Sonntag, 9. August 2020

Erdogan... der "Sultan"

von Thomas Heck...

In der Türkei beginnt der Stern des Sultans langsam aber sicher zu sinken. Erdogans Maßnahmen der letzten Monate lassen darauf schließen. Nur in Deutschland hat er noch die Anhänger, die ihm nachhecheln, aus Gründen, die hier in Deutschland sowieso keiner versteht. Es zeigt nur, dass die Integration der Türken der 3. und 4. Generation krachend gescheitert ist, bei denen die Polizei ohne verstärkende Hunderschaften nicht mal ein Parkverbot ungestraft ahnden kann. Dabei sollten gerade die hier sozialisierten Türken froh sein, hier leben zu dürfen. Der FOCIS berichtet über die Zustände in der Türkei unter Erdogan.


Die Corona-Krise treibt die Türkei in den wirtschaftlichen Abgrund. Präsident Recep Tayyip Erdogan greift zu immer radikaleren Mitteln, um die Landsleute dennoch bei Laune zu halten. Seine Methoden könnten auf die komplette Abschaffung der modernen Türkei hinauslaufen.

Als der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Ende Juli die legendäre Hagia Sophia in Istanbul wieder zur Moschee umwidmete und 350.000 Türken vor dem 15 Jahrhunderte alten Gebäude zum Gebet niederknieten, kam es zum Moment, in dem sich die Türkei von der Moderne verabschiedete. Ali Erbas, Chef des türkischen Religionsamtes Diyanet, schritt die Kanzel der Hagia Sophia empor. Mit einem Schwert in der Hand, dem langen Gewand und dem schleppenden Gang erinnerte er fast an den Chef der Terrormiliz Islamischer Staat, Abu Bakr al-Baghdadi, als dieser in Mossul 2014 das Kalifat ausrief.

Erbas bediente sich sogar des Tonfalls fanatischer Islamisten, als er in seiner Predigt dunkle Drohungen gegen den türkischen Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk ausstieß. Dieser hatte das Land 1923 in die säkulare Moderne geführt und die Hagia Sophia von einer Moschee in ein Museum umgewandelt. Bereits zuvor hatte Präsident Erdogan die Zeremonie zum Triumph des Islam und zum nationalen Sieg über den Westen erklärt.

Zur gleichen Zeit herrschte Gefechtsalarm in der Ägäis. Von Kampfjets begleitet, ließ Erdogan bis zu 18 Kriegsschiffe auslaufen, um nahe der griechischen Insel Kastellorizo nach Erdgas suchen zu lassen. Griechenland antwortete mit der Mobilisierung seiner Flotte. Es fehlte nicht viel, und die Nato-Länder hätten aufeinander geschossen. Bundeskanzlerin Angela Merkel vermittelte. Doch erst als die US Navy einen Flugzeugträger ins östliche Mittelmeer schickte, zog Erdogan seine Schiffe zurück.

Kampf gegen den eigenen Machtverlust

Beide Ereignisse haben den Blick der Welt auf die Türkei gelenkt - und die Kritik an Ankara im Westen massiv verstärkt. Doch solchen Aufruhr im Ausland zu provozieren, sei dem Autokraten hochwillkommen, weil er sie „als Feindseligkeit gegenüber dem türkischen Volk darstellen” und damit die öffentliche Meinung hinter sich einen könne, meint der Chefredakteur des exiltürkischen Nachrichtenportals Ahvalnews, Yavuz Baydar. „Erdogan ist zurzeit klar in der Defensive, aber in äußerst aggressiver Weise. Alles dreht sich darum, seine bröckelnde Macht zu stabilisieren.”

Eigentlich ist der Staatschef dafür bekannt, sich gegen alle denkbaren Bedrohungen zu wappnen. Vor drei Jahren ließ er per Referendum ein Präsidialsystem einführen, weil ihm sein Machterhalt in einer parlamentarischen Demokratie nicht mehr sicher genug erschien. Nur einen Gegner konnte er damals natürlich nicht erahnen: das Coronavirus, das die ohnehin taumelnde türkische Wirtschaft an den Rand des Abgrunds brachte. Die Lage ist ernst.

Corona stürzt die AKP in die Krise

Die Pandemie traf die Türkei hart, auch weil Erdogan lange zögerte, bis er Ausgangssperren verhängte. Die Krise hatte für den Autokraten, seine seit 18 Jahren regierende AKP und deren rechtsextremen Bündnispartner MHP einen beispiellosen Verlust der Wählergunst zur Folge. Laut seriösen Umfragen würde die AKP derzeit kaum 30 Prozent der Stimmen bekommen - ein Absturz von mehr als zehn Prozentpunkten im Vergleich zur Parlamentswahl vor zwei Jahren.

Zwar gilt Erdogan noch immer als der populärste Politiker im Land, aber auch seine Werte verschlechtern sich kontinuierlich. Im direkten Vergleich liegen die möglichen Herausforderer von der oppositionellen sozialdemokratischen CHP, die Bürgermeister Ekrem Imamoglu aus Istanbul und Mansur Yavas aus Ankara, fast gleichauf oder sogar vor ihm.

Wie volatil die Lage ist, hatte Erdogan Ende Juni erfahren müssen. Da brach sein Medienteam eine Livedebatte mit ausgewählten Jugendlichen auf YouTube abrupt ab, nachdem junge Zuschauer den „Gefällt mir- nicht”-Knopf hunderttausendfach angeklickt hatten. Tatsächlich zeigen Meinungsumfragen, dass der Staatschef bei der jungen, internetaffinen Generation Z dramatisch an Zustimmung verliert, weil er für ihre Probleme wie die hohe Jugendarbeitslosigkeit keine Antworten hat.

Auch wenn Erdogans smarter Schwiegersohn und Finanzminister Berat Albayrak ständig vor die Kameras tritt und positives Wirtschaftswachstum verspricht, beweisen die Fakten das exakte Gegenteil: Die Industrieproduktion ist um 31 Prozent eingebrochen. Die Lira fiel zu Wochenbeginn auf den historisch tiefsten Stand gegenüber dem Euro. Der lebenswichtige Tourismus liegt am Boden.

"Heimtückisches" Ausland ist Schuld am Wirtschaftstief

Die Arbeitslosigkeit betrug im April 12,8 Prozent und betraf 3,8 Millionen Menschen - offiziell. Der Gewerkschaftsverbund Disk schätzt die tatsächliche Zahl auf 17,7 Millionen. Manche Ökonomen glauben gar, dass die Türkei kurz vorm Staatsbankrott steht.

In der Not startet der Populist wie stets, wenn er unter Druck steht, multiple Ablenkungsmanöver. Seine Regierung steigert die öffentlichen Ausgaben und macht das „heimtückische” Ausland für den Lira-Absturz verantwortlich.

Die Hagia-Sophia-Inszenierung ist sein bisher massivster Befreiungsschlag. Er soll die religiös-nationalistische Wählerschaft der AKP mobilisieren. Aber es geht um noch mehr. Bewusst hatte Erdogan die Umwandlungsshow auf den Jahrestag des Lausanner Friedensvertrags von 1923 terminiert, mit dem Staatsgründer Atatürk die Grenzen des Landes nach dem Untergang des Osmanischen Reiches sicherte. Erdogan möchte das von den Ultranationalisten als „Zwangsjacke” bezeichnete Abkommen revidieren. Vor einer Expansion nach außen, soll das wohl bedeuten, macht das türkische Regime keinen Halt mehr.

Antiwestliche Kriegsrhetorik

In den nächsten Monaten breche eine Debatte über den Lausanner Vertrag aus, die den Nationalismus ankurbeln und die gesellschaftliche Polarisierung verschärfen werde, prognostiziert der Journalist Baydar. „Die Infragestellung dieses Vertrages und antiwestliche Kriegsrhetorik sollten die Welt alarmieren. Das ist ein radikaler Paradigmenwechsel des politischen Koordinatensystems der Türkei”, sagt er. Doch bisher haben sich weder die EU noch die USA strategisch auf die Gefahr eingestellt.

Erdogans Propagandamaschine läuft seit dem Hagia-Sophia-Event heiß. Wie zur Bestätigung der IS-Analogie forderte das regierungsnahe Magazin „Gercek Hayat” einen Tag nach dem nationalistischen Hochamt auf seiner Titelseite die Rückkehr des Kalifats. Regierungsnahe Kommentatoren verlangen die Wiedereinführung des islamischen Kalenders und des Scharia-Rechtssystems sowie die Verlegung der Hauptstadt zurück nach Istanbul. Vertreter ethnischer und religiöser Minderheiten wie Kurden, Armenier oder Aleviten befürchten bereits eine Welle von Gewalt.

"Freiwillig wird Erdogan nicht gehen" 

In einer Blut-und-Boden-Rede erklärte Erdogan, die Türkei werde von der „gesamten Welt attackiert”. Die Wiedereröffnung der Hagia Sophia als Moschee sei nur der Anfang der Gefechte, „mit der Hilfe Gottes” werde die „mächtige Türkei alle Herausforderungen bewältigen”. Er versprach, „den Job zu Ende zu bringen”.

Gleichzeitig verschärft der Autokrat die Unterdrückung von Medien und Opposition. Seit einigen Wochen verhaften die Sicherheitskräfte wieder deutlich mehr Menschen, vor allem Politiker, Journalisten und Militärs. Um die Verbreitung unabhängiger Informationen zu verhindern, drangsalierte Erdogan am Mittwoch auch die sozialen Medien: Facebook, Twitter und Co. werden zensiert und sollen bei Unbotmäßigkeit mit massiven Geldstrafen belegt werden. Türkische Kommentatoren betrachten die Maßnahmen als Vorbereitungen für vorgezogene Neuwahlen.

Was aber, wenn all das nicht wirkt? Der Krisen-Tsunami macht nun selbst dem erfahrenen Konfliktmanager Erdogan zu schaffen. Offenbar bereitet er sich zu Hause auf neue Unruhen vor. Die Regierungsmehrheit im Parlament beschloss Mitte Juni, bis zu 30 000 Hilfspolizisten mit Schusswaffen auszurüsten. Von einer „paramilitärischen Privatmiliz” spricht die Opposition. „Freiwillig wird Erdogan nicht gehen”, meint der Essener Türkei-Experte Burak Copur. „Falls ihm doch das Heft aus der Hand gleitet, wird dieser Meister der Krisengenerierung das Land weiter polarisieren und destabilisieren, damit ihn die Menschen wiederwählen.”

Und wenn das nicht funktioniert, gibt es immer noch Plan C. Die CHP-Opposition enthüllte jüngst, dass der Clan des Staatschefs offenbar öffentliche Vermögenswerte an die ihm nahestehende Turken-Stiftung in den USA verschiebt. Mehr als 90 Millionen US-Dollar sollen bereits geflossen sein, um einen Wolkenkratzer in New Yorkzu finanzieren und ein Grundstück der Boxlegende Muhammad Ali zu kaufen. „Sie haben Muhammad Alis Farm in Michigan gekauft, weil sie wissen, dass sie in die USA gehen werden, falls sich die Zeiten ändern”, sagte Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu. „Dort konzentrieren sie ihr Vermögen."

Samstag, 8. August 2020

Wasserstoff. Der Heilsbringer? Vermutlich nicht...

von Thomas Heck...

Es klingt wie aus einem Traum. Umweltfreundliche Energie in unbegrenzter Menge erzeugen zu können. Die Idee klingt simpel. Diesem Thema widmete ich bereits in meiner Diplomarbeit in Volkswirtschaft im Jahre 1994 ein ganzes Kapitel. Es hätte so schön sein können. Einfach mit überschüssigem Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten. Den Wasserstoff in flüssiger Form in den Tank von Auto, Bahn oder Flugzeug füllen, durch Verbrennung Strom erzeugen oder über eine Brennstoffzelle direkt Strom erzeugen (so wurden bereits die Apollo-Mondmissionen möglich gemacht, so fahren die modernsten deutschen U-Boote absolut geräuschlos). Das Geniale: Aus dem Auspuff kommt... Wasser. Und, juchhu, wir haben einen Energiekreislauf... so weit so theoretisch. Der Wunschtraum Wasserstoff – aber hierzulande nicht machbar. Ich habe mich damals geirrt.


Die Energiewende kommt nicht voran – im Gegenteil: Die weltweit höchsten Strompreise zahlt der deutsche Kunde. Letztlich wertloser, weil zur Unzeit produzierter grüner Strom wird verramscht oder verschenkt. Das Speicherproblem bleibt ungelöst. Und der Unmut über die rücksichtslose Zerstörung von Landschaft, über die Verwandlung naturnaher Regionen in Industrielandschaften wächst. Zudem droht das Ende der einzigen verlässlichen Quellen der Stromerzeugung: die verbliebenen Kernkraftwerke gehen in den kommenden zwei Jahre vom Netz; den Kohlekraftwerken droht das Aus bis 2038.

Nun will die Bundesregierung mit der im Juni aufgelegten Nationalen Wasserstoffstrategie die grüne Wende wiederbeleben. Mit der ebenfalls im Juni veröffentlichen Studie Zukunft des Wasserstoffs liefert die Internationale Energieagentur (IEA) Schützenhilfe. Wasserstoff, so Umweltministerin Svenja Schulze, sei die „Energie der Zukunft“. Ihre Kollegin, Forschungsministerin Anja Karliczek, hat große Pläne. Man wolle auf dem Gebiet des „grünen Wasserstoffs“ Weltmeister werden, Technologien entwickeln, die weltweit Standards setzen und das Potenzial für neue Exportschlager „Made in Germany“ hätten.

Und langfristig wird Wasserstoff alles richten, jedenfalls, wenn man dem Forschungsstaatssekretär Thomas Rachel folgt. „So soll Wasserstoff die fossilen Brennstoffe großflächig ersetzen“, sagte er anlässlich einer Veranstaltung zum Thema „grüner“ Wasserstoff made in Afrika im Forschungszentrum Jülich, „als Speicher für erneuerbare Energien dienen, Mobilität ermöglichen und die verschiedenen Energiesektoren miteinander koppeln – und das alles effizient und kostengünstig“.

Und all das bis zur Jahrhundertmitte.
Guter Stoff, aber …

Nun hat Wasserstoff, das häufigste chemische Element im Universum, durchaus positive Seiten. Verbrennt man ihn, so rußt er nicht. Auch wird kein Kohlendioxid frei, was die Gegner des Klimawandels freut. In der Brennstoffzelle, der „fuel cell“, liefert er Strom und Wärme und als Abfallprodukt Wasser. In der Sonne ist er Brennstoff der Kernfusion. Sterne bestehen weitgehend aus Wasserstoff, auch unsere Gasplaneten Jupiter und Saturn.


Freier Wasserstoff findet sich in riesigen Wolken außerhalb von Sternensystemen. Leider nicht auf der Erde. Hier ist das H-Atom nahezu immer gebunden. Es steckt im Wasser. Es ist eng mit dem Kohlenstoff verbandelt und findet sich in nahezu allen organischen Verbindungen. Aber Wasserstoffvorkommen, die man, wie Erdgas, anzapfen könnte, fehlen. Wasserstoff ist kein Primärenergieträger wie Kohle, Erdgas oder Uran. Er ist ein Sekundärenergieträger, den man großtechnisch – mittels Strom oder Wärme – erzeugen muss.

Wie man das macht, weiß man schon lange. Die Elektrolyse, die Zerlegung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff durch Gleichstrom, entdeckte ein deutscher Chemiker schon vor über 200 Jahren; ein paar Jahrzehnte später realisierte ein englischer Forscher die erste Brennstoffzelle. Ob und wie diese Technologien wirtschaftlich funktionieren, haben Ingenieure und Techniker noch nicht herausgefunden. Das ist der Grund, warum Wasserstoff in der technischen Energiewelt kaum eine Rolle spielt, trotz Weiterentwicklung und Verbesserung der Technologie. In den großen Mengen, die die heutige und die zukünftige Energiewelt benötigt, lässt sich Wasserstoff wirtschaftlich nicht erzeugen, insbesondere dann nicht, wenn dieser auch noch grün, also „klimaneutral“, sein soll.

Ein Nischendasein

Ein paar Zahlen: Weltweit werden derzeit rund siebzig Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr erzeugt; etwa zwei Millionen Tonnen sind es in Deutschland. Die chemische Industrie verarbeitet davon den größten Teil. Ausgangsprodukt sind sowohl Erdgas und Kohle als auch Wasser. Viel Wärme oder viel Strom sind erforderlich, um den Wasserstoff aus diesen Bindungen zu befreien. Die Natur gibt nichts umsonst.

Aus Erdgas stammen etwa drei Viertel der weltweiten Erzeugung. Mittels Hochtemperaturwärme wird aus Erdgas und Wasserdampf in zwei Schritten molekularer Wasserstoff, das H2-Molekül, extrahiert. Den Weg über die Kohlevergasung nehmen vor allem die Chinesen, die über große Kohlevorkommen verfügen. Die Elektrolyse, das wohl bekannteste Verfahren, liefert nur weniger als ein Prozent des weltweiten Bedarfs. Der Grund ist einfach: Die Elektrolyse ist zu teuer. Ein Kilogramm H2 aus Erdgas kostet weniger als zwei Euro; für Wasserstoff aus der Elektrolyse muss man mehr als das Dreifache zahlen.

Nun hat die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung nicht das Ziel, Wasserstoff wirtschaftlich zu erzeugen. In diesem Fall würde man auf Erdgas setzen, das, insbesondere dank Fracking, reichlich vorhanden ist. Wegen der Politik zwanghafter Kohlendioxidvermeidung kommt diese Option nicht infrage: Außer H2 erzeugen die mit Erdgas befütterten Dampfreformer auch das vermaledeite CO2. Man könnte es wohl abtrennen, aber die Wind- und Solarlobby zieht die teure Elektrolyse vor, natürlich nicht mit dem Strom, der derzeit aus der Steckdose kommt und zu großen Teilen aus Kohlekraftwerken stammt.

Mehr als die jährliche Stromerzeugung der Europäischen Union

Deshalb läuft alles auf „grünen Wasserstoff“ hinaus, Wasserstoff, der ausschließlich durch Strom aus Wind und Sonne erzeugt wird. Was man sich damit einbrockt, macht eine einfache Rechnung klar: Die aktuelle, jährlich erzeugte Menge an Wasserstoff entspricht etwa einem Prozent des weltweiten Primärenergiebedarfs. Nicht besonders viel, oder? Wollte man diese Menge allerdings per Elektrolyse erzeugen, so benötigte man laut IEA dafür 3.600 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. Das ist mehr als die jährliche Stromerzeugung der Europäischen Union!

Etwa 400.000 Windräder (von je vier Megawatt (MW) und mit Lastfaktor 25 Prozent) müssten den erforderlichen grünen Strom liefern. Zum Vergleich: Mit modernen Kernkraftwerken vom Typ EPR käme man mit weniger als 300 Anlagen aus.

Der Mythos vom überschüssigen Strom

Zurück zur deutschen Energiewende. Vor ein paar Jahren meinte man, den Königsweg gefunden zu haben, um das Speicherproblem der Energiewende zu lösen. Mit Windstrom erzeuge man Wasserstoff, wandele diesen in Methangas um, speichere es im vorhandenen Gasnetz und verstrome es wieder in Gaskraftwerken. Das Verfahren hieß zunächst bieder Windgas, später brezelte man es zu Power-to-Gas (PtG) auf. Geholfen hat es nicht; die Umwandlungskette Windstrom – Windgas – Gasstrom ist hoffnungslos unwirtschaftlich: Bei jedem Schritt geht Nutzenergie verloren; am Ende bleiben nur etwa dreißig Prozent der Ausgangsenergie übrig!

Macht nichts, meinten Wendebefürworter. Wehe der Wind zu stark und scheine die Sonne zu kräftig, dann habe man „Überschussstrom“. Praktisch umsonst. Auch aktuell wird mit dem Mythos vom Stromüberschuss die Unwirtschaftlichkeit des grünen Wasserstoffs heruntergespielt. Aber überschüssiger Windstrom ist natürlich nicht umsonst, wie schon die Praxis zeigt: Ist zu viel Windstrom da, legt der Netzbetreiber Anlagen vorübergehend still. Sie werden „abgeregelt“. Dafür gibt es großzügige Ausgleichszahlungen (710 Millionen Euro im letzten Jahr), die letztlich der Stromkunde trägt.

2019 wurde diese „Ausfallarbeit“, so die offizielle Bezeichnung, mit 11 Cent/kWh vergütet. Die Umwandlungskette Windstrom – Windgas – Gasstrom führt damit locker zu Stromgestehungskosten von über 30 Ct/kWh. Hinzu kommt: Grob geschätzt, tritt die „Ausfallarbeit“ während ein paar hundert Stunden im Jahr auf. Aufgrund der hohen Investitionskosten lassen sich Elektrolyseure allerdings nur wirtschaftlich betreiben, wenn sie jährlich mindestens 4.000 Stunden laufen. Mit wechselhaft auftretenden Stromüberschüssen geht das nicht. Es sei denn, die Bundesregierung griffe zu der für die Energiewende typischen Finanzierung – der Subventionsbazooka.

Was ist geplant?

Neun Milliarden will die Bundesregierung in den kommenden Jahren in die Entwicklung von H2-Technologien investieren. Die EU legt in ihrem Beritt ein Mehrfaches dazu. Gefördert werden soll zunächst der Einsatz von Wasserstoff in der Industrie und im Verkehr. Dafür sollen in Deutschland in den kommenden zehn Jahren Elektrolyseure mit einer Gesamtleistung von fünf Gigawatt entstehen; bis 2035, so der Plan, kommen noch einmal fünf Gigawatt hinzu.

Nun sind fünf Gigawatt an Elektrolyseleistung kein Pappenstiel. Die weltweit größte H2-Elektrolyse-Anlage geht noch in diesem Jahr bei der Raffinerie Rheinland in Wesseling in Betrieb. Bei Investitionskosten von 16 Millionen Euro und einer Kapazität von zehn Megawatt wird die Versuchsanlage pro Jahr 1.300 Tonnen Wasserstoff liefern. Für die Raffinerie ist das ein Klacks. Sie benötigt jährlich rund 180.000 Tonnen Wasserstoff, der vor allem durch Dampfreformierung aus Erdgas gewonnen wird.

Der Strom für die Wesselinger Elektrolyseanlage kommt aus dem Netz und stammt vor allem aus Kohle- und Kernkraftwerken. Nun soll nach Willen von Politik und „Zivilgesellschaft“ in naher Zukunft deutsche Elektrizität ausschließlich aus kohlendioxidfreien Quellen stammen. Keine Kohle mehr, kein Uran. Nur Grünstrom, vorzugsweise aus zigtausend Turbinen, angetrieben von mäßig bewegter Luft.

Theoretisch billig, praktisch hoch subventioniert

Was hieße das für den Wasserstoff? Er wird teuer. Die grüne Lobby betont zwar gerne, dass Strom aus Wind und Sonne schon jetzt beziehungsweise bald konkurrenzlos billig sei beziehungsweise sein werde. „Theoretisch ist es ein Pferd, aber praktisch fällt es einfach um“, würde der Bauer sagen. Theoretisch billig, praktisch hoch subventioniert. Tatsache ist: Aufgrund der schlechten Umwandlungskette wird die H2-Nutzenergie ein Mehrfaches des zu Beginn genutzten, ohnehin schon teuren Grünstroms kosten.

Hohe Betriebskosten der Elektrolyse beklagte schon der Vorstandschef von Sunfire, einem der führenden Hersteller von Elektrolyseanlagen, auf dem BDEW-Kongress 2019. Der hohe Strompreis führe hierzulande dazu, dass sein Unternehmen Projekte derzeit vor allem im Ausland umsetze. Diesen Fehler müsse die Politik beheben, forderte er. Aber wie sollte die Politik das machen? Aufgrund der geringen Leistungsdichte „erneuerbarer Energiequellen“ sind hohe Kosten bei der Energiewende alternativlos. Da helfen nur staatliche Eingriffe und Subventionen, schön formuliert im Strategiepapier:

„Eine faire, an den Klimazielen und den Zielen der Energiewende … ausgerichtete Ausgestaltung der staatlich induzierten Preisbestandteile von Energieträgern stärken die Möglichkeiten zur Erzeugung von grünem Wasserstoff.“ Als „zentrales Leitinstrument“ soll die Einführung einer CO2-Bepreisung für fossile Kraft- beziehungsweise Brennstoffe in den Bereichen Verkehr und Wärme dienen. Man erwäge auch (sicherlich aus Gründen der Fairness), den „zur Herstellung von grünem Wasserstoff verwendeten Strom weitgehend von Steuern, Abgaben und Umlagen“ zu befreien.

Einfach ausgedrückt: Grüner Wasserstoff funktioniert nur mit kräftigen Subventionen und bei Ausschaltung der fossilen Konkurrenz. Irgendjemand bezahlt das natürlich. Aber in Zeiten, wo die EU mit über einer Billion Euro jongliert, wird man um ein paar Milliarden nicht streiten.

Windräder ohne Ende

Ingenieur Ulf Bossel, vormals Gründer des European Fuel Cell Forums, rechnet mit 100 kWh Strombedarf pro erzeugtem Kilogramm H2. Das beinhaltet Elektrolyse, Verflüssigung, Transport, Lagerung und Verteilung. Mit diesem Wert lässt sich grob abschätzen, mit wie vielen Windrädern man in Zukunft bei der grünen H2-Revolution zu rechnen hat. Für die neue Elektrolyseanlage bei der Rheinraffinerie müssten sich das ganze Jahr über etwa zwanzig Windräder drehen. Über zweitausend Windturbinen wären erforderlich, um den gesamten H2-Bedarf der Raffinerie Rheinland zu erzeugen. Und zehnmal mehr Windräder müssten liefern, um die zwei Millionen Tonnen Wasserstoff zu erzeugen, die die deutsche Industrie pro Jahr braucht.

Etwa 20.000 Windräder, um grünen Strom für die derzeitige heimische Jahresproduktion an H2 zu produzieren – die Zahl zeigt, wo es hingeht. Immerhin, trotz vollmundigen Tamtams um die großartige H2-Zukunft lässt die Bundesregierung es langsam angehen. Sie sieht bis 2030 einen H2-Bedarf von circa 90 bis 110 TWh vor. Dieser Wert entspräche annähernd dem aktuellen Verbrauch. Davon sollen vierzehn TWh grüner Wasserstoff sein, erzeugt von Elektrolyseuren mit fünf GW Gesamtleistung und der „erforderlichen Offshore- und Onshore-Energiegewinnung“.

2030 hätte man also einen grünen Anteil an der H2-Produktion von etwa 15 Prozent. Dafür reichen ein paar tausend Windräder aus. Danach sieht es schon anders aus. Sollten bis 2050 (dem angestrebten Null-Emission-Gipfel) die heimischen Stahlwerke und Raffinerien „treibhausgasneutral“, also nur mit grünem Wasserstoff, produzieren, wären wir allein für diese Branchen bei 15 bis 20 Tausend Windrädern angekommen.

Wird die Industrie das überhaupt mitmachen? Wasserstoff aus Erdgas kostet laut IEA-Statistik ein bis drei, aus erneuerbarer Energie drei bis sieben Dollar pro Kilogramm. Energieintensive Unternehmen werden lieber dort produzieren, wo Energie preiswert ist.

Immer noch nicht genug?

20.000 Windräder für den heutigen Wasserstoffbedarf – das klingt schon hinreichend bedrohlich, wenn man sich um heimische Wälder, Küsten und Mittelgebirge sorgt. Das Ausmaß an Hässlichkeit wäre aber nur ein Bruchteil dessen, was tatsächlich auf uns zukäme. Denn was die Industrie heute an H2 verbraucht, macht nur ein paar Prozent des gesamten Verbrauchs an Primärenergie aus.

Der heilige Gral der Klimawandelgegner, die Null-Emissions-Gesellschaft, erfordert, dass der Riesenbatzen an Primärenergie, den heute vor allem fossile Brennstoffe liefern, erneuerbar erzeugt wird. Nehmen wir den Verkehrssektor als Beispiel, wo auch Wasserstoff künftig für Mobilität sorgen soll. Damit befassen sich die globalen Auto-Unternehmen seit einigen Jahrzehnten; etliche mit Brennstoffzellen betriebene PKWs sind weltweit auch schon unterwegs. Spitzenreiter Toyota hat bis Ende letzten Jahres rund 10.000 davon verkauft – Stückpreis etwa 70.000 Dollar.

Toyota, BMW und Hyundai setzen weiter auf H2-PKWs; Honda hat die Entwicklung zunächst einmal gestoppt, VW hat sich ganz davon verabschiedet, und Mercedes will sich, nach dreißig Jahren F&E, auf Wasserstoffantriebe für LKWs beschränken. Die „Fuel Cell“ („fool’s cell“, so soll Elon Musk gelästert haben) im Transport einzusetzen, ist offenbar kein Selbstläufer. Sehen wir einmal von technischen Schwierigkeiten ab und betrachten nur die energetische Seite.

Selbst in der Ökowelt wäre der H2-Antrieb nicht massentauglich

Pro Jahr verbraucht der deutsche Verkehrssektor etwa 770 TWh an Energie. Rund dreimal so viel Energie müsste man aufwenden, um den grünen Wasserstoff zu produzieren und zu verteilen, der PKWs, LKWs oder Busse zum Laufen bringt, nicht zu vergessen Schiffe und Flugzeuge. Das wären über 2.200 TWh pro Jahr, viermal mehr als die deutsche Stromerzeugung. Da braucht man etwa eine Viertel Million Windräder, die für etliche tausend Elektrolyseure grünen Strom liefern müssten. Von Sylt im Norden bis zu den Schwarzwaldhöhen im Süden wäre Deutschland mit Windturbinen vollgestellt.

Selbst in der Ökowelt wäre der H2-Antrieb nicht massentauglich. Bei Fahrzeugen mit Brennstoffzelle kommen nicht mehr als 25 bis 35 Prozent der ursprünglich eingesetzten Ökoenergie an den Autorädern an. Bei Fahrzeugen mit Elektrobatterie sind es dagegen 70 bis 90 Prozent.

Nicht nur das billige Erdgas, sondern auch die (recht teuren) Lithiumbatterien verhindern sinnvolle Anwendungen für grünen Wasserstoff.

Fazit – in Deutschland nicht machbar

Kommt sie, die heimische grüne Wasserstoffwirtschaft? Wenn überhaupt, dann wird es noch lange dauern. Wasserstoff muss erzeugt werden, und zwar mit viel Energie. Am teuersten ist die Elektrolyse, selbst mit konventionellem Strom. Noch teurer wird das Verfahren, wenn man leistungsschwache Quellen wie Wind und Sonne nimmt. Landschaftszerstörung, Flächen-, Material- und Subventionsbedarf wäre enorm und in Deutschland nicht machbar. Deshalb liebäugeln Politiker und Forschungseinrichtungen damit, langfristig grünen Wasserstoff aus Regionen zu beziehen, in denen sich grüner Strom billiger erzeugen lässt. In Betracht kommen Länder wie Island (Wasserkraft), Marokko und weitere nordafrikanische Staaten (Wind und Solar).

Es ist eine Art Neuauflage des Projekts „Desertec“ aus dem Jahr 2009. Riesige Solarkraftwerke in den nordafrikanischen Wüstengebieten sollten Europa mit grünem Strom versorgen. Tausend Terawattstunden pro Jahr waren geplant. Der damalige Siemens-Chef Peter Löscher sprach vom „Apollo-Projekt des 21. Jahrhunderts“. 2014 löste sich die Initiative auf, an der auch Unternehmen wie Siemens, Eon, Bosch oder die Deutsche Bank beteiligt waren.

Übriggeblieben sind lokale Projekte – Solarkraftwerke in Marokko, Ägypten und anderen Ländern. Sie liefern jeweils einige hundert Gigawattstunden pro Jahr, weit entfernt von dem, was die „H2-Revolution“ einmal benötigen wird. Eine zukünftige umfassende Wasserstoffwirtschaft ist genauso illusionär wie die zu 100 Prozent erneuerbare Energiewelt.





Freitag, 7. August 2020

Deutschlandfunk nennt kriminelle Clans künftig Unternehmerfamilien...

von Thomas Heck...

Immer wenn man denkt, es kann nicht schlimmer kommen, kommt der Deutschlandfunk. Diesmal mit einer Geschichte, die man eher beim 1. April verorten könnte. Da werden ab sofort kriminelle Clans "Unternehmerfamilien" genannt, weil "Clan" zu gefährlich klingt. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf...

Herkunft spielt in den Medien und bei der Polizei eine große Rolle. Dabei ist es manchmal schwer zu unterscheiden, wer einem kriminellen Clan angehört – und wer einer ehrbaren Unternehmerfamilie, meint die Journalistin Sheila Mysorekar.

Familie lässt niemanden kalt. Man liebt sie, man hasst sie – egal, man hat sie. Wir sind Produkte unserer Familie und unserer Vorfahren, mit allem, was damit einhergeht. 

Nicht für alle jedoch ist die Familie etwas Privates. Ich meine nicht das englische Königshaus, sondern die Bedeutung, die verschiedenen Familien in der Öffentlichkeit zugeschrieben wird. Denn Abstammung ist in Deutschland was ganz, ganz Wichtiges.

Unternehmerfamilie klingt nach Disziplin und Arbeit

Zum Beispiel: Hat deine Familie viel Geld und eine Firma, dann wirst du in eine sogenannte „Unternehmerfamilie“ hineingeboren. In der Übersetzung: Ein Chefsessel wartet auf dich, sofern du ein Sohn bist und dich nicht allzu dämlich anstellst.

Gerade Politiker sagen das Wort „Unternehmerfamilie“ mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Unterwürfigkeit. „Unternehmerfamilie“, da schwingt preußische Disziplin und harte Arbeit mit. Nicht zu vergessen: der treue Sohnemann, der den Chefposten von seinem Vater erbt und dabei depressiv wird. Aber das ist halt ein Kollateralschaden bei der Vermögensbildung.

Clan klingt nach Bedrohung

„Unternehmerfamilie“ sagt man aber nur, wenn die betreffende Familie weiß und deutsch ist. Wenn eine libanesische Familie Geschäfte macht und Geld hat, dann nennt man sie „Clan“.

Bei diesem Wort schwingt eine ominöse Bedrohung mit; nix Anstand und Sparsamkeit, sondern illegale Geschäfte. Man muss gar nicht mehr hinzufügen, dass die Familie arabischstämmig ist: Bei dem Wort „Clan“ denken wir an dunkelhaarige Männer mit Goldkettchen und schnellen Autos, die obendrein in der zweiten Reihe parken.

Dies ist das Ergebnis medialen Framings und fragwürdiger Polizeistatistiken. Wie der Journalist Mohamed Amjahid kürzlich für die „Zeit“ recherchierte, sind die rechtlichen Grundlagen für die Erfassung sogenannter krimineller Großfamilien äußerst dünn. In Niedersachsen etwa werden Menschen mit demselben türkischen oder arabischen Nachnamen zu einem „Clan“ zusammengefasst, selbst wenn sie nicht verwandt sind. Auch ein Schulschwänzer, der den gleichen Nachnamen trägt, taucht so in der Statistik über Clankriminalität auf.

Verzerrte Berichterstattung über Kriminalität

Viele Medien tragen zu dieser Wahrnehmung bei. Eine Studie des Mediendienst Integration ergab, dass die Berichterstattung das Thema Ausländerkriminalität extrem verzerrt: Ausländische Tatverdächtige wurden in Fernsehberichten 19 Mal so häufig erwähnt, wie es ihrem statistischen Anteil entspricht, in Zeitungsberichten sogar 32 Mal so häufig.

Hier nimmt ein fataler Kreislauf seinen Gang: Die verzerrte Berichterstattung führt zu dem Eindruck, dass weiße Deutsche weniger kriminell seien – und deswegen wird sogar bei Bagatelldelikten nach dem Stammbaumnachweis gerufen. Besonders laut von rechten Gruppen.

Weiße deutsche Clans

So sieht das auch die Stuttgarter Polizei, ganz weit vorne bei der Ethnisierung von Kriminalität. Sie will von jugendlichen Straftätern – von deutschen Jugendlichen! – den Migrationshintergrund der Eltern ermitteln. Erkenntniswert für die Strafverfolgung: gleich null. Stigmatisierung von Menschen aus Einwandererfamilien: 100 Prozent.

Warum reden wir nicht über die Abstammung weißer deutscher Clans – sorry, Unternehmerfamilien –, etwa bei denen, die Teile ihres Vermögens nachweislich illegal erworben haben? Zum Beispiel, weil sie während der Nazi-Zeit Zwangsarbeiter beschäftigt haben, wie zum Beispiel Familie Quandt aus der Dynastie derer von BMW. Oder bei der massive Steuerhinterziehung eines Klaus Zumwinkel, dessen Vater wiederum ein Geschäft von enteigneten Juden übernahm: Da könnte man doch auch Clan sagen. Und anständige syrische Ehepaare mit einer Bäckerei in Berlin, die nennen wir in Zukunft: Unternehmerfamilie.

Wer hat es geschrieben? Sheila Mysorekar ist Vorsitzende des Vereins „Neue deutsche Medienmacher*innen“, einer Organisation von Journalistinnen, Journalisten, Medienmacherinnen und Medienmachern mit und ohne Migrationsgeschichte. Sie ist indodeutsche Rheinländerin und lebt in Köln. Ihr Studium absolvierte sie in Köln und London und arbeitete als Journalistin (Politik/Wirtschaft), unter anderem in Jamaika, Indien, den USA und vielen Ländern Lateinamerikas, darunter elf Jahre als freie Korrespondentin für die ARD in Argentinien.






Ohne Sicherheit kein Wohlstand...

von Eric Gujer...

Manchmal geht es in der internationalen Politik nicht anders zu als im Sandkasten, wenn sich Kinder um Förmchen und Spielzeug streiten. Donald Trump zieht aus Deutschland Soldaten ab, weil er sich darüber ärgert, dass Berlin seinen finanziellen Verpflichtungen in der Nato nicht nachkommt. Er nimmt mutwillig einen Schaden für das Bündnis in Kauf, als diene dieses ausschliesslich deutschen und nicht ebenso amerikanischen Interessen.

In Deutschland hob nach der amerikanischen Entscheidung ein Wehgeschrei an wegen Trumps Gleichgültigkeit gegenüber europäischen Sicherheitsfragen, als habe Deutschland mit der Vernachlässigung der Bundeswehr die europäische Sicherheit nicht genauso missachtet.

In der Sandkiste kehren nach gutem Zureden meist Einsicht und Beruhigung ein. In der internationalen Politik ist das seltener der Fall.


Die USA und Deutschland streiten wie Kindsköpfe

Man darf daher nicht erwarten, dass die Streithähne in Washington und Berlin eine konstruktive Lösung suchen. Das wäre nicht so schlimm, ginge es nur um deutsche und amerikanische Eitelkeiten. Die beiden Länder mit ihrer Neigung zu einer manchmal exaltierten, moralisch aufgeladenen Aussenpolitik haben ohne Zweifel Gewicht, sie sind aber nicht der Nabel der westlichen Welt.

Die Nato ist der Garant der Sicherheit für alle europäischen Staaten, die nicht im russischen Einflussbereich liegen. Das gilt auch für Länder wie die Schweiz oder Schweden. Sie halten ihre Neutralität hoch, sind aber stille Nutzniesser des Schutzschirms, den die USA nach dem Zweiten Weltkrieg konventionell und nuklear über Europa aufgespannt haben.

Differenzen in der Nato bedrohen daher die Sicherheit des Kontinents insgesamt. Der geplante Truppenabzug aus Deutschland ist ein Alarmzeichen für alle, nicht nur für Deutschland. Die USA wenden sich von Europa ab. Die europäische Kritik zielt reflexartig auf den Republikaner Trump, dabei sieht der Demokrat Biden viele aussenpolitische Fragen wie sein Kontrahent. Nach sieben Jahrzehnten mit dem Schwerpunkt Atlantik richtet Amerika den Blick auf den Pazifik und den Indischen Ozean.

Auch das wäre für sich genommen nicht so schwerwiegend, wenn die Europäer willens und fähig wären, die entstehende Sicherheitslücke zu schliessen. Doch das wird nicht geschehen. Europa gedieh nach dem Zweiten Weltkrieg auch deshalb, weil es seine militärische Sicherheit an die USA delegierte und sich auf wirtschaftliche und soziale Prosperität konzentrierte. Dieses Businessmodell ist hinfällig, und das bedroht Europa.

Militär ist auch in Friedenszeiten wichtig

Wohlstand gibt es auf Dauer nicht ohne militärische Absicherung, auch wenn diese in langen Friedenszeiten kaum mehr greifbar erscheint. Historisch betrachtet, überlebte keine Nation, wenn sie Angriffe nicht abschrecken oder abwehren konnte. Wie wichtig das sicherheitspolitische Fundament ist, bemerkt die Öffentlichkeit erst, wenn es sich aufgelöst hat. Gegenwärtig löst es sich an vielen Ecken auf.

Pekings langer Arm reicht unterdessen bis nach Europa, noch nicht militärisch, dafür umso massiver wirtschaftlich und politisch. China kauft Häfen, rüstet Telekommunikationsnetze aus und schafft auch als nimmersatter Abnehmer europäischer Waren eine Abhängigkeit, von der alle nur insgeheim hoffen können, dass sie sich nicht eines Tages bitter rächt.

Russland hat inzwischen die Mischung aus physischer Gewalt wie in der Ukraine oder Syrien und dem Informationskrieg im Internet perfektioniert. Moskau ist nicht mehr übermächtig wie einst, ganz im Gegenteil; aber die Skrupellosigkeit, mit der es sein Militär einsetzt, macht es zu einem ernstzunehmenden Widerpart.

Der strategische Wert der Nato sinkt

Und die Nato? Sie wurde gemäss einem in die Jahre gekommenen Bonmot gegründet, um die Amerikaner drinnen, die Sowjets draussen und die Deutschen unten zu halten. Inzwischen sind die Amerikaner auf dem Weg nach draussen, die Chinesen lassen sich anstelle der Russen häuslich nieder, und die Deutschen sind längst von einer militaristischen Bedrohung zur pazifistischen Herausforderung mutiert. Im Alltag funktioniert die Nato reibungslos, strategisch verliert sie an Wert.

Europa vermag der Entwicklung wenig entgegenzusetzen. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs bilden Frankreich und Grossbritannien das Rückgrat der europäischen Verteidigungsanstrengungen. Die kleinkarierte Art, wie London und Brüssel über die Details des Brexits verhandeln, versieht diese Partnerschaft allerdings mit einem dicken Fragezeichen. Neben Frankreich unterhalten die Briten die einzigen Streitkräfte, die (mit diskreter amerikanischer Hilfe) noch eine mittelgrosse Militäroperation stemmen können.

Deutschland macht zwar seine kaputtgesparte Bundeswehr allmählich wieder fit, die pazifistische Kehrtwende seit 1945 verhindert aber zuverlässig deren Einsatz, wenn es um mehr als um blosse Friedensmissionen geht. Mit diesem Deutschland gibt es keine autonome europäische Verteidigung. Paris muss immer fürchten, dass Berlin im entscheidenden Moment seine Teilnahme an einer Militäroperation verweigert.

Europa bleibt politisch ein Zwerg

Die «incertitudes allemandes» entwerten alle gemeinsamen Anstrengungen selbst dann, wenn eine deutsche Beteiligung gar nicht erforderlich ist. So beteiligte sich Deutschland nicht an den Luftangriffen auf Libyen im Jahr 2011. Mit der Drohung, seine Soldaten aus den Awacs-Flugzeugen und den Nato-Stäben abzuziehen, gefährdete Berlin jedoch den Einsatz unmittelbar.

Selbst in seiner direkten Nachbarschaft ist Europa ein politischer Zwerg, weil die militärische Komponente fehlt. Gerade scheitert eine Friedensinitiative für Libyen, weil sich die Europäer nicht auf die konsequente Durchsetzung eines Waffenembargos verständigen konnten.

Die nationalen Eigenheiten und Sondertouren nehmen den europäischen Streitkräften die Schlagkraft, die sie im Verbund eigentlich hätten. Die amerikanische Führung machte das teilweise wett, weil sie ein Ziel und einen festen Rahmen vorgab. Fällt dies weg, sollte man sich keine Illusionen über die Geschlossenheit der Europäer machen.

Selbst wenn es nur ums Geld geht, streiten sie auf dem Basar von Brüssel wie die Kesselflicker. Wie sieht es erst beim Militär aus, bei dem jedes Land sehr eigene Traditionen hat? Vor allem dann, wenn schnell entschieden werden muss, wie man reagiert, die Konfrontation sich aber in einer Grauzone abspielt, beispielsweise ein Angriff russischer oder chinesischer Cyberkrieger auf die europäische Energieversorgung.

Atomwaffen gehören nicht dem Schattenreich der modernen hybriden Kriegsführung an. Sie sind und bleiben der ultimative Garant jeder militärischen Sicherheit, das ist heute nicht anders als im Kalten Krieg. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit kollabiert gerade die ab den sechziger Jahren mühsam aufgebaute Rüstungskontrolle.

Es ist immer dasselbe Spiel: Erst brechen die Russen einen Vertrag, dann kündigen die Amerikaner den Vertrag. Neue Abkommen kommen nicht zustande, weil sich China der Rüstungskontrolle mit fadenscheinigen Argumenten verweigert. Das wiederum dient den USA als Vorwand für Untätigkeit.

Atomwaffen gewinnen wieder an Bedeutung

Da das komplexe System der Verträge rasch erodiert, ist eine glaubwürdige atomare Abschreckung heute so wichtig wie lange nicht mehr. Diese wird bis anhin in Europa von Amerika sichergestellt, ein europäisches Pendant existiert nicht. Frankreich und Grossbritannien besitzen zwar Atomwaffen, diese sind indes nur zur Verteidigung des eigenen Landes vorgesehen. Präsident Macron hat Berlin unterdessen eine Teilhabe angeboten – zaudernd und zögernd, als misstraue er seinen eigenen Worten. In dieser Halbherzigkeit kommt das ganze europäische Malaise zum Ausdruck.

Die selbsternannte «Friedensmacht Deutschland» macht um alle nuklearen Fragen einen weiten Bogen. Sie versucht erst gar nicht, die französischen Waffen für gesamteuropäische Zwecke zu nutzen, weil sie dann eine Mitverantwortung übernehmen müsste. Berlin glaubt, es handle moralisch, wenn es militärische Verantwortung scheut.

Falten die USA ihren Schutzschirm zu, stehen die Europäer im Regen. Den Erpressungsmanövern Russlands, das seine Atomwaffen zielstrebig modernisiert und ihnen in seiner Militärdoktrin einen zentralen Platz zuweist, können sie nichts entgegensetzen.

Ohne Sicherheit kein Wohlstand. Diese Feststellung ist heute aktueller denn je, aber Europa ignoriert sie hartnäckig.

Erschienen im Newsletter #170 der NZZ...


Mittwoch, 5. August 2020

Nuhr ein Shitstorm...

von Thomas Heck...

Es ergeht kaum ein Tag, wo nicht irgendeine Nichtigkeit ein Shitstorm ereilt, der dann als mediale Sau durchs Dorf getrieben wird. Und niemand ist gefeit. So traf es kürzlich Audi, die ein kleines Mädchen Banane kauend zienlich lässig an einem roten Audi lehnte. Manche sahen hier eine vermeintlich Frühsexualisierung, die Banane tat wohl ihr übriges, wobei man sich schon fragen darf, was für Perverslinge hier ein seuxuelles Motiv erkennen. Audi knickte umgehend ein und entschuldigte sich für dieses "unsensible Bild". Nun kann man auch nicht mehr Audi fahren. Toll. 


autos autos und bananen 
bananen 
bananen und mädchen 
autos 
autos und mädchen 
autos und bananen und mädchen und ein kühlergrill

Vor längerer Zeit was es Keks-Farbrikant Balsen, dem Rassismus vorgeworfen wurde. Bahlsen hatte es gewagt, seit Jahrzehnten eine Kekssorte "Afrika" zu nennen. Die Neger unter den Gutmenschen waren erzürnt, doch waren es eher die normalen Gutmenschen, die sich vermeintlich für Neger einsetzen mussten.


Und so geht das endlos weiter. Eine Brauerei, die den Islam beleidigt, eine Tafel von Nazis und, last but not least, meine Vorhaut (hatte ich schon fast vergessen).

Was mich zu der Frage bringt, wie man solchen Shitstorms entgehen kann? Die simple Antwort: Gar nicht. Weil sich immer irgendjemand gestört fühlt und im heutigen Internet-Zeitalter es in die Welt posaunen muss und immer Mitläufer im Pöbel findet, der den ganzen Tag im Netz zubringt und zu gerne auf jeden Zug aufspringt, um die nächste mediale Sau durchs Dorf zu treiben. Mein Tipp: Ignorieren, gar nicht drauf eingehen, keine Rechtfertigung und wenn das nicht reicht, einfach mal eine Weile nicht online gehen. Solange nicht der Pöbel vor der Haustür steht und Dich lynchen will, kann auch der schlimmste Shitstorm entspannend sein, wenn man ihn gar nicht mitbekommt. Wird Dieter Nuhr auch noch lernen, gell Dieter?



Dieter Nuhr, die Wissenschaft und der Online-Mob: So kommen Sie entspannt durch einen Shitstorm

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat für eine Kampagne den Kabarettisten Dieter Nuhr engagiert. Als deshalb im Netz Hunderte protestierten, entfernte sie eilig dessen Beitrag. Kritikfähigkeit? Nein, ein unnötiger Kniefall.
«Es greift einem ans Herz, wenn man heute hört, wie mancher junge und alte Gelehrte nicht mehr in der Lage ist, ein grosses Werk, an dem er Jahrzehnte gearbeitet hat, überhaupt nur drucken zu lassen»: So klagte der deutsche Reichsfinanzminister Joseph Wirth im Sommer 1920. Die Sorge des Zentrums-Politikers teilten damals viele im Land der Kriegsverlierer. Im Herbst gründeten mehrere Akademien und Universitäten deshalb die «Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft». Sie sollte helfen, die Folgen der internationalen Isolation abzufedern und für eine zumindest rudimentäre finanzielle Förderung zu sorgen. 

Heute, im Jubiläumsjahr, ist die Gemeinschaft nicht wiederzuerkennen. Vorbei ist ihre Not, und fort ist auch der traurige Name. Als Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat sich der Bonner Verein zur zentralen Selbstverwaltungsorganisation der Wissenschaft des Landes entwickelt. Für die Förderung «wissenschaftlicher Exzellenz» stehen pro Jahr 3,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Fast das ganze Geld kommt vom Staat, also von den Steuerzahlern. Und weil die DFG stolz auf ihre Geschichte ist, hat sie im Sommer eine Kampagne gestartet, die auch an den harten Anfang erinnern soll: «DFG2020» lautet der Titel. Und: «Für das Wissen entscheiden».

Ein Kritiker bezeichnet Nuhr als «Abfall»

Bis vor kurzem hatte kaum jemand ausserhalb der Organisation etwas davon mitbekommen. Das änderte sich, als sie am vergangenen Donnerstag einen 30 Sekunden kurzen Audiobeitrag des Kabarettisten Dieter Nuhr im Netz veröffentlichte. Binnen weniger Stunden empörte sich ein wachsender Chor von Nutzern. Nuhr sei ein «Corona- und Klimawandelverharmloser», schimpfte einer. Nuhr habe sich über die Aktivisten von «Fridays for Future» lustig gemacht, klagte ein anderer. Ein Dritter, der nach eigenen Angaben in der Wissenschaft arbeitet, nannte Nuhr einen «beleidigenden Menschen», ehe er ihn als «Abfall» bezeichnete.

Die DFG gab sich standhaft, zumindest für ein paar Stunden. Jeder, dessen Statement «für das Wissen» stehe, sei bei der Kampagne willkommen, teilte sie am Donnerstagabend auf Twitter mit. Doch schon am Freitagvormittag folgte die Kehrtwende: «Wir nehmen die Kritik, die vielen Kommentare und Hinweise ernst und haben den Beitrag von Dieter Nuhr von der Kampagnen-Website entfernt.» Nur im Kurznachrichtendienst ist er nach wie vor abrufbar: 

Ein Sprecher der DFG teilte der NZZ auf Anfrage mit, dass Nuhrs Botschaft erstmals am 21. Juli verbreitet worden sei, zunächst auf der Website der Kampagne und über den Youtube-Kanal der DFG. Beides habe keine nennenswerten Reaktionen zur Folge gehabt. Das habe sich am 30. Juli geändert, als der Beitrag auch auf Twitter erschienen sei. Dort habe es unmittelbar darauf eine «intensive Diskussion» gegeben, bei der sich «nicht zuletzt zahlreiche Stimmen aus der Wissenschaft und aus wissenschaftsaffinen Kreisen mit deutlicher Kritik an der generellen Haltung von Herrn Nuhr zur Wissenschaft» geäussert hätten.

Den Moment des Sinneswandels muss man hier im Wortlaut wiedergeben: «Im Verlaufe und im Lichte dieser Diskussion sind wir dann selber in zumindest einem zentralen Punkt zu einer anderen Einschätzung der Haltung von Herrn Nuhr zur Wissenschaft und auch des Beitrags gekommen. Dieser Punkt betraf den Satz «Und wer ständig ruft ‹Folgt der Wissenschaft›, hat das offensichtlich nicht begriffen.» Dies erschien uns in dem nun deutlicher gewordenen Kontext als – auch unnötiger – Seitenhieb auf aktuelle Debatten in und um Wissenschaft und deren Akteure, den wir nicht mit den Anliegen der Kampagne (. . .) in Übereinkunft bringen konnten.»

Die Löschung von Nuhrs Beitrag löste eine zweite Welle der Empörung aus. Kritische Stimmen kamen dabei auch aus der Wissenschaft. Der Münchner Soziologe Armin Nassehi etwa nannte die Reaktion der Forschungsgemeinschaft falsch, weil sie im Netz nur «die üblichen Drehbücher» in Gang gesetzt habe. Der Mainzer Historiker Andreas Rödder bezeichnete das Einknicken der DFG als «sehr bedenklich». Die Selbst-Konformisierung der Wissenschaft gefährde die intellektuellen Grundlagen der demokratischen Öffentlichkeit. Der Kabarettist selbst schrieb auf Facebook, dass er das Verhalten der DFG «gruselig» finde.

Der Vorfall zeigt exemplarisch, warum es falsch ist, den Forderungen eines Online-Mobs Folge zu leisten. Es geht dabei fast nie um Argumente und fast immer darum, dass einer vermeintlich falschen Person eine «Bühne» geboten wird. An Nuhrs 30-Sekunden-Botschaft hatten die Wenigsten etwas auszusetzen. «Wissen bedeutet nicht, dass man sich zu 100 Prozent sicher ist», fing sein Statement an. Er sprach der Wissenschaft einerseits ab, alles zu wissen, und erklärte sie andererseits zur einzig vernünftigen Wissensbasis. Wer will da widersprechen?

Wider die Cancel-Culture

Egal, wie gut es die DFG mit ihrer Löschaktion gemeint haben mag: Sie steht nun als Verliererin da, als Institution ohne Rückgrat. Natürlich kann man darüber streiten, ob ein Kabarettist als Werbeträger für eine Spitzenorganisation der Wissenschaft geeignet ist. Aber wenn, dann vorher – und nicht, nachdem man ihn angeworben und ihm später für sein «wunderbares Statement» und seinen «pointierten Kommentar» gedankt hat. Die Löschung wirkt nicht wie das Ergebnis einer seriösen inhaltlichen Auseinandersetzung, sondern wie ein ängstlicher Kotau.

Was hätte die Forschungsgemeinschaft tun können? Oder besser: Was sollte jede Institution tun, die Besuch von einem Online-Mob bekommt? 

Ruhe zu bewahren, wäre ein erster Schritt: «Danke für Ihre Kritik, wir schauen uns das an und melden uns.» Wer als Verein, Unternehmen, Nichtregierungsorganisation oder Partei Social-Media-Accounts unterhält, sollte zeitnah auf Kritik reagieren. Das heisst aber nicht, wenn der hundertste Nutzer in die Welt posaunt hat, dass er gerade «fassungslos» sei, sondern wenn alle relevanten Beteiligten angehört wurden und sich gegebenenfalls rechtfertigen konnten. Das ist in Nuhrs Fall offenkundig nicht passiert. 

«Cancel-Culture» auszuschliessen, wäre ein zweiter Schritt. Aufgebrachte Nutzer zerren schnell an den Nerven. Trotzdem muss man unterscheiden: Liegt echtes Fehlverhalten vor, oder handelt es sich bloss um einen Fall von Cancel-Culture? Ersteres wäre zum Beispiel der Fall, wenn Nuhrs Statement ein Plagiat gewesen wäre oder wenn er jemanden beleidigt hätte. Beides war nicht der Fall. Das Problem seiner Kritiker war und ist ein anderes: Der 59-Jährige hat in der Vergangenheit aus ihrer Sicht die falschen Witze gemacht. Den Klimawandel finden sie zu ernst fürs Kabarett. Eine solche Haltung ist legitim. Sie legitimiert aber keine Löschung, nicht in diesem Fall und auch sonst nicht. 

Nicht einzuknicken, wäre ein dritter Schritt. Ein Online-Mob will keinen Meinungsaustausch. Er will die Person, über die er sich empört, entlassen oder gelöscht sehen. Diesen Gefallen darf man ihm nicht tun, weil er sonst bei nächster Gelegenheit wiederkommt und weitere Köpfe fordert. Wer unsicher ist, kann sich fragen, ob er auch ohne Shitstorm etwas unternehmen würde – weil das, was ein Mitarbeiter oder Partner gesagt oder geschrieben hat, im Widerspruch zu den eigenen Werten oder denen der Institution steht. In Nuhrs Fall ist die Antwort abermals klar: Bevor der Mob kam, hatte die DFG nur warme Worte für ihn übrig. Die einzige Antwort, die die Organisation den Gegnern des Kabarettisten hätte geben dürfen, ist diese: «Wir haben Ihre Kritik geprüft, und wir schliessen uns dieser nicht an.» 

Nachtrag: Die DFG hat kurz nach Erscheinen dieses Artikels am Dienstag (4. 8.) eine Stellungnahme veröffentlicht und Dieter Nuhr darin eine «kommentierte Wieder-Online-Stellung seines Statements» angeboten. Man bedauere es, den Beitrag entfernt zu haben, ohne ihn vorher zu informieren oder ihm das Vorgehen zu erläutern. Der Kabarettist lehnte das Angebot umgehend ab: «Was soll das denn? Alle anderen sagen frei ihre Meinung und meine wird mit einer Warnung versehen wie eine Zigarettenpackung», zitierte ihn die «Welt». Er sei von der DFG mehr als enttäuscht, teilte Nuhr mit. Deren Entschuldigung nehme er nicht an, weil es keine Entschuldigung sei. Die Forschungsgemeinschaft habe nicht die Löschung seines Beitrag bedauert, sondern nur die Tatsache, dass sie ihn nicht darüber informiert habe.




Dienstag, 4. August 2020

Für manche ein Bundespräsident...

von Thomas Heck...

Jedes Volk hat den Präsidenten, den es verdient. Das gilt insbesondere für Deutschland, wo eben nicht das Volk über den Bundespräsidenten zu entscheiden hat, sondern eine vermeintlich elitäre Clique aus Bundestag, Bundesrat und ausgesuchten weil verdienten Vertretern des Pöbels einen in Hinterzimmern der Parteien ausgeknobelten Kandidaten abzunicken hat.

Da darf man sich nicht wundern, wenn sowas dabei rauskommt. Ein Bundespräsident, der nur mahnende Worte spricht, sich selbst aber um die Einhaltung simpelster Corona-Abstandsregeln einen Dreck schert...







Montag, 3. August 2020

Linke Schlägertrupps und 20.000 oder 1 Mio. Nazis...

von Thomas Heck...

Wenn "Covidioten" demonstrieren (SPD-Gossenjargon Saskia Esken), werden die Veranstalter die Zahl der Teilnehmer größer schätzen und so kommunizieren, so wie etablierte Parteien und Regierungsfunk die Zahl klein reden werden. So sprachen die Veranstalter von 1,3 Mio., die öffentlich-rechtlichen Medien von 20.000, die Polizei von 12.000 Teilnehmern. 

Olaf Sundermeyer hat die Demonstranten sogar gezählt. Der Faktenfinder der ARD weist 12.000 Personen aus. ARD-Fakten oder ARD-Fiktion?




Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Die Politik hat angesichts dieser Bilder jedoch allen Grund Angst zu haben.



Und während das politische Berlin noch ob der renitenten Bevölkerung die Nase rümpft, muss der Berliner Polizist seinen Knochen hinhalten, um dem linksfaschistischen Pöbel Einhalt zu gebieten...