den «Grenzen» Israels vor 1967 produziert wurden. Rechtlich sind diese «Grenzen» Waffenstillstandslinien von 1949, die gemäss dem Abkommen mit Jordanien keinerlei territoriale Präjudiz darstellen. Täglich werden Juden in Israel von palästinensischen Terroristen ermordet, die sogenannten «EU-Hotspots» für Flüchtlinge in Griechenland und Italien versinken in Unrat, für die EU gibt es jedoch nichts dringlicheres, als eine weitere in einer langen Reihe von EU-Entscheidungen gegen Israel zu verfügen, die zudem das von der Welthandelsorganisation (WTO) vorgeschriebene Prinzip des freien Handels verletzt. Bezüglich der rund 200 weiteren Konflikte weltweit ist hingegen laut EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, «nichts geplant». Israels EU-Botschafter David Walzer bezeichnet die neue Brüsseler Direktive als «politische Stigmatisierung Israels unter dem Vorwand des Verbraucherschutzes», der israelische Botschafter Deutschlands, Yakov Hadas-Handelsman, spricht von einer «Preisverleihung für palästinensischen Terror.»
Selbstverständlich betreibt auch das Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz (Heks) durch die Finanzierung diverser NGOs weiterhin antiisraelische Hetze, die oft die Grenze zum Antisemitismus überschreitet. Neuerdings erfährt diese Zweckentfremdung von Steuer- und Spendengeldern anlässlich der Antwort des Bundesrats auf die Heks-Interpellation «Staatlich subventionierter Antisemitismus und Revisionismus» von NR Alfred Heer (SVP) durch jederzeit belegbare inhaltliche Falschaussagen eine zweifelhafte Legitimation.
Im Zuge dieses Antiisrael-Feldzugs wird einmal mehr um eine allgemein gültige Definition von Antisemitismus gerungen, nicht zuletzt als Abgrenzungsmerkmal zur allerorts beliebten «legitimen Israelkritik». Doch gemäss der 3-D Definition für Antisemitismus (Dämonisierung, Doppelstandard, Delegitimation) des israelischen Politikers und Menschenrechtsaktivisten Natan Sharansky, könnte allein schon die Bezeichnung «Israelkritik» antisemitisch sein, weil sie ausschliesslich für Israel gilt. Hingegen ist eine Kongo-, Syrien-, ISIS-, Jemen- oder Pakistankritik im allgemeinen Sprachgebrauch nicht üblich.
Die Bemühungen bezüglich der Erforschung des nicht tot zu kriegenden Phänomens des Judenhasses treiben mitunter seltsame Blüten. So hat der deutsche Bundestag unlängst eine «Antisemitismus-Kommission» ins Leben gerufen, um dem Jahrtausende alten Ressentiment gegen Juden auf die Spur zu kommen und Antisemitismus «entschlossen zu bekämpfen». Dazu wurde ein «Expertenkreis» zusammengestellt, der gänzlich ohne Juden auskommt. Nach erheblicher Kritik liess der Bundestag verlauten, man habe die Kommission nicht nach «konfessionellen Zugehörigkeiten» zusammengesetzt, sondern sich nur von «fachlichen Kriterien leiten lassen». Offensichtlich gibt es in ganz Deutschland keine Antisemitismus-Experten jüdischer Herkunft, die den strengen «fachlichen Kriterien» des Bundestags genügen. Man stelle sich dagegen eine Kommission zum Feminismus ohne Frauen vor oder einen Expertenkreis zum Islam ohne Muslime.
Dabei ist die Definition von Antisemitismus im Grunde recht simpel: Wer Juden etwas vorwirft, das ihn bei Nichtjuden kalt lässt, ist ein Antisemit. Zum besseren Verständnis ein paar Beispiele.
Der UNO-Menschenrechtsrat hat in den neun Jahren seiner Existenz Israel mit 61 Resolutionen öfter «verurteilt» als den gesamten Rest der Welt. Als einziger Staat weltweit stellt Israel einen eigenen, permanenten Tagesordnungspunkt im Rat dar. Im Glauben ihr Mikrofon sei für die öffentliche Übertragung ausgeschaltet und sie spreche zu ihren Berufskollegen, brachte 2013 eine UNO-Dolmetscherin die Doppelmoral der UNO auf den Punkt: «Wenn man insgesamt zehn Resolutionen zu Israel und Palästina hat, das ist ein bisschen viel, nicht? Da passiert anderes, richtig übles Zeug, aber keiner sagt irgendwas dazu.» Gegen Pakistan, wo 2012 ein Mitglied der terroristischen Taliban der damals 15-jährigen Friedensaktivistin und jüngsten Nobelpreisträgerin Malala Yousafzai aus nächster Nähe in den Kopf schoss, oder Afghanistan, wo Selbstmordattentate täglich hunderte von Menschenleben fordern, wurde in neun Jahren keine einzige Resolution verabschiedet. Wenn Sie also die diesbezüglichen Aktivitäten der UNO befürworten, sind Sie ein Antisemit.
Die 2005 von 171 palästinensischen NGOs gegründete, globale Bewegung Boykott, Desinvestition, Sanktionen gegen Israel (BDS) bezeichnet sich als zivilgesellschaftliche Bewegung, die für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte eintritt. Auf die Frage, weshalb sich die BDS ausschliesslich auf Israel fokussiert und andere Staaten, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen, die das Vorstellungsvermögen jedes zivilisierten Menschen übersteigen, mit keinem Wort thematisiert, erhält man als Antwort, BDS sähe sich vorwiegend Nelson Mandelas «Anti-Apartheid»-Credo verpflichtet. Nun ist Israel mit seiner multiethnischen politischen Landschaft und Gesellschaft, einer Mischung aus West- und Osteuropäern, Amerikanern und Russen, Äthiopiern und Türken, Kurden, Iranern und Arabern (17 davon sitzen in der Knesset), so ziemlich genau das Gegenteil eines Apartheidstaates. Katar hingegen, das zusammen mit Saudiarabien die BDS grösstenteils finanziert, erfüllt in jeder Hinsicht die Kriterien der Apartheid. 95 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung besteht aus Asiaten ohne Bürgerrecht, die im Rahmen des katarischen Kafala-Systems unter menschenunwürdigen Bedingungen regelrechte Sklavenarbeit verrichten. Nun könnte man den Standpunkt vertreten, die BDS setze Israel unter Druck, damit ein Friedensvertrag mit den Palästinensern zustande kommt, deshalb der Schulterschluss mit Katar, das sämtliche eingangs erwähnten vermeintlichen Kernanliegen der BDS mit Füssen tritt. Hier wird man jedoch anhand von auf Youtube dokumentierten Aussagen des BDS-Mitgründers Omar Barghouti rasch eines Besseren belehrt: «BDS widersetzt sich in jedem Fall der Gründung eines jüdischen Staats irgendwo in Palästina.» Wenn Sie also die pluralistische Demokratie Israel als Apartheidstaat bezeichnen, israelische Produkte boykottieren, sich aber bedenkenlos Datteln aus Saudiarabien schmecken lassen, wenn die israelische «Siedlungspolitik» bei Ihnen Empörung hervorruft, Sie jedoch kein Problem mit Marokko haben, das die Westsahara seit 1979 besetzt hält, oder mit der Türkei, die 1974 den Norden Zyperns einnahm, was die Vertreibung von 170’000 griechischen Zyprern zur Folge hatte, oder wenn Sie wie Daniel Vischer (NR Grüne), Andrea Hämmerle (ehemaliger NR SP), Arnold Hottinger (ehemaliger Nahostkorrespondent NZZ), Samir (irakischer Filmemacher), Heidi Mück (Grünes Bündnis), Fernand Melgar (Regisseur), Hansueli Scheidegger (Unia Basel), Margret Kiener Nellen (NR SP) oder Geri Müller (NR Grüne) zu den Mitgliedern der BDS gehören, sind Sie ein Antisemit.
Bei antiisraelischen Agitatoren erfreut sich der Vergleich zwischen Israel und den Nazis sowie dem Gazastreifen und den Ghettos beziehungsweise den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten grosser Beliebtheit. Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass es im Warschauer Ghetto, wo die verwesten Kadaver der verhungerten Juden unbeerdigt auf der Strasse lagen, Freizeitparks mit Zoo, Schwimmhallen und Fussballplätze, Einkaufszentren mit vollen Regalen und Luxushotels gab, wie das im Gazastreifen der Fall ist, dessen Bevölkerung laut einer Studie zur weltweiten Fettleibigkeit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an dritter (Frauen) beziehungsweise achter Stelle (Männer) rangiert. Es würde bedeuten, dass die ausgemergelten Kinder und Jugendlichen, die in Auschwitz bei den Experimenten von Dr. Mengele zu Tode gequält wurden, in Sommerlagern zu «Kämpfern» ausgebildet wurden, wie das in den mit Schweizer Steuergeldern mitfinanzierten «Jihad-Camps» der Hamas passiert und den Juden in den KZs wie heute den Palästinensern eine exklusive Hilfsorganisation (UNRWA) zur Seite stand, die von der Weltgemeinschaft mit Milliarden alimentiert wurde. Wenn Sie dazu neigen, Tote aufzurechnen und den Israelis ihre vergleichsweise geringen Opferzahlen vorwerfen, nur weil die israelische Regierung ihre Bevölkerung mit Luftschutzkellern und Raketenabwehrsystemen schützt, während die Hamas Frauen und Kinder als menschliche Schutzschilde missbraucht, hegen Sie sicher auch Sympathie für die Nazis, die im Vergleich mit den Alliierten ungleich mehr Todesopfer zu beklagen hatten. Wenn Sie also wie der ehemalige SP-Nationalrat Franco Cavalli, Gaza als KZ bezeichnen, palästinensische Terroristen, die aktuell in einer beispiellosen Mordserie israelische Zivilisten umbringen, als «Widerstandskämpfer» legitimieren, die aus «Verzweiflung» töten, und das Morden dieser Faschisten in moralischer Verwirrung mit der Verteidigung der Anschlagsopfer oder Sicherheitskräfte gleichsetzen, sind Sie ein Antisemit.
Sollte sich herausgestellt haben, dass Sie tatsächlich ein Antisemit sind, ist das jedoch beileibe kein Grund zur Beunruhigung, denn Sie befinden sich in bester Gesellschaft. Nahezu die gesamte intellektuelle Elite der vergangenen Jahrhunderte waren bekennende Antisemiten. Für Theodor Fontane waren die Juden «ein schreckliches Volk», G.W.F. Hegel glaubte zu wissen, dass sie «im Kote wohnen» und für Erasmus von Rotterdam, Fürst des Humanismus der Renaissance, nach dem das «Bildungsprogramm der EU für den Hochschulbereich» benannt ist, waren sie schlicht eine «Pest». Doch auch Voltaire, Diderot, Schiller, Goethe, Pestalozzi, Schopenhauer oder Kant, der den Juden, die er als «Palästinenser» bezeichnete, mit der «Euthanasie» immerhin einen schönen Tod wünschte, waren Antisemiten.
Warum auch nicht, denn vor 1945 war Hass gegen Juden in jeder Hinsicht alltäglich: auf Postkarten, in Romanen, in Artikeln, in Parteiprogrammen oder Märchen wurde Antisemitismus offen und ohne Bedenken kommuniziert.
Was wir heute als «westlichen» Antisemitismus kennen (im Gegensatz zur Judenfeindschaft im Koran), entspringt dem Antijudaismus des Neuen Testaments, in dem Juden als Gottesmörder und «Kinder des Satans» diffamiert werden. Zu diesem neutestamentarischen Judenhass gesellt sich nach dem Holocaust das schlechte Gewissen aufgrund der unterlassenen Hilfeleistung für die vom Genozid bedrohten europäischen Juden.
Der Philosoph Thomas Hobbes entlarvt diesen in unterschiedlichen Spielarten praktizierten Reflex der Schuldumkehr bereits 1651, lange vor dem Holocaust, in seinem «Leviathan» und beschreibt das Problem in seiner Essenz, das die Welt mit den Juden hat: «Wer jemandem mehr Schaden zugefügt hat, als er wiedergutmachen kann, wird sein Opfer hassen.»
Erschienen auf etwasanderekritik...
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