Dienstag, 27. Mai 2025

Hungersnot in Gaza?

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Dieser Beitrag wurde bereits auf der Facebook Fanpage und auf dem X-Account veröffentlicht.

Es ist zu einer neuen Tatsachenbehauptung geworden, Israel hungere den Gazastreifen aus oder im Gazastreifen würden Menschen verhungern.

Dafür gibt es keinerlei Nachweise.

Nicht nur, dass alle Zahlen aus dem Gazastreifen von der Hamas kommen.
In diesem Fall gibt es dazu nicht einmal von der Hamas selber konkrete Angaben.

Die Hamas ist an dem Punkt auch in einer argumentativen Zwickmühle. Da sie selber Hilfslieferungen klaut, um sie für sich selbst zu sichern oder sehr teuer zu verkaufen. Auch die Menschen in Gaza wissen das.

Die UN warnt immer wieder vor einer Hungerskatastrophe. Dazu nutzt sie als Maßstab die IPC-Skala, die „Integrated Food Security Phase Classification“ („Integrierte Klassifizierung der Ernährungssicherheitsphasen“).

Derzeit befindet der Gazastreifen sich in der Phase 2. Das bedeutet, dass für mindestens 20% der Haushalte der Nahrungsmittelkonsum zwar reduziert ist, aber gerade so ausreichend. Dass aber Grundbedürfnisse nicht vollständig befriedigt werden können.

Die Warnung vor einer „Hungerkatastrophe“ ist die Warnung vor Phase 3. Diese bedeutet, dass mindestens 20% der Haushalte Nahrungsmittellücken aufweist oder (!) „Bewältigungsstrategien“ einsetzen muss, beispielsweise Vermögenswerte auflösen. Das Ausmaß der akuten Unterernährung liegt in dieser Phase bei 10% bis 15% der Bevölkerung „über dem Normalwert“.
Das bedeutet, dass es laut dieser Skala auch einen „Normalwert“ an Unterernährung gibt.

Die Phase 4 wäre ein humanitärer Notfall, der noch lange nicht erreicht ist. Und erst die letzte Phase 5 wäre eine Hungerskatastrophe.

Diese Warnungen setzen natürlich voraus, dass der akute Zustand beibehalten würde. Dass also beispielsweise Israel weiterhin die Hilfsmittel blockieren würde. Ist das nicht mehr der Fall, müssten neue Daten erhoben werden.
Deshalb haben UN und Hilfsorganisationen, die damit ja ihr Geld verdienen, zunächst vor einer „Hungerskatastrophe“ gewarnt. (Der Begriff stammt häufig auch einfach von den Medien.)
Nachdem Israel aber wieder Hilfslieferungen durchlässt, können sie das nicht mehr. Also kritisieren sie nun, diese seien zu wenig.

Das alles, während Palästinenser selber täglich Videos von vollen Märkten posten.

Die Medien bauschen dies auf, auf Social Media wird es so häufig wiederholt, dass eine unumstößliche Gewissheit daraus wird. Es sickert ins Bewusstsein, da es selten hinterfragt wird.

Deshalb fällt kaum jemandem auf, dass die UN bereits seit mindestens Dezember 2023 vor einer „Hungerskatastrophe“ warnt. (Titelbild) Nur wenige Wochen nach Beginn der Bodenoffensive und obwohl Israel zu dem Zeitpunkt noch keine Kontrolle über den Grenzübergang zu Ägypten hatte.

Das ist ein bekanntes Muster.

Jüngst sagte Tom Fletcher vom „Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten“ (OCHA), innerhalb der nächsten 48 Stunden würden im Gazastreifen 14.000 Babys sterben.
Ausnahmsweise bohrte die BBC nach Protesten nach und es zeigte sich, dass die OCHA eigentlich gesagt hatte, dass optimalerweise binnen der nächsten 48 Stunden Hilfslieferungen benötigt würden.

Die Zahl der 14.000 Babys stammt aus einem Report von dieser Vereinigung für die besagte IPC-Skala, die feststellte, dass bei anhaltender Situation (die inzwischen abgestellt ist) 14.000 Kinder zwischen sechs und 59 Monaten an ernsthafter Unterernährung leiden könnten. Und zwar zwischen April 2025 und März 2026. Nicht sofort.
Von Verhungern war keine Rede.
Tom Fletcher von der UN hat hier also schlicht die Unwahrheit gesagt.

Abseits dieses Themas habe ich bereits im November des vergangenen Jahres einen Report der UN ausgewertet, der behauptete, 70% der Getöteten in Gaza seien Frauen und Kinder.
Was rein statistisch bereits absurd ist.

Im Fließtext des eigenen Reports stand dann in einer Fußnote, dass „ein großer Teil“ „in Wohngebäuden oder Ähnlichem“ getötet wurden. Und Zahlen der Getöteten in Kampfhandlungen schwer zu erfassen seien.

Man hatte lediglich 8.119 von zu dem Zeitpunkt über 40.000 Getöteten ausgewertet. Quelle dafür natürlich erneut die Hamas. Diese hatte der UN also ziemlich sicher nur bestimmte Tote gemeldet.
Diese Behauptung ist bis heute in der Welt.

Ebenso wie die akute Hungersnot und die angeblich verhungernden Kinder.


Erschienen auf steadyhq


Korrektur zur IPC-Warnstufe: Hungerkatastrophe im Gazastreifen

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In einem Social Media Posting, dass ich auch als Beitrag auf der Steady Seite veröffentlicht habe, habe ich gestern angegeben:

„Derzeit befindet der Gazastreifen sich in der Phase 2.“

Diese Aussage ist falsch bzw. als Tatsachenbehauptung unzulässig.

Mehrere Kommentatoren haben mich darauf hingewiesen.
Für die konstruktiven Hinweise bin ich – wie immer – dankbar.
Überflüssig die übrigen zu erwähnen.

Für die Interessierten möchte darlegen, welchen Fehler ich gemacht habe und warum dieser Fehler nichts an der Kernaussage meines Beitrages ändert.

Das IPC hat am 17.10.2024 einen Report für den Gazastreifen veröffentlicht.
Darin geht es von einer Phase 3 aus.

Screenshot der Homepage des IPC.

Die UKLFI, die „Britischen Anwälte für Israel“, hat am 27.01.2025 ein Review des IPC Reports und anderer Berichte herausgegeben, in dem sie auf 37 Seiten sehr nachvollziehbar erklären, warum diese Einstufung unzutreffend ist.
Es kommt zu folgenden Ergebnissen (Zitat):

  • Vertrauen auf unvollständige oder ungenaue Daten

  • Inkonsistente Anwendung methodischer Standards

  • Unzureichende Anpassung der Prognosen an neue Daten

  • Mögliche Verzerrung bei der Interpretation und Darstellung der Ergebnisse

Screenshot des Reviews

Ich halte diese Analyse für korrekt.
Daher war ich von Phase 2 ausgegangen. Mit guten Gründen.

Mein eindeutiger Fehler war, das nicht nochmal geprüft zu haben. Selbst wenn ich einen Social Media Post so runtertippe, ist das auch mein Standard.

Denn am 12.05.2025 wurde eine neue Einschätzung der IPC herausgegeben. Also vor genau zwei Wochen. Und darauf haben mich mehrere Kommentatoren aufmerksam gemacht, völlig zurecht.

Diese Einschätzung geht von einer Phase 4 im Gazastreifen aus, also einer „Humanitären Notlage.“

Screenshot der aktuellen Warnung

Für die Kernaussage meines Postings ist das jedoch meiner Meinung nach zu vernachlässigen.

1. Die Phase 4 wird klassifiziert mit „einem hohen Maß an akuter Unterernährung und überhöhter Sterblichkeit ODER 20% der Haushalte sind mit einem extremen Verlust an Existenzmitteln konfrontiert, der wahrscheinlich zu Nahrungsmittellücken führen wird.
Und letzteres wird ja sicher eh der Fall sein, da ja viele Menschen ausgebombt sind. Es sagt also nicht zwangsläufig etwas über Verhungernde.

2. Diese Einstufung wurde während der Blockade durch Israel erstellt und geht davon aus, dass diese dauerhaft anhält. Sie ist jedoch inzwischen beendet. Die Situation müsste also neu beurteilt werden.

3. Das ändert nichts an den wiederholten und nachweisbaren Falschaussagen der UN.

4. Es gibt trotzdem keine glaubwürdigen Angaben über Verhungernde im Gazastreifen, auch von der Hamas nicht.

Ich werde diese Korrektur so veröffentlichen, dass möglichst viele Rezipienten meiner ersten Aussage sie mitbekommen. Auf X kann ich den Text beispielsweise nicht ändern, möchte ihn deshalb aber auch nicht komplett löschen.

Abgesehen davon, dass mir in meinem Selbstanspruch solche Fehler nachhängen, tut mir vor allem leid, jenen Wasser auf die Mühlen geliefert zu haben, die versuchen werden, dadurch auch alle korrekten Aussagen zu diskreditieren.

  • Es gibt keine Verhungernden im Gazastreifen.

  • Das Blockieren von Hilfsgütern kann gemäß Genfer Konvention zulässig sein.

  • Für die Lebensmittelknappheit sind vor allem die Palästinenser selber verantwortlich.

Erschienen auf steadyhq


Montag, 19. Mai 2025

Israelische Offensive und der Gamechanger – für Dummies

Soldaten der IDF schauen einem Kampfpanzer Merkava nach.

Es findet eine Desinformation und Umdeutung zur gestarteten Offensive Israels statt.
Gehen wir es durch.

In einem längeren Posting schrieb ich gestern beiläufig:

„Zeitgleich berichten alle großen Medien von der angelaufenen israelischen Offensive, ohne zu berichten, was tatsächlich vor sich geht. Die Berichte beruhen ausschließlich auf Äußerungen Israels, der Palästinenser, der UN und anderer. Keine Lagebewertungen, keine Auswertungen, keine Kompetenz.

Das vielleicht alles verändernde Momentum, nämlich dass die IDF sich nicht mehr nach Sichern eines Gebietes zurückziehen will (dafür das benötigte Mehr an Reservisten), wird weder besprochen noch auch nur erwähnt. Vermutlich nicht verstanden oder zu einer dauerhaften Besetzung umgedeutet.“

Daraufhin kamen einige Fragen. Ich habe zurückgefragt.
Dabei wurde mir bewusst, dass viele vielleicht eine völlig falsche Vorstellung davon haben, was im Gazastreifen passiert.

Also zurück zu den Basics. Aus dem Lameng. Aus unserer beliebten Reihe „Komm’a bei misch bei, ich vazell dir dat“.

Der handelsübliche Krieg

In einem „normalen“ Krieg erobert man ein Gebiet und besetzt es.

Das bedeutet, eine Seite zieht sich zurück, die andere rückt nach, sichert das Gelände und bezieht dort erneut Stellung. Ein Haus, ein Dorf, eine Stadt, ein Tal, eine Halbinsel. Es wird „eingenommen“. Gräben graben, MG-Nest einrichten, Straßen sperren.
Das ist das, was beispielsweise im zweiten Weltkrieg passiert ist und derzeit in der Ukraine passiert.

Bachmut wurde über Wochen hinweg umkämpft, bis die Russen die Ukrainer endlich so weit zurückgedrängt hatten, dass sie die Stadt erobert hatten. Oder den Haufen Bauschutt, der übrig war.

Die Begriffe „Sichern“, „Einnehmen“, „Kontrollieren“ und „Besetzen“ werden synonym verwendet. Taktiker haben dafür genauere Begriffe.

Besetzen oder besetzen?

Dieses „Besetzen“ hat militärisch einen anderen Bedeutungsinhalt als politisch bzw. juristisch.
Denn das Militär erobert nur Gebiete und hält diese besetzt, damit der Feind nicht wieder dahin zurückkehren kann. Wenn der Krieg beendet ist, interessiert es das Militär nicht weiter.

Eine Besetzung im politischen bzw. juristischen Sinne bedeutet, dass ein Gebiet dauerhaft von einem Staat in Besitz genommen wird. (Besitz, nicht Eigentum!) Dazu gehört auch, dass er Regierungsaufgaben, wie beispielsweise die Polizei oder die Gerichtsbarkeit, übernimmt.

Erst da greift auch das Völkerrecht, das so etwas sehr genau reguliert. Mit einer Militäreinheit zunächst in einem eroberten Gebiet zu bleiben ist nicht reguliert. Das ist üblicher und zulässiger Teil des Krieges.

Israel hat nicht besetzt

Israel hat das im Gazastreifen bisher nicht getan. Weder das eine, noch das andere.

Hinweis: Die Argumentation der UN und anderer, Israel hielte den Gazastreifen „besetzt“, kommt vor allem daher, dass die palästinensischen Autonomiegebiete als staatliche Entität angesehen werden. Was sie seit dem Bürgerkrieg 2006 aber nicht mehr sind. Seit Anfang 2006 war kein Israeli mehr im Gazastreifen.
Hier geht es um den Krieg.

Mit Beginn der Bodenoffensive sind die Einheiten in den Gazastreifen, haben dort gekämpft und haben sich dann wieder zurückgezogen. Weder sind sie dortgeblieben, noch haben sie das Gelände dauerhaft gesichert.

Das hat zu vielen Problemen geführt.
Beispielsweise wurde ein Gebäude im Süden von Gaza-Stadt bekämpft und „erobert“. Am nächsten Tag kam ein Zug zurück, um den Tunneleingang im Gebäude zu sprengen. Die Hamas war jedoch zurückgekehrt und hat nun den Zug bekämpft, der große Mengen Sprengstoff bei sich hatte. Alle Israelis wurden getötet.

Ebenso im Juni 2024, als ein Konvoi bei Tel Sultan durch ein Gebiet fuhr, dass die IDF (Israeli Defence Forces) am Tag zuvor unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Der Konvoi wurde angegriffen, ein Fahrzeug explodierte, acht israelische Soldaten kamen ums Leben.

Dieses grundsätzliche Problem hat später dazu geführt, dass Israel nach der Waffenruhe gesagt hat, nun seien genug Lebensmittel im Gazastreifen und man blockiere die Hilfslieferungen (…gemäß Genfer Konventionen „IV“, Art. 23). Weil die Hamas sich immer wieder versteckt und dann zurückkehrt.

Die Schlacht am Hamburger Hill wurde während des Vietnamkrieges bekannt. Der Hügel 937 bekam seinen Namen von den Soldaten, da dort Hackfleisch aus ihnen wurde.
Innerhalb einer größeren Offensive stürmten die Marines zehn Tage lang immer wieder den Hügel und mussten schwere Verluste hinnehmen. Wenn sie oben ankamen, war keiner mehr da. Sie gingen wieder runter, wurden beschossen, und das Spiel begann von vorne. Über 630 amerikanische Soldaten verloren so ihr Leben.
Das Paradebeispiel für ein so genanntes Verzögerungsgefecht.

Amerikanische Soldaten in einer Kraterlandschaft am Hamburger Hill.

Begründete Dummheit

Das hört sich erstmal ziemlich so an, als ob da irgendwer in der Planung ziemlich blöde war. (Was ich übrigens auch so sehe, da ich als ehemaliger Unteroffizier ja zu denen gehören würde, die dort verheizt würden. Is so ein Prinzipiending.)
Taktisch und Strategisch kann es dafür aber Gründe geben.

Zur Erinnerung:
Der Gazastreifen ist kleiner als Köln. Etwa so groß wie Schwed an der Oder.
Nie von gehört? Das sagt alles.
In der Länge 40km, gäbe es eine Autobahn, wäre man in 20 Minuten durch. An der breitesten Stelle 14km.
Er ist aber sehr dicht besiedelt, denn dort leben mehr Menschen als in Hamburg.

Das bedeutet, das ist fast alles Häuserkampf.
Für ein normales Gefecht auf dem Acker benötigt der Angreifer eine Überlegenheit von etwa 2 zu 1.
In einem Verzögerungsgefecht, also wenn der Verteidiger absichtlich Raum gibt, und sich in eine bessere Position zurückzieht, benötigt man schon eine Überlegenheit von etwa 5 zu 1.
Im Häuserkampf eine Überlegenheit von 10 zu 1.

Israel hat vor allem eine „Reservisten-Armee“. Die Wehrpflichtigen müssen in der Regel drei Jahre dienen, die meisten bleiben in der Reserve. Deshalb hat Israel 170.000 aktive Soldaten, aber fast 500.000 Reservisten. Ein wehrhaftes Völkchen.

Jetzt kommt ein großes Aber:
Israel hat nur 10 Millionen Einwohner. Weniger, als in Baden-Württemberg leben, etwas mehr als die Hälfte von Nordrhein-Westfahlen. Und weniger, als alleine in Kairo leben.

Das bedeutet, dass jeder Reservist, der eingesetzt wird, spürbar in der Wirtschaft fehlt. Hinzu kommen ständige Unterbrechungen durch Fliegeralarm, Aufwand um Schäden durch Raketen zu reparieren, usw.
Laut einiger Zahlen ist die israelische Wirtschaft 2024 um etwa ein Viertel eingebrochen.

Israel hat also zwar grundsätzlich die Möglichkeit den Gazastreifen militärisch zu besetzen. Also wie in einem „normalen“ Krieg nach und nach Gebiet zu erobern und zu halten. Aber es würde Israel sehr viel kosten.

Das ist der Grund, warum beispielsweise das Al-Schifa-Krankenhaus, groß wie ein ganzes Viertel, mehrfach von den IDF eingenommen wurde. Und Brutkästen dahin gekarrt wurden und Patienten nach Ägypten und Israel verlegt wurden. Und warum insgesamt vier- oder fünfmal auf das Al-Ahli-Krankenhaus gefeuert wurde und es immer noch im Betrieb ist.

Der Normalsterbliche muss sich fragen: Irgendwann sind doch keine Krankenhäuser mehr übrig, oder? (Was wiederum zur Propaganda genutzt wird.)

Foto: Angriff auf das Europäische Krankenhaus. Der Bodeneinbruch zeigt deutlich, dass Bunkerbrecher etwas unter der Erde getroffen haben. Bei dem Angrioff wurde vermutlich Mohammed Sinwar getötet, Kommandeur der Hamas und Bruder des getöteten Yahya Sinwar (Öffnet in neuem Fenster). 13.05.2025

Absichtliches Indielängeziehen?

Das sehe ich als primären Grund, warum Israel sich immer wieder zurückgezogen hat.

Die Zahl der Soldaten, die im Gazastreifen eingesetzt sind, wird mit etwa 160.000 angegeben. Also fast die kompletten aktiven Streitkräfte.
Aber das sind ja nicht die Soldaten, die tatsächlich am Boden da rein gehen! Das sind auch Logistiker, Militärpolizei, die Luftwaffe, die Flugabwehr und so weiter. Menschen also, die auch gegen die Angriffe der Houthi und aus dem Libanon im Einsatz sind, bei der Marine zur Sicherung oder gegen den Iran eingesetzt werden. Und Reservisten, die so häufig nach Hause fahren, dass deutschen Afghanistan-Veteranen Tränen kommen.
In modernen Streitkräften ist der Anteil der tatsächlichen Kampfeinheiten zum Rest etwa 1 zu 4.

Deshalb verziehe ich immer das Gesicht, wenn jemand schreibt, Israel hätte „das beste“ Militär der Welt. Oder „das stärkste“, „das größte“, usw.
Die spielen insgesamt in einer hohen Liga. Durch den Ausbildungsstand und die Ausrüstung. Aber alleine Deutschland hat das Achtfache an Einwohnern und kommt – selbst jetzt – auf fast eine Millionen Reservisten. Wiederhole: Selbst jetzt.
Relationen, so wichtig.

Und deshalb habe ich es von Anfang an für dumm gehalten, sich immer wieder zurückzuziehen. Es kostet im Zweifelsfall Menschenleben.
Aber es gibt nun einmal gute Gründe, die nur absolute Insider und Experten beurteilen können. Und die treten weder im Fernsehen auf, noch sind es Journalisten.
Das maße ich mir nicht an. Und es sollte auch kein anderer, der nicht zu einem sehr kleinen Kreis Erlauchter gehört. Denn das ist etwas, was die Politik vorgibt. Ginge es nach den Militärs, wäre die Sache sehr sicher längst beendet.

Nur um eine Relation zu geben (wir sind ja hier aus dem Lameng): Ich glaube, ein US-Flugzeugträger mit Begleitschiffen und ein Landungsschiff mit Marines und der Gazastreifen wäre längst die Riviera, die Trump gesehen hat.
Soweit zu den Superlativen, die ständig zu diesem Kleinkrieg kolportiert werden.

Den Vorwurf, die Rechtsaußen-Regierung Israels würde den Krieg hinauszögern um Zeit zu gewinnen, kann ich nicht nachvollziehen. Jenen, die das anbringen, fehlt zumeist die Kompetenz.
Aber ich lasse ihn als diskussionswürdig gelten. Kann man drüber streiten.
Dieser Punkt dürfte sich mit der neuen Offensive nun aber klären.

Die Offensive

Israel hat nun angekündigt, eroberte Gebiete zu besetzen.
Deshalb hat es mehr Reservisten zu den Waffen gerufen. Und das kann ein „Gamechanger“ werden.
Kann, nicht muss.

Israelische Reservisten bei der Vorbereitung der Offensive.

Foto: Israelische Reservisten bei der Vorbereitung der Offensive. (18.05.2025)

Das ist schwer zu beurteilen. Umso mehr, da die Medien erneut Arbeitsverweigerung betreiben. Denn um Aussagen israelischer Politiker, der IDF und der Hamas wiederzukäuen, braucht man 2025 keine Medien mehr. Da reicht sowas wie mein Blog, und selbst das ist mir persönlich schon zu blöde.

Kommen wir also auf den Anfang zurück.
In meinen Augen wird hier von den Journalisten und den Propagandisten das militärische Besetzen mit dem politischen Besetzen a priori gleichgesetzt. Und von der UN. Denn von einer dauerhaften, also juristischen und politischen Besetzung, haben Israel und die IDF nix gesagt.
Heute erklärte Netanjahu noch, die „Kontrolle“ übernehmen zu wollen. Was ich als militärisches Besetzen deute.

Ausgenommen natürlich die Rechtsextremisten im Kabinett, vor allem Ben-Gvir und Smotrich. Die haben sehr eindeutig von einer dauerhaften Besetzung und sogar von Siedlern gesprochen.
Aber die poltern seit Beginn des Krieges herum.
Mein Job ist die militärische Beurteilung. Und für die haben diese eindeutig rechtsextremen Kräfte in der Regierung bisher keine erkennbare Auswirkungen gehabt.

Wenn Smotrich etwas zum Krieg raushaut, ist das in meiner Wahrnehmung vergleichbar damit, als würde die Ministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Verena Hubertz von der SPD etwas zur Lieferung von Taurus erzählen.

Diese Regierung besteht übrigens aus sieben (!) Parteien. Die Netanjahu zum Machterhalt unter einen Hut bringen muss. Schert nur eine aus, zerbricht die Regierung. Unsere Ampel mit drei Parteien ist schon eher mäßig gelaufen.
Man kann Netanjahu einiges vorwerfen, aber Jonglieren kann er.
(Muss ich noch erklären, dass ich die Regierung im demokratischen Rahmen scheiße finde, oder reicht das?)

Es ist zulässig, vor einer dauerhaften Besatzung zu warnen oder das zu verurteilen. Mir persönlich ist es inzwischen gleich. Da ich zwar eigentlich für eine Zweistaatenlösung bin, aber inzwischen jegliche Hoffnung auf eine Staatenbildung durch die Palästinenser verloren habe. Die dafür zwingend notwendig ist.

Aber wenn man diese militärischen Grundlagen nicht kennt, ist man sicher überfordert. Verständlicherweise.
Für mich persönlich wird erst eine dauerhafte Besetzung daraus, wenn Israel beginnt, auch dauerhaft Regierungsaufgaben im Gazastreifen zu übernehmen, ohne zu erklären, wie es weitergeht. Aber das kann noch Monate hin sein.
Alles andere ist Alarmismus.

Daher sehe ich nicht nur viele der Aussagen von Journalisten, die das nicht erklären und vielleicht gar nicht verstehen, ebenso als Propaganda, wie die Aussagen vieler Social Media Kommentatoren.

Heute Morgen hat Netanjahu verkündet, dass wieder Hilfslieferungen in den Gazastreifen gelassen werden. Nach massiven Protesten aus der eigenen Regierung hat er erklärt, dass sei auf Druck von Verbündeten passiert.

Es wird Frühling in Gaza.

Aufsteigender Rauch einer Bombe hinterm Horizont vor einem Feld Sonnenblumen.
Erschienen auf steadyhq


Polizist in Hals gestochen – Täter direkt wieder auf freiem Fuß: In Berlin herrschen allmählich Zustände wie in Mogadischu

von Wilma Fricken

Straffrei und auf freiem Fuß trotz brutalster Verbrechen: Buntes Deutschland



In Berlin-Neukölln spielt sich gerade ein weiterer beispielloser Skandal ab, der die Verkommenheit und den Verfall unseres Rechtssystems drastisch vor Augen führt: Kurz nachdem bei einer Judenhasser-Demo ein Polizist von einem propalästinensischen Lynchmob aus Linksradikalen und Arabern beinahe totgeschlagen wurde und noch um sein Leben kämpfte, stach “ein 28-Jähriger Mann” – der Migrationshintergrund wurde nicht erwähnt, kann somit also als gesichert angenommen werden – einem Polizisten vor einer Polizeiwache in den Hals und verletzte ihn beinahe tödlich. Nur mit Glück überlebte der Beamte. Dann die unfassbare Entscheidung der Justiz: der Angreifer wurde nur wenige Stunden später freigelassen.

In einem Land, wo fußlahme Reichsrollatoren-Rentner wegen angeblicher “Umsturzpläne” jahrelang schwerbewacht im Gefängnis sitzen (und ihnen in eigens für zweistellige Millionensummen errichteten Gerichtssälen der Prozess gemacht wird), wo Youtuber wie Shlomo Finkelstein im Knast verrotten und wo Menschen in Beugehaft genommen werden, weil sie die Rundfunkgebühren für den Propagandarotz von ARD und ZDF nicht länger zu zahlen bereit sind: Da können hergelaufene Messertäter also Vertreter der Staatsgewalt angreifen und lebensgefährlich verletzen – und werden unmittelbar danach gleich wieder freigelassen, damit sie gleich die nächsten Straftaten begehen können, so wie unzählige abschiebungspflichtige Migranten, die – obwohl als Vergewaltiger, Gewaltverbrecher und Kriminelle verurteilt und polizeikundig – weiterhin auf freiem Fuß sind hierzulande.

Nur dank Not-OP überlebt

Dieser Staat verspielt das Restvertrauen seiner Bürger in die eigene Justiz, in die Rechtspflege, in die Handlungsfähigkeit seiner Organe. Das Gewaltmonopol wird schon lange nicht mehr respektiert, doch die Signalwirkung, die von Entscheidungen der Staatsanwaltschaften ausgeht, die solche Messerangreifer kurz nach ihrer Tat freilässt, ist verheerend. In Failed States wie Somalia oder dem Kongo, wo Warlords oder Clans das Recht in die Hand nehmen und die staatlichen Behörden nur Makulatur sind, würde so etwas nicht überraschen; hierzulande schon. Dass solche jede Autorität des Rechtsstaats untergrabenden Entscheidungen bei schweren Gewalttaten in Deutschland zunehmend Alltag sind, ist verheerend.

Auch die Tatumstände hätten eine sofortige Inhaftierung alternativlos erscheinen lassen müssen: Der Angriff geschah am Freitagabend, als der Täter – angeblich “frustriert” über eine zu lange Wartezeit bei einer Anzeigenaufnahme, den 31-jährigen Beamten aus heiterem Himmel mit einem Messer attackierte. Der Polizist überlebte nur dank einer Notoperation. Trotzdem stuften die Ermittler die Tat “nicht als Tötungsversuch” ein –sondern nur als gefährliche Körperverletzung. Ergebnis: Der Verdächtige war gegen 2.15 Uhr morgens wieder frei. Die Begründung der Staatsanwaltschaft, es gebe „keine gesicherten Erkenntnisse für einen gezielten Messereinsatz“, klingt wie eine Verhöhnung der Opfers und der Bevölkerung. Ein Stich in den Hals soll kein gezielter Angriff sein? Staatsanwälte, die zu solchen Einschätzungen gelangen, gehören aus dem Dienst entfernt – zumal hier die Zweiklassenjustiz evident wird: Für die eingewanderte Hauptschutzklientel des Linksstaats gelten offenbar andere rechtliche Maßstäbe als für einheimische Täter.



Mittwoch, 14. Mai 2025

Stegner und die Baku-Connection – Kommentar


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Hochrangige deutsche Politiker treffen sich heimlich mit russischen Politikern.
Diese Geschichte hat mehr als nur eine Ebene.

Zunächst muss ich die geneigten Leserinnen und Leser kurz in meine Perspektive einführen:

Ich war in der Aufklärung der Bundeswehr und NATO. Dazu gehörte täglicher Umgang mit Verschlusssachen, in den Medien als „Geheimdokumente“ bezeichnet.
Deshalb wurde ich vom Militärischen Abschirmdienst, einem der drei Nachrichtendienste Deutschlands („Geheimdienste“) überprüft.

Ich war nur ein kleines Rädchen in der Maschine. Bei uns ging es vor allem um die Aufklärung der russische Marine. Ich war Auswerter, kein Analyst. Kein James Bond; höchstens der, der in einem James Bond Film im Bunker im Hintergrund fluchend-gelangweilt mit einem Kaffee und einem Klemmbrett durchs Bild läuft.
Vom MAD bekam ich dennoch eine Liste mit Ländern, für die für mich eine Reisebeschränkung gilt. Die Länder waren quasi identisch mit denen, die heute auf solchen Listen stehen.

Wäre ich in eines dieser Länder gereist, hätte ich viele Fragen beantworten müssen. Nicht nur, weil ich etwas hätte ausplaudern können. Sondern weil ich auch ohne mein Wissen hätte „abgeschöpft“ werden können.
Zu der Zeit trug man aber noch nicht seine halbe Identität in einem kleinen Computer mit Telefon, Mikrofon und Kamera in der Tasche.

Diesen Bericht muss ich schreiben, um überhaupt verarbeiten zu können, was da gerade abläuft.

Petersburger Dialog

2001 wurde der Petersburger Dialog begründet. Von den Duz-Freunden Wladimir Putin und dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Letzterer ist nach seiner politischen Karriere als Anwalt Lobbyist für russische Interessen geworden, hat in Führungspositionen u.a. an Nord Stream 2 mitgewerkelt und wurde später Chef des Aufsichtsrates von Rosneft. Kurz vor Ende seiner Amtszeit wurde bekannt, dass seine Regierung dem russischen Gazprom Konzern mit einer Milliarde deutscher Euro unter die Arme greifen wollte.

Mit sehr wenigen Ausnahmen werden alle diese Energiekonzerne vom russischen Staat gelenkt, entweder direkt oder über eine Aktienmehrheit. Im Putinismus wurde die Privatisierung nach dem Zerfall der Sowjetunion rückabgewickelt.
Der Rohstoffexport ist die größte Einnahmequelle Russlands, über Steuereinnahmen hinaus. Der Rüstungsexport war die Nummer zwei, der Ukrainekrieg ist dafür nicht gerade eine Werbemaßnahme.

Der Petersburger Dialog war eine Organisation, die vor allem die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und Deutschland fördern sollte. „Netzwerken“ nennt man so etwas.
Benannt wurde das nach dem ersten Veranstaltungsort.
Der Name wird Synonym für die Jahrestagung verwendet. Es gab darüber hinaus Arbeitsgruppen wie „Zivilgesellschaft“, „Medien“ und natürlich „Wirtschaft“.

Mit dem Erstarken des russischen Regimes wurden in Russland auch Organisationen verboten, die an diesem Petersburger Dialog teilnahmen. Auf russischer Seite nahmen irgendwann fast nur noch Vertreter des russischen Staates teil. Deshalb wurde das bereits 2021 auf Eis gelegt. 2022 schlug der eigene Vorstand vor, den Petersburger Dialog aufzulösen.
2023 wurde das Ganze durch eine Mitgliederversammlung aufgelöst.

Gedankenstrich.

Geheime Geheimnisse

Nachrichtendienste, häufig „Geheimdienste“ genannt, können prinzipiell machen, was sie wollen. Sie sind ja geheim. Sie könnten also das, was sie tun, auch gegenüber der eigenen Regierung geheim halten.

In den USA gab es mehrere Vorfälle.
Beispielsweise wurden in den 1980ern heimlich Waffen an den Iran verkauft. Und weil niemand das heimliche Geld vermisste, wurde das dann an die US-freundlichen Contras (= Kontra-Revolutionäre) in Nicaragua geleitet. Eigentlich war das Geld dafür vorgesehen, Geiseln im Libanon freizukaufen. Ein Deal mit dem Iran: Waffen gegen Geiseln.
Der Kongress hatte die Unterstützung der Contras zuvor klar abgelehnt.
Nach und nach kam raus, dass die Contras auch massiv Koks in die USA geschmuggelt haben, die CIA das wusste und die Augen zugedrückt hat.
Das war die Iran-Contra-Affäre, nur um ein Beispiel zu nennen.

Nachrichtendienste haben also sehr viel Macht und Möglichkeiten.
Das macht auch in einer Demokratie auch Sinn. Denn nicht jeder, der in ein Parlament gewählt wird, will automatisch das Beste für das Land. Oder weiß, was er tut.

Das ist häufig nicht bewusst, wenn Politiker sich äußern. Poltert ein Politiker beispielsweise über den Taurus, muss man nur gucken, was sein genauer Job ist. Und dann weiß man, ob derjenige überhaupt Zugang zu allen Informationen hat.
Bestimmend für jede nachrichtendienstliche Kommunikation ist das Prinzip des „need to know“. Die Frage, ob derjenige etwas für seinen Job wirklich wissen muss.

Deshalb muss es in einem demokratischen Staat Kontrollinstanzen geben. Man kann den Nachrichtendiensten ja nicht einfach freie Hand lassen. Denn ein Nachrichtendienst hat, ähnlich wie ein Militär im Krieg, keine Moral. Nur ein Ziel und Zweckmäßigkeit es zu erreichen.

In Deutschland gibt es dafür verschiedene Kontrollinstanzen.
Beispielsweise die so genannte „Große Lage“ im Bundeskanzleramt, wo die Nachrichtendienste und andere zusammenkommen. Der Militärische Abschirmdienst MAD, das Bundesamt für Verfassungsschutz BfV für das Innere und der Bundesnachrichtendienst BND für das Äußere.

Die höchste demokratische Kontrolle ist das „Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestags zur Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes“ PKGr. Das sind immer so bummelig zehn bis zwölf Leute.

Die Mitglieder des PKGr werden vom jeweiligen Bundestag nach einer Wahl gewählt. Deshalb sitzen da meist Leute von der Regierung drin. Aber auch immer wieder andere. In der jetzt vorletzten Legislatur war beispielsweise einer von den Linken dabei, vorher auch Abgeordnete der Grünen. In der letzten gleich drei Männer und eine Frau der CDU.
Wenn es um Sicherheit geht, wird es etwas überparteilicher. Die Zugehörigkeit zu Parteien spielt weniger eine Rolle. Man weiß, da geht es ans Eingemachte. Oder wie die bisherige Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Strack-Zimmermann neulich schrieb: „Eins der sensibelsten Ämter“.

Der Abgeordnete Ralf Stegner, dem linken Flügel der SPD zugerechnet, war in der alten Regierung Mitglied dieses Parlamentarischen Kontrollgremiums. Deshalb wird er als „Geheimnisträger“ bezeichnet. Er hatte Einblick in alles.
Ein neues Gremium gibt es beim Schreiben dieses Beitrags noch nicht.

Wenn einer eine Reise tut

Die Zeitung Die Zeit und das ARD-Magazin Kontraste haben nun recherchiert, dass Ralf Stegner kürzlich in Baku war. Vom 13. Bis zum 14. April.

Was das in meinen Augen brisant macht ist, dass Baku die Hauptstadt von Aserbaidschan ist. Einer ehemaligen Sowjetrepublik, die derzeit im Grunde ein Regime ist. Der nördliche Nachbar des Irans in Zentralasien.
Stegner war nicht im Auftrag Deutschlands dort.

Bei einem offiziellen Besuch wird dies vorher beim BND angemeldet. Die deutsche Botschaft in dem Land und der Militärattaché bzw. der zuständige Sicherheitsmann werden informiert, usw. Das private Handy lässt man besser zu Hause.
Vielleicht erinnert sich der ein oder andere daran, dass beim Staatsbesuch von Bush 2005 über 1000 Gullideckel verschweißt wurden. Ein solcher Aufwand kann betrieben werden.

Im Februar war es zu einem Abhörfall bezüglich des Taurus gekommen.
Hochrangige Militärs und Mitarbeiter des Produzenten hielten eine Webkonferenz, um ein geplantes Briefing des Verteidigungsministers zu besprechen. Und man sprach ziemlich locker von der Leber weg.
Ein Audio-Mitschnitt dieser Konferenz wurde später von Russland veröffentlicht. Was zu einem Skandal führte und zu massiver Propaganda auf Social Media.

Der teilnehmende Brigadegeneral Frank Gräfe, Abteilungsleiter im Kommando Luftwaffe, befand sich bei der Singapore Airshow. Bei diesem internationalen Schaulaufen von Militärs aus aller Welt kann man davon ausgehen, dass auch Nachrichtendienste sich frühzeitig Hotelzimmer reservieren lassen.
Aus dem Gesprächsverlauft ist zu erkennen, dass Gräfe abgeschöpft wurde. Vermutlich hatte er sich über ein privates Handy eingeloggt oder war mit seinem Laptop über das WLAN eines Hotels verbunden.
Eine Software kann noch so sicher sein, wenn man die Türe offenstehen lässt, weiß man nicht, wer noch zu Besuch kommt.

Privates bleibt privat

Stegner ist „privat“ nach Aserbaidschan gereist. Das Auswertige Amt hat inzwischen offiziell gesagt „Damit hatten wir nichts zu tun!“ Ähnlich auch andere Stellen, wie das Büro von Armin Laschet.

In meiner Einschätzung hat einzig Roderich Kiesewetter, ebenfalls Mitglied des bisherigen Kontrollgremiums, in einem Interview mit dem Magazin Kontraste die richtigen Fragen gestellt. Nämlich was mit der Sicherheit war, ob der BND vorher informiert war, und so weiter.

Und das ist es, was mich überhaupt erst bewogen hat, dies zu schreiben.
Als Kontraste Stegner das Mikrofon auf einer Wahlkampfveranstaltung ins Gesicht hielt, sagte er tatsächlich lachend, sein Besuch in Baku sei privat gewesen. Und darüber spreche er nicht.

Screenshot Stegner beim Interview

Einer der höchsten Geheimnisträger dieser Republik und Mitglied des Bundestages jettet „privat“ nach Baku? Ohne das mit irgendwem abgesprochen zu haben?

Es ist allemal spannend, mit wem Stegner sich so in seiner Freizeit umgibt.
Denn damit beginnt die politische Ebene erst.

Die deutschen Teilnehmer

An der „privaten“ Reise teilgenommen haben:

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Ronald Pofalla [CDU]

Pofalla war, neben vielen hochrangigen Funktionen innerhalb der CDU, auch Chef des Bundeskanzleramtes.
Das Bundeskanzleramt ist so zu sagen das Ministerium des Kanzlers. Der Chef ist gleichzeitig Staatssekretär und Bundesminister mit besonderen Aufgaben. Und damit einer der mächtigsten Männer im politischen Berlin.

Und Pofalla war derjenige, der ab 2015 den Petersburger Dialog von deutscher Seite im Namen der Bundesregierung geleitet hat.

Matthias Platzeck (SPD)

Platzeck war mal Ministerpräsident von Brandenburg und kurz Vorsitzender der SPD. Und er war Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums, das ebenfalls dazu diente, zwischen Russland und Deutschland zu netzwerken. Dort war er allerdings nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine zurückgetreten. Den Lobbyverein gibt es bis heute, er hat etwa 300 Mitglieder.

Auch Platzeck stand in der Auswahl des Jobs von Pofalla, schied aber aus, nachdem er sich kritisch zur Annexion der Krim durch Russland positioniert hatte.

Stephan Holthoff-Pförtner (CDU)

Holthoff-Pförtner ist ein umtriebiger Anwalt und Medienunternehmer.

2017 wurde er von Laschet in Nordrhein-Westfalen zum „Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales und Medien“ ernannt. Die Zuständigkeit für „Medien“ wurde nach kurzer Zeit möglichst unauffällig aus seinem Fachbereich entfernt.

Holthoff-Pförtner stand auf der Gästeliste, als die NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser den Geburtstag ihres Mannes auf Mallorca feierte, während NRW mit den Folgen der Flutkatastrophe von 2021 rang.

Martin Hoffmann

Hoffmann ist ein deutscher Russland-Lobbyist und „Kulturmanager“.
Er ist nicht nur Mitglied des Deutsch-Russischen Forums. Er ist auch der Geschäftsführer des Petersburger Dialogs, bevor dieses aufgelöst wurde.

Im Oktober 2024 war Hoffmann schon einmal mit Pofalla und Platzeck nach Baku gereist. Damals berichteten ebenfalls die Zeit und die Tagesschau.

Thomas Greminger

Darüber hinaus war auch der schweizer Diplomat und Generalstabsoffizier Greminger mit von der Partie.

Greminger war bis 2020 Generalsekretär der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE. Seitdem ist er Direktor des Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik.

Residiert hat man im Luxushotel Four Seasons in Baku.

Das Four Seasons in Baku.

Auf russischer Seite

Die russische „private“ Delegation wurde geleitet von Wiktor Subkow.

Subkow war kurz Ministerpräsident und, als er 2008 von Medwedew in der Funktion abgelöst wurde, dessen Stellvertreter.
Dmitri Medwedew ist als zweite Mann nach Putin der nette Herr, der kürzlich auf die Forderungen nach Verhandlungen von Merz, Macron, Starmer und Tusk mit dem Ratschlag reagierte, den sollen die Herren sich in den Arsch stecken. Wörtlich.

Amtseinführung von Putin 2018. Von rechts: Gerhardt Schröder, Dmitri Medwedew und Wiktor Subkow

Foto: Amtseinführung von Putin 2018. Von rechts: Gerhardt Schröder, Dmitri Medwedew und Wiktor Subkow

Subkow ist seit 2008 Aufsichtsratsvorsitzender von Gazprom. Und seine Tochter ist mit dem russischen Verteidigungsminister verheiratet.
Im November 2015 gelang Spanien ein Schlag gegen die St. Petersburger Mafia „Tambow“. Daraufhin erließ die spanische Staatsanwaltschaft internationale Haftbefehle gegen 12 hochrangige Personen aus Putins Umfeld, darunter Subkow.
Daher hätte Subkow sicher Probleme, sich frei in Europa zu bewegen. Also trifft man sich in Baku.
Genau so hat man es bereits im Oktober 2024 gemacht.

Ganz ähnlich ergeht es dem Gesprächsteilnehmer Waleri Fadejew. Er war bis 2018 Reporter beim regierungstreuen Sender „Kanal eins“ und ist heute der Chef von Putins Menschenrechtsrats, offiziell „Menschenrechtsrat beim russischen Präsidenten“. Er steht auf der Sanktionsliste der EU, darf also nicht einreisen.

Schwer zu begreifen

Bei journalistischer Sorgfalt kann man nicht rückschließen, was dort tatsächlich abgelaufen ist.
Andererseits ist das hier ein Blog und die geneigten Leserinnen und Leser wollen eine persönliche Einschätzung.

So wie ich mir das denke versuchen Politiker der SPD und der CDU, die schon vorher im Bereich umtriebig waren, die „Vernetzung“ mit Russland und dem russischen Regime am Laufen zu halten. Entgegen dem, was die jeweilige Regierung, Deutschland und selbst ihre eigenen Parteien tatsächlich vertreten und den Wählerinnen und Wählern verkaufen.
Sie unterlaufen damit die zeitgleichen Bemühungen, Russland unter Druck zu setzen. Ebenso wie die Bemühungen, sich von Russland unabhängig zu machen.

Foto: Empfang des NRW-Ministerpräsidenten zum Petersburger Dialog 2019 auf der Drachenburg Königswinter. Von rechts: Matthias Platzeck, Wiktor Subkow, Armin Laschet und Ronald Pofalla

Foto: Empfang des NRW-Ministerpräsidenten zum Petersburger Dialog 2019 auf der Drachenburg Königswinter. Von rechts: Matthias Platzeck, Wiktor Subkow, Armin Laschet und Ronald Pofalla

Die parteipolitische Ausrichtung lässt unterschiedliche primäre Motive erahnen.
Bei den Angehörigen der CDU wird es sicherlich eher um wirtschaftliche Aspekte gehen. Man hat unter Merkel jahrelang gutes Geld mit russischem Gas und Öl gemacht.
Bei den Vertretern der SPD wird es sicherlich eher um die politische Nähe zu Russland gehen. Bemerkenswert dabei ist, dass es sich bei Russland keineswegs mehr um ein irgendwie „linkes“ Land handelt, sondern um ein rechtes, autoritäres, nationalistisches Regime. Aber dabei haben auch sehr viele Linke aller Parteien und ihrer Anhänger scheinbar einen blinden Fleck.

Also führt man verdeckt Gespräche. Man rechtfertigt das, vor sich selber oder vor anderen, als „privates“ Netzwerken. Ob die russische Seite, die einen der höchsten Vertreter des Landes und Chef von Gazprom schickt, das genauso sieht, darf man skeptisch beurteilen.

Um auch auf deutscher Seite etwas höhere Provenienz ins Boot zu holen, beschwatzt man Stegner. Der eh zum linken Flügel der SPD gehört und der sich mehrfach befremdlich verständnisvoll zu Russland geäußert hat.

Es ist aber politisch eine eher ungünstige Zeit.
Einerseits nimmt gerade eine neue Regierung aus CDU/CSU und SPD die Geschäfte auf. Was könnte da passender sein, als sich direkt mal an einen gemeinsamen Tisch zu setzen? Andererseits wird diese Regierung aber genau jetzt mit einer Lupe beobachtet. Also möchte man das nicht an die öffentliche Glocke hängen.

Deshalb meldet der bisherige Geheimnisträger Stegner das ganze nicht an. Und jettet für ein weiteres Treffen nach Baku. Kontraste und die Zeit bekommen das aber mit und veröffentlichen es.
Danach gefragt erklärt Stegner lachend, das sei privat gewesen und er spreche nicht über privates.

Anschließend werden mehrere Erklärungen veröffentlicht, die wie Stegner wiederholen, dass für die Reise keine öffentlichen Mittel in Anspruch genommen wurden.
Und das hinterlässt bei mir den Eindruck für das fehlende Bewusstsein dafür, was diese Leute da tatsächlich veranstaltet haben. Als ob es um ein paar Kröten für einen Flug und eine Übernachtung im aserbaidschanischen Vier Jahreszeiten ginge.

Heute Morgen hat die Bundesstaatsanwaltschaft die Festnahme von drei Ukrainern berichtet, die im Auftrag Russlands Sprengstoffanschläge geplant haben. Erst in der vergangenen Woche sind Leute dabei erwischt worden, wie sie mit einer Drohne ein Bundeswehrgelände auskundschaften wollten. Die Liste wird länger und länger.
Im Juli 2024 waren in Leipzig, Warschau und Birmingham Pakete hochgegangen. Es wurden Leute verhaftet und Verbindungen zu Russland nachgewiesen. Der damalige Präsident des Verfassungsschutzes Thomas Haldenwang hatte dazu bei einer öffentlichen Befragung des Parlamentarische Kontrollgremiums ausgesagt. Vor genau jenem Gremium von Geheimnisträgern, in dem auch Stegner saß.
Und nun fliegt man nach Baku um Gespräche mit russischen Staatsvertretern zu führen, die nicht nach Deutschland kommen können.

Ich bin ziemlich sicher, dass sich alle Informationen, die auf dem Handy von Stegner waren, sich nun auch auf einem Server des russischen KGB-Nachfolgers FSB befinden.


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