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Hochrangige deutsche Politiker treffen sich heimlich mit russischen Politikern. | |
Zunächst muss ich die geneigten Leserinnen und Leser kurz in meine Perspektive einführen: | |
Ich war in der Aufklärung der Bundeswehr und NATO. Dazu gehörte täglicher Umgang mit Verschlusssachen, in den Medien als „Geheimdokumente“ bezeichnet. | |
Ich war nur ein kleines Rädchen in der Maschine. Bei uns ging es vor allem um die Aufklärung der russische Marine. Ich war Auswerter, kein Analyst. Kein James Bond; höchstens der, der in einem James Bond Film im Bunker im Hintergrund fluchend-gelangweilt mit einem Kaffee und einem Klemmbrett durchs Bild läuft. | |
Wäre ich in eines dieser Länder gereist, hätte ich viele Fragen beantworten müssen. Nicht nur, weil ich etwas hätte ausplaudern können. Sondern weil ich auch ohne mein Wissen hätte „abgeschöpft“ werden können. | |
Diesen Bericht muss ich schreiben, um überhaupt verarbeiten zu können, was da gerade abläuft. | |
Petersburger Dialog | |
2001 wurde der Petersburger Dialog begründet. Von den Duz-Freunden Wladimir Putin und dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder. | |
Letzterer ist nach seiner politischen Karriere als Anwalt Lobbyist für russische Interessen geworden, hat in Führungspositionen u.a. an Nord Stream 2 mitgewerkelt und wurde später Chef des Aufsichtsrates von Rosneft. Kurz vor Ende seiner Amtszeit wurde bekannt, dass seine Regierung dem russischen Gazprom Konzern mit einer Milliarde deutscher Euro unter die Arme greifen wollte. | |
Mit sehr wenigen Ausnahmen werden alle diese Energiekonzerne vom russischen Staat gelenkt, entweder direkt oder über eine Aktienmehrheit. Im Putinismus wurde die Privatisierung nach dem Zerfall der Sowjetunion rückabgewickelt. | |
Der Petersburger Dialog war eine Organisation, die vor allem die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und Deutschland fördern sollte. „Netzwerken“ nennt man so etwas. | |
Mit dem Erstarken des russischen Regimes wurden in Russland auch Organisationen verboten, die an diesem Petersburger Dialog teilnahmen. Auf russischer Seite nahmen irgendwann fast nur noch Vertreter des russischen Staates teil. Deshalb wurde das bereits 2021 auf Eis gelegt. 2022 schlug der eigene Vorstand vor, den Petersburger Dialog aufzulösen. | |
Gedankenstrich. | |
Geheime Geheimnisse | |
Nachrichtendienste, häufig „Geheimdienste“ genannt, können prinzipiell machen, was sie wollen. Sie sind ja geheim. Sie könnten also das, was sie tun, auch gegenüber der eigenen Regierung geheim halten. | |
In den USA gab es mehrere Vorfälle. | |
Nachrichtendienste haben also sehr viel Macht und Möglichkeiten. | |
Das ist häufig nicht bewusst, wenn Politiker sich äußern. Poltert ein Politiker beispielsweise über den Taurus, muss man nur gucken, was sein genauer Job ist. Und dann weiß man, ob derjenige überhaupt Zugang zu allen Informationen hat. | |
Deshalb muss es in einem demokratischen Staat Kontrollinstanzen geben. Man kann den Nachrichtendiensten ja nicht einfach freie Hand lassen. Denn ein Nachrichtendienst hat, ähnlich wie ein Militär im Krieg, keine Moral. Nur ein Ziel und Zweckmäßigkeit es zu erreichen. | |
In Deutschland gibt es dafür verschiedene Kontrollinstanzen. | |
Die höchste demokratische Kontrolle ist das „Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestags zur Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes“ PKGr. Das sind immer so bummelig zehn bis zwölf Leute. | |
Die Mitglieder des PKGr werden vom jeweiligen Bundestag nach einer Wahl gewählt. Deshalb sitzen da meist Leute von der Regierung drin. Aber auch immer wieder andere. In der jetzt vorletzten Legislatur war beispielsweise einer von den Linken dabei, vorher auch Abgeordnete der Grünen. In der letzten gleich drei Männer und eine Frau der CDU. | |
Der Abgeordnete Ralf Stegner, dem linken Flügel der SPD zugerechnet, war in der alten Regierung Mitglied dieses Parlamentarischen Kontrollgremiums. Deshalb wird er als „Geheimnisträger“ bezeichnet. Er hatte Einblick in alles. | |
Wenn einer eine Reise tut | |
Die Zeitung Die Zeit und das ARD-Magazin Kontraste haben nun recherchiert, dass Ralf Stegner kürzlich in Baku war. Vom 13. Bis zum 14. April. | |
Was das in meinen Augen brisant macht ist, dass Baku die Hauptstadt von Aserbaidschan ist. Einer ehemaligen Sowjetrepublik, die derzeit im Grunde ein Regime ist. Der nördliche Nachbar des Irans in Zentralasien. | |
Bei einem offiziellen Besuch wird dies vorher beim BND angemeldet. Die deutsche Botschaft in dem Land und der Militärattaché bzw. der zuständige Sicherheitsmann werden informiert, usw. Das private Handy lässt man besser zu Hause. | |
Im Februar war es zu einem Abhörfall bezüglich des Taurus gekommen. | |
Der teilnehmende Brigadegeneral Frank Gräfe, Abteilungsleiter im Kommando Luftwaffe, befand sich bei der Singapore Airshow. Bei diesem internationalen Schaulaufen von Militärs aus aller Welt kann man davon ausgehen, dass auch Nachrichtendienste sich frühzeitig Hotelzimmer reservieren lassen. | |
Privates bleibt privat | |
Stegner ist „privat“ nach Aserbaidschan gereist. Das Auswertige Amt hat inzwischen offiziell gesagt „Damit hatten wir nichts zu tun!“ Ähnlich auch andere Stellen, wie das Büro von Armin Laschet. | |
In meiner Einschätzung hat einzig Roderich Kiesewetter, ebenfalls Mitglied des bisherigen Kontrollgremiums, in einem Interview mit dem Magazin Kontraste die richtigen Fragen gestellt. Nämlich was mit der Sicherheit war, ob der BND vorher informiert war, und so weiter. | |
Und das ist es, was mich überhaupt erst bewogen hat, dies zu schreiben. | |
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Einer der höchsten Geheimnisträger dieser Republik und Mitglied des Bundestages jettet „privat“ nach Baku? Ohne das mit irgendwem abgesprochen zu haben? | |
Es ist allemal spannend, mit wem Stegner sich so in seiner Freizeit umgibt. | |
Die deutschen Teilnehmer | |
An der „privaten“ Reise teilgenommen haben: | |
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Ronald Pofalla [CDU] | |
Pofalla war, neben vielen hochrangigen Funktionen innerhalb der CDU, auch Chef des Bundeskanzleramtes. | |
Und Pofalla war derjenige, der ab 2015 den Petersburger Dialog von deutscher Seite im Namen der Bundesregierung geleitet hat. | |
Matthias Platzeck (SPD) | |
Platzeck war mal Ministerpräsident von Brandenburg und kurz Vorsitzender der SPD. Und er war Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums, das ebenfalls dazu diente, zwischen Russland und Deutschland zu netzwerken. Dort war er allerdings nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine zurückgetreten. Den Lobbyverein gibt es bis heute, er hat etwa 300 Mitglieder. | |
Auch Platzeck stand in der Auswahl des Jobs von Pofalla, schied aber aus, nachdem er sich kritisch zur Annexion der Krim durch Russland positioniert hatte. | |
Stephan Holthoff-Pförtner (CDU) | |
Holthoff-Pförtner ist ein umtriebiger Anwalt und Medienunternehmer. | |
2017 wurde er von Laschet in Nordrhein-Westfalen zum „Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales und Medien“ ernannt. Die Zuständigkeit für „Medien“ wurde nach kurzer Zeit möglichst unauffällig aus seinem Fachbereich entfernt. | |
Holthoff-Pförtner stand auf der Gästeliste, als die NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser den Geburtstag ihres Mannes auf Mallorca feierte, während NRW mit den Folgen der Flutkatastrophe von 2021 rang. | |
Martin Hoffmann | |
Hoffmann ist ein deutscher Russland-Lobbyist und „Kulturmanager“. | |
Im Oktober 2024 war Hoffmann schon einmal mit Pofalla und Platzeck nach Baku gereist. Damals berichteten ebenfalls die Zeit und die Tagesschau. | |
Thomas Greminger | |
Darüber hinaus war auch der schweizer Diplomat und Generalstabsoffizier Greminger mit von der Partie. | |
Greminger war bis 2020 Generalsekretär der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE. Seitdem ist er Direktor des Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik. | |
Residiert hat man im Luxushotel Four Seasons in Baku. | |
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Auf russischer Seite | |
Die russische „private“ Delegation wurde geleitet von Wiktor Subkow. | |
Subkow war kurz Ministerpräsident und, als er 2008 von Medwedew in der Funktion abgelöst wurde, dessen Stellvertreter. | |
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Foto: Amtseinführung von Putin 2018. Von rechts: Gerhardt Schröder, Dmitri Medwedew und Wiktor Subkow | |
Subkow ist seit 2008 Aufsichtsratsvorsitzender von Gazprom. Und seine Tochter ist mit dem russischen Verteidigungsminister verheiratet. | |
Ganz ähnlich ergeht es dem Gesprächsteilnehmer Waleri Fadejew. Er war bis 2018 Reporter beim regierungstreuen Sender „Kanal eins“ und ist heute der Chef von Putins Menschenrechtsrats, offiziell „Menschenrechtsrat beim russischen Präsidenten“. Er steht auf der Sanktionsliste der EU, darf also nicht einreisen. | |
Schwer zu begreifen | |
Bei journalistischer Sorgfalt kann man nicht rückschließen, was dort tatsächlich abgelaufen ist. | |
So wie ich mir das denke versuchen Politiker der SPD und der CDU, die schon vorher im Bereich umtriebig waren, die „Vernetzung“ mit Russland und dem russischen Regime am Laufen zu halten. Entgegen dem, was die jeweilige Regierung, Deutschland und selbst ihre eigenen Parteien tatsächlich vertreten und den Wählerinnen und Wählern verkaufen. | |
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Foto: Empfang des NRW-Ministerpräsidenten zum Petersburger Dialog 2019 auf der Drachenburg Königswinter. Von rechts: Matthias Platzeck, Wiktor Subkow, Armin Laschet und Ronald Pofalla | |
Die parteipolitische Ausrichtung lässt unterschiedliche primäre Motive erahnen. | |
Also führt man verdeckt Gespräche. Man rechtfertigt das, vor sich selber oder vor anderen, als „privates“ Netzwerken. Ob die russische Seite, die einen der höchsten Vertreter des Landes und Chef von Gazprom schickt, das genauso sieht, darf man skeptisch beurteilen. | |
Um auch auf deutscher Seite etwas höhere Provenienz ins Boot zu holen, beschwatzt man Stegner. Der eh zum linken Flügel der SPD gehört und der sich mehrfach befremdlich verständnisvoll zu Russland geäußert hat. | |
Es ist aber politisch eine eher ungünstige Zeit. | |
Deshalb meldet der bisherige Geheimnisträger Stegner das ganze nicht an. Und jettet für ein weiteres Treffen nach Baku. Kontraste und die Zeit bekommen das aber mit und veröffentlichen es. | |
Anschließend werden mehrere Erklärungen veröffentlicht, die wie Stegner wiederholen, dass für die Reise keine öffentlichen Mittel in Anspruch genommen wurden. | |
Heute Morgen hat die Bundesstaatsanwaltschaft die Festnahme von drei Ukrainern berichtet, die im Auftrag Russlands Sprengstoffanschläge geplant haben. Erst in der vergangenen Woche sind Leute dabei erwischt worden, wie sie mit einer Drohne ein Bundeswehrgelände auskundschaften wollten. Die Liste wird länger und länger. | |
Ich bin ziemlich sicher, dass sich alle Informationen, die auf dem Handy von Stegner waren, sich nun auch auf einem Server des russischen KGB-Nachfolgers FSB befinden. |
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Sie verbieten nicht die Hassrede, sondern die Rede, die sie hassen. Den Sozialismus erkennt man daran, daß es die Kriminellen verschont und den politischen Gegner kriminalisiert...
Mittwoch, 14. Mai 2025
Stegner und die Baku-Connection – Kommentar
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