von Thomas Heck...
Am Ende will es wieder keiner gewesen sein. Deutschland muss sich auf weitere Fahrverbote und verschärfte Abgaskontrollen einstellen und wirkt dabei dermaßen fremdgesteuert und getrieben, dass man sich eigentlich fragt, wer hier in Deutschland was zu sagen hat. Jedenfalls nicht die Politik.
Den ersten Fehler machte Deutschland schon, als sie den Autobauern ihren Betrug am Kunden mit geschönten Abgaswerten durchgehen ließ und ernsthafte Konsequenzen in Form von Entschädigungen und Strafen wie in den USA ausblieben, so dass letztlich und wie immer der Verbraucher der Dumme ist, der die ganze Zeche wohl wird tragen müssen. Und so richtig innovative Alternativen im Verkehr hat die Bundesregierung ebenfalls nicht in Angriff genommen, weil kein Geld da ist, welches lieber in Flüchtlinge versenkt wird, während nun eine der Kernindustrien Deutschlands, die u.a. die ganze Party hier mitfinanziert, in erhebliche Schwierigkeiten gebracht wird. So titelt die WELT:
CO2-Grenzwerte: Brüssels nächster Nackenschlag für die deutschen Autobauer
Der Kohlendioxid-Ausstoß von Pkw soll bis 2030 um 37,5 Prozent sinken. Das ist deutlich mehr, als Berlin eigentlich mittragen wollte – und eine Schlappe für die Bundesregierung. Die Leidtragenden werden Deutschlands Autobauer sein.
Es scheint, als befinde sich seit Dieselgate in Brüssel nicht nur der Stern der deutschen Autoindustrie im Sinkflug, sondern auch jener der Bundesregierung. Bis zum Jahr 2030 soll der Kohlendioxidausstoß von Neuwagen um 37,5 Prozent zurückgehen, ausgehend vom Wert von 2021. Für leichte Nutzfahrzeuge wurde eine CO2-Reduktion um 31 Prozent vereinbart. Für beide Fahrzeugklassen soll bis 2025 eine Minderung um 15 Prozent als Zwischenetappe erreicht sein.
Dabei hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel sich noch Ende September, beim Tag der Deutschen Industrie in Berlin, für ein Reduktionsniveau von höchstens 30 Prozent ausgesprochen. „Alles, was darüber hinausgeht, birgt die Gefahr, dass wir die Autoindustrie aus Europa vertreiben“, zeigte sich Merkel damals überzeugt. Doch nun sind ihre eigenen Unterhändler in Brüssel über eben diesen Wert hinausgegangen.
EU-Parlament wollte sogar 40-Prozent-Reduzierung
Zwar hatte sich Deutschland bereits Anfang Oktober zähneknirschend dazu durchgerungen, im EU-Rat, also dem Gremium der EU-Länder, ein gemeinsames Ziel von minus 35 Prozent mitzutragen. Doch nicht einmal die 35 Prozent konnten durchgesetzt werden, weil das EU-Parlament mit einer Forderung von minus 40 Prozent ins Rennen gegangen war. Der jetzt gefundene Kompromiss liegt genau in der Mitte.
2-Kompensation
Damals hatte sich Berlin einer breiten Front von Ländern gegenübergesehen, die für mehr Klimaschutz kämpften. Deutlich mehr als die Hälfte der EU-Mitglieder, darunter Autoländer wie Frankreich, Italien, Spanien und Schweden, verlangten schärfere Auflagen als die Bundesregierung. EU-Diplomaten zufolge sind diese Länder der Auffassung, die Autobranche müsse zu mehr Forschungs- und Entwicklungsleistung sowie Investitionen bei Elektromobilität in Europa gezwungen werden.
Auch soll die deutsche Umtauschprämie für alte Dieselautos auf Unmut stoßen, weil damit Emissionsprobleme nur verlagert würden. Schon im vergangenen Jahr ist die Ausfuhr gebrauchter Diesel von Deutschland um ein Fünftel auf knapp 240.000 Fahrzeuge gestiegen. Die meisten Wagen gingen nach Italien, Österreich und Frankreich.
Die Autobauer schaffen nicht mal den Ausgangswert
Für die Autoindustrie sind die vereinbarten Reduktionsziele keine gute Nachricht. Denn schon das für 2021 festgelegte Ziel, von dem aus dann noch einmal 37,5 Prozent heruntergerechnet werden müssen, wird wahrscheinlich von acht der 13 europäischen Autokonzerne gerissen. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Studie der Unternehmensberatung PA Consulting, die einigen Konzernen Millionenstrafen prophezeit. Besonders hart soll es laut PA Consulting VW treffen: Ausgehend von der künftigen Modellpalette und einem geschätzten Anteil von E-Autos hat PA Consulting errechnet, dass VW 1,4 Milliarden Euro Strafzahlungen wegen zu hoher CO2-Emissionen drohen könnten.
Fiat-Chrysler könnte demnach mit 700 Millionen Euro zur Kasse gebeten werden, die PSA-Gruppe mit Peugeot, Citroën und Opel muss womöglich 600 Millionen Euro zahlen. Ein zentrales Problem der gesamten Branche sind neben dem Rückstand bei der Entwicklung von Elektroautos die rückläufigen Verkäufe von Dieselfahrzeugen. Diese verbrauchen weniger Treibstoff und stoßen daher nicht so viel Kohlendioxid aus, was dem Flottendurchschnitt zugutekommt. Allerdings haben Dieselfahrzeuge im Gegenzug einen höheren Stickoxidausstoß. Zugleich greifen immer mehr Kunden zu großen, schweren SUV, was den Flottenverbrauch ebenfalls belastet.
Die EU hatte sich vor Jahren darauf verständigt, dass die verkauften Fahrzeuge eines Autobauers im Jahr 2021 im Schnitt nicht mehr als 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen dürfen. Im vergangenen Jahr emittierten neue Pkw in Europa im Schnitt noch 118,5 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer. Bei einigen Konzernen stieg der Wert im Vergleich zum Vorjahr sogar wieder an. Damit sind die Hersteller also schon vom ersten Ziel noch weit entfernt.
Einigung nach Druck von Österreich
Dass es überhaupt eine Einigung auf neue CO2-Grenzwerte gegeben hat, kam überraschend. Zu verdanken ist das dem Willen der österreichischen Ratspräsidentschaft, die unbedingt vor Ende ihrer Amtszeit noch ein Ergebnis aushandeln wollte. Noch vor einer Woche hatten die Verhandler von EU-Parlament und Ministerrat, also dem Gremium der EU-Länder, aber morgens um drei Uhr entnervt den Versuch aufgegeben, sich zu einigen. Zunächst hatte es geheißen, die Gespräche würden erst im neuen Jahr wieder aufgenommen. Doch dann machten die Österreicher Druck.
Mit einem neuen Anreizsystem will die EU künftig auch Null- und Niedrigemissionsfahrzeuge fördern, und das besonders in Osteuropa und anderen Staaten, in denen bisher solche Autos kaum verkauft werden. Hersteller, die solche Fahrzeuge dort auf den Markt bringen, bekommen eine höhere Anrechnung. Nur ist noch unklar, ob eine Umsetzung dieses Vorhabens überhaupt möglich ist, ohne Binnenmarktrecht zu verletzen.
Die neuen Grenzwerte stellten die Industrie „noch immer vor sehr große Herausforderungen“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Jens Gieseke. Aber es sei wenigstens gelungen, „wieder mehr Realismus in die Debatte zu bringen“. Noch vor wenigen Monaten hätten einige Fraktionen im Europaparlament Reduzierungen von 50 bis 75 Prozent bis 2030 gefordert. „Das hätte Tausende Arbeitsplätze in Europa zerstört und Emissionen nur vom Auspuff in die Kraftwerke verlagert.“
Die Grünen zeigten sich enttäuscht über den „fehlenden Mut und die fehlende Weitsicht“: Nur wenige Tage nach Abschluss der Klimakonferenz in Katowice bleibe die Vereinbarung weit hinter dem zurück, was notwendig wäre, um ernsthaft auf die Ziele des Pariser Klimaabkommens hinzuarbeiten, sagte die umweltpolitische Sprecherin Rebecca Harms: „Die europäische Autoindustrie wird so nicht zukunftsfähig.“