In dem Kasperletheater der deutschen Politik fallen im Moment zwei Puppen besonders auf: Klöckner und Oppermann. Die eine unterstützt „ausdrücklich“ die Flüchtlingspolitik von Frau Merkel, die keine Obergrenze kennt, gleichzeitig aber lobt sie die von Österreich eingeführte Obergrenze von maximal 80 Asylanträgen am Tag. Der andere nennt in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung (22. Januar 2016) die Obergrenze „Augenwischerei“, sitzt er aber bei Maybrit Illner (18. Februar 2016) ziemlich gelassen und bequem und mahnt, dass die Integration der Flüchtlinge nicht gelingen kann, wenn wir jedes Jahr eine Million Flüchtlinge aufnehmen werden. Also doch Obergrenze.
Diese politische Schizophrenie ist nicht nur in der SPD und der CDU/CSU verbreitet. Die Linken haben daraus schon längst eine Ideologie gemacht. Diese Partei sollte das eiserne Schutzschild der Unterschichten sein, der Armen, der Schwachen, derjenigen, die durch die herrschende hemmungslose Wirtschaftskultur – so ihre Rhetorik - dazu verdammt wurden, am Rande der Gesellschaft zu krepieren. Sie sollten ihre Interessen verteidigen, die Ursachen ihres endlosen Elends bekämpfen und vor allem die soziopolitischen Fehlkonstruktionen der Gesellschaft entlarven, die der ökonomischen und kulturellen Ausgrenzung der Unterschichten die trügerische Form einer Naturkatastrophe, eines Schicksalsschlags geben. Und dann kam die Flüchtlingssintflut und hat uns das Gegenteil bewiesen.
Bis auf Sarah Wagenknecht, die schon längst richtig erkannt hat, dass die massenhafte Aufnahme von Flüchtlingen die Unterschichten und die unteren Schichten des Mittelstands in unmögliche Verteilungskämpfe versetzt, verraten die anderen Fraktionsmitglieder, geführt und getrieben von Katja Kipping, die Interessen ihrer politischen Klientel. Diese Klientel wird für die heutige Politik den höchsten Preis bezahlen. Und es hat schon begonnen: Im Moment tun sich der Bund und die Krankenkassen mit der Frage schwer, wer für die Kosten der medizinischen Versorgung der Flüchtlinge aufkommen muss. Aus dem Blickwinkel der Geringverdiener aber ist es völlig egal, ob sie dann mehr Steuern oder mehr Krankenkassenbeiträge bezahlen werden – in beiden Fällen bleiben sie am Ende des Monats mit weniger Geld auf dem Konto.
Dazu gehört auch der Kampf um Wohnräume und Arbeitsplätze für Unqualifizierte. Je mehr Flüchtlinge kommen – und nach Einschätzungen sind ca. 70% von ihnen unqualifiziert -, desto größer wird der finanzielle Druck auf die Unterschichten und auf die unteren Schichten des Mittelstands sein. Aber wer kümmert sich um sie?
Dass viele von ihnen früher oder später bei der AfD landen werden – ob aus ideologischen Gründen oder als Protest – , sollte uns auf gar keinen Fall wundern. Rechts von dem Zentrum ist eine politische Wüste entstanden – links von dem Zentrum ist keiner zu finden, der gegen Merkels Politik steuern will oder kann. Welche Alternative haben sie denn?
Diese politische Schizophrenie, die totale Entstellung und Destabilisierung der deutschen politischen Ordnung und die Homogenität der deutschen Politik, die wiederum bei immer mehr Menschen das Gefühl erweckt, politisch nicht vertretet zu sein, bilden im Moment die größte Gefahr für das Heil des sozialen Gefüges der deutschen Gesellschaft. Die AfD – so radikal, rassistisch und vulgär diese Partei auch sein mag - ist höchstens das Thermometer der deutschen Politik. Die Ursache für die Krankheit muss man bei den etablierten Parteien suchen.
Erschienen auf Das Loch
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