Sonntag, 22. Mai 2022

Kraft und Zuversicht für Putins Soldaten

von Hubertus Knabe...

Das Kapitulationsmuseum in Berlin soll an die Schrecken des Zweiten Weltkrieges erinnern. Doch ein Vorstand des Trägervereins betreibt Propaganda für Putins Feldzug gegen die Ukraine. Die zuständigen Ministerinnen Annalena Baerbock und Caudia Roth wollen daran nichts ändern.

Fragwürdiger Trägerverein - Historischer Panzer vor dem Kapitulationsmuseum in Berlin-Karlshorst


Russlands Verteidigungsministerium sitzt im Aufsichtsrat eines deutschen Museums. Was auf den ersten Blick wie ein böser Traum anmutet, ist Realität beim Kapitulationsmuseum in Berlin. Außer dem Ministerium von Sergej Schoigu sind dort auch die Ressorts von Außenminister Sergej Lawrow und von Kulturministerin Olga Ljubimowa vertreten. Das Zentralmuseum der russischen Streitkräfte in Moskau ist sogar Teil des zweiköpfigen Vorstands.

Was lange Zeit als „Dialog“ gerühmt wurde, ist durch Wladimir Putins Angriff auf die Ukraine zu einem handfesten Problem geworden. Denn das Museum im Berliner Stadtteil Karlshorst, das an die Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Mai 1945 erinnert, wird von einem Verein getragen, in dem gleich mehrere Fürsprecher des russischen Präsidenten vertreten sind. Von den 17 Mitgliedsinstitutionen stammen sechs aus Russland; eine weitere entsendet Russlands engster Verbündeter Belarus.

Der 1994 gegründete Verein, intern Kuratorium genannt, hat laut Satzung die Befugnisse eines Aufsichtsrates. Er bestimmt die Richtlinien der Museumsarbeit, beschließt den Wirtschaftsplan und entscheidet über Einstellung und Entlassung des Direktors. Auch Änderungen am sogenannten Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Deutschen Historischen Museum muss er zustimmen. Der Vorstand, der den Verein vertritt, besitzt ein Weisungsrecht gegenüber dem Direktor, der wiederum die Vorgaben der Mitgliederversammlung umzusetzen hat.

Weisungsrecht gegenüber dem Direktor – Mehrfachraketenwerfer BM-13 im Garten des Kapitulationsmuseums


Putin-Bewunderer im Vorstand

Die russischen Vereinsmitglieder kommen aus Institutionen, die aktiv am Krieg gegen die Ukraine mitwirken. Verteidigungsminister Minister Schoigu und Außenminister Lawrow spielen sogar eine Schlüsselrolle. Der langjährige Kulturminister Wladimir Medinski gilt als Vordenker des russischen Neo-Imperialismus. Nach der Krim-Annexion hatte er Putin als „absolutes Genie der modernen Realpolitik“ bezeichnet. Vor zwei Jahren wechselte er als dessen Berater in den Kreml, jetzt leitet er die russische Delegation bei den Verhandlungen mit der Ukraine.

Für das Moskauer Streitkräftemuseum sitzt deren Vizedirektor Wladimir Lukin im Vorstand des Vereins. Der stellvertretende Vereinsvorsitzende leitete einst selber das Museum in Karlshorst. Zu seiner Zeit war es noch eine sowjetische Einrichtung und hieß „Museum der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschland im Großen Vaterländischen Krieg“. Wahrscheinlich hat Putin, der bis 1990 für den KGB in Dresden stationiert war, ihn damals schon kennengelernt.

Lukin gehört zu den erklärten Bewunderern des russischen Präsidenten. Im Juni 2020 konnte man im russischen Fernsehen sehen, wie er Putin und Schoigu durch sein 35 Säle umfassendes Streitkräftemuseum führte. Anlass war die Eröffnung des sogenannten Haupttempels des Verteidigungsministeriums, einer bombastischen Kathedrale mitten auf dem Museumsgelände. Der Kirchenbau wurde international bekannt, weil die Mosaike an den Wänden auch Josef Stalin, Putin und Schoigu zeigten. Dem verantwortlichen Bischof zufolge sollten Letztere damit für ihre Rolle bei der Krim-Annexion gewürdigt werden. Erst nach massiver Kritik wurden die Mosaike wieder abgenommen. Putin habe die Würdigung für „verfrüht“ gehalten, erklärte der Bischof danach.

Bewunderer des Präsidenten – Berliner Museumsvorstand Wladimir Lukin (l.) beim Rundgang mit Putin und Schoigu (r.)


Bei dem Rundgang durch das Museum kam auch ein Aufsatz zur Sprache, der gerade unter Putins Namen erschienen war. Der russische Präsident bestritt darin jede Mitschuld der Sowjetunion am Kriegsausbruch, die Historiker wegen des Hitler-Stalin-Paktes und des anschließenden Einmarsches der Roten Armee in das östliche Polen für erwiesen halten. Stattdessen beschuldigte er Polen, selber mitverantwortlich für den Krieg gewesen zu sein, weil es sich nach dem Münchner Abkommen an der Aufteilung der Tschechoslowakei beteiligt hätte. „Die darauffolgende Tragödie Polens liegt voll und ganz auf dem Gewissen der damaligen polnischen Führung,“ schrieb Putin unter anderem. Darüber hinaus behauptete er, dass die Annexion des Baltikums „auf vertraglicher Basis, mit Zustimmung der gewählten Behörden“ erfolgt wäre.

Bei dem Rundgang durch das Moskauer Museum versicherte der Vorstand des Berliner Trägervereins dem russischen Präsidenten, dass dessen Artikel „so wunderbar geschrieben“ sei. Er habe ihn „mit einer solchen historischen Begeisterung gelesen“, so Lukin. „Normalerweise wird dies nicht geschrieben“, lautete ein weiteres Kompliment. Das Gespräch wurde nicht nur im Fernsehen gezeigt, sondern auch von vielen anderen russischen Medien gemeldet – als vermeintlich wissenschaftliche Bestätigung von Putins Thesen.

Dass das Moskauer Streitkräftemuseum kein Museum im herkömmlichen Sinne ist, konnte man auch an einer anderen Szene des Besuches sehen. Das russische Fernsehen zeigte, wie Hunderte Soldaten auf dem sogenannten Exerzierplatz stramm standen, um einer pathetischen Ansprache Putins zu lauschen. Wie sehr das dem Verteidigungsministerium unterstehende Museum dem russischen Militär als Propagandakulisse dient, war erst kürzlich wieder zu beobachten, als Schüler der Schule Nr. 2044 dort den sogenannten Kadettenschwur ablegten. Auf der Museumswebsite sieht man, wie sie in Uniform vor Armeeoffizieren stramm stehen. Ein vielleicht zwölfjähriger Junge liest feierlich den Schwur vor, in dem es unter anderem heißt: „Treu und selbstlos diene ich meinem Vaterland! Ich schwöre, ein ehrlicher und loyaler Genosse zu sein.“

„Treu und selbstlos diene ich meinem Vaterland“ – Kadettenschwur im Moskauer Streitkräftemuseum am 8. April 2022


Propaganda für den Ukraine-Krieg

Seit dem Ukraine-Krieg beteiligt sich das Moskauer Museum noch viel mehr an Putins Propaganda. Am 18. März wirkte es zum Beispiel an den offiziellen Feiern zur Krim-Annexion mit. Während Putin auf einer Großkundgebung in einem Moskauer Stadion erklärte, es gebe „keine größere Liebe, als seine Seele für seine Freunde hinzugeben“, organisierte das Museum „zu Ehren des Tages der Wiedervereinigung der Krim mit Russland“ einen sogenannten offenen Unterricht für Moskauer Kadetten. Den „historischen Ereignissen auf der Halbinsel, die das Schicksal unseres Landes entscheidend beeinflusst haben,“ sei dabei große Aufmerksamkeit geschenkt worden, heißt es auf der Website des Museums.

Fünf Tage später fand in dem Museum eine Veranstaltung statt, bei der Kinder dem Verteidigungsministerium 5000 Briefe an russische Soldaten übergaben, die „ihre Pflicht in der Ukraine erfüllen,“ wie es auf der Museumswebsite heißt. Die Botschaften seien dort zuvor in der Bibliothek erstellt worden. Bei der feierlichen Übergabe erklärte die Vizepräsidentin der Duma, Anna Kusnezowa, die auf den Sanktionslisten der USA und der EU steht, dass sich „mit Beginn der Operation das ganze Land der Unterstützung unseres Militärs“ angeschlossen habe. Trotz anderer Unterstützungsaktionen wie Autokorsos oder Demonstrationen habe „das Schreiben warmer Worte seine Relevanz nicht verloren.“ Ein weiterer Redner betonte, die Briefe gäben den Soldaten „Kraft und Zuversicht, dass ihre Handlungen fair und korrekt“ seien. Nur sie könnten „das Problem des Friedens und der Sicherheit nicht nur in der Ukraine und im Donbass, sondern auch in Russland und bei seinen Verbündeten lösen“.

Am 23. April übergaben Kinder erneut Briefe und Zeichnungen für russische Soldaten. Auf der Website des Museums sieht man, wie sie ihre patriotischen Botschaften in einen olivgrünen Briefkasten mit der Aufschrift „Feldpostamt“ (полевая почта) einwerfen. Bei der Veranstaltung habe ein Mädchen ihren Brief „an die Verteidiger des Vaterlandes“ auch vorgelesen. Darin habe es geheißen: „Vielen Dank für Ihren Heroismus, Ihre Tapferkeit und Ihren Mut. Die Qualitäten, die all den Teilnehmern an dieser schwierigen Operation innewohnen, sind endlos. Vielen Dank für alles, was Sie tun. Gesundheit für Sie und Kraft!“

„Vielen Dank für Ihren Heroismus“ – Kinder beim „Feldpostamt“ im Moskauer Streitkräftemuseum am 23. April 2022


Auch die Feiern zum Ende des Zweiten Weltkrieges vor 77 Jahren nutzte das Streitkräftemuseum zur Unterstützung des Ukraine-Krieges. So gingen sämtliche Einnahmen aus dem Ticketverkauf am 8. Mai an eine Wohltätigkeitsstiftung namens „Zaschita“ (Verteidigung), die den im Nachbarland eingesetzten russischen Soldaten helfen soll. Am folgenden Tag, der eintrittsfrei war, fertigten Kinder ein weiteres Mal Postkarten für die „Teilnehmer der militärischen Spezialoperation“ an. „Nicht nur Kinder, sondern auch ihre Eltern nahmen gerne an der Aktion teil,“ heißt es auf der Museumswebsite.

Lieb gewonnene Kollegen

Auf der Internetseite des Berliner Museums erfährt man von all dem nichts. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wurde dort nur eine Erklärung mit dem Titel „Dialog bewahren“ veröffentlicht. Darin hieß es: „Wir wollen weiterhin vertrauensvoll mit den Museen in Belarus, der Russischen Föderation und der Ukraine zusammenarbeiten, deren Ausstellungen wir übernehmen und bei denen wir ausstellen. Den Gesprächsfaden zu den liebgewonnen Kolleg:innen in Moskau, Minsk und Kiew, St. Petersburg, Wolgograd und vielen weiteren Städten in Osteuropa wollen wir nicht abreißen lassen.“ Dass der einzige ukrainische Vertreter im Verein schon seit der Krim-Annexion nicht mehr zu den Sitzungen kommt, stand nicht in der Erklärung.

Fragt man die für das Berliner Museum Verantwortlichen, was sie zur Kriegspropaganda ihres russischen Vereinsvorstandes sagen, erhält man ausweichende Antworten. Das Auswärtige Amt verweist auf die Kulturstaatsministerin, die wiederum lässt die Frage unbeantwortet. Der Direktor des Berliner Museums, Jörg Morré, teilt mit: „Allgemein sind derartige, grundverschiedene Sichtweisen nicht unüblich in der interkulturellen Zusammenarbeit. Das Museum Karlshorst würde die von Ihnen genannten Aufforderungen niemals auf seiner Website veröffentlichen.“

„Grundverschiedene Sichtweisen nicht unüblich“ – Website des Kapitulationsmuseums in Berlin-Karshorst


Die Frage, wie es das Auswärtige Amt und die Beauftragte für Kultur und Medien bewerten, dass das Berliner Museum den Krieg gegen die Ukraine nicht verurteile, sorgt hingegen für unerwartete Aktivitäten. Die Pressestelle von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) behauptet zunächst, die Einrichtung habe sich „gleich am ersten Tag des Krieges gegen den russischen Angriff gestellt“. Als Begründung führt sie an, dass statt der sonst üblichen vier Fahnen „nur die ukrainische Fahne vor dem Museum aufgezogen“ worden sei. Wenig später stellt das Museum plötzlich doch noch eine Erklärung auf seine Website, in der es den russischen Angriff verurteilt – angeblich „erneut aufs Schärfste“. Die Pressestelle von Annalena Baerbock (Grüne) antwortet erst nach drei Tagen und verweist dann auf dieses Statement.

Auch sonst läuft die Kommunikation mit den Verantwortlichen eher zäh. Museumsdirektor Morré lehnt es ab, die Vereinssatzung zu übersenden und die Höhe des Budgets zu nennen, „weil das nicht öffentlich zu diskutieren ist“. Es bedarf mehrerer Nachfragen, bis die Pressestelle der Kulturstaatsministerin schließlich die erbetenen Angaben übermittelt: 1,5 Millionen Euro lässt sich der Bund das Berliner Museum jährlich kosten, Russland bezahlt nichts.

Die entscheidende Frage, ob die Bundesregierung die Trägerschaft des Museums ändern will, verneint Roths Pressestelle. Es gebe derzeit „keine konkreten Veränderungspläne“. Die Sitzungen des Vereins seien allerdings „bis auf weiteres“ ausgesetzt, weil die Bundesregierung keine direkten Kontakte mehr zu staatlichen Vertretern der Russischen Föderation und Belarus unterhalte. Laut Baerbocks Pressereferat setzt sich die Bundesregierung jedoch dafür ein, dass das Museum „auch angesichts des aktuellen Krieges seine historisch-politische Bildungsarbeit fortsetzt.“

„Keine konkreten Veränderungspläne“ – Kulturstaatsministerin Roth bei einem Wahlkampfauftritt am 13. Mai 2022


Wie das funktionieren soll, ist unklar. Die Mitglieder des Vereins müssen nämlich mindestens einmal im Jahr zusammenkommen. Dass die Beziehungen zu Russland bis zum Jahresende wieder ins Lot kommen, ist unwahrscheinlich. Unter Umständen drohen den russischen Vereinsmitgliedern in Deutschland sogar strafrechtliche Konsequenzen wegen Unterstützung des Angriffskrieges gegen die Ukraine. Ohne die Abgesandten Russland und Belarus kann der Verein aber keine Beschlüsse fassen, weil dafür mindestens zwei Drittel der Mitglieder anwesend sein müssen. Darauf angesprochen, teilt Roths Pressestelle mit: „Für die im Verlauf des Jahres abzuhaltende Sitzung wird zu gegebener Zeit eine Lösung gefunden werden.“

Der Vorstand eines Berliner Museums kann also weiterhin Propaganda für Putins Krieg gegen die Ukraine machen. Immerhin haben die Nachfragen bewirkt, dass das Museum plötzlich einer langjährigen ukrainischen Forderung nachgekommen ist und sich Ende April umbenannt hat: Statt „Deutsch-Russisches Museum“ soll es künftig „Museum Berlin-Karlshorst“ heißen. Der alte Namensschriftzug vor dem Gebäude wurde bereits beseitigt. Jetzt steht dort: „Ort der Kapitulation“ – ein Name mit durchaus doppelsinniger Bedeutung.




Samstag, 21. Mai 2022

Als in Deutschland die Logik starb...

von Mirjam Lübke...

Damals im Philosophie-Studium mussten wir einen Logik-Kurs absolvieren, der unter den Studenten gefürchtet war - viele scheiterten an der Abschlussprüfung. Gerüchteweise hingen manche Kommilitonen jahrelang im Hauptstudium fest, weil sie schon mehrfach durch den Test gerasselt waren, ohne den man das Studium nicht abschließen konnte. Da ich mir unter den Philosophen immer ein bisschen doof vorkam, war ich mächtig stolz, schon beim ersten Mal zu bestehen: "Nehmt das, ihr Adepten des Konstruktivismus! Ich habe den Logikschein - und ihr nicht!"




Ob mich das Bestehen der Prüfung nun wirklich fit für das Durchstehen kompliziertester Debatten macht, wage ich manchmal zu bezweifeln, aber das hier beschriebene Verhalten junger Menschen in der Mensa scheint mir keiner logischen Ordnung zu folgen. Aber das ging mir von Anfang an bei einigen der Maßnahmen so - zum Beispiel, als man nur im Stehen an einem Eishörnchen schlecken durfte. Setzte man sich dazu hingegen auf eine Bank, eilte sogleich die Ordnungsmacht herbei, weil offenbar sofortige Durchseuchung mit tieffliegenden Viren drohte. Nur die Zahlung eines Bußgeldes konnte einen noch vor dem sofortigen Tod retten. 

Auch ohne Bußgeld hält sich offenbar hartnäckig der Gedanke, Corona greife nur unter bestimmten Umständen an, etwa dann, wenn man gerade nichts isst oder statt eines Geschäfts einen Bus betritt. Anfänglich wurde dieser Widerspruch mit dem Slogan "flatten the curve" abgebügelt - man müsse die Ansteckung von zu vielen Bürgern auf einmal verhindern. Eine Art Lotterie also, da uns schließlich beständig versichert wurde, in welcher Gefahr wir schwebten. Seitdem bekomme ich das Bild eines fiktiven Forschers nicht aus dem Kopf, der mitten in einem Hochsicherheitslabor seinen Schutzanzug öffnet, um sein Butterbrot zu essen, während die Kollegen an Ebola und der Pest forschen. Essen hilft gegen Viren, endlich kann ich meine Gefräßigkeit vor der Welt rechtfertigen. Ich schütze mich lediglich vor Corona! 

Wollen wir hoffen, dass die Leitung der Mensa nicht demnächst Durchsagen machen muss, wann ein- und ausgeatmet werden darf - oder wie Messer und Gabel verantwortungsbewusst einzusetzen sind. Zumindest dürfte es in den wenigsten Mensen Affengulasch als Stammessen geben, sonst sähen sich die furchtsamen Studenten gleich dem nächsten Risiko ausgesetzt. Denn eine neue Herausforderung steht schon in den Startlöchern: Die Affenpocken. Karl Lauterbach freut sich, die Pandemie-Planung läuft offenbar schon auf Hochtouren. Endlich wird er wieder gebraucht. In Sachen Eigenvermarktung als Feldherr gegen das Böse kann Herr Lauterbach allerdings noch eine Menge von Herrn Selenskij lernen: Vielleicht sollte er, analog zu Selenskijs Kampf-T-Shirt, einfach nur noch im weißen Kittel auftreten. Denn schon jetzt spottet das Netz, ob wir demnächst mit Bananen zwangsgeimpft werden sollen. Übrigens ist der Gedanke so abwegig nicht: Bananen können tatsächlich - mit ein wenig Nachhilfe aus dem Labor - zur "Bioimpfung" verwendet werden. Ich hasse Bananen. 

Was aber treibt selbst Studenten, die schließlich mit dem Abitur eine "Reifeprüfung" abgelegt haben, zu derart irrationalem Verhalten? Ist es die Suche nach Halt, wie sich auch Kinder an ihre Eltern klammern, wenn ihnen etwas Beängstigendes begegnet? Die sollen es dann für sie richten, eine Konstellation, die durchaus noch im Erwachsenenalter für beide Seiten angenehm ist, wenn sie sich als bequem erwiesen hat.

Und es ist schon einiges los in der Welt. Corona hat erst das Partyleben lahmgelegt, dann die Wirtschaft und das Grundgesetz. Letzteres scheint weite Teile der Bevölkerung nicht sonderlich zu stören, aber unterschwellig merken die Bürger schon, dass etwas nicht stimmt. Depressionen nehmen überhand, mittlerweile kennt man im eigenen Umfeld immer jemanden, der von Impfnebenwirkungen betroffen ist und dennoch nimmt die Kampagne kein Ende. Jetzt noch der Krieg in der Ukraine und die Angst vor einem Einsatz nuklearer Waffen. Aber auch in diesem Fall gilt: Es gibt viel verbales Getöse, viel Moral, viel pro-ukrainisches Schaulaufen, das mittlerweile selbst Amazon die Kassen füllt. Generation Impfung und Schutzmaske, die sich fast abergläubisch vor einem Virus fürchtet, sieht der nuklearen Bedrohung "gelassen entgegen". Ob die ukrainische Zivilbevölkerung als derzeit Hauptleidende das ähnlich auf die leichte Schulter nimmt?

Wenigstens wird es auch im Studentenwohnheim spätestens im nächsten Jahr nicht mehr kalt werden, denn Deutschland handelt jetzt einen Vertrag über die Lieferung von Flüssiggas mit Katar aus. Ja, richtig gelesen - Katar. Dort nimmt man es mit den Menschenrechten zwar auch nicht so genau, aber das haben die Deutschen nicht so im Blick - denn immerhin fördern sie den Fußball und werden wohl auch nicht in ein nahegelegenes Land in Europa einmarschieren. 

Die spannendste Meldung jedoch kam in den letzten Tagen aus den USA - dort gab es eine Anhörung im Kongress über die zunehmende Anzahl von UFO-Sichtungen. Immerhin über die Existenz von Außerirdischen darf mittlerweile nämlich auch von seriösen Wissenschaftlern nachgedacht werden. Vielleicht ist das Weltraumtourismus: "Besuchen Sie den verrücktesten Planeten des Universums - Unterhaltungswert garantiert!" Besonders Deutschland gehört zum Premium-Ausflugsprogramm und in Berlin fällt so ein Außerirdischer gar nicht weiter auf. Allerdings sollte er beim Essen in der Mensa eine Maske tragen...



Freitag, 20. Mai 2022

Berliner Senatoren bekommen ihre Pension bereits mit 55...

von Thomas Heck...

In Berlin gehen die Uhren bekanntlich anders. So gehen Berliner Senatoren mit fürstlichen Pension in den Ruhestand. Dafür werden die Gelder schon früher ausgezahlt, nämlich mit 55. Anders als bei Minister auf Bundesebene.


Das Ruhegehalt der Senatoren ist sehr hoch und wird zehn bis zwölf Jahre früher ausgezahlt als für alle anderen Arbeitnehmer. Dennoch will die große Mehrheit der Parteien im Abgeordnetenhaus daran nichts ändern. Das ist nicht nachvollziehbar, meint Gunnar Schupelius von der B.Z. .

Senatoren in Berlin wird eine fürstliche Pension garantiert. Sie erhalten nach nur vier Jahren Amtszeit schon ein Ruhegehalt in Höhe von knapp 4000  Euro brutto im Monat, im Höchstfall sogar mehr als 10.000  Euro.

Das Ruhegehalt wird außerdem schon ab einem Alter von 55  Jahren ausgezahlt, also zehn bis elf Jahre früher, als es für Beamte die Regel ist.

Wer sein Amt mehr als zehn Jahre bekleidete, bekommt sogar unabhängig vom Alter bereits 42 Prozent seiner Amtsbezüge als Ruhegehalt. Die Bezüge eines Senators liegen aktuell bei rund 14.300  Euro brutto im Monat.

Die frühere Schulsenatorin Scheeres (SPD) zum Beispiel hat diese Grenze erreicht. Sie war zehn Jahre und drei Wochen im Amt und ist 52  Jahre alt. Ihr stehen monatlich bereits rund 6000  Euro brutto zu. Keiner schlechter Hurenlohn für 10 Jahre "Arbeit".


Seit 15  Jahren gibt es immer wieder Versuche, diese enorme Bevorzugung zu beenden. 2005 unternahmen die Grünen einen Anlauf, der im Sande verlief, 2021 versuchte es der damalige Finanzsenator Kollatz (SPD), scheiterte aber schon an der eigenen Partei.

Am Donnerstag brachte die AfD einen entsprechenden Antrag ins Abgeordnetenhaus ein. Darin wird gefordert, die Pensionsgrenze für Senatoren an die Regeln für Beamte anzugleichen.

Dieser Antrag wurde nach kurzer Debatte von allen anderen Parteien abgelehnt. Die Redner ergingen sich dabei in viel Polemik mit wenig Sachbezug.

Die Grünen äußerten die Hoffnung, dass die AfD bei den nächsten Wahlen aus dem Abgeordnetenhaus fliegen werde. Die SPD warf der AfD vor, lediglich „Effekte“ zu setzen. Der CDU-Abgeordnete Christian Goiny sprach von einer „Neiddebatte“, die losgetreten werden solle, und die FDP von einem „populistischen Schnellschuss“.

Neiddebatte? Es geht um Geld, das allen gehört. Senatoren sind Mitarbeiter im öffentlichen Dienst auf Zeit, sie werden vom Steuerzahler bezahlt. Also sollte man über die Höhe ihrer Bezüge reden.

Und warum sollen wir es als Schnellschuss werten, wenn eine Partei nach 17  Jahren Diskussion das Thema wieder einmal im Parlament zur Sprache bringt?

Das aber wollten die anderen nicht, sie verfuhren nach dem Motto: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus! SPD, CDU, Linke und Grüne haben jeder eine ganze Reihe ehemaliger Senatoren in ihren Reihen, die ihren Ruhestand bei hoher Pension genießen.

Der AfD-Antrag wurde abgelehnt, ohne dass es konstruktive Gegenvorschläge gegeben hätte.

Die aber liegen auf der Hand. Der Chef des Steuerzahlerbundes Berlin e. V., Alexander Kraus, will das Pensionsalter der Senatoren an die Altersgrenze für Beamte koppeln. Diese Regel gilt für Bundesminister.

Kraus rechnet anschaulich vor, um welche Summen es eigentlich geht: Nach nur vier Jahren Amtszeit stehen einem Senator, der 80 Jahre alt wird, insgesamt 1,2 Millionen Euro Ruhegehalt zu.

So kann es nicht bleiben. Das müssten eigentlich alle verstehen.



Meinungsfreiheit wegen Hassposts einschränken? Ernsthaft?

von Mirjam Lübke...

»Feindbild Frau« lautete am Dienstag der Titel einer Dokumentation auf ARTE, die ich mir trotz gewisser Vorahnungen dann doch einmal ansah. Im Mittelpunkt des Films standen Frauen, die als Politikerinnen, Journalistinnen oder Autorinnen im Licht der Öffentlichkeit stehen und aus diesem Grunde häufig mit Hasskommentaren überschüttet werden. So weit, so plausibel – denn was da auf die Damen herunterprasselte, konnte einem schon den Atem stocken lassen. »Unflätigkeit« trifft den Nagel nicht ganz auf den Kopf, denn das meiste ging weit über anzügliche Bemerkungen hinaus. 



Vergewaltigungsfantasien in aller Ausführlichkeit, Morddrohungen und übelste sexuelle Beleidigungen wechselten sich ab. Man konnte sich lebhaft vorstellen, wie vom Leben frustrierte Männlein hier ihre Wut auf die Ungerechtigkeit des Lebens im Allgemeinen und auf den weiblichen Teil der Menschheit im Besonderen in die Tastatur rotzten. Mein Mitleid hielte sich arg in Grenzen, würde ein Gericht die Herren zu einer saftigen Geldstrafe verurteilen. Das würde sie zwar noch frustrierter machen – aber ihnen hoffentlich auch eine Lehre sein, mit ihrem Fust zukünftig klüger umzugehen. 

Bedenklich an der Dokumentation waren daher auch nicht die Berichte über die Erlebnisse der Frauen, sondern die Schlussfolgerungen daraus. Aus einem juristischen Problem – der ohne Frage üblen Beleidigung von Frauen – wurde wieder einmal ein gesamtgesellschaftliches gemacht, mit den üblichen Schuldzuweisungen und Rufen nach mehr Kontrolle in den sozialen Medien. »Meinungsfreiheit einschränken, um Meinungsfreiheit zu erhalten«, so lautet die Patentlösung für jegliche Missstimmung in der Öffentlichkeit, egal, ob es um Frauenfeindlichkeit, Rassismus oder auch die Corona-Maßnahmen geht. Es mag sinnvoll sein, ein Fahrrad durch ein massives Schloss sicher anzuketten, damit es nicht gestohlen wird, aber Meinungen an die Kette zu legen, hat sich schon immer als Rutschbahn in den Totalitarismus erwiesen. Wo wollte man da auch anfangen? Die Äußerungen »Frauen haben in der Politik nichts zu suchen« oder »Frauen haben von diesen Themen keine Ahnung« mögen mich persönlich auf die Palme treiben, allerdings müsste ich mich auch fragen, ob ich in der Politik tatsächlich am richtigen Platz wäre, wenn ich damit nicht ohne Hilfe durch Zensoren zurechtkäme, die mich künstlich in Watte packen.

»Wasch mich, aber mach mich nicht nass« lautete in den letzten Wochen oft die Verteidigungsstrategie öffentlich kritisierter Politikerinnen, die einerseits nicht als Frau in traditioneller Rolle gesehen werden wollen, aber sich genau auf diese zurückziehen, wenn ihnen Fehler im Amt vorgeworfen werden – und sei es noch so angebracht. Anne Spiegel wurde plötzlich zur treusorgenden Ehefrau, als man ihr vorwarf, trotz der Katastrophe im Ahrtal in Urlaub gefahren zu sein. Auch Christine Lambrecht reagierte nach dem Hubschrauber-Skandal um ihren Sohn ähnlich – sie bat um Verständnis, weil sie ihn so selten treffen könne. Die Damen, die vorher recht kaltschnäuzig zu ihren eigenen Gunsten entschieden hatten, gaben sich wenig reuig, sondern bedauerten sich erst einmal selbst, weil sie nun »frauenfeindlicher Hetze« ausgesetzt seien. Das schafft nicht gerade Sympathien für Frauen in der Politik, die genau, wie es auch von ihren männlichen Kollegen erwartet wird, eine gewisse Krisenfestigkeit an den Tag legen sollten. Mit den vielgepriesenen weiblichen »soft skills« hat dies ebenfalls wenig zu tun – diese sollen schließlich dem gesamten Team zugutekommen. Da stellt sich unwillkürlich die Frage, wie die weiblichen Abgeordneten früherer Generationen mit dem Druck zurechtkamen, dem sie täglich ausgesetzt waren – sie wirken allesamt weitaus souveräner als die Damen, die heute an vorderster Front stehen.

Zu Wort kamen dann tatsächlich Anne Spiegel und Claudia Roth. Claudia Roth hält wohl tatsächlich regelmäßige Lesungen ab, in denen sie einem geneigten Publikum ihre Hasspost vorstellt. Man muss schon von einer gewissen Sensationslust getrieben sein, sich dies über längere Zeit anzuhören, denn was die Schreiber von sich geben, zeugt von vielen einsamen Stunden mit Gewaltpornos vor dem heimischen Fernseher. Ist das wirklich repräsentativ für unsere Gesellschaft? Im realen Leben sind mir noch wenig Männer begegnet, die sich derart widerlich betragen hätten – die wenigen Exemplare, die mir über den Weg liefen, litten eindeutig unter einem schweren psychischen Schaden. Doch, wir ahnen es, Schuld an diesem Frauenhass sollen »die Rechten« tragen. 

Prompt erschien Björn Höcke auf dem Bildschirm, mit seinem berühmten Zitat über die Suche nach der verlorenen Männlichkeit. Auch wenn es mich nicht sonderlich verwundert hat, ihn unter den Sündenböcken wiederzufinden – wie könnte es anders sein – rätsele ich bis heute daran herum, was die Suche nach Männlichkeit mit Hassbotschaften an Frauen zu tun hat. Ein in sich ruhender Mann hat sicherlich besseres zu tun, als Claudia Roth zu beschimpfen – es sei denn, es wäre wegen des Unsinns, den sie politisch von sich gibt. Die Hassbriefschreiber aber benehmen sich gerade nicht »männlich« im guten Sinne des Wortes, da sie wie Lurche in ihrem Sumpf sitzen und Angst haben, aus der Deckung zu kommen. Offene Konfrontation ist ihnen fremd – und laufen sie einmal Amok, dann verstecken sie sich hinter ihrer Waffe und dem Überraschungsmoment. Ein solches Verhalten ist auch mit Sicherheit an keine politische Richtung gebunden und auch nicht »männlich«. Björn Höckes Videoausschnitt schicke ich übrigens gern als kleinen Fingerzeig an Herren, die mir gegenüber den starken Max machen, aber dann unter einem Schnupfen zusammenbrechen. Egal, ob sie rechts oder links sind. 

Seltsamerweise versteiften sich die in Frankreich befragten Frauen längst nicht so sehr auf die »rechts-links«-Frage, sondern berichteten auch von Übergriffen durch Kollegen der eigenen Partei, in der Beleidigungen genutzt wurden, um die Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen. Da glaubt man, mit jemandem an einem Strang zu ziehen, weil man die gleichen politischen Ziele teilt, doch plötzlich erweist sich dieser Mensch als übelster Macho. Während bei Claudia Roth das »Böse« aus der politischen Konkurrenz im Vordergrund stand, schien es den französischen Frauen tatsächlich viel mehr um ein besseres Miteinander anzukommen. Persönlich erschien mir das weitaus plausibler, denn diese Erfahrung habe ich leider auch schon machen müssen: Die Herabsetzung durch Männer etwa, welche sich nicht damit abfinden konnten, dass ich bei »männlichen« Themen mehr Fachkenntnis besaß. Umgekehrt jedoch lernte ich auch viele Kollegen kennen, die gerade das an einer Frau zu schätzen wussten – weil sie selbst kompetent und an einem Wissensaustausch interessiert waren. 

»Hass gegen Frauen« ist sicherlich ein wichtiges Thema, aber die einseitige Behandlung stellte sich als sehr ermüdend heraus. Die Fixierung auf »die Rechten« schrie einmal wieder nach gebündelter Propaganda, die Herleitung von Frauenhass aus einem konservativen Bild von Männlichkeit ebenso. Kulturell bedingter Frauenhass wurde hingegen komplett ausgeblendet, denn allein der Hinweis darauf ist – wir ahnen es - »rechts«. Selbstredend wurden auch die Hassmails linker Männer an konservative Frauen (und Männer) nicht erwähnt. Der von ARTE gedrehte Teil der Dokumentation hätte trotz eingestreuter linker Pädagogik durchaus interessant werden können, aber das ZDF hat es geschafft, mit seinem Anteil den Film zu ruinieren. Und das lag nicht nur an dem penetranten Auftritt von Claudia Roth. Vielmehr wurde ich den Eindruck nicht los, dass uns hier wieder einmal unter dem Vorwand, eine Gruppe zu schützen, Meinungsbeschränkungen untergejubelt werden sollten. Es hat schon einen Grund, warum Claudia Roth ihre Hasspost so sehr öffentlich zelebriert. Eine Handvoll Idioten wird uns so als gesellschaftliches Problem verkauft, damit man der Allgemeinheit noch ein Stück Freiheit stehlen kann. Genau das ist nämlich der rote Faden, der sich durch alle diese Maßnahmen zieht und uns langsam die Luft abschnürt.


Dienstag, 17. Mai 2022

Die Medien lügen nicht, sie sagen nur sehr langsam die Wahrheit!

von Mirjam Lübke...

"Herr Maier, die Beweislast gegen Sie ist nun wirklich erdrückend. Warum geben Sie nicht endlich zu, dass Sie Ihrer Erbtante eine Überdosis Haschkekse verabreicht haben, um an das Geld für ein neues Smartphone zu gelangen?"



So hörte sich es in den Gerichtssoaps an, die früher auf den Privatsendern am Nachmittag liefen. Der Anwalt von Herrn Maier hätte noch auf mildernde Umstände plädiert, da sich sein Mandant in seelischen Nöten befand ("Ohne das neue Apple ist man heute ein Paria"). Herr Maier gesteht schließlich widerwillig in der Hoffnung, mildernde Umstände zu bekommen. Aber nur, weil ihm nichts anderes übrig bleibt. Und sollte die Tante das Keks-Attentat überlebt haben ("Ach, im Grunde bin ich ja froh, dass der Junge sich für's Backen interessiert!"), dann kommt Herr Maier eventuell tatsächlich mit einer Bewährungsstrafe davon.

Ein wenig agieren auch die etablierten Medien so: Wenn es sich gar nicht mehr vermeiden lässt, ein brenzliges Thema anzufassen, dann quetscht man ein paar kritische Artikel heraus und gibt vor, es sei investigativer Journalismus. Immer viel zu spät, denn das Veröffentlichte hat sich längst herumgesprochen. Es wird Courage vorgetäuscht, wo keine ist, Monate, nachdem ein offenes Wort von den Medien dringend gebraucht worden wäre. Das ist vielleicht kein direktes Lügen, kommt dem aber schon sehr nahe. Schon häufig fiel mir auf, dass Deutschland wohl das einzige Land der Welt ist, in dem nicht die Regierung die Pressefreiheit einschränkt, sondern die Presse das selbst erledigt.

Ob man sich als Journalist wohl dabei fühlt? Schließlich tötet diese Selbstzensur alles ab, was man sich gemeinhin als Ideal des Reporters vorstellt: Neugier, den Wunsch, Ungerechtigkeit aufzudecken und nach entlarvenden Informationen zu graben. Letzteres ist nur noch gefragt, wenn es der Demonstration der eigenen korrekten ideologischen Haltung dient - dann muss man es auch mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Das wiederum ist der eigentliche Skandal: Das Verbreiten von nach Gusto zusammengestückelten Informationen wider besseres Wissen, um missliebige Personen zu diskreditieren. Das kann man durch politische Verblendung allein nicht erklären, dahinter steckt eine gehörige Portion Böswilligkeit.

Während der Corona-Krise erfuhr diese Lust an der Diffamierung noch einmal einen gehörigen Aufschwung, indem etwa mit der Pandemie befasste Mediziner in "Fachleute" und "umstrittene Forscher" eingeteilt wurden. Man erzählte uns, wer die echten Experten seien, da wir als dumme kleine Leser ohne virologische Fachausbildung dies natürlich nicht allein beurteilen könnten. Da konnte man schon einmal vergessen, dass die Experten für das Expertentum größtenteils selbst kein Medizinstudium vorzuweisen hatten - sie traten, mit der Macht ihrer Medienhäuser im Rücken, lediglich selbstbewusster auf. Ein großer Teil des Publikums jedoch vermag diese dreiste Überrumpelung nicht zu erkennen - und klammert sich an das Verkündete.

Auch wenn der Ukraine-Krieg mittlerweile alles überschattet - auch in diesem Fall werden wir wohl offiziell einiges erst erfahren, nachdem wir es längst selbst herausgefunden haben - steckt die verbreitete Panik einzelnen noch immer in den Knochen. Jedoch scheint in der Öffentlichkeit der Appetit auf Corona-Schreckensnachrichten stark nachgelassen zu haben, stattdessen befindet man sich nun im Selenskij-Taumel. Während unser eigenes Land wirtschaftlich und sozial immer weiter absäuft, ohne dass es jemandem auffällt, scheint in diesem Fall das Leid der anderen eine große Anziehungskraft auszuüben, bis man auch dieses Themas überdrüssig wird.

Das ZDF schreckte noch nicht einmal davor zurück, beim Marsch der Lebenden, bei dem der Weg zwischen Auschwitz und Birkenau zum Gedenken noch einmal gegangen wird, ehemalige KZ-Häftlinge zu bedrängen: Sie sollten vor der Kamera Parallelen zwischen ihrem eigenen Schicksal und dem Krieg in der Ukraine ziehen. Die Kamera zog von einem zum anderen, doch die Menschen wollten dem Drängen nicht recht nachgeben. Juden als Statisten zu missbrauchen, um sich etwas ganz anderes moralisch aufwerten zu lassen, das ist nichts Neues, das wurde auch zur Rechtfertigung der Massenmigration praktiziert. In diesem Fall verfuhr das ZDF jedoch besonders dreist und hemmungslos.

Das zu späte Reagieren auf wichtige Themen, moralischer Druck und gebogene Wahrheiten - das schafft kein Vertrauen. Daher verwundert die erstaunte Reaktion von Frau Diekmann so sehr - sie hätte sich vielmehr ertappt fühlen sollen. Glauben diese Journalisten selbst noch daran, ordentliche Arbeit zu leisten? Oder glauben sie, der moralische Zweck heilige die Mittel?

Leider führt das zu allgemeinem Medienfrust oder treibt die Konsumenten in die Arme von dubiosen Internetseiten, welche ihre Ziele - nur eben die genau entgegengesetzten - mit ähnlichen Mitteln verfolgen und den Hunger der Leser nach "Wahrheit" stillen. Gäbe es nur diese alternativen Medien, könnte man sich bei ARD und ZDF getrost zurücklehnen und abwarten, welche Kuriositäten dort verbreitet werden. Jedoch, die Zahl der gut und seriös gemachten alternativen Medien wächst. Nicht jeder mag seine knappe Freizeit mit Recherche zum Weltgeschehen verbringen - aber es ist gut, sich einen breiten Überblick zu verschaffen. Ich selbst schaue mir auch weiterhin die öffentlich-rechtlichen Nachrichten an - schon allein um zu wissen, welche Meinung gerade "trendet".

Man weiß dann einfach, was in der nächsten Diskussion auf einen zukommt und kann zum anderen ein paar eigene Studien dazu betreiben, wie dort Zuschauer kräftig manipuliert werden. Noch geht die Rechnung der etablierten Medien auf, bis das nächste schreckliche Thema auf der weltpolitischen Bühne auftaucht.


Sonntag, 15. Mai 2022

Anthrax, T-Shirts, ESC: Zwölf Punkte für die Propaganda!

von Mirjam Lübke...

Um mich nicht wieder einmal in die Nesseln zu setzen, hatte ich mir gestern noch vorgenommen, nichts mehr Sarkastisches öffentlich zu schreiben, aber heute Nacht kann ich es nicht unterdrücken: "Vor dem nächsten ESC sollten wir Putin um eine kleine Invasion bitten - dann landen wir einmal nicht auf dem letzten Platz!", dachte der auf böse Bemerkungen gepolte Teil meines Gehirns, der sich immer dann zu Wort meldet, wenn er Widersprüche in der öffentlichen Berichterstattung wittert. In meiner Fantasie musste wieder einmal Oer-Erkenschwick als Ort des Geschehens herhalten, da ist es beschaulich, schon die Landung von fünf Russen am Fallschirm könnte für den nötigen Effekt sorgen. Niemand müsste zu Schaden kommen - ein bisschen Ballern in die Luft reicht. Deshalb können wir das Szenario auch nicht nach Neukölln verlegen, dort würde man die Schießerei als Begleitmusik einer Clanhochzeit fehlinterpretieren - unsere kleine Invasion fiele dort gar nicht weiter auf.



Aber in Oer-Erkenschwick könnte sie die nötige Wirkung haben. Schaue ich mir die Kostümierung einiger Teilnehmerinnen des ESC so an, bräuchten wir dann nur noch eine blondbezopfte Schönheit im Latex-Dirndl, die zu Technobeats ein altes deutsches Volkslied jodelt, während im Hintergrund eine Gruppe von Transfrauen im noch knapperen Latex-Dirndl erotisierend eine Raketen-Attrappe umtanzt. "Die Sängerin interpretiert in ihrer ergreifenden Performance unkonventionell das Thema 'toxische Männlichkeit'", würde der Moderator mit von Pathetik bebender Stimme verkünden, während das Publikum das Latex-Dirndl bestaunt. Mal keine langweilige Ballade aus Deutschland - das ist doch einen Applaus wert! Wenn das keine zwölf Punkte gibt, ist es der Beweis, dass uns noch immer alle hassen und Annalena Baerbock zur internationalen Werbetour für Deutschland aufbrechen muss.

Das klingt makaber und geschmacklos? "Sie sollten sich was schämen, Frau Lübke, ein so ernstes Thema in den Schmutz zu ziehen!". Allerdings kann man mit der galligsten Satire die makabre Realität nicht mehr einholen. Kein Krieg ohne Propaganda - die gab es schon bei den Römern - aber in diesem Krieg sagt mir meine Wahrnehmung jeden Tag, dass hier etwas nicht zusammen passen will. Dabei geht es mir nicht um das Ableugnen tatsächlicher Gewalttaten durch die Russen, ich zweifele nicht daran, dass es hart umkämpfte Regionen gibt, in denen die Bürger leiden und in Trümmern leben. Deshalb sollten wir ukrainischen Kriegsflüchtlingen auch einen sicheren Platz bei uns anbieten. Propaganda wird natürlich auch nicht allein von der Ukraine betrieben - auch die Russen und die USA mischen kräftig mit.

Als die Angegriffenen haben die Ukrainer auch alles Recht der Welt, um Unterstützung zu bitten. Wie dick dabei aufgetragen wird, stößt allerdings bitter auf. Auch wenn dieses entschiedene Auftreten mit Verzweiflung erklärt wird, so fallen gerade deshalb einige Ungereimtheiten und Inszenierungen ins Auge. Beim gestrigen ESC stand im Vorhinein fest, dass die Ukraine gewinnen würde, aus "Solidarität" (ist das für die ukrainischen Musiker wirklich ein befriedigendes Gefühl?) - und aus Kiew meldete sich eine gutgelaunte Moderatorin zu Wort. Wie so oft in den letzten Wochen rief der besorgte Teil meines Gehirns "Verdunklung!" und hielt Pappe und Klebeband bereit: Die Stadt wirkte sehr "normal", hell erleuchtet, der Verkehr lief. Internet und alle Sendeeinrichtungen funktionieren offenbar auch. Ohne bösartig werden zu wollen: Das adrette Armee-Shirt, mit dem sich Selenskij seit Wochen sehen lässt, ist in dieser Umgebung mehr als überflüssig. Vielleicht sollte er sich, um authentischer zu wirken, wenigstens ein wenig Dreck ins Gesicht schmieren.

Die russische Seite stellt sich propagandistisch dagegen eher wie ein tapsiger Bär an. Das beginnt schon bei der Auswahl der Hilfstruppen - wenn man für sich in Anspruch nimmt, Verteidiger des christlichen Abendlandes zu sein, ist es nicht klug, sich Verbündete aus Tschetschenien zu suchen, die wie "Taliban light" aussehen (und sich wohl auch so verhalten). Worüber ich gar nicht hinwegkomme, ist diese merkwürdige Biowaffen-Geschichte, die auch in den sozialen Medien immer wieder aufgenommen wird, obwohl sie nur wenig plausibel ist. Das heißt nicht, dass es in der Ukraine keine entsprechenden Labore gäbe, aber was heißt das schon? Selbst die Bundeswehr unterhält etwa dreißig Projekte, die sich mit defensiver Forschung beschäftigen. Gegen die biologischen Sauereien, die Russland aus dem kalten Krieg noch vorrätig hat, sind das kleine Fische. Und Putins Spekulationen über ethnische Biowaffen waren gleich ganz großer Käse.

Es verwunderte mich zunächst, dass auch die USA darauf einstiegen und sogar bestätigten, an der Forschung beteiligt zu sein - wahrscheinlich spart das Geld, weil im eigenen Land Gehälter und Sicherheitsmaßnahmen teurer sind. Aber auch die Amerikaner wissen, wie gefährlich ein großflächiger Angriff mit biologischen Waffen für die eigenen Leute ist - gerade das häufig genannte Anthrax verbleibt über Jahrzehnte im Boden und macht ein Gebiet für Mensch und Tier unbrauchbar. Allerdings ist "Anthrax" für die amerikanische Bevölkerung seit dem 11. September 2001 ein sogenanntes "Buzzword": Nach dem Terrorangriff in New York wurden an einige Prominente Briefe mit Anthrax-Sporen verschickt - dieser Schrecken sitzt vielen noch in den Gliedern. Und welcher Normalbürger mag sich schon mit den grausigen Details der Anthrax-Forschung auseinandersetzen? Der psychologische Effekt reicht vollkommen aus, um die kriegsmüde amerikanische Bevölkerung ein wenig aufzurütteln - das Eingeständnis scheint mir also eher auf die eigenen Leute abgezielt zu haben, die weiteren außenpolitischen Abenteuern ihrer Regierung skeptisch gegenüberstehen.

Die Propagandaschlacht tobt - moralischer Druck in Deutschland, Panikmache mit Biowaffen und der Einsatz von Künstlern für die eigene Sache - das ist alles nichts Neues. Bevor Selenskij allerdings beginnt, für den bevorstehenden NATO-Beitritt seines Landes sein Waffenarsenal aufzustocken, sollte er auch einmal um humanitäre Hilfe für die Betroffenen seines Volkes bitten. Das könnten sie dringend brauchen und dazu wären viele Staaten bereit, weil solche Lieferungen keine Provokation darstellen. Aber stattdessen läuft der Krieg der Bilder weiter - und man selbst steht dazwischen und weiß nicht mehr, was man glauben soll.




Freitag, 13. Mai 2022

Das Böse unter der Sonne!

von Mirjam Lübke...

Eine Studie will ergeben haben, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Impfstatus einer Person und ihrer Haltung zum Ukraine-Konflikt gibt. Das berichtete vor einigen Tagen die Thüringer Allgemeine. Was für ein strategischer Vorteil für das Gesundheitsministerium! Karl Lauterbach muss nun nicht mehr mühsam Impfausweise prüfen lassen, es reicht der Bestellverlauf bei Amazon: Hat man dort ausreichend Ukraine-Merchandise erworben, so ersetzt das künftig den gelben Ausweis. Ab zehn Fähnchen gilt man als grundimmunisiert, wer darüber hinaus noch eine Familienpackung "FCK PTN"-Aufkleber erwirbt, ist geboostert. Noch ein Papp-Aufsteller aus dem Selenskij-Fanshop mit dem Helden im adretten Armee-Shirt ins Wohnzimmer gestellt, dann kann einem Corona nichts mehr anhaben. Genial!



Oder vielleicht doch nicht. Denn Querdenker sind allesamt potentielle politische Kriminelle, meint der Verfassungsschutz. So etwas wie eine Anti-Impf-RAF, nur nicht in Rot, was noch erschwerend hinzukommt. Denn Querdenker verhalten sich - und das muss man sich in einer Demokratie erst einmal auf der Zunge zergehen lassen - "staatskritisch". Ein anständiger Revolutionär darf aber lediglich "kapitalismuskritisch" denken, ab und an mal ein Auto anzünden und "ACAB" an die Wand schmieren. Die Wortwahl fällt schon deshalb auf, weil der Vorwurf sonst "Verfassungsfeind" lautet, das Vorzeigen derselben allerdings, man nennt sie in Deutschland "Grundgesetz", wurde Querdenkern bei Demonstrationen schon außerordentlich übel genommen. Ein Merkmal von Staatsfeindlichkeit scheint es also zu sein, den Staat ab und an zu erinnern, dass auch für ihn Einschränkungen gelten - und er von den sogenannten "Grundrechten" die Finger zu lassen hat. 

Nun sind die Querdenker - wie jede große Bürgerbewegung - ein buntes Völkchen. In diesem Völkchen ist man rasch willkommen, weil der Gedanke, endlich andere Menschen gefunden zu haben, mit denen man noch offen reden kann, einfach zusammenschweißt. Schließlich prasselten auf Maßnahmen- und Impfkritiker eine Menge Beschimpfungen herab: Asozial zu sein, war noch eine der milderen davon, auch von "Terror" und "Geiselnahme" war die Rede. Ein breites Spektrum von Bürgern wird den Querdenkern zugerechnet, vom erfahrenen Hausarzt, der offen über seine Erfahrungen spricht bis zum Esoteriker und "Die Rothschilds sind an allem schuld"-Spinner. Auch der Verfassungsschutz weiß um diese Dynamik, denn zum einen werden von außen jegliche kritischen Meinungen der Querdenkerszene zugeordnet, darüber hinaus ist es unmöglich, in einer so großen Gruppe jeden einzelnen einer Gesinnungsprüfung zu unterziehen. Gerade weil der Umgang mit der Szene so aggressiv ist, rückt man zusammen. 

Im Übrigen erwies sich die deutsche Öffentlichkeit als weitaus weniger penibel, als es um die "#unteilbar"-Demos gegen Fremdenfeindlichkeit ging. Dort wurde von arabischen Gruppen ungeniert gegen Israel gehetzt, dem jüdischen Staat offen mit Vernichtung gedroht. In Bremen griffen Linke gar israelische Studenten an, die sich mit ihrer Flagge an einer Demo beteiligen wollten. Wie üblich blieb die Empörung aus, denn es ging schließlich um "das Gute". Ob sich Nancy Faeser - meine "Lieblingsministerin" - eventuell deshalb einmal wieder an den Impfsternen abgearbeitet hat? Vielleicht reagiert sie als Freundin des "Antifaschismus" generell allergisch auf Davidsterne und es geht ihr gar nicht um die Gedenkkultur. Schließlich greift in Deutschland auch niemand ein, wenn Fahnen mit dem selbigen verbrannt werden.

Im politisch korrekten Deutschland sitzt man wirklich in der Patsche, wenn man nicht wie ein Fisch im Schwarm jede Drehung und Wendung mitmacht. Was tut man also, wenn man eine Meinung hat, die im Schwarm nicht gerne gesehen ist? Will man als "Lonesome Cowboy" durch die deutsche Prärie reiten und sein Schicksal abends am Lagerfeuer mit Gitarrenbegleitung besingen? Oder sich in eine einsame Berghütte vor der furchtbaren Menschheit zurückziehen? Da sich die meisten Menschen gerne mit anderen unterhalten - schon um ihre Meinung an den Mann zu bringen - ist das keine Dauerlösung. Man schließt sich also einem anderen Schwarm an, in dem es lockerer zugeht. Doch während wir den geschätzt 90-prozentigen Anteil an vernünftigen Gleichgesinnten sehen, lauern oben auf dem Kaktus die politisch Korrekten wie hungrige Geier auf Beute. Irgendwo im Getümmel wird sich ein Teilnehmer finden, der ein T-Shirt mit dem Konterfei von Putin oder Attila Hildmann trägt - da derjenige aber nicht sofort mit faulen Eiern beworfen wird, steht fest, dass die Menge mit ihm sympathisiert, selbst wenn sie ihn gar nicht bemerkt hat. 

Es wird sofortige Distanzierung erwartet. Und spätestens jetzt gerät der Nachdenkliche im Schwarm in ein fürchterliches Dilemma: Denn eigentlich sollte Schluss sein mit dem Distanzieren, da es uns oft gegen unsere Überzeugung abverlangt und selbst innerhalb der Partei, deren Namen nicht genannt werden darf, ausgiebig praktiziert wird - was auf Außenstehende eher abschreckend wirkt. Die sind sich noch nicht einmal selbst einig, diese Schurken! 

Da steht man nun mit seiner Meinung, die irgendwo in der Mitte zwischen den Extremen liegt. Man hält weder Putin noch Selenskij für das Gelbe vom Ei, glaubt nicht an eine Weltverschwörung, sehr wohl aber an Machtmissbrauch in der Corona-Krise und schätzt die Masseneinwanderung seit 2015 als hochgefährlich ein, aber hasst deshalb nicht jeden Ausländer (schon gar nicht den Dönerhändler seines Vertrauens). Es liegt durchaus eine Gefahr darin, nun - wie in linken Kreisen auch - von der einen Schublade in die nächste zu fallen und wieder zu schweigen. Dann sollte man sich tatsächlich fragen, ob man nicht doch einmal das Risiko eingehen muss, auch im neuen Schwarm hin und wieder anzuecken, um sich selbst treu zu bleiben. Leicht ist das nicht. 

Allerdings ist genau das Teil eines normalen Alltags. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Arbeitsplatz gehabt zu haben, an dem es nicht den ein oder anderen gab, mit dem man sich ständig in der Wolle hatte. Man kündigt nicht gleich seinem kompletten Verein oder der Familie die Freundschaft auf, nur weil dort ein einzelner Idiot sein Unwesen treibt. Nur wenn die Stimmung vollkommen unerträglich wird, zieht man weiter und leckt seine Wunden oder schämt sich gar ein wenig für das lange Erdulden. 

Der Begriff "Querdenker" hört sich für meine Ohren aber immernoch sympathischer an als "Ja-Sager" oder "Konformist". Mittlerweile können es sehr viele von uns recht gut ertragen, als Staatsfeind Nr. 1 angesehen zu werden. Wir selbst wissen, was das für ein Blödsinn ist!




Mittwoch, 11. Mai 2022

Wenn ich ein Vöglein wär'...

von Mirjam Lübke...

Ein bisschen neidisch bin ich schon. Meine Mutter hat leider keinen Zugriff auf Hubschrauber. In Filmen sieht es immer mächtig beeindruckend aus, wenn ein Helikopter auf der Landeplattform eines futuristischen Wolkenkratzers landet und daraus ein extrem wichtiger Mensch mit schwarzem Aktenkoffer entsteigt, welcher dann geduckt auf den Eingang zuläuft. Der Pilot legt noch einmal zackig zwei Finger an seinen Helm mit riesigen Kopfhörern und eilt dann davon, um den nächsten Weltretter ans Ziel zu bringen. Am Rand des Landefelds steht schon die bildhübsche Assistentin des Gastgebers bereit, deren Seidenkleid vom Sog der Rotoren jäh angehoben wird. Zum Glück lässt sich der Ankömmling davon nicht ablenken - nur die Mission zählt jetzt! 


Dann weiß der Zuschauer "Jetzt tritt der Experte auf den Plan, der in seinem Köfferchen enorm geheime Unterlagen transportiert". Wahrscheinlich sind vorher bereits andere enorm bedeutsame Persönlichkeiten eingetroffen, die nun in letzter Sekunde die Welt retten müssen. So ein Helikopter ist eigentlich ein noch beeindruckenderes Gefährt als ein Privatjet - denn darin bewegen sich Persönlichkeiten fort, deren Anwesenheit an Ort und Stelle keinen Aufschub duldet. Wenn ein Meteor auf die Erde zustürzt, in Honduras eine neue Corona-Variante aus dem Dschungel entschlüpft ist oder Joe Biden entführt wurde, nutzt einem das teuerste und bequemste Auto rein gar nichts wenn es um Stau steht. Auftritt der Heli-Männer!

Vielleicht hatte der Sohn unserer glücklosen Verteidigungsministerin auf Sylt ebenfalls etwas Unaufschiebbares zu erledigen? Oder war sein Abstecher dorthin gar ein Versehen? Sein Ziel könnte auch der Bundestag in Berlin gewesen sein, wo er - als moderne Reinkarnation des Müncheners im Himmel - einen Kanister Verstand abliefern sollte. Dann aber erschien ihm dieses Unterfangen so aussichtslos, dass er den Piloten nach Sylt umdirigierte, um sich erst einmal von dieser schrecklichen Erkenntnis zu erholen: Da kommt man mit einem Kanister Verstand nicht weit, für Berlin kommt jede Hilfe zu spät. Eventuell sollte es aber auch ein Test sein, ober ein deutscher Regierungshubschrauber die Strecke überhaupt bewältigen kann, ohne vorher auf einer Kuhweide notlanden zu müssen. 

Als normale Bürger kommen wir leider nicht in den Genuss solcher Abenteuer, dafür werden wir ab Juni drei Monate lang mit dem 9-Euro-Ticket quer durch Deutschland reisen dürfen. Das dauert nur unerheblich länger als mit dem Hubschrauber, sollte man von München nach Sylt reisen wollen, benötigt man lediglich vierzehn Stunden. Im besten Falle. Denn da im Supersparpreis nur Nahverkehrszüge inbegriffen sind, muss man bis zum Ziel ganze sieben Mal umsteigen. Und ich schwöre: Alle Witze über Züge, die anstatt von Gleis 57 abzufahren, in letzter Minute für Gleis 1 angekündigt werden, sind wahr! Letztens ist mir das in Hamm gleich mehrfach passiert, weil auf meinem Gleis ein ICE wie ein gestrandeter Wal festhing. Bis ich schon fast geneigt war, den nächsten Zug unter Androhung eines hysterischen Anfalls einfach nach Düsseldorf zu entführen. Sollen die anderen Fahrgäste doch sehen, wie sie heute noch nach Amsterdam Centraal kommen - mir reicht's jetzt. Noch schlimmer trifft einen so etwas nur am Frankfurter Bahnhof, dessen lange Bahnsteige, nach oben ausgeklappt, mindestens bis zum Mond reichen. Ich schwöre es! 

Da kann man schon einmal ungehalten werden, wenn man die Nachrichten über den Lambrecht-Nachwuchs liest, der wortwörtlich über den Wolken schwebt. Rechtens soll es auch gewesen sein, denn als Minister (oder Ministerin) darf man dem Nachwuchs schon einmal den Diensthelikopter zur Verfügung stellen - angeblich hat er sogar die Kosten übernommen, vielleicht gab es dafür ein spezielles Sohnemann-9-Euro-Ticket, das wäre dann allerdings die Billigfliegerei, über welche die Grünen so furchtbar schimpfen. Ursula von der Leyen soll schon für kürzere Flüge ein ganzes Flugzeug benutzt haben - für 50 Kilometer! Bis der Vogel bereit zum Abheben ist, wäre sie schon mit dem Lastenfahrrad hingeradelt gewesen. 

Aber selbst wenn der Ausflug nach Sylt rechtens gewesen ist, klafft da doch wieder eine riesige Lücke zwischen dem, was von uns kleinen Bürgerlein erwartet wird. Dieselfahrzeuge kommen zwar gerade wieder in Mode, aber nur, wenn oben eine Kanone dran ist und unten Ketten - zudem muss das Gefährt auch noch 130 Liter auf 100 Kilometer saufen. Fast können wir uns noch glücklich schätzen, dass Frau Lambrecht ihrem feschen Sohn keinen Panzer für eine Urlaubsfahrt nach Frankreich geliehen hat - "Mon dieu, fangen die Deutschen schon wieder damit an!" - das hätte erst Verwicklungen gegeben. 

Der Normalbürger vertraut sich derweil für seinen Arbeitsweg und Dienstreisen der Bahn an, was zuweilen einer psychischen und physischen Folter gleicht. Da freut man sich auf einen durchgehenden Intercity von Düsseldorf nach Erfurt, nur um dann festzustellen, dass auch diese Züge inzwischen nicht mehr komfortabler sind als ein regulärer Regional-Doppelstöcker. Trotz Reservierung sitzt man wie in einer Sardinenbüchse, mit Maske und lautstarken Sitznachbarn. Der "Service am Platz" taucht ungefähr so oft auf wie der 29. Februar - wenn überhaupt - und mit etwas Pech ist der Kaffee auch aus. Rauchen darf man schon seit Jahren nicht mehr, dabei könnte man es gerade jetzt brauchen. Weil man gerade Teilnehmer an einem soziologischen Experiment geworden ist. Bestimmt wird heimlich gefilmt, wann die ersten Fahrgäste aggressive Stresssymptome zeigen und die Ergebnisse nach Guantanamo weitergeleitet. Kennt jemand den südkoreanischen Zombie-Streifen "Train to Busan"? Das Drehbuch ist bestimmt in einem deutschen Doppelstöcker-Intercity entstanden. 

Ich erwarte gar nicht, dass Politiker, die sich auf wichtige Verhandlungen vorbereiten müssen, unter derartigen Bedingungen reisen müssen - von mir aus können sie auch Tante Gerda zum Schuhkauf in Paris mitnehmen. Aber warum kann man uns Normalbürgern dann nicht im Gegenzug etwas Fahrkomfort gönnen? Schließlich gibt es Schüler, die morgens noch schnell ihre Matheaufgaben machen, Angestellte, die nach der Arbeit einkaufen und Arbeiter, die den ganzen Tag körperlich schuften müssen. Niemand verlangt im Zug einen persönlichen Thronsessel mit goldener Fußstütze oder ein Bordkino - obwohl das großartig wäre - aber doch wenigstens einen anständigen Sitzplatz. Oder zumindest eine Haltestange und etwas Luft zum Atmen. 

Da möchte ich mich doch fast von Frau Lambrecht adoptieren lassen. Dann steige ich in Erfurt geduckt mit meinem roten Rollköfferchen vor dem Landtag aus dem Hubschrauber und genieße meinen großen Auftritt. Vielleicht steht mein Chef schon mit einem Blumenstrauß da - man wird noch träumen dürfen - aber bei meinem Glück ist es eher Bodo Ramelow. Im wehenden Seidenkleid. Bei diesem Gedanken kommt einem die Zugfahrt dann doch nicht mehr ganz so schlimm vor.


Dienstag, 10. Mai 2022

Mit Terroristen verhandelt man nicht... man schaltet sie aus...

Um 315 Gesinnungsgenossen freizupressen, entführten vier palästinensische Terroristen eine belgische Boeing nach Tel Aviv. Doch Israel gab nicht nach, sondern setzte am 9. Mai 1972 auf eine riskante Befreiungsaktion. 

von Sven Felix Kellerhoff...

Ehud Barak, der Kommandeur der Eliteeinheit Sajeret Matkal im weißen Overall unmittelbar nach dem erfolgreichen Sturm. Zu seinen Füßen liegt ein toter Terrorist 


Es sollte ein ganz normaler Flug werden, von Brüssel mit Zwischenlandung in Wien nach Tel Aviv. Sabena Flug 571, eine wöchentliche Verbindung, die reine Routine. Allerdings nicht am 8. Mai 1972: Denn etwa 20 Minuten nach dem Abheben in Österreich stürmten zwei Männer das Cockpit der Boeing 707 der belgischen Staatslinie; zwei junge Frauen bedrohten die 90 Passagiere und die fünf Flugbegleiterinnen.

Auf dem Platz des Kapitäns im Cockpit saß der erfahrene Brite Reginald Levy, dessen Selbstbeherrschung und eiserne Nerven sich als unschätzbar wertvoll erwiesen. Just an diesem Montag feierte Levy seinen 50. Geburtstag, und er hatte schon einiges in seinen Leben überstanden: Einsätze als Bomberpilot der Royal Air Force gegen Deutschland und Dutzende Flüge während der Berliner Luftbrücke 1948/49. 

Die Boeing 707-329 der belgischen Linie Sabena, die am 8./9. Mai 1972 entführt wurde 


Die Hijacker forderten, dass er die Maschine wie geplant nach Tel Aviv fliegen sollte. Levy stimmte natürlich zu und teilte den Passagieren in betont ruhigem Ton mit: „Wie Sie sehen können, haben wir Freunde an Bord.“ Der Kapitän versuchte im Verlauf der folgenden knapp drei Flugstunden, die Geiseln in der Kabine zu entspannen, indem er dauernd mit den Entführern im Cockpit sprach, über alles Mögliche von Navigation bis hin zu Sex – und dabei das Kabinenmikrofon eingeschaltet ließ.

Gegen 18.15 Uhr landete Levy die Maschine; sie wurde auf einem abgelegenen Rollfeld abgestellt. Schon über Funk hatten die Entführer sich zur antiisraelischen Terrororganisation „Schwarzer September“ bekannt und gefordert, dass im Tausch gegen die Passagiere und die Besatzung 315 Palästinenser aus israelischer Haft entlassen werden sollten. Außerdem hatten sie während des Fluges die Geiseln mit israelischen Pässen oder jüdisch klingenden Namen von den anderen getrennt. 

Am Boden hatte Israels Verteidigungsminister Moshe Dajan das Kommando übernommen. Wenige Stunden nach der Landung der 707 ließ er deren Reifen zerstören – ein erneutes Abheben war unmöglich. Die Terroristen waren gezwungen, mit Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes zu verhandeln; sie schickten Reginald Levy. Der Kapitän hatte eine Probe der beiden in der Kabine angebrachten Plastiksprengstoff-Bomben bei sich, übergab sie einem Israeli.

DRAMA IN ENTEBBE


Rasch war klar, dass die Terroristen tatsächlich die Möglichkeit haben würden, die Maschine in die Luft zu jagen und alle Menschen an Bord zu töten. Also gab es nur eine Möglichkeit, die noch nie zuvor versucht worden war: durch den schlagartigen Sturm des Flugzeuges möglichst alle Luftpiraten so schnell auszuschalten, dass sie die Sprengsätze nicht mehr zünden konnten. 

Seit Monaten schon trainierte die Spezialeinheit Sajeret Matkal, ein Eliteverband der israelischen Armee unter Leitung des Militärnachrichtendienstes, wie man entführte Passagiermaschinen mit möglichst geringem Risiko für die Geiseln gewaltsam befreien konnte. Mit ihrem Kommandeur Ehud Barak an der Spitze sollten jetzt Männer dieser hochgeheimen Truppe die Terroristen überwinden. Der Deckname lautete „Operation Isotope“.

17. OKTOBER 1977


Die Chance ergab sich durch die zerstörten Reifen. 16 Männer in den weißen Overalls von Flugzeugtechnikern näherten sich am Vormittag des 9. Mai 1972 der Maschine. Die Terroristen erwarteten ihre Ankunft, denn sie hatten ja nach der Reparatur verlangt. Mindestens zwölf der 16 aber waren alles andere als Mechaniker. 

Angeblich, um Hydraulikleitungen zu überprüfen, stiegen einige von ihnen auf beide Tragflächen. Was dann geschah, berichteten Passagiere: „Wir hingen in unseren Sesseln, als ich plötzlich ein Kratzen an einem der Notfenster hörte“, erzählte einer der Deutschen an Bord: „Dann flog eine der Türen auf, und ein Mann stürmte herein, der wie ein Araber aussah. Er schoss sofort und traf den Terroristen, der die hinteren Ausgangstüren bewachte, mitten zwischen die Augen. Dann hörte ich nur noch Schüsse und Schreie.“

ANTI-TERROR-TRUPPEN


Ähnlich erlebte ein israelischer Passagier die Befreiung: „Plötzlich wurde eine Tür gestürmt. Der Anführer des Terrorkommandos sprang vor und eröffnete das Feuer, doch er wurde von Kugeln durchsiebt. Eines der Mädchen ergab sich sofort. Sie hatte noch eine entsicherte Handgranate in der Hand.“

Allerdings lief nicht alles glatt. Denn die 22-jährige Miriam Holzberg-Andersen war beim Eindringen der israelischen Soldaten aufgesprungen, statt sich zu Boden zu werfen, wie die Männer durch die Kabine gebrüllt hatten. Neben ihr saß eine der beiden Entführerinnen – und die für sie vorgesehene Kugel traf Holzberg-Andersen im Kopf; sie starb wenige Tage später. Auch der deutsche Filmproduzent Manfred K. wurde getroffen, von drei Geschossen am Kinn, im Oberkörper und im Bauch. Sein Zustand war kritisch, doch er überlebte.

ANTISEMITISMUS


Die beiden männlichen Mitglieder des Terrorkommandos wurden unmittelbar getötet, die eine der beiden Frauen erheblich verletzt, die letzte ergab sich unversehrt. Es handelte um eine Araberin, die die Sabena-Maschine mit einem israelischen Reisepass in Wien bestiegen hatte. Die 19-Jährige hatte im Februar 1972 ihr Elternhaus in Akko bei Haifa verlassen, um sich der Guerilla-Organisation anzuschließen. 

Der erschossene Anführer des Kommandos sollte, so berichteten es jedenfalls nach der erfolgreichen Befreiung israelische Zeitungen, zu jenen fünf Terroristen gehört haben, die am 22./23. Februar 1972 einen Jumbo-Jet der Lufthansa auf Flug 649 von Bombay nach Athen entführt und fünf Millionen US-Dollar Lösegeld erpresst hatten. Doch endgültig bestätigt werden konnte das nicht, denn Luftpiraten benutzten nicht ihre echten Papiere.

Israels Präsident Salman Schasar dankt Benjamin Netanjahu für seinen Einsatz bei der Befreiung der Sabena-Boeing 


Unter dem Befehl von Ehud Barak stand auch der 22 Jahre junge Benjamin Netanjahu zum Befreiungstrupp. Beide stiegen später an die Spitze der israelischen Demokratie auf, als Premierminister. 

Der trotz einer toten Passagierin erfolgreiche Sturm auf den entführten Flug begründete den öffentlichen Ruf israelischer Anti-Terror-Spezialisten und wurde zum Vorbild ähnlicher späterer Zugriffe – in Mogadischu 1977 durch die deutsche GSG9 oder in Marseille 1994 durch die französische GIGN. Allerdings gab es auch Desaster bei ähnlichen Befreiungsversuchen, etwa 1978 auf Zypern, 1985 auf Malta oder 1986 in Karatschi.




Montag, 9. Mai 2022

Unterschiede: Wo ist das Problem?

von Mirjam Lübke...

Mit schöner Regelmäßigkeit wird sie immer wieder aufgewärmt: Die Rassismusdebatte. Dabei wird es bereits als rassistisch deklariert, biologische Unterschiede zwischen Menschen zu benennen - obwohl diese doch vor allen Augen sichtbar sind. Das einzig Gute an einer biologischen Gleichheit wäre die Chance, die merkwürdige Debatte über wer-weiß-wie-viele Geschlechter endlich zu beenden, ich muss zugeben, noch nicht einmal zu wissen, bei welchem Zählerstand wir da inzwischen angelangt sind. Auch wäre es endlich wieder egal, ob jemand schwarz oder weiß ist, man könnte sich ganz auf den Charakter eines Menschen konzentrieren, um dann zu entscheiden, ob derjenige mit einem sozial kompatibel ist. Es sei denn natürlich, auch der Charakter eines Menschen zählte neuerdings zu den rein biologischen Eigenschaften, dann wären wir alle Messie und Ordnungsfanatiker, Choleriker und sanftes Reh oder aber Egoisten und Wohltäter zugleich. Eine Menge sozialer Konflikte könnte auf diese Weise gelöst werden. Wir müssten allesamt eierlegende Wollmilchsäue sein, die mit leichter Hand sowohl einen Esstisch zimmern als auch das Fünf-Gänge-Menü darauf servieren könnten. Und nebenbei hätten wir auch noch die selbsteinräumende Spülmaschine erfunden. 


Was an dem Gedanken der vollkommenen Gleichheit aller Menschen so attraktiv ist, konnte ich nie begreifen. Der Einsatz für Gleichheit vor dem Gesetz oder der Gleichbehandlung aller nach ihren Leistungen und Fähigkeiten ist für mich eine Selbstverständlichkeit, aber der Mensch als Fließbandproduktion stellt eine so erschreckende Vorstellung dar, dass wir sie gleich wieder vergessen sollten. Zumal sich selbst die Antirassisten nicht an ihre eigene Vorgabe halten und Rassismus für bei Weißen genetisch verankert halten. Ob es wohl schon im Labor isoliert werden konnte, dieses ominöse Gen? Dann könnte man es therapieren - allerdings nähme man damit vielen selbsternannten Experten die Ernährungsgrundlage fort und sie müssten sich einen profaneren Broterwerb suchen. 

Putin ist schuld, dass ich mich mit dieser Frage näher auseinandergesetzt habe. Als er behauptete, in der Ukraine würden mit Hilfe der USA "ethnische Biowaffen" hergestellt, kam mir das aufgrund des in Europa durch die verschiedenen Völkerwanderungen entstandene genetische Kuddelmuddel doch recht seltsam vor. Sowohl Russland als auch die USA arbeiten in ihren Laboren an einer Menge Sauereien, getreidefressenden Pilzen, einem Hasenpesterreger, der Menschen zu verwirrten Zombies macht als auch Bakterien, welche die Tarnhülle von Stealthbombern auflösen. Da zeigt einer auf den anderen und ruft "Haltet den Dieb, er hat mein Messer im Rücken!" - zudem ist es auch nicht so, dass die Idee eines Krankheitserregers, der nur bestimmte Menschen befällt, nicht durchdacht worden wäre. Aber selbst in meinem Spülschwamm ist bisher noch nichts Brauchbares in dieser Richtung gewachsen. 

Denn tatsächlich stimmen die Gene aller Menschen zu 99,9 Prozent überein - eins zu null für die Gleichheitstheorie. Allerdings haben es die restlichen 0,01 Prozent in sich - wir sprechen hier immerhin von satten 3 Millionen Genen - hier entscheidet sich, welche Haar-, Haut- und Augenfarbe wir haben. Oder ob uns von Milch schlecht wird und wir mehr als ein Bier vertragen. Asiaten etwa scheinen auch anfälliger für Grippe zu sein, was man im Auge behalten sollte, wenn Herr Drosten uns die nächste Schreckensmeldung aus China auftischt - er sollte das eigentlich wissen. Von daher ist es aus meiner Laiensicht auch weitaus plausibler, über die Entwicklung ethnischer Biowaffen im Labor von Wuhan zu spekulieren - denn in Asien fände man eventuell den einen Faktor, der sie wirksam macht. Die Ukraine produziert zwar eine vielfältige Propaganda - sogar der Star-Wars-Day am 4. Mai wurde vor Selenskijs Karren gespannt - aber solange die Ukrainer nicht mehr Wodka vertragen als die Russen, hätte eine ethnische Biowaffe hier keinen genetischen Faktor, an dem sie sich festsetzen könnte. 

Gleichwohl können Krankheiten Sitten und Kultur prägen. Der Wunsch "Gesundheit" geht in Deutschland auf die Zeit der Pest zurück, weil auch diese sich durch Niesen äußern konnte. Länder, in denen ungeniert auf den Boden oder etwas gesitteter in Näpfe gespuckt wird, hatten wahrscheinlich kaum mit Tuberkulose zu tun - wenn Europäer sich vor dieser Sitte ekeln, hat das einen handfesten Grund: Auch wenn viele den Hintergrund nicht mehr kennen, wird der erlernte Selbstschutz durch den Anblick eines menschlichen Lamas aktiviert. Auch deutsche Jugendliche, die sich derlei Verhalten angewöhnt haben, wissen unterschwellig sehr wohl, welches Unbehagen sie damit auslösen. Hingegen finden die sehr auf Hygiene bedachten Japaner es extrem ekelhaft, wenn sich Europäer Seidentücher ins Jacket stecken - warum nicht gleich buntes Klopapier? 

Auch Unterschiede zwischen Kulturen bestehen demzufolge nicht aus purer Böswilligkeit, sondern aus gewachsener Anpassung an die Umwelt, in der man lebt. Was in einem Land funktioniert, scheitert im nächsten. Auch wenn wir uns in Europa soziale Werte erarbeitet haben, gibt es gute Gründe, diese gegen andere zu verteidigen, es sind eben die ethischen Vorgaben, die sich für uns als sinnvoll erwiesen haben. In unserer Gesellschaft hat es sich etwa bewährt, wenn Mann und Frau - zumindest im Idealfall - gleichberechtigt zusammenarbeiten. Warum sollten wir das über Bord werfen? Weil wir sonst als Rassisten gelten würden? Kein Mensch außer Aschenputtels Schwestern käme auf die Idee, sich viel zu kleine Schuhe anzuziehen, nur um seinem Nachbarn gefallen, trotz immenser Schmerzen. Die Theorie von der Gleichheit der Kulturen verlangt aber genau das von uns: Wir sollen uns jeden Schuh anziehen. Nein danke, ich laufe lieber barfuß, als dabei mitzumachen.