„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Sie verbieten nicht die Hassrede, sondern die Rede, die sie hassen. Den Sozialismus erkennt man daran, daß es die Kriminellen verschont und den politischen Gegner kriminalisiert...
Montag, 28. Juni 2021
Soldaten können sterben, denn dafür sind sie da?
Samstag, 3. April 2021
Der MAD ist die Stasi für die Bundeswehr...
Dienstag, 9. Februar 2021
Bundeswehr: Und noch eine Reform...
Lassen wir noch schnell die Ministerin selbst Wort kommen. Frau Verteidigungsministerin...
Freitag, 5. Februar 2021
Süß ist es fürs Vaterland zu sterben... denn dafür sind Soldaten da...
Montag, 28. Dezember 2020
Bundeswehr: Einsatzbereitschaft immer noch katastrophal...
Bundeswehr-Krise: „Liegen maximal bei 50 Prozent der Vollausstattung“
74 Prozent der Waffensysteme einsatzbereit? Bundeswehrverbandschef André Wüstner wirft dem Verteidigungsministerium „abstruse“ Berechnungen vor. Der Politik attestiert er einen Glaubwürdigkeitsverlust, der „einst stolzen Volkspartei“ SPD eine betrübliche Kapitulation.
Oberstleutnant André Wüstner, Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbands: „Die Truppe leistet unter den gegebenen Umständen erstklassige Arbeit“
Seit 2013 ist Oberstleutnant André Wüstner, 46, Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes – und damit Interessenvertreter von rund 200.000 Mitarbeitern der Streitkräfte.
WELT: Wie misst man eigentlich die Leistungsstärke einer Armee, Herr Wüstner?
André Wüstner: An den Fähigkeiten der Streitkräfte. Die speisen sich aus dem Zusammenspiel von modernem Material und motiviertem Personal. Nur mit voller materieller und personeller Stärke, entsprechender Ausbildung und Übung haben Streitkräfte die Fähigkeit, ihren Auftrag zu erfüllen – sind also einsatzbereit. Das ist der Kern, gemessen am politischen Auftrag.
WELT: Dann nähert sich die Bundeswehr also materiell ihrer Topform? Die Hauptwaffensysteme seien zu 74 Prozent einsatzbereit, hat das Verteidigungsministerium gerade mitgeteilt.
Wüstner: Solche Meldungen irritieren die Truppe und zeichnen in der Gesellschaft ein falsches Bild. Denn diese 74 Prozent beruhen auf abstrusen Berechnungsmodellen und haben mit der täglichen Lebenswirklichkeit in der Truppe nicht ansatzweise etwas zu tun. Ob in einer Einsatzflottille der Marine, einer Division des Heeres oder einem Luftwaffengeschwader: Überall verwalten die Frauen und Männer noch immer den Mangel, allen vor vielen Jahren politisch ausgerufenen Trendwenden zum Trotz.
Die Politik hat richtigerweise erkannt, dass die weltweiten Risiken und Bedrohungen unserer Sicherheit eine Vollausstattung der Bundeswehr erfordern. Doch da liegen wir maximal bei 50 Prozent. Bei einigen Systemen wie Hubschraubern oder den alten Tornados ist es noch schlimmer, da ist die Lage prekär.
WELT: Was bedeutet es für die Motivation von Soldaten, wenn ihnen in der täglichen Arbeit ihr Handwerkszeug fehlt?
Wüstner: Es bedeutet Frust – auch wenn sie täglich vorbildlich das Beste aus der Situation vor Ort machen. Nehmen Sie die Brigade, die Deutschland für die schnelle Nato-Speerspitze stellt: 2015 sind die Kameraden buchstäblich mit einem Besenstiel in den Einsatz gezogen; 2018 bis 2020 mussten sie sich ihre Ausrüstung in der ganzen Truppe zusammenleihen. Frau von der Leyen hat dann versprochen, dass beim nächsten Mal, 2022 bis 2024, eine Brigade aus sich heraus führungsfähig und einsatzbereit sein soll. Doch schon jetzt ist klar: Das Ziel wird wieder nicht erreicht.
Und wenn die Kameraden dann noch von 74 Prozent Klarstand der Waffensysteme lesen, sorgt das in Teilen für Verdrossenheit oder zumindest für einen Verlust an Glaubwürdigkeit von Politik. Sie werfen die Frage auf, ob man wirklich an der Einsatzbereitschaft interessiert ist – oder ob die Bundeswehr, wie es der Militärhistoriker Sönke Neitzel mal geschrieben hat, nur noch ein innenpolitisches Projekt ist.
WELT: Für 2031 hat Deutschland der Nato drei voll ausgerüstete Heeresdivisionen zugesagt, ebenso Luftwaffen- und Marinepakete. Die Regierung liegt schon viele Milliarden Euro hinter ihrem Plan. Da scheint eine Reduzierung der Ansprüche fast zwangsläufig, oder?
Wüstner: Nein. Dieses Ziel hat die Regierung unter Federführung des Außenministers aus guten Gründen so beschlossen, so steht es in allen unseren sicherheitspolitischen Grundlagendokumenten. Und so ist es der Nato zugesagt.
Es wäre ein fatales Signal in Richtung der Partner und der neuen US-Administration, wenn Deutschland sich gerade jetzt vereinzelt aus dem Staub macht und die deutschen Planungsziele für die Allianz nach unten korrigiert. Das untergräbt Vertrauen.
WELT: Fakt ist dennoch: 2022 wird es zu einem Kassensturz mit Blick auf die Kosten der Corona-Pandemie kommen.
Wüstner: Aber ich warne davor, an der Sicherheit zu sparen. Innere und äußere Sicherheit sind Kernaufgabe staatlichen Handelns. Schauen Sie sich doch um in der Welt – Sie werden keine Himmelsrichtung ohne sicherheitspolitisches Risiko für Deutschland und Europa finden.
Deswegen ist es richtig, dass ein Bündnis wie die Nato wieder mehr in Verteidigungsfähigkeit und Abschreckung investiert. Und deshalb muss Deutschland als wirtschaftlich stärkstes Land in Europa seine Zusagen einhalten, sich aber gleichzeitig auch im eigenen Land, Stichwort Cyber-Attacken oder Terrorismus, besser als bisher aufstellen.
WELT: In jedem Koalitionsvertrag steht, dass die Bundeswehr die bestmögliche Ausrüstung erhalten soll. Können Sie das noch ernst nehmen, wenn Sie auf die neuerliche Weigerung der SPD blicken, Kampfdrohnen zu beschaffen?
Wüstner: Es wurde acht Jahre über fünf – ich betone: fünf – Drohnen mit Bewaffnung diskutiert. Dass der SPD-Vorsitzende Walter-Borjans jetzt immer noch nicht entscheidungsfähig ist … nun ja, das spricht für sich. Ich habe jedenfalls extrem verärgerte Reaktionen bekommen, gar nicht mal so sehr von Soldaten, sondern von deren Angehörigen: Partner, Väter, Mütter, Familienangehörige.
In einer Zuschrift an den Verband hieß es: Das ist die betrübliche Kapitulation einer einst stolzen Volkspartei vor einer lautstarken und bewusst mit falschen Argumenten kommunizierenden Minderheit. Das unterschreibe ich so.
Und ich gehe noch einen Schritt weiter: Die SPD kann den Spagat zwischen bestmöglicher Ausrüstung für den Schutz der Soldaten und der Ablehnung bewaffneter Drohnen nur dann hinkriegen, wenn sie die Konsequenz zieht: keine Einsätze mehr. Alles andere empfinden Soldaten und ihre Angehörigen als verantwortungslos.
WELT: Eine Mission, die tatsächlich zu Ende gehen wird, ist Afghanistan. Wurden aus diesem 20-jährigen Einsatz die richtigen Lehren gezogen?
Wüstner: Lehren kann man immer erst dann ziehen, wenn man einen Einsatz gründlich evaluiert hat. Das ist bisher nicht passiert. Ich habe das schon mal als eine Art Feigheit von Politik beschrieben.
Ob die Machbarkeitsillusionen zu Beginn oder die mangelnde Koordination des sogenannten vernetzten Ansatzes, also der Zusammenarbeit der deutschen Regierungsressorts: Es gibt genug aufzuarbeiten, auch wenn vieles gut lief. Insbesondere Soldaten, die im Einsatz verwundet wurden oder Kameraden verloren haben, äußern den dringenden Wunsch, das endlich zu tun.
Politische Fehler können passieren. Nur sollte man sicherstellen, dass die gleichen Fehler in der Sahel-Region oder anderswo kein weiteres Mal gemacht werden. Denn in Einsätzen bedeutet das eben oft, dass Soldatinnen und Soldaten ihr Leben verlieren, ohne in puncto Stabilisierung einen Millimeter nach vorne gelangt zu sein. Die Grundaussage bleibt: Soldaten gewinnen eben nur Zeit – Fortschritte in der Region schafft man durch Diplomatie in Verbindung mit Entwicklungshilfe.
WELT: Die Rüstungsbeschaffung läuft ja nach wie vor nicht richtig rund. Ob neues Sturmgewehr, schwerer Transporthubschrauber oder Marinetanker: Alles wurde vorzeitig abgebrochen. Woran liegt das?
Wüstner: Wir müssen selbstkritisch die Organisationsstruktur sowie -verfahren der Bundeswehr im Rüstungs- und Beschaffungswesen hinterfragen – das ist das eine. Damit meine ich nicht einzelne Menschen im Beschaffungsamt, sondern vielmehr die politisch gesetzten Rahmenbedingungen.
Das andere sind stete politische Einflussnahmen. Bei manchen Rüstungsprojekten geht es nicht in erster Linie um die schnelle Stärkung der Einsatzbereitschaft unserer Streitkräfte, sondern um wirtschafts-, industrie- und europapolitische Implikationen. Mal startet Politik aus arbeitsmarktpolitischen Gründen ein bestimmtes Großprojekt, mal soll ein Kampfflugzeug der Zukunft als europapolitisches Symbol mit Frankreich entwickelt werden.
WELT: Das sind ja auch legitime Ziele.
Wüstner: Ich habe nichts gegen solche Ziele. Probleme bekommen wir nur dann, wenn die Einsatzbereitschaft in den kommenden Jahren darunter leidet. Gerade politisch motivierte Vorhaben, die nicht mit dem priorisierten militärischen Bedarf im Einklang sind, binden erhebliche Finanzmittel für Forschung und Entwicklung. Dieses Geld fehlt dann für Ersatzteile, Munition, Helme oder Nachtsichtgeräte.
Das Verteidigungsministerium sollte dem Parlament klar aufzeigen, welche Lücke zwischen politischer Ambition einerseits und dem Finanzplan für die kommenden Jahre andererseits klafft. Die Trendumkehr vom Zulauf von Gerät zum Abfluss, also altersbedingter Verschrottung, ist noch nicht geschafft. Der Sanierungsbedarf der Streitkräfte ist eben nach wie vor brutal.
WELT: Was kann die Bundeswehr selbst tun? Der ehemalige WehrbeauftragteHans-Peter Bartels (SPD) hat vorgeschlagen, den Bereich der Nutzung von Waffensystemen aus dem Koblenzer Rüstungsamt herauszulösen. Sinnvoll?
Wüstner: Ja. Wir müssen unsere dysfunktionalen Strukturen so anpassen, dass Führung und Verantwortung wieder in einer Hand sind – und damit auch die Nutzungsverantwortung. Ich hoffe, dass Frau Kramp-Karrenbauer diesen und ähnliche Impulse aufnimmt. Die Legislaturperiode läuft aus, für wesentliche Reformen wird es nicht mehr reichen. Aber die Vorarbeiten müssen erledigt werden: Die Ministerin sollte Vorschläge erarbeiten lassen, die man dann in der kommenden Legislaturperiode anpacken kann.
WELT: Die kleinste Bundeswehr aller Zeiten hat so viele Organisationsbereiche und Stäbe wie nie. Muss man da nicht auch ran?
Wüstner: Ja, wir brauchen Anpassungen in der Gesamtstruktur oberhalb der Truppenkörper der Bundeswehr. Die Führungsfähigkeit des Inhabers der Befehls- und Kommandogewalt ist nicht ausgerichtet auf die im Weißbuch 2016 zementierte Gleichrangigkeit von Landes- und Bündnisverteidigung sowie internationalem Krisenmanagement. Meiner Meinung nach braucht es eine effektivere Organisation, ausgerichtet an den vier Kerndimensionen Land, Luft, See und Cyber.
Es ist elementar, Aufgaben, Verantwortung und Ressourcen wieder in Deckung zu bringen, um das Kernprinzip von Leistungsfähigkeit in der Bundeswehr zu ermöglichen: dezentrales, eigenverantwortliches Führen mit Auftrag. Gelingt das in der nächsten Legislaturperiode nicht, werden wir an Effektivität verlieren und die Führungskultur wird irreparablen Schaden nehmen.
WELT: Haben Sie Signale, ob Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) diesen Gestaltungsauftrag annehmen wird?
Wüstner: Die Ministerin ist angetreten mit einer ersten, wirklich sehr guten Rede nach ihrer Vereidigung. Danach hat sie sicherheitspolitische Impulse gesetzt und die gesellschaftliche Sichtbarkeit der Truppe erhöht, beispielsweise durch das Bahnfahren in Uniform. Alles gut, insbesondere wenn man die Doppelbelastung Ministerium und Parteivorsitz sieht.
Aber die Kernverantwortung einer Verteidigungsministerin liegt in der ganzheitlichen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Ja, diese hat auch eine organisatorische Dimension. Will sie da gestalten und Möglichkeiten der Adaption erarbeiten oder nur verwalten? Am Ende der Legislaturperiode wird all das messbar sein.
WELT: In der Corona-Krise ist die Bundeswehr eines der wenigen staatlichen Organe, das tadellos funktioniert. Ein kleiner Trost für Sie?
Wüstner: Wissen Sie, ich verstehe meine Aufgabe als Interessenvertreter der Angehörigen der Bundeswehr so, dass ich ausdauernd auf die Lücke zwischen politischen Versprechen und der Realität hinweise, regelmäßig Optimierungsvorschläge einbringe. Das ändert aber nichts daran, dass die Truppe, trotz mangelhafter Einsatzbereitschaft in der Landes- und Bündnisverteidigung, unter den gegebenen Umständen erstklassige Arbeit leistet – gerade im internationalen Vergleich.
Danke sagen möchte ich gerade in diesen Tagen zwischen den Jahren den Menschen, die in den Einsätzen fernab der Heimat ihren Dienst tun. Ich fände es gut, wenn wir an sie denken – und auch an all jene, die in den vergangenen Jahren nicht wieder nach Hause zurückgekehrt sind.
Und ja, in der Pandemie würde vieles ohne die Streitkräfte nicht laufen. Unsere Amtshilfe rettet Leben. Ich glaube, anders als manchem Ideologen im Parlament und anderswo ist das der Mehrheit dieser Gesellschaft auch sehr bewusst.
Sonntag, 13. Dezember 2020
Bundeswehr... außergewöhnliche Ausfallquoten bedürfen außergewöhnliche Ausreden...
Donnerstag, 12. November 2020
AKK als Ministerin angekommen. Fragt sich nur in welchem Ministerium...
von Thomas Heck...
Die Bundeswehr hat Geburtstag, 65 Jahre ist sie geworden. 65 Böllerschüsse, keiner hat getroffen. Aber die Tagesschau stellt fest, dass AKK als Ministerin angekommen ist. Fragt sich nur in welchem Ministerium, denn beliebt ist die peinliche Ministerin in der Truppe sicher nicht.
Dem Verteidigungsministerium eilt der Ruf voraus, unregierbar zu sein. Viele sind hier schon gescheitert. Kramp-Karrenbauer hat den Job trotzdem angenommen. Wie schlägt sie sich?
Eine Analyse von Stephan Stuchlik, ARD-Hauptstadtstudio
"Diesen Job hier behalte ich, der macht mir Spaß", sagt die Verteidigungsministerin und es klingt überzeugend. Es ist Februar 2020, Annegret Kramp-Karrenbauer hat soeben ihren Rückzug als CDU-Vorsitzende verkündigt, darüber wirkt sie erleichtert. Die Frage, ob sie auch vorhabe, als Verteidigungsministerin zurückzutreten, beantwortet sie auf der Münchener Sicherheitskonferenz mit einem klaren "Nein".
Spaß an der "Mission Impossible"?
Aber Spaß an einem Job, der vielen in Berlin als "Mission impossible" gilt? Wer Kramp-Karrenbauer bei Truppenbesuchen im In- oder Ausland beobachtet, stellt zumindest fest, dass sie im Kontakt mit Soldaten entspannter und natürlicher wirkt als in vielen Interviews. Sie fragt dann bodenständig und interessiert. Natürlich hat sie als ehemalige saarländische Innenministerin viel Routine im Umgang mit Ordnungskräften, aber es sieht nicht gestellt aus. Der Eindruck, den viele Soldaten dabei mit nach Hause nehmen, ist ein deutlich anderer als der von ihrer Vorgängerin Ursula von der Leyen, die vielen in der Truppe immer noch als "Medienministerin" gilt.
Abkehr vom Kurs ihrer Vorgängerin
Beinahe unbemerkt revidierte Kramp-Karrenbauer schon zu Beginn ihres Ministeramtes einige grundlegende Entscheidungen ihrer Parteifreundin: Die von ihrer Vorgängerin geplante Privatisierung dreier Hauptwerke der Heeresinstandsetzunglogistik etwa, eine Art große Reparaturwerkstatt der Bundeswehr, nahm sie im Oktober 2019 zurück. In der Öffentlichkeit blieb das beinahe unbemerkt.
Auf der improvisierten Pressekonferenz unterstützten sie auch die Politiker der Opposition, die sich zum damaligen Zeitpunkt im Untersuchungsausschuss zur sogenannten Berateraffäre mit dem Privatisierungsauswüchsen unter von der Leyen und deren damaliger Staatssekretärin Katrin Suder beschäftigten. Auch im Verteidigungsausschuss herrschte also zunächst einmal Erleichterung über Kramp-Karrenbauers neue Linie.
Schluss mit der "Goldrand-Lösung"
Bereits bei ihrer Rede an die Mitarbeiter des Beschaffungsamtes der Bundeswehr fragten sich aber Beobachter, ob Kramp-Karrenbauer mit ihrer Abkehr vom Kurs ihrer Vorgängerin nicht des Guten zu viel tut. Das Beschaffungsamt, im Bundeswehr-Kürzel BAAIN-BW genannt, gilt vielen als der Schwachpunkt, was die vielen Beschaffungspannen bei der Truppe angeht: Notorisch unterbesetzt, wirkt es oft überfordert, zu bürokratisch, zu umständlich und zu langsam.
Die Ministerin will nach vielen Versuchen der Umorganisation Ruhe ausstrahlen und Wertschätzung vermitteln, dieses Signal kommt an. Der Frage, ob und wie überhaupt das Amt reformiert werden solle, weicht sie jedoch erkennbar aus. Vieles, was sie damals kritisch anmerkt, ist nicht mehr als die Beschreibung des Offensichtlichen. So sagt sie etwa sinngemäß, die Bundeswehr dürfe nicht immer die "Goldrand-Lösung" bestellen.
Pannen passieren weiterhin
Ein Jahr später musste sie das Vergabeverfahren für den neuen schweren Transporthubschrauber stoppen, das im Februar 2019 begonnen worden war: Die Anforderungen an die Hersteller der beiden konkurrierenden US-Modelle, auch der Wunsch, die Hubschrauber von deutschen Herstellern anpassen und weiterentwickeln zu lassen, wären am Ende zu teuer geworden.
Die nächste Panne: Nachdem im September 2020 verkündet wurde, man wolle das neue Sturmgewehr, den Nachfolger des umstrittenen G36, beim Thüringer Hersteller Haenel und nicht mehr bei Heckler und Koch herstellen lassen, musste die Ministerin einen Rückzieher machen. Anscheinend hatten externe Rechtsberater das Ministerium darauf aufmerksam gemacht, dass bei einem Streit um Patente Heckler und Koch gute Chancen auf Revision und Schadensersatz hätte. Warum das nicht bereits vorher den Experten im Geschäftsfeld des Verteidigungsministerium auffiel, bleibt ein Rätsel.
Noch kein Ersatz für das "Lastentier"
Klüngelvorwürfe bleiben
Auch die Tatsache, dass trotz Dementi des Ministeriums immer noch der Vorwurf einer möglichen illegalen Preisabsprache mit Haenel im Raum steht, zeigt, in welchem Umfeld Beschaffungsvorgänge bei der Bundeswehr immer noch stattfinden: Die Abkehr von jahrzehntelang betriebenem Klüngel mit der Rüstungsindustrie mag noch keiner glauben, selbst wenn er mittlerweile stattgefunden hätte. Dass der Vorwurf der Preisabsprache von FDP und Grünen im Verteidigungsausschuss erhoben wird, zeigt auch, dass auch das anfängliche Wohlwollen bei den Fachpolitikern teilweise geschwunden ist.
Was ging schief bei der Vergabe?
Ministerin löst Irritationen aus
Im eigenen Haus verärgerte Kramp-Karrenbauer wichtige Mitarbeiter mit politischen Vorstößen. Ihre Idee aus dem Oktober 2019, in Syrien unter UN-Mandat eine Sicherheitszone auch mit Einsatz deutscher Soldaten einzurichten, sei ohne vorherige Einbindung der Fachleute passiert, so ist unter der Hand aus dem Verteidigungsministerium zu hören. Der Plan verschwand schnell aus der öffentlichen Diskussion, er war einfach nicht realisierbar.
Syrien-Vorstoß sorgt für Irritationen
Auch ihr Vorschlag, den deutschen Einsatz in Mali mehr nach dem robusten Vorbild der französischen Truppen dort zu gestalten, verschwand schnell wieder in der Schublade. Beide Vorstöße wollte Kramp-Karrenbauer nach eigener Aussage als Aufruf zu mehr deutscher Verantwortung in der Welt verstanden wissen, aber auch eine große Diskussion über diese Frage stellte sich in der Folge nicht ein.
Als zählbares Plus auf ihrem Konto wird wahrscheinlich weder die neue Reservestrategie noch der "Freiwillige Wehrdienst Heimatschutz" - ein Freiwilligenprogramm für die Bundeswehr - verbucht werden.
Freiwillige für Heimatschutz gesucht
Operation "Eiserner Besen" gegen KSK
Schon eher könnte Kramp-Karrenbauer als die Verteidigungsministerin in die Annalen eingehen, die dem rechtsextremen Treiben im Kommando Spezialkräfte (KSK) mit der nötigen Entschlossenheit begegnete. Nachdem über Jahrzehnte aus dem Ministerium eher Lippenbekenntnisse über die zum Teil abenteuerlichen rechtsextremen Umtriebe in Teilen des Kommandos in Calw zu hören waren, veranlasst augenscheinlich ein Waffen- und Munitionsfund bei einem Soldaten des Kommandos im Mai 2020 die Ministerin und den Generalinspekteur zu einer erkennbaren Richtungsänderung.
Die Vorstellung, dass ausgebildete Spezialkräfte mit rechtsextremer Gesinnung Waffen und Munition etwa zu Anschlägen nutzen könnten, ließ Kramp-Karrenbauer ein strenges Programm beschließen. Die wichtigsten Bestandteile: Auflösung der 2. Kompanie, Schluss mit der Ausbildung in eigener Regie und Veränderung der Zulassungsvorraussetzungen. Der ganze Prozess dauert noch an, aber sogar scharfe Kritiker halten die Ministerin zugute, dass sie nicht nur guten Willen zeige, sondern dass die Maßnahmen auch sinnvoll und angemessen seien.
Im weiteren Sinn gehört dazu auch ein Führungswechsel im militärischen Nachrichtendienst MAD, der über Jahre bei der Aufklärung der rechtsextremen Vorfälle im KSK unzureichend, in Einzelfällen sogar mit Sympathien für die Rechtsextremen agierte.
"Operation Eiserner Besen"
Und nach der Bundestagswahl?
Das Image der Bundeswehr in der Bevölkerung ist laut aktuellen Umfragen gut, dazu mögen auch die 6500 Soldaten beitragen, die momentan in der Corona-Krise bundesweit helfen. Die von der Ministerin gewünschte Debatte über mehr Verantwortung in der Welt nimmt nach der US-Wahl vielleicht doch noch an Fahrt auf. Zum Kauf eines Teils neuer Kampfflugzeuge hat der Bundestag jüngst grünes Licht gegeben.
Ob Kramp-Karrenbauer ihr Amt auch nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 behalten wird, ist schwer vorherzusagen. Zumindest häuslich im Ministerium eingerichtet hat sie sich schon einmal: Eine Corona-Quarantäne hat sie in einem kleinen Zimmer ihres Berliner Amtsitzes verbracht.