Freitag, 15. April 2022

Sie nehmen schon wieder Anlauf...

von Mirjam Lübke...

Bin ich da vielleicht über eine Meldung aus dem letzten Jahr gestolpert? Jedenfalls erinnert sie stark an die Unheilsprophezeiungen, die immer dann in Umlauf kommen, wenn Corona-Maßnahmen ausnahmsweise ein wenig gelockert werden. Man kann in diesem Fall schon einmal den Countdown bis zur Vermeldung der neuesten, noch furchtbareren Variante des Virus anlaufen lassen - meist hat man noch nicht einmal die Zeit, auf Null herunterzuzählen. Als im letzten Jahr die Omikron-Mutante auftauchte, lief es ähnlich, die Apokalypse wurde mit Donnerhall eingeläutet. Man reagierte von europäischer Seite außerordentlich verschnupft, als die südafrikanische Entdeckerin des kleinen Fieslings verlautbaren ließ, dass dieser auch ohne Krankenhauseinweisung gut in den Griff zu bekommen ist. Wie unverantwortlich von ihr, das auch noch zu verraten! 


Das Scheitern der allgemeinen Impfpflicht am Widerstand der Opposition und einiger Rebellen in den eigenen Reihen - Tessa Ganserer ist damit zur Kultfigur avanciert - muss ein harter Schlag für die Freunde des Corona-Zwangsimperiums gewesen sein. Doch diese Damen und Herren sind zäh, sie halten an dem Virus fest wie ein Hund an seinem Knochen. Noch leckt man sich die Wunden, aber das heißt zugleich, neue Kräfte zu sammeln. Während der Ukraine-Konflikt den Bundestag in Atem hält, reifen in den Ausschüssen wahrscheinlich schon neue Gesetzesentwürfe heran. Sollte es uns trotz Anton Hofreiter gelingen, nicht von Putin atomisiert zu werden, wird es alsbald zu einem neuen Anlauf kommen.

Falls jedoch in Deutschland endlich wieder Vernunft einkehrt - zumindest in Bezug auf Corona - werden manche Bürger - vor allem Medienschaffende - schwere Entzugserscheinungen bekommen. Es hat sich in ihren Kreisen bereits eine eigene Fachsprache herausgebildet, die für Außenstehende nur schwer zu verstehen ist. Ähnlich klingt es, wenn ein Zahnarzt der Assistentin mit komischen Zahlen- und Buchstabenkombinationen den Zustand eines Gebisses erklärt: Da erkennt man nur am Besorgnisgrad der Arztstimme, ob der Backenzahn noch zu retten ist, oder das schwarze Loch schon so groß ist, dass es Praxis und Personal in sich aufzusaugen droht. Indem unser Social-Media-Corona-Werbeteam solche Geheimcodes übernimmt, klingt es enorm wichtig. Die Nerds verstehen sich untereinander und spielen Corona-Quartett: "Meine Variante ist viel gefährlicher als deine, dafür gibt es mindestens drei Monate Lockdown und doppelte Maskenpflicht! Ich habe bei den Chinesen schon mal ein Angebot für 5000 Roboterhunde eingeholt, damit kriegen wir auch XD23a in den Griff, das jetzt in Grönland aufgetaucht ist!" Treffer, versenkt!

Was ist nur aus den Jungs geworden, die Astronaut oder Feuerwehrmann werden wollten? Schinden sie heute mit ihren Kenntnissen über Spikeproteine und genetische Varianten Eindruck bei jungen Corona-Panikerinnen? Als die Medien gestern verkündeten, es habe Entführungspläne für Karl Lauterbach gegeben, stand natürlich sofort fest, das die Querdenker dahinterstecken müssten - eine willkommene Gelegenheit für Nancy Faeser, einmal wieder zum Kampf gegen Rechts im Allgemeinen und den Nachrichtendienst Telegram im Besonderen aufzurufen. Was aber wäre, wenn in Wahrheit unsere Corona-Nerds diese Pläne für sich geschmiedet hätten?

Nicht etwa aus finanziellen Gründen ("Wenn ihr nicht zahlt, lassen wir ihn wieder frei!"), sondern um das ultimative Sammlerstück zu besitzen. Ein Lauterbach für sich allein, der daheim in ein Kämmerlein gesetzt wird und exklusive, auf die Wünsche des Entführers zugeschnittene Schreckensnachrichten erstellen muss. Wenn man nun noch ein paar Gleichgesinnte einlädt und eine Kamera-Attrappe aufbaut um eine Talkshow zu simulieren, merkt Lauterbach vielleicht noch nicht einmal etwas von seiner Entführung. Glücklich gibt er weiterhin seine Prognosen ab, während ihm die Haare langsam über die Schultern wachsen. Karl fühlt sich verstanden und die Entführer halten eine einzigartige Beute in Händen. Eine klassische Win-Win-Situation, und wenn Karl Lauterbach sich dann doch irgendwann einsam fühlt, entführt man einfach noch Christian Drosten dazu. 

Aber mal im Ernst: Es wird Zeit, sich Gedanken über Therapiemöglichkeiten zu machen. So eine Zwangs- und Angststörung quält natürlich vorrangig den Betroffenen, aber seine Umgebung wird unweigerlich in das Geschehen eingebunden. Es gibt auch stille Zwangserkrankte, die nach außen hin vielleicht ein wenig verschroben wirken, aber andere Menschen in Ruhe lassen. Wenn man weiß, warum sie zum Beispiel niemandem die Hand geben, kann man das irgendwann respektieren.

Andere hingegen halten ihre Mitmenschen ordentlich auf Trab, so wie Jack Nicholson in der Komödie "Besser geht's nicht". Er treibt seine Nachbarn mit seiner Pedanterie in den Wahnsinn, bringt sich ins Restaurant eigenes Besteck mit und will sich nur von einer bestimmten Kellnerin bedienen lassen, die er zudem noch ruppig behandelt. Im Moment laufen in Deutschland eine Menge dieser Menschen herum. Im Grunde sind sie arm dran, weil ihnen jede Lebensfreude abgeht. Dennoch will sich bei mir kein Mitgefühl einstellen, weil sie uns ständig zwingen wollen, auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Und diese jetzt sogar in Gesetze zu gießen planen. Es wird Zeit, dass sie wieder in der Normalität ankommen. 

Vielleicht hilft die klassische Konfrontationstherapie, bei der Ängste und Zwänge schrittweise durch Gewöhnung abgebaut werden. Wenn es unser Paniker schafft, fünf Minuten ohne Maske vor die Tür zu gehen, dann kraulen wir ihm die Ohren und geben ihm ein Leckerli. Vielleicht hilft es ja.




Frank-Walter mit den Worthülsen allein zu Haus...

von Fabian Nicolay...

Frank-Walter Steinmeier wird von Wolodymyr Selenskyi ausdrücklich nicht eingeladen und das politische Berlin sieht das als Affront. Die Würde des höchsten Amtes im Lande muss geschützt werden. Zunächst vor den ukrainischen Einladungsmuffeln, die das Ganze recht pragmatisch sehen: In Zeiten wie diesen lädt man lieber die zuverlässigen Freunde ein, statt die halbherzig späteinsichtigen, die in der Vergangenheit nicht durch Engagement für die Sache der Ukraine aufgefallen sind und auch heute nicht.



Das hohe Amt muss aber nicht vor taktlosen Staatsmännern im Selbstverteidigungsmodus beschützt werden, die ihren Anstand notgedrungen hinter Sandsäcken deponiert haben, sondern benötigt den Schutz vor dem Amtsinhaber selbst, der ein gut ausgestattetes Portfolio an Fragwürdigkeiten und Fehlgriffen vorzuweisen hat, die weit schwerer wiegen als die Unlust des ukrainischen Präsidenten, einen ehemaligen Putin-Versteher im Außenamt zur Besichtigung von Schützengräben und Ruinen einzuladen.

Zumal der Bundespräsident die Stippvisite als Pflichttermin sieht und ohnehin nichts anderes zu tun pflegt, als steife Textbausteine aus dem Diplomatenstadl abzuliefern. An vorderster Front der deutschen Solidaritäts-Delegationen und Schönwetter-Moralisten kann der Bundespräsident auch von seinem Schloss aus Ratschläge an die Ukraine erteilen, die dort jedoch keiner braucht. Denn über Frieden und europäische Solidarität reden lässt es sich leicht, wenn man nicht von TOS-1-Raketenwerfern aus den Vorstädten in Spandau, Friedrichsfelde oder Bernau bedroht wird.


Diplomatisches Feingefühl mögen die Ukrainer zwar nicht besitzen, aber der Bundespräsident selbst lässt hinter der Fassade des Politprofis auch Zweifel an der Sorge um die Würde des Amtes aufkommen. In Erinnerung bleiben seine „Ausrutscher“, denen stets der Hautgout linkslastigen Ressentiments anhaftet, das auf das unwillige Bürgertum zielt. „Walter, der Spalter“, ist wirklich kein schöner Anwurf für einen Mann im höchsten Amt, aber als Jobbeschreibung passt es trotzdem. Eigentlich müsste er sich qua Amt allen Deutschen zuwenden und Partei ergreifen für den gesellschaftlichen Frieden. Indem er das Gemeinsame fördert, nicht das Trennende, soll das deutsche Staatsoberhaupt Hysterie, Ausgrenzung und staatliche Anmaßung verhindern. Dafür steht Frank-Walter Steinmeier definitiv nicht.

Mit ihm ist das Amt des Bundespräsidenten seiner ursprünglichen Weihe endgültig enthoben worden. Es ist in der Wirklichkeit von Parteilichkeit angekommen. Steinmeier ist der prototypische Repräsentant einer Neigung zu immer mehr Dekonstruktion repräsentativer Funktionen und staatlicher Symbole. Da passt der gestrenge Überheblichkeitsmodus, der ihm wie der Schatten seiner Partei folgt, nur zu gut.

Irren ist menschlich, aber bewusst ideologische Irrtümer zu fördern, ist nicht präsidial: Frank-Walter Steinmeier gelang es, den demokratie-, frauen- und israelfeindlichen Ajatollahs im Iran zum Revolutionsgeburtstag im Namen aller Bundesbürger zu gratulieren. Rückschlüsse auf seine Amtsauffassung lassen auch seine Begeisterung für Nord-Stream-2 zu, mit der er unsere europäischen Nachbarn düpierte und eine „deutsch-zentrische“ Interessenspolitik vertrat, die uns heute versorgungstechnisch auf die Füße fällt.

Zum Teil schien es, als habe er seinen inneren Kompass verloren, als er beispielsweise eine vom Verfassungsschutz beobachtete linksextremistische Band empfahl, die in Chemnitz auf einem Konzert „gegen Rechts“ auftrat. Das zeitgeistig getrübte Politikverständnis des Bundespräsidenten veranlasste ihn gar vor Kurzem, eine RAF-Terroristin in einer Reihe „großer Frauen der Weltgeschichte“ zu nennen. So geht Geschichtsklitterung, die peu à peu die Grenzen des Sagbaren zugunsten (extrem)linker Standpunkte verschieben soll und den gesamtgesellschaftlichen, liberalen Wertekanon ignoriert.

Für viele seiner Missgriffe hat sich der Bundespräsident zwar im Nachhinein entschuldigt, für seine missglückte, parteiische Amtsführung wird er das aber wahrscheinlich nicht tun. Sie ist ihm egal. Denn er ist, wie die meisten „großen Geister“ des Berliner Klüngels, ein geübter Darsteller gespielter Demut, die in den abgeschotteten Sphären der Hauptstadtpolitik eine entmenschlichte Steifheit und absurde Realitätsfremdheit angenommen hat.

Das kam in den zwei harten Corona-Jahren besonders deutlich zum Vorschein. Gern setzte er dabei – wie bei seinen Geburtstagsgrüßen nach Teheran – eine Mehrheit voraus, die er für sein knallrot gefärbtes Weltbild zu vereinnahmen sucht. Die vermeintliche Minderheit ist für den Bundespräsidenten dann auch schnell eine Gefahr für das Land: „Diejenigen, die sich nicht impfen lassen, setzen ihre eigene Gesundheit aufs Spiel, und sie gefährden uns alle. [...] Es geht um Ihre Gesundheit, und es geht um die Zukunft Ihres Landes!“ Das ist haarscharf an den „Feinden der Volksgesundheit“ vorbeiformuliert und bedient in seiner Diktion das pure Ressentiment.

Ich kann den Präsidenten der Ukraine verstehen, der Wichtigeres zu tun hat, als sich im Angesicht der Verwüstung des eigenen Landes noch Friedensfantasien und Hinhalte-Diplomatie aus dem Bellevue'schen Wunschkosmos anhören zu müssen. Er erwartet Handfestes. Lieber nähme er Waffen zur Verteidigung seines Landes in Empfang, als die kaltherzigen Worte aus dem geistigen Zirkeltraining der Kaderpolitik, die das Wort „Realität“ für ein ontologisches Phänomen hält, das im weiten Umfeld der Hauptstadt wie eine Seuche grassiert.

Ganz in der Nähe des Reichstages, an der Straße des 17. Juni, steht ein Ehrenmal mit zwei Panzern und Haubitzen der „glorreichen“ sowjetischen Armee, die uns – wie die Alliierten – von Nazideutschland befreit hat. Dies ist einer der gültigen Erzählstränge der deutschen Geschichte nach 1945, die sich in den Ehrenmalen manifestiert hat. Es gibt aber noch andere, private Erzählstränge, die nicht in den Schulbüchern stehen und in den verborgenen Biografien von Frauen und Kindern im russisch besetzten Teil Deutschlands tiefe Spuren hinterlassen haben. Meine Großmutter, meine Tanten und meine Mutter haben solches durchleben müssen. Und ich denke an ihre Schicksale, wenn ich heute die Bilder und Berichte aus der Ukraine sehe. Da reimt sich so manches in der Geschichte. Das ist die ontologische, die existenz-philosophische Ebene, auf der Deutschland und die Ukraine verbunden sind.

Deshalb kann ich nachvollziehen, warum Wolodymyr Selenskyj keinen Smalltalk mit Frank-Walter Steinmeier halten möchte. Warum der deutsche Bundespräsident in der Ukraine nicht vonnöten ist, wird mir wieder ganz besonders am heutigen Tag der Selbstaufopferung für das Menschsein, dem Karfreitag, bewusst.



Mittwoch, 13. April 2022

Was das ZDF unter Lockerungen versteht...

von Mirjam Lübke...

Der Anblick einiger chinesischer Städte hat auch ohne Lockdown etwas Deprimierendes: Dieses riesigen Wohntürme können einem als Europäer Angst einflößen, tausende Wohnungen dicht an dicht, in den oberen Stockwerken kann man wahrscheinlich noch nicht einmal ein Fenster öffnen. Klapprige Klimaanlagen hängen an den bröckelnden Fassaden der ärmeren Wohnviertel, aber auch die modernen Wolkenkratzer für wohlhabendere Bewohner wirken eher wie Designer-Termitenbauten als ein Platz, an dem man sich zuhause fühlen kann. Auch wenn die schiere Notwendigkeit besteht, in den übervölkerten Städten Wohnraum auf engstem Raum zu schaffen, ruft die Architektur laut "Kommunismus!". Die, die ihr hier einzieht, lasst alle Individualität fahren. Leider hatte ich bisher weder die Gelegenheit, nach China oder Japan zu reisen und beziehe meine Informationen aus diversen Dokumentationen, aber in Tokyo scheint man mehr Wert auf eine schöne Umgebung zu legen. 


Auch wenn viele Bewohner wahrscheinlich froh sind, überhaupt in der Stadt leben zu können, muss es furchtbar sein, in so einer Massenwohnanlage auch noch eingesperrt zu werden, dicht an dicht mit anderen Menschen, die aufgrund des rabiaten Lockdowns die Nerven verlieren. In Videos aus Shanghai ist zu hören, wie die Bewohner fluchen oder vor Verzweiflung schreien. Es ist wahrlich kein Wunder, dass einer den anderen mit seiner Panik ansteckt, denn hier werden Menschen nicht vor Corona geschützt, wie die chinesische Regierung behauptet, sondern einfach weggesperrt und im Stich gelassen. Man kennt es aus archaischen Kulturen: Kranke werden in einer Hütte isoliert, aus der sie mit etwas Glück nach gewisser Zeit lebend wieder herauskommen. Nur können diese Kulturen zu ihrer Entschuldigung vorbringen, mangels moderner Medizin keine andere Möglichkeit zu haben. Und man hat immerhin den Anstand, dem Kranken etwas zu Essen vor die Tür zu stellen und ihm ein paar freundliche Worte zuzurufen. Die Bewohner von Shanghai bekommen weder das eine noch das andere. Heute habe ich ein Foto gesehen, auf dem jemand aus Protest seinen leeren Kühlschrank ans Fenster stellte. Selbst die staatlichen Quarantänezentren werden offenbar nicht ausreichend mit Nahrung versorgt.

Stattdessen patrouillieren Drohnen und Roboterhunde durch die Straßen und bedrohen aus Lautsprechern jeden, der auch nur den Gedanken fasst, aus der Tür zu treten. Was nach Science-Fiction aussieht, folgt einer militärischen Taktik. Auch wenn sich Asiaten aus kulturellen und religiösen Gründen in der Gegenwart von Robotern nicht so unwohl fühlen wie Europäer, wird hier eine deutliche Botschaft gesendet: Man hält es schlichtweg nicht für nötig, den Eingesperrten ein wenig menschliche Zuwendung zu gönnen - und sei es nur in Form von Soldaten in Schutzanzügen, welche zwar die Quarantäne kontrollieren, aber auch Notrationen vorbeibringen und nachsehen, wie die Lage ist. Roboter sendet man gemeinhin in kontaminierte Gebiete, dorthin, wo es für menschliche Einsatzkräfte zu gefährlich ist, etwa wegen hoher Strahlenbelastung. Die Bewohner von Shanghai werden also behandelt wie Gefahrgut. Man sieht, welchen Stellenwert der Bürger in einem totalitären Staat hat: Keinen.

In den USA wurden ganz ähnliche Laufroboter übrigens nicht nur als Tragehilfe für das Militär entwickelt, sondern man weiß auch um den einschüchternden Effekt auf Zivilisten - angeblich soll dies helfen, blutige Auseinandersetzungen im Vorfeld zu verhindern. Wer so eine Maschine schon einmal im Einsatz gesehen hat, weiß warum. Mittlerweile können diese Roboter nicht nur Hindernisse mühelos überwinden, sie sind auch in der Lage, Türen zu öffnen. Diese Technologie in den falschen Händen nimmt einem das letzte bisschen Sicherheitsgefühl in den eigenen vier Wänden - die Dystopie von gestern ist heute Realität. 

Wenn das ZDF in diesem Zusammenhang von "Lockerungen" in Shanghai spricht, kann einem nur noch die Kinnlade vor Ungläubigkeit herunterklappen. Angeblich ist es in Ausnahmefällen wieder möglich, die Wohnung zu verlassen - was für eine Befreiung! Die Gefangenen bekommen ein wenig Freigang auf dem Gefängnishof gewährt. Während andere deutsche Medien wie "Welt" und "Focus" immerhin über die desolate Versorgungslage berichten - es ist deshalb schon zu Selbstmorden gekommen - hört man in den öffentlich-rechtlichen Nachrichten nur wenig über die Zustände in Shanghai. Vielleicht auch deshalb nicht, weil sie dem entsprechen, was sich die "ZeroCovid"-Aktivisten auch für Deutschland vorstellen konnten: Die totale Kontrolle über die Bevölkerung auszuüben. Manch einer wird ebenfalls schon patrouillierenden Robotern fantasiert haben. Dabei erweist sich gerade in Shanghai eins: Wenn man Menschen zusammenpfercht, verbreitet sich das Virus erst recht. Diesen Effekt konnte man auch in Deutschland in Stadtvierteln beobachten, wo Großfamilien auf engstem Raum zusammenleben. Da bleibt eine Ansteckung nicht aus - auch wenn dieser Gedanke für viele Deutsche inzwischen an Schrecken verloren hat. 

Auch der Gedanke, dass es "bei uns doch nicht so schlimm war mit dem Lockdown" - zwischen den Zeilen schwingt ein "stellt euch nicht so an!" mit - beruhigt nur wenig. Hätte man Lauterbach und Drosten mit den notwendigen logistischen Möglichkeiten ausgestattet, wäre es auch hier zu noch härteren Maßnahmen gekommen. Wie viele Corona-Paniker haben auch hierzulande vorgeschlagen, Infizierte oder Ungeimpfte in Lagern unterzubringen und nach harten Strafen für Skeptikern gerufen. Es scheiterte nicht am Bewusstsein, wie diktatorisch das ist, sondern an der Umsetzbarkeit. Die Deutschen - das hoffe ich zumindest - hätten bei aller Corona-Hörigkeit vielleicht doch nicht alles mitgetragen. Zumindest nicht alle. 

Shanghai zeigt auf, was Totalitarismus und Kommunismus in einer Gesellschaft anrichten können. Die chinesische Regierung ist eine Meisterin darin, mit der Effektivität die unmenschlichsten Maßnahmen umzusetzen, die einen an Eichmanns eiskalten Bürokratismus erinnert. Für diesen waren Menschen auch nur Zahlen, die man beliebig hin und her verschieben kann. Ist es erst einmal so weit gekommen, lässt sich Demokratie kaum noch wiederherstellen, nicht nur wegen der staatlichen Kontrolle, sondern weil die Bürger gar nicht mehr mental und psychisch in der Lage sind, sich zur Wehr zu setzen. An Satz "Wehret den Anfängen!" ist schon etwas dran, auch wenn er in Deutschland oft missbraucht wird. Aber wer zu lange wartet, hat irgendwann keine Chance mehr, noch Widerstand zu leisten. 

Dienstag, 12. April 2022

Anne allein zu Haus...

von Mirjam Lübke...

Es dauerte ein paar Momente, bis ich begriff, was diese mir bisher unbekannte Feministin uns mit ihrer Aussage sagen wollte. Zunächst glaubte ich, sie wolle junge Frauen davor warnen, einen politischen Posten und die damit verbundene Verantwortung auf die leichte Schulter zu nehmen. Denn egal ob Mann oder Frau, mit dem Amt eines Ministers sind nun einmal Entscheidungen verbunden, welche für die davon betroffenen Bürger enorme Konsequenzen haben. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich in der Lage wäre, diese Verantwortung zu tragen. Wenn ich mir anschaue, wie gerade grüne und linke Frauen durch ihre Ämter tänzeln, vor Selbstvertrauen strotzen und sich gleichzeitig aufführen, als handele es sich beim politischen Geschehen um eine einzige große Spaßveranstaltung, wird mir ganz schwindelig. 


Viele männliche Politiker glänzen ebenfalls nicht mit Kompetenz - man denke nur an Karl Lauterbach oder Helge Lindh - aber der Gedanke, dass die Aufgabe eines Abgeordneten oder Ministers auch mit einem "Fun-Factor" verbunden sein muss, scheint mir ein ziemlich weiblicher zu sein. Und es geht dabei nicht um Spaß als Motivationsfaktor und Triebfeder für Engagement, sondern um die Demonstration der angeblichen Natürlichkeit der Protagonistinnen. Guck mal, wie nett die ist, wie eine von uns! Die Politikerin als Freundin von nebenan - wenn man ihr nicht vertrauen kann, wem dann? 

Aber Frau Gusko will nicht darauf hinaus, vielmehr möchte sie Anne Spiegel als Opfer einer frauenfeindlichen Kampagne sehen. Auch dieser Trick ist nicht neu, er kam schon bei Annalena Baerbock und Emilia Fester zum Einsatz. Sie sind doch noch so jung und unerfahren! Und hat Anne Spiegel nicht eine wunderbare Rede gehalten? Da hat es so gemenschelt, es konnte einem ganz warm ums Herz werden, fast wollte man schon einen Hut herumreichen, um Spenden für die nun bald arbeitslose Ministerin zu sammeln. Es hat 134 Tote gegeben, doch deren Leid verblasst vor dem familiären Unglück der stressgeplagten Anne Spiegel. 

Die meisten von uns könnten keine Nacht mehr ruhig schlafen, wenn eine ihrer Entscheidungen zum Tod von 134 Menschen beigetragen hätte. Natürlich hätte niemand die Flut an sich verhindern können, aber die Bürger hätten wenigstens die Chance gehabt, ihr Leben und ein paar Habseligkeiten zu retten. Es mag sein, dass Anne Spiegel die Situation falsch eingeschätzt hat, davor ist niemand gefeit. Auch steht man in diesem Moment vor dem Problem, eventuell für nichts eine Panik auszulösen - aber das war nicht ihre Sorge, sondern lediglich das Gendern der Nachricht und ihr Image. Für jemanden, der nun im Nachhinein eine hochemotionale Rede abliefert, klang sie damals recht kaltschnäuzig. Man liegt also nicht falsch, wenn man ihr statt ehrlicher Reue Selbstmitleid unterstellt. 

Wie mögen sich wohl damals ihre Mitarbeiter und die Angestellten des Wetterdienstes gefühlt haben? Schließlich war schon bekannt, dass die ersten Campingplätze unter Wasser standen. Jeder, der seine Arbeit mit etwas Engagement erledigt, muss sich doch die Haare gerauft haben, weil er mit seinen Warnungen nicht nach oben durchdrang. Wer ein Gewissen hat, findet in diesem Moment auch keine Beruhigung darin, dass die Vorgesetzten nun einmal gegen seinen Rat entschieden haben. Er wird sich immer fragen, ob er mehr hätte tun müssen, um diese umzustimmen. Wäre mir jemand in diesem Moment mit einer Formalie gekommen, hätte ich vor Wut in meinen Schreibtisch gebissen. Man wird, ohne letztlich eine Chance zu haben, in eine Entscheidung hineingezogen, die man selbst nicht so getroffen hätte. "Es ist halt von oben so entschieden worden", entbindet einen zwar formal von der Haftung, ändert aber nichts an dem Gefühl, dass die eigene Fachkompetenz für die Katz ist, wenn sich jemand an Formalitäten klammert. Es sei denn, man ist ähnlich gepolt wie die Ministerin. 

Jedes "Ich habe da verdammte Sch... gebaut" oder "Ich war in der Situation vollkommen überfordert" wäre ein menschlich verständlicheres Bekenntnis gewesen, als das Selbstmitleid der Ministerin, die wohl gehofft hatte, die Sache aussitzen zu können. Das ist vor ihr schließlich in den letzten Jahren schon einigen gelungen, auch Angela Merkel hat während ihrer Amtszeit nichts anderes getan, als ihre eigenen Fehlentscheidungen großzügig zu ignorieren. Da hat wohl auch Anne Spiegel gehofft, mit einem blauen Auge davonzukommen. Aber sie hatte das "Pech", dass die Katastrophe direkt mit ihrem Namen in Verbindung gebracht wurde, während die Fehler der Kanzlerin sich immer erst mit Verspätung auf die Bürger auswirkten. Man konnte sie nur nach einiger Analyse an ihrer Person festmachen. 

Nicht weniger erschreckend ist es, wie Anne Spiegels Verteidiger in der Öffentlichkeit die Tragweite ihrer Fehlentscheidung einfach ausblenden. Aber auch das ist Teil einer Unkultur, die sich in den letzten Jahren breit gemacht hat. Das Mitgefühl bekommen nicht die Opfer, sondern die Verursacher, denn ihre Gefolgschaft ist ähnlich gestrickt wie sie selbst: Zum persönlichen Drama-Event ist man stets bereit, man verzeiht den Geschädigten einfach nicht, einem selbst so viel Ungemach bereitet zu haben. Ob Migrations-, Flut- oder Impfstoffopfer: Können diese Menschen sich nicht ein wenig zusammenreißen, wenn es um das große Ganze geht? In diesem Fall um die Reputation einer Frau als Ministerin?

Dieser Umgang mit Anne Spiegel könnte junge Frauen davon abschrecken, in die Politik zu gehen, meint unsere Feministin. Nach dieser Logik hätte man auch niemals Margot Honecker oder Kim Jong Uns knallharte Schwester kritisieren dürfen. Letztere ist eine stramme koreanische Stalinistin, die ihrem Bruder den kleinsten Hauch von Milde austreibt. Frauen mit Macht, aber ohne Pflicht zur Verantwortung, das hat etwas von Loriots Jodeldiplom - eine Frau hat doch auch das Recht, sich zu verwirklichen! Man mag zu Alice Weidel stehen wie man will, aber sie hat in ihrem früheren Berufsleben in der freien Wirtschaft sicherlich nie einen "Frauenbonus" bekommen, sondern musste ihr Können beweisen. Das passt grünen Berufspolitikern so gar nicht ins Weltbild. 

Wenn also jungen Frauen die Botschaft vermittelt wird, dass auch weibliche Regierungsmitglieder für ihre Entscheidungen geradestehen müssen, kann das wohl kaum zum Schaden unseres Landes sein. Wer sich davon abschrecken lässt, sollte sich irgendwo ein stilles Plätzchen suchen, denn er ist generell für das Berufsleben ungeeignet. Egal ob Busfahrerin, Ärztin, Lehrerin oder Ingenieurin: Sie alle stehen in dieser Verantwortung, ohne dass ihnen jemand einen Frauen-Freifahrtschein ausstellt.




Sonntag, 10. April 2022

Zürnende Corona-Freunde...

von Mirjam Lübke...

Gemeinhin gilt es als unhöflich und demütigend, einen Mitmenschen im großen Kreis an Unangenehmes zu erinnern. Meine Großmutter gab bei Familienfeiern oft zum Amüsement der anderen Anwesenden meine sportlichen Blamagen zum besten - und wunderte sich, warum ich das gar nicht komisch fand. Kurzum: Grundsätzlich ist es menschlich fies, einen anderen mit Vergangenem bloßzustellen und in eine Situation zu bringen, in der er keine Chance hat, sich zu wehren ohne dabei als großer Spielverderber dazustehen. Peinliches kann zur Belustigung anderer erzählt werden - aber bitte nur vom Betroffenen selbst - dann wirkt es befreiend und menschlich.



Was aber gilt, falls das Verdrängte anderen Menschen erheblichen Schaden zugefügt hat? Man also nicht erzählt, mit dem Gesicht in eine Torte gefallen zu sein, sondern behauptet, jemand habe sie geworfen? Um zu verstehen, wie Empörungskurven in Deutschland derzeit verlaufen, lohnt sich der Blick auf einen Fall, der mit Corona ausnahmsweise nichts zu tun hat: Aktuell muss sich gerade Gil Ofarim vorwerfen lassen, einen Hotelangestellten zu Unrecht des Antisemitismus beschuldigt zu haben - dieser Angestellte hat hingegen alles Recht der Welt, seinen Ruf wiederherzustellen. Zum Glück hatte das Hotel, in dem sich der Zwischenfall ereignet haben soll, ein Eigeninteresse an der Aufklärung des Davidstern-Eklats, aber der Rezeptionist, der Ofarim aufgefordert haben soll, den Stern abzunehmen, war seinen Job erst einmal los. Die deutsche Öffentlichkeit stürzte sich mit Leidenschaft auf ein weiteres, angebliches Beispiel von Rassismus im bösen Sachsen, dessen Bevölkerung schon im Falle des Chemnitzer "Hase, du bleibst hier"-Videos in Kollektivhaftung genommen worden war. 

Die Spiegel-Kolumnistin Samira al Ouassil hatte immerhin den Anstand, für ihr schnelles Aufspringen auf das Thema um Entschuldigung zu bitten. Das Schlimme daran ist, dass der Zwischenfall sich durchaus in Deutschland so hätte ereignen können, nur machten eben einige Begleitumstände misstrauisch. Und Ofarim profitierte bei seiner Selbstdarstellung auch von der von den Medien bevorzugten Täter-Opfer-Kombination und der Tatsache, dass man sich hierzulande lieber an Politikern abarbeitet, die das Wort "Globalist" benutzen, als sich mit sogenannter "Israelkritik" zu beschäftigen, mit der sich im Zweifelsfall jeder noch so brutale Angriff auf Juden kleinreden lässt. Ein 17-jähriger Syrer, der einen Anschlag auf die Hagener Synagoge plante, ist gerade mit einer Bewährungsstrafe davongekommen, das ist nicht das erste Mal. Und jeder nicht-prominente Jude, der sich in gewissen Stadtvierteln mit Kippa oder jüdischem Schmuck zeigt, wird im Falle eines Angriffs den Vorwurf zu hören bekommen, er habe "provoziert". Mit der gleichen Begründung könnte ich jeden Linken, der ein Palästinensertuch trägt, ohne Vorwarnung eine Ohrfeige verpassen - das allerdings fände kein Verständnis.

Im Grunde liefen die gleichen Mechanismen bei der Diffamierung der Impf- und Maskenskeptiker ab. Es begann mit Appellen an die "Vernunft" der Corona-Maßnahmenkritiker, während gleichzeitig eine Drohkulisse erschaffen wurde. Bekanntlich drang sogar der damalige Innenminister Horst Seehofer mit einem bewusst dramatisch gehaltenen Gutachten darauf, der Bevölkerung Angst einzujagen, um diese Maßnahmen gegen Skeptiker durchsetzen zu können. Während die Bundesregierung es weiterhin finanziell honorierte, wenn Krankenhäuser Intensivbetten abbauten, sollte die Überlastung der Intensivstationen die Schuld der Ungeimpften sein - ohnehin drängte sich mir zwischenzeitlich immer wieder der Verdacht auf, dass die Verantwortlichen außer ihren Kampagnen wenig investierten, sondern alle Anstrengungen auf die Bevölkerung abwälzten. 

Nachdem Bratwürste und Angstmache nicht ausreichten, um alle Bürger an die Nadel zu locken - immerhin wurden im Laufe der Zeit auch die Nebenwirkungen der Impfung bekannt - startete die hemmungslose öffentliche Beschimpfung. Um deren Opfer zu werden, musste man, wie der (echte) Virologe Henrik Streeck, noch nicht einmal genereller Maßnahmengegner sein, es reichte, zur Mäßigung zu mahnen. Der rote Teppich für alle, die sich verächtlich oder aggressiv über Skeptiker, Unüberzeugte und Zögerliche äußern wollten, war ausgerollt. In Deutschland gelten selbst maßvolle Kritiker der unkontrollierten Einwanderung als "geistige Brandstifter" - damit verglichen, haben Prominente, Politiker und Medien verbales Napalm auf die angeblichen "Corona-Leugner" abgeworfen. Da wurde schnell nicht mehr zwischen tatsächlichen Spinnern und kompetenten Gegenstimmen unterschieden, alle landeten im selben Topf. Eine Handvoll Idioten, die es in jeder ungleich zusammengesetzten Gruppe gibt, wurde der Öffentlichkeit immer wieder vorgeführt, als habe etwa Wolfgang Wodarg haargenau die gleichen Ansichten wie Attila Hildmann. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns - dieses Motto findet in jeder totalitären Gesellschaft Zustimmung. 

Jan Böhmermann wollte bestimmen - und das als Nichtmediziner - wer in Talkshows als kompetenter Arzt auftreten dürfe. Frank Ulrich Montgomery und Marie Agnes Strack-Zimmermann verglichen Ungeimpfte mit Geiselnehmern und Terroristen. Schauspielerinnen wie Mariele Millowitsch wollten nicht mehr mit Ungeimpften drehen und Sara Bosetti - die unlustigste Satirikerin des deutschen Fernsehens - sie gar wie einen vereiterten Blinddarm aus der Gesellschaft schneiden. Daran zu erinnern, dass sie sich dabei der Sprache eines KZ-Arztes bedient hatte, ließ sie nicht etwa rot vor Scham werden. Vielmehr griff sie in die derzeit modische Trickkiste, auch begründete Kritik als "rechten Shitstorm" zu bezeichnen. 

Obwohl diese Abwehrmaßnahme ungefähr so abgenutzt ist wie ein stundenlang im Mund bearbeitetes Stück Kaugummi, zieht sie in gewissen Kreisen noch immer. Auch die Zitate-Sammler müssen sich derzeit mit dem Vorwurf belegen lassen, sie betrieben eine "Menschenjagd". Dabei kommentieren sie die Fundstücke meist noch nicht einmal, sondern stellen sie einfach ins Netz. Jetzt, da die Stimmung in Deutschland mit der (vorerst) gekippten Impfpflicht umschlägt, gibt es erste Tendenzen, so zu tun, als wäre nichts gewesen. Jedoch: Gerade jene, die anderen penetrant den moralischen Zeigefinger ins Gesicht halten, müssen sich nicht wundern, nun den Spiegel vorgehalten zu bekommen. Ob es zum Umdenken führt? Wohl kaum. Der Praxistest, ob Deutschland nach über siebzig Jahren "Aufarbeitung des dritten Reiches" endlich immun gegen Totalitarismus ist, wurde jedenfalls nicht bestanden.


Donnerstag, 7. April 2022

Die Masken nieder!

von Mirjam Lübke...

Als ich am Montag den Supermarkt meines Vertrauens mit meiner Assistenzfee betrat, lugten wir beide erst einmal vorsichtig um die Ecke. Die Maskenfreiheit, hatte sie sich hier schon herumgesprochen? Es ist ein relativ kleiner Laden mit engen Gängen, daher wäre ich nicht verwundert gewesen, wenn der Inhaber sich an Karl Lauterbachs Appell orientiert und sein Hausrecht durchgesetzt hätte. Die Corona-Schilder waren allerdings schon vom Eingang entfernt worden. Die Medien vermeldeten heute, dass die großen Supermarktketten sich allesamt geweigert haben, eine Masken-Aufsichtspflicht zu übernehmen. Pflichtschuldigst beteuerte man zwar, wie bedauerlich man die Abschaffung des Vermummungszwangs fände, aber zwischen den Zeilen klang ein deutliches "Mach' deinen Quatsch doch alleine, Karl!" an. 


Da standen wir nun wie ein FBI-Team auf der Schwelle und sondierten vorsichtig die Lage. Ein kurzes konspiratives Nicken ließ uns zu Rebellen werden, die sich todesmutig unter maskierte Kunden mischen würden. Ganz vorn an befindet sich die Gemüseabteilung, dort standen schon die ersten Kunden mit FFP2-Maske und wogen ihre Tomaten ab. Der Vorgang des Abwiegens erforderte offenbar höchste Konzentration, unser Sakrileg blieb unbemerkt. Fast war ich ein bisschen enttäuscht, meine vorbereiteten Sprüche nicht loswerden zu können, ist doch das Netz voll von Schlagfertigkeiten, welche renitenten Fans der Maskenpflicht an den Kopf geworfen wurden. Auf nichts ist mehr Verlass, oder war der Laden zu einer Art Vorreiter des Waffenstillstands zwischen den Parteien geworden? 

Aber mal im Ernst: Nachdem wir unbehelligt durch den Laden bis zur Kasse gelangt waren, fragte ich mich, warum ein so friedliches Miteinander nicht schon vorher möglich war. Man lässt den anderen einfach tun, was er für richtig hält, um sich zu schützen. Mittlerweile gibt es einige Geimpfte, die der Impfpflicht öffentlich eine Absage erteilen. Henryk Broder hat schon vor Monaten verkündet, zwar selbst geimpft zu sein, stellte seine Entscheidung aber nicht ins Zentrum des Corona-Universums. So geht es mir mit der Maske: Wer sich etwa aufgrund einer Vorerkrankung damit sicherer fühlt, dem werde ich nichts Gegenteiliges einreden - allerdings werde ich im umgekehrten Fall meine Entscheidung vehement zu verteidigen wissen. Denn ich lehne nicht das Recht des Einzelnen ab, Maßnahmen gegen eine Infektion zu ergreifen - auch wenn diese von zweifelhaftem Nutzen sind. Es geht dabei um den Respekt vor anderen Meinungen. Nur: Warum war das von einem Tag auf den anderen plötzlich der Fall, wie auf ein geheimes Signal hin?

In den Medien werden derzeit wieder Grafiken aus der Frühzeit des Maskentragens ausgegraben. Daraus sollen wir ablesen, wie wenig nutzbringend es ist, Maske zu tragen, wenn das Gegenüber es nicht auch tut. Nach dieser Darstellung leben wir in einer "Maskenschicksalsgemeinschaft", die uns gnadenlos aneinanderkettet. "Die Masken hoch, die Reihen fest geschlossen", spuckt mein Gehirn gerade spontan als Assoziation aus - wir sollen glauben, dass jeder einzelne, der "oben ohne" geht, das Sicherheitskonzept unweigerlich zum Kollabieren bringt. Man könnte glauben, die Masken reagieren aufeinander, gesteuert durch eine chemische Reaktion, zu der es zweier getrennter Komponenten bedarf. Dann machen sie die Schotten dicht und nichts dringt mehr durch. Besonders überzeugt vom Nutzen der Maske scheinen demnach noch nicht einmal ihre PR-Vertreter zu sein. Man könnte schließlich den besonders Vorsichtigen auch raten, einfach zwei Masken übereinander zu tragen, was ihnen nach dieser Logik ausreichend Schutz bieten müsste. Aber das ist nicht der Sinn der Übung - man soll sich vielmehr wie ein Sozialschwein fühlen, wenn man nicht mitspielt. 

Der Trick ist alt, wir wurden schon als Kinder mit dem geflügelten Wort "Wenn das alle machen würden!" auf Linie gebracht. Da wollte man ein Blümchen pflücken und schon rückte in der Fantasie der Eltern ein ganzer Schwarm von Blumenkillern an, welcher der Wiese den Garaus machte. Selbstverständlich trat dieses Szenario niemals ein, aber das schlechte Gewissen hielt noch Jahre an und verhinderte jeden spontanen Alleingang. Egal ob Blümchen, Maske oder Impfung, es geht nicht um den Schaden, den der Ausreißer eventuell anrichten könnte, sonst würde die Diskussion sachlicher verlaufen. Vielmehr soll er sich angepasst verhalten, damit niemand sieht, dass eigenständiges Handeln eben nicht zur Katastrophe führt. Würde uns der Alltag vermitteln, dass Atmen ohne Maske eine tatsächliche Gefahr darstellt, wären solche Druckmittel nicht nötig. 

Für mich und meinen Hang zur Sozialphobie ist es eine riesige Erleichterung, unbehelligt und ohne Maske einen öffentlichen Raum zu betreten. Wenn man ohnehin verunsichert ist, dann macht einem das eingeschränkte Sichtfeld schwer zu schaffen - denn die Brille beschlägt noch zusätzlich. Man tappt also mit Maske an einem Ort, der einem ohnehin nicht geheuer ist, halbblind durch den Nebel. Wieder besser die Umgebung im Blick zu haben, auch das schafft Sicherheit. Wenn das Seite an Seite mit Maskierten möglich ist, ohne dass man beschimpft wird, soll es mir recht sein. Die Menschen müssen nach zwei Jahren verfestigter Gewohnheit auch erst wieder lernen, loszulassen - sie haben schließlich fest an die Maskenpropaganda geglaubt. Nur die Tatsache, dass es dazu eines Signals "von oben" bedarf, macht Angst. Schon morgen könnte die Bundesregierung eine neue Schikane erfinden - wären dann wieder alle unkritisch dabei?




Mittwoch, 6. April 2022

Bundesregierung: Säbelrasseln, aber nichts dahinter...

Es ist doch merkwürdig, wie plötzlich alle Kabinettsmitglieder der Ampel die Kriegsrhetorik beherrschen. Auf einmal sind alle für eine Stärkung der Bundeswehr, jonglieren mit Waffensystemen und der Bundeskanzler will „Garantieerklärungen“ für eine neutrale Ukraine abgeben. 

Haben Sie sich auch schon mal gefragt, wer vom aktuellen Bundeskabinett eigentlich regulären Wehrdienst geleistet hat? Ich habe mir mal die Mühe gemacht und bin die Liste durchgegangen:
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Vom aktuellen Bundeskabinett hat kein Politiker regulären Wehrdienst geleistet.

Immerhin: Die FDP-Politiker Christian Lindner und Marco Buschmann haben in gesetztem Alter, als die Scheinwerfer der Öffentlichkeit auf sie fielen, ihre Wehrdienstverweigerung förmlich zurückgezogen und vereinfachte Wehrübungen für „Spitzenkräfte“ geleistet. Der Grüne Cem Özdemir nahm sogar öffentlichkeitswirksam an einer einwöchigen „Schnupper“-Wehrübung teil. Das war es dann aber auch schon.   

Wie fremd alles Militärische vielen heutigen Politikern ist, sehen Sie auch an dieser ganz aktuellen Aufnahme, die der Bundeskanzler Olaf Scholz höchstselbst verbreiten ließ:
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Ein Oberstleutnant der Bundeswehr grüßt den Bundeskanzler militärisch. Bundeskanzler Scholz erwidert die Ehrerbietung grinsend mit Händen in den Taschen. 

Daß ein Bundeskanzler einem Offizier so nicht gegenübertreten sollte, daß man in so einem Fall wenigstens die Hände aus den Taschen nimmt – eine Petitesse? Ich meine nicht. Es zeigt den Niedergang von Formen, der auch die Unfähigkeit zu Autorität und angemessener staatlicher Repräsentierung einschließt. Form läßt sich von Inhalt nicht trennen.

Welches Format hatte da noch der sozialdemokratische Bundeskanzler und ehemalige Verteidigungsminister Helmut Schmidt, der noch als Oberleutnant der Wehrmacht im Weltkrieg gedient hatte.
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Der spätere SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt schreitet als Verteidigungsminister 1969 eine Ehrenformation der Bundeswehr ab

Wenn Deutschland seine Rolle als europäische Mittelmacht wahrnehmen und nicht nur Spielball fremder Interessen sein will, dann muß es insbesondere militärisch und sicherheitspolitisch ein anderes Gewicht in die Waagschale bringen.

Altkanzlerin Merkel verteidigt Entscheidung gegen Nato-Aufnahme der Ukraine...

von Thomas Heck...

Nach der scharfen Kritik vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj an Ex-Kanzlerin Merkel hat sich diese nun zu Wort gemeldet. Die Entscheidung 2008, die Ukraine nicht in die Nato aufzunehmen sei richtig gewesen, ließ die CDU-Politikerin mitteilen. Eine Begründung der damaligen Entscheidung? Fehlanzeige. Typisch Merkel, viel reden, nichts sagen. Dabei hat sie Blut an den Händen und ist faktisch für diesen Krieg mitverantwortlich. Denn mit eine NATO-Aufnahme hätte Russland diesen Schritt sicher nicht gewagt.


Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich trotz massiver Kritik des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hinter die Entscheidung gestellt, die Ukraine 2008 nicht in die Nato aufzunehmen. „Bundeskanzlerin a.D. Dr. Angela Merkel steht zu ihren Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Nato-Gipfel 2008 in Bukarest“, teilte eine Sprecherin Merkels am Montag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Berlin mit. Zugleich unterstützte die Ex-Kanzlerin die internationalen Bemühungen, den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu beenden.

„Angesichts der in Butscha und anderen Orten der Ukraine sichtbar werdenden Gräueltaten finden alle Anstrengungen der Bundesregierung und der internationalen Staatengemeinschaft, der Ukraine zur Seite zu stehen und der Barbarei und dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ein Ende zu bereiten, die volle Unterstützung der Bundeskanzlerin a.D.“, erklärte die Sprecherin.

Selenskyj hatte Merkel zuvor zu einer Reise nach Butscha aufgefordert, wo in den vergangenen Tagen nach dem Abzug russischer Truppen mehr als 300 Todesopfer gefunden wurden. In dem Kiewer Vorort könne sich Merkel – ebenso wie Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy – ein Bild ihrer gescheiterten Russland-Politik machen. 

Beim Gipfel 2008 hatten die Nato-Staaten der Ukraine eine Aufnahme in Aussicht gestellt, dann aber unter anderem aus Rücksicht auf Russland einen Rückzieher gemacht. Merkel und Sarkozy blockten Forderungen anderer Nato-Partner nach einem raschen Beitritt ab. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier warnte damals explizit vor einer Belastung der Beziehungen zu Russland. 

Selenskyj sagte nun: „Ich lade Frau Merkel und Herrn Sarkozy ein, Butscha zu besuchen und zu sehen, wozu die Politik der Zugeständnisse an Russland in 14 Jahren geführt hat. Sie werden die gefolterten Ukrainer und Ukrainerinnen mit eigenen Augen sehen.“ Die Bilder aus Butscha sorgen international für Entsetzen. Die Ukraine macht für das Massaker russische Truppen verantwortlich. Moskau bestreitet das.





Dienstag, 5. April 2022

Deutschland entdeckt den Krieger in sich!

von Mirjam Lübke...

Wer früher den Wehrdienst verweigern wollte, musste angeblich die Frage beantworten, wie er sich verhalten würde, wenn im Park ein Russe aus dem Gebüsch käme, um sich an seiner Liebsten vergreifen. Da steht er nun, der Durchschnittsrusse, ein riesiger Bär mit Pelzmütze, Balalaika auf dem Rücken und Kalaschnikow in der Hand. Mit einer Sitzblockade kommt man in diesem Fall nicht weit, vor allem wenn wir uns den Befragten als von Müsli geschwächten Klischeepazifisten vorstellen. Den packt der russische Bär mit einer Hand, wirft ihn wie die Kugelstoßerin Olga Steroidikowa hundert Meter weit in den nächsten Ententeich und schleppt anschließend die holde Maid in seine Datscha. Die meisten jungen Grünen würden heute krachend an dieser Gewissensprüfung scheitern. 


Selbstverständlich kämen sie ihrer Freundin nicht persönlich zu Hilfe, denn ihre Kraft und Gesundheit brauchen sie noch für die nächste Autobahnblockade oder die Erstürmung eines Braunkohlebaggers. Aber auf ihrem Handy hätten sie die Notrufnummer des nächsten NATO-Stützpunkts gespeichert, der sofort einen Trupp Fallschirmjäger schickt, um das Böse zu erledigen. Der gesamte Park ist anschließend verwüstet, aber die Freundin mächtig beeindruckt. Das macht es fast wieder wett, dass Sören-Malte sie schnöde im Stich ließ, als ein paar Herren aus Nahost das gleiche Ansinnen hatten. Sie aus dieser Situation zu retten, hätte ihm schließlich als Rassismus ausgelegt werden können. 

Um es ganz klar zu sagen: Mein Verständnis für Putin endete mit dem Einmarsch in die Ukraine. Alles vorher konnte ich rational nachvollziehen, die Amerikaner wären mit Sicherheit auch nicht begeistert gewesen, wenn Kanada oder Mexiko ein Militärbündnis mit Moskau geschlossen hätten. Manche Experten sagen, es gäbe eine neue Linie der US-Politik, mit der Russland dazu verleitet werden sollte, sich international durch eine vorschnelle militärische Operation zu diskreditieren - aber dazu gehören immer zwei. Eigentlich hatte ich Putin für zu rational gehalten, um in so eine Falle zu tappen. Es steht außer Zweifel, dass die ukrainische Zivilbevölkerung einen hohen Preis für diese geopolitischen Spielchen zahlt - ihr sollte tatsächlich unsere ungeteilte Solidarität gelten. 

Ebenso gebe ich aber zu, wie sehr mich das Verhalten vieler junger Deutscher verwirrt. Eine ganze Generation entdeckt plötzlich den Krieger in sich, nachdem sie es seit Jahren nicht schafft, ihre Illusionen über den Zustand in unseren Großstädten endlich zu überdenken. Sogar legitime Sicherheitsinteressen in Deutschland durchsetzen zu wollen, gilt als Tabu. Jetzt ist man im Kriegsrausch, es reicht nicht, den Krieg zu beenden, sondern man schwärmt von Waffenlieferungen und NATO-Einsätzen. Selbst in den Kampf ziehen will man nicht, das Risiko sollen die Ukrainer schon selbst eingehen - die haben die richtige Haltung! Der deutsche Heldenmut beschränkt sich darauf, tapfer zu frieren - was wir nicht müssten, wenn es in den letzten Jahren eine vernünftige Energiepolitik gegeben hatte. Fast kommt es einem so vor, als sollten die ukrainischen Männer nun als Stellvertreter alles ausleben, was sich die Deutschen jahrelang verkniffen haben. Die grimmige Entschlossenheit ist wie üblich groß dabei und die moralische sowieso. Man glaubt fest daran, etwas Kriegswichtiges zu leisten, wenn man die Heizung herunterdreht - und jeder, der das nicht euphorisch bejubelt, wird zum Deserteur erklärt. 

Ich glaube, der ukrainische Botschafter Melnyk hat diese Stimmung genau erkannt und weiß, welche Knöpfe er in Deutschland drücken muss, um ans Ziel zu kommen. Denn das ist die andere Seite der Medaille: Einiges, was der Botschafter fordert, geht weit über das legitime Interesse hinaus, um Unterstützung für sein Land zu werben. Das ist sein gutes Recht. Für meinen Geschmack schießt er dabei immer öfter über das Ziel hinaus, so etwa, wenn er fordert, bei Solidaritätskonzerten dürften keine russischen Musiker spielen. Müsste man sich nicht eigentlich freuen, wenn einem Bürger des verfeindeten Staates auf diese Weise ihre Unterstützung zeigen? Dreist war auch sein Angriff auf die zur Zeit prominenteste Schokoladenfirma Deutschlands, die er "Hitler Sport" nennt und als blutüberströmte Tafel zeigt. Er weiß genau, wie so etwas in Deutschland einschlägt - aber steht es ihm wirklich zu, über die Firmenpolitik eines unserer Unternehmen zu entscheiden? Zumal es eine sehr einseitige Kampagne ist, welche sich nur einen, ohnehin angezählten Fabrikanten beschränkt. Was für eine Theatralik - und zudem ein vollkommen unnützes Manöver, da es den Krieg nicht um eine einzige Minute verkürzen wird. 

Nach den Irrungen und Wirrungen der Corona-Zeit, die wir nicht einmal vollständig überwunden haben, hätte ich nicht gedacht, dass es noch eine Steigerung der Hysterie geben könnte. Zu den Ereignissen in Bucha wage ich mich schon gar nicht mehr, mich zu äußern. Ich will mir weder einen russischen noch einen ukrainischen Bären aufbinden lassen - mit oder ohne Balalaika - und schaue mir einfach nur die Diskussion an. Vor ein paar Jahren noch hätte ich vor Entsetzen nicht schlafen können - nun bin ich einfach ratlos und vermag nicht zu unterscheiden, was gelogen ist und was die Wahrheit. Denn auch das haben wir durch Corona gelernt: Die Wahrheit kommt am Ende immer heraus - nur meistens viel zu spät.


Montag, 4. April 2022

Nicht ganz dicht...

von Mirjam Lübke...

Wahrscheinlich hebe ich mir ein oder zwei Masken auf - und wenn dann in einem halben Jahr niemand mehr etwas davon wissen will, welcher soziale Druck wegen dieses "Maulkorbs" ausgeübt wurde, hole ich sie aus der Schublade und laufe damit herum. Wenn mich dann jemand irritiert darauf anspricht, gestehe ich unter Tränen, Karl Lauterbach habe mir solche Angst in die Glieder gejagt, dass ich nun nicht mehr anders könnte. Das lasse ich mir dann als neue psychische Erkrankung bei meinem Psychiater patentieren: "Lauterbach Long Endurance Anxiety Syndrome" - ich möchte wetten, die Inzidenzwerte dafür gehen rasch durch die Decke, es gründen sich Selbsthilfe- und Forschungsgruppen. Therapeuten verdienen sich eine goldene Nase damit. Vielleicht ist es doch besser, ein öffentliches "Mask Burning" zu veranstalten. Jeder schreibt seine Denunziationssünden auf den Lappen, so etwa den gesprengten Kindergeburtstag der kleinen Lena-Sophie und überantwortet ihn dem reinigenden Feuer. Nach diesem spirituellen Reinigungsritual liegen sich alle zur Versöhnung in den Armen und schwören sich, nie wieder so fanatisch zu sein. Jedenfalls nicht ohne Grund, denn die ersten werden schon wieder im Blick haben, wer sich der Zeremonie verweigert hat. Bestimmt ein Nazi, der heimlich Ritter-Sport isst und mit Wodka hinterherspült. 


"And now for something completely different", hieß es bei Monty Python, wenn ein schneller Themenwechsel erfolgte. Karl Lauterbach hat wahrscheinlich nie eine Folge der Kultserie gesehen, denn er bleibt seinem Thema treu. Aber was ist das? Gibt er in diesem Tweet etwa zu, dass die Retterin der Massen, die Maske, nicht ganz dicht ist? Hat er nicht anfangs behauptet, eventuelle Lücken im antiviralen Schutzwall wären unbedenklich, weil die elektrostatische Ladung der Maskenfasern die kleinen Bestien wie ein Staubsauger fest im Griff hielte? Und nun plötzlich ist es denkbar, dass doch ein paar von ihnen durchschlüpfen? Sind die Viren etwa bei der Hamas in die Lehre gegangen und schaufeln kleine Tunnel? 

Uns Maskenskeptiker haut diese Botschaft nicht wirklich aus den Schuhen, haben wir doch leichtsinnigerweise wann immer es möglich war - und manchmal sogar am Gesetz vorbei - auch oben ohne recht gut überlebt. Im Zug nach Thüringen etwa hielt ich mich stundenlang an einem Kaffeebecher fest und kuschelte mich subversiv in eine Ecke. Einmal entstand sogar eine Verschwörergemeinschaft mit benachbarten Fahrgästen. Aber der wahre Gläubige müsste doch eigentlich jetzt skeptisch werden: Wer würde schon einen Regenschirm kaufen, der mit dem Spruch "Mit uns werden sie zwar auch nass, aber nicht ganz so arg" wirbt? Oder ein Kondom, das nur in sieben von zehn Fällen hilft? Die Lösung hieß dann allerdings für die Rechtgläubigen, sicherheitshalber mehrere Masken übereinanderzuziehen. Wie man dieses Abschnüren der Sauerstoffzufuhr überleben konnte, ist mir noch immer schleierhaft - wahrscheinlich haben sich die Mehrfachträger nun als Perlentaucher qualifiziert, die ohne Mühe zehn Minuten unter Wasser verbringen können. 

Aber bei den Impfstoffen lief es schließlich ähnlich. Auch wenn die offiziellen Stellen wöchentlich neue Zugeständnisse zur mangelnden Wirksamkeit machen mussten - und die Uniklinik Marburg inzwischen eine Ambulanz für Impfgeschädigte eröffnet hat - blieb man bei der Devise "viel hilft viel". Die Corona-Götter ließen sich nicht durch ein Impfopfer besänftigen, also brachte man noch mehr Opfer dar. Als es mit der Kultur der Mayas nach mehreren Dürrejahren zuende ging - und das ganz ohne Kohlekraftwerke! - reagierten sie ähnlich verzweifelt und opferten sogar ihre Kinder. 

Das Schlimmste dabei: Man verliert das Vertrauen in die Vernunft der Menschen, von denen man nun ziemlich sicher weiß, dass sie mehrheitlich jeden Unfug mitmachen werden, den ein Lauterbach ihnen vorsetzt. Und das Vertrauen in Medien und Experten hat sich ohnehin in Luft aufgelöst. Man könnte fast glauben, dass die Ukraine-Krise die Bürger nicht aufwachen ließ, weil es jetzt Wichtigeres gibt, sondern dass sie lediglich einen willkommenen neuen Angstkick bietet, der an die Stelle der schon etwas abgenutzten Pandemie tritt. 

Und wie schon bei Corona stehen die Nachdenklichen unter uns da und wissen nicht mehr, was sie noch glauben können. Was ist tatsächlich so passiert, was ist Propaganda? Ich jedenfalls traue mir im Moment noch kein endgültiges Urteil zu, auch wenn mir mein Bauchgefühl eine Richtung weist. Mein Bauchgefühl ist in der Regel sehr zuverlässig - aber es weiß im Moment nicht so recht, was es will. Jedenfalls keine allzu überzeugten Experten mehr, die nicht loslassen können, selbst wenn ihre Thesen so löchrig wie ein Käse geworden sind.




Sonntag, 3. April 2022

"So ein bisschen Sozialismus hat noch keinem geschadet!"

von Mirjam Lübke...

Seit Jahren gleicht der erste April einem öffentlichen Test, wie viel Absurdität sich mittlerweile in unsere Realität eingeschlichen hat. Fast wäre ich darauf hereingefallen, dass Christine Lambrecht durch Sawsan Chebli ersetzt werden soll - die Meldung erschien mir einfach so absurd, sie passte haargenau zum regierungsinternen Wettbewerb, Ministerposten möglichst unpassend zu besetzen. Interessant auch die Nachricht, künftig könnten schon böse Blicke strafrechtlich verfolgt werden. Natürlich nicht, wenn sie gesellschaftliche Parias treffen, die sich eine unpassende Meinung bezüglich des gerade aktuellen Themas zugelegt haben - in diesem Fall sind böse Blicke selbstverständlich großzügig anzuwenden. Auch das läge inzwischen im Bereich des Möglichen, also geriet ich sekundenlang in Panik. Wahrscheinlich würde ich sofort bis an mein Lebensende nach Guantanamo verfrachtet, böse gucken kann ich richtig gut. 


Als dann aber die Schlagzeile der Spiegel-Kolumne von Sabine Rennefanz auf meinem Handy aufploppte, glaubte ich tatsächlich an einen Aprilscherz: "Was wir von der DDR lernen können!" - dahinter konnte doch nur Satire stecken, oder? Also stellte ich mich auf einen ironischen Text ein. Allerdings wurde ich enttäuscht: Die Autorin meint alles Geschriebene bierernst. Es geht wie immer um das Thema Konsumverzicht, zu dem wir seit Jahren penetrant aufgefordert werden, erst, um den "Klimawandel abzuwenden", jetzt, weil durch die Ukraine-Krise Versorgungsengpässe drohen. Teilweise auch deshalb, weil Deutschland einmal wieder seine vorbildliche Haltung vor aller Welt beweisen will. 

Was diesen verwöhnten Ideologen - neben Humor - vollkommen abgeht, ist die Fähigkeit zu unterscheiden, ob jemand freiwillig verzichtet oder dazu gezwungen ist. Wenn mein Konto gut gefüllt ist und die Geschäftsregale ebenso, steht mir jederzeit ein Hintertürchen offen. Man kann sich dann mal "was gönnen", weil man schließlich artig ein paar Wochen "Konsumfasten" betrieben hat. Auch wenn man dazu mit Sonnenbrille und hochgeschlagenem Kragen in den Feinkostladen schleicht. Aber der Feinkostladen ist da und steht zum Einkauf zur Verfügung. Auch in mancher Religion kennt man den zeitlich begrenzten Verzicht: Als Jude ist man glücklich, wenn man nach dem Pessachfest wieder ein normales Brötchen essen darf, während uns die christliche Fastenzeit die schwäbische Maultasche beschert hat. Der Mensch verzichtet nicht gerne auf seine kleinen Freuden.

Not macht bekanntlich erfinderisch. Wenn unsere Spiegel-Autorin die DDR für ihre schlichten, unglamourösen Verpackungen feiert, dann vergisst sie vollkommen, dass mancher DDR-Bürger auch gerne einmal eine quietschbunte Schachtel besessen hätte - unsere Bekannten etwa sammelten Waschmittel-Verpackungen aus dem Westen. Die Designer im real existierenden Sozialismus mussten sich allerdings stets etwas einfallen lassen, um aus kargen Mitteln das Mögliche herauszuholen. Ebenso die Bürger, meine Verwandten in Sachsen stellten im Wohnzimmer Wein selbst her. Aber auch wer heute nur ein geringes Einkommen hat, wird garantiert nicht zum Vertreter der Wegwerfkultur. Wenn die Kleidung kaputt ist, dann greift man nicht zu Nadel und Faden, weil man nachhaltig leben will, sondern damit man überhaupt noch etwas im Schrank hat. 

Der heute propagierte Salonsozialismus geht dermaßen an der Lebensrealität der tatsächlich Arbeitenden vorbei, dass man irgendwo einen DDR-Erlebnispark eröffnen möchte, in dem die Damen und Herren ein paar Wochen überleben müssten. Schon der Verzicht auf das Internet, in dem man die eigenen Anti-Konsum-Botschaften propagieren kann, würde sie in den Wahnsinn treiben. Den Mangel an glutenfreiem Brot und Bio-Schafskäse könnte man gewiss eine Weile überstehen, aber nicht das Fehlen jeglicher Möglichkeit, die Menschheit von diesem Verzicht ausführlich zu informieren. Öffentliche Selbstkasteiung bringt nur vor Publikum das höchste Maß an Genuss ein. Insofern unterscheidet man sich nicht vom C-Promi, der im Big-Brother-Haus hockt und uns an seinen menschlichen Abgründen teilhaben lässt.

Grundsätzlich ist nichts dagegen zu sagen, das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen. Brauche ich etwas wirklich oder will ich es nur, weil es schick ist oder meinen (vermeintlichen) Status hebt? Und was sagt mein Bankkonto dazu, muss ich eventuell Schulden machen, die ich nicht mehr loswerde? Aber das ist eine individuelle Entscheidung, die sich bei den meisten Menschen auf ein gesundes Mittelmaß einpendelt. Vom psychologischen Standpunkt aus sind weder penetrante Produktwerbung noch ständig wiederholte Verzichtspredigten zielführend: Man ist genervt und will es nicht mehr hören. 

Bisher wurde uns dieser Verzicht um "edler" Ziele willen aufgeschwatzt, aber wenn nun auch noch die DDR als Vorbild dienen soll, gehen bei mir erst recht alle Alarmglocken an: Da kommen Zwang und Eingesperrtsein ins Spiel - die Autorin verrät damit gleichzeitig zwischen den Zeilen, wie weit man gehen würde, um die eigene Ideologie unters Volk zu bringen. Schaut man sich nun noch an, wie rabiat dieses Milieu Andersdenkende behandeln will - soll Bautzen vielleicht auch reaktiviert werden? - steuern wir auf die nächste sozialistische Katastrophe zu. 

Sie können es eben nicht lassen. Und wenn wir dann irgendwann einen heruntergewirtschafteten Staat wieder aufbauen müssen, werden sie trotzdem weiter vom funktionierenden Sozialismus fantasieren - man ist es eben wieder nur falsch angegangen. Beim nächsten Mal klappt es - ganz bestimmt!


Freitag, 1. April 2022

Böse Schokolade!

von Mirjam Lübke...

Der Schokolade, um die es hier geht, kann man nicht vorwerfen, nicht koscher zu sein - jedenfalls stand sie jahrelang auf der Liste der Schokoladen, die von Juden ohne schlechtes Gewissen gegessen werden dürfen - von den Kalorien einmal abgesehen. Aber moralisch ist sie nun definitiv nicht mehr koscher, denn sie wird auch an Leckermäulchen in Russland geliefert. Offenbar ist sie dort zu beliebt, um den Verkauf ins "Reich des Bösen" einstellen zu können ohne Arbeitsplätze in Deutschland zu gefährden. Und schon sitzen wir mitten drin im hausgemachten Dilemma, denn nicht immer lässt sich Haltung gratismutig beweisen. In Corona-Zeiten war das noch einfach: Man musste nur etwas Werbung für Maske und Impfung in das eigene Logo einbinden, und schon stand man automatisch auf der richtigen Seite. Das kostete zwar auch ein bisschen Geld für eine Agentur und neue Plakate, aber das ließ sich locker wieder einspielen. 


Ich bin überfragt, welche Politik unser Schokoladenfabrikant gegenüber ungeimpften Mitarbeitern betreibt. Aber in deren - und natürlich auch im eigenen Interesse - hat man entschieden, Russland weiter zu beliefern. Moral muss man sich auch leisten können, das merken wir derzeit in vielen Lebensbereichen. Deutschland hat sich aus moralischen Gründen entschieden, kein Gas mehr aus dem Reich des Bösen zu beziehen - das hat es selbst mitten im kalten Krieg nicht gegeben. Aber auch das ist eine aktuelle Erfahrung: Wenn an Orten Menschenrechte verletzt und Kriege geführt werden, für die sich die deutsche Öffentlichkeit nicht interessiert, dann kann man schon einmal ein Auge zudrücken. Und so verwundert es nicht, dass wohl kein deutscher Fußballer in Katar mit Regenbogenfarben aufläuft und Robert Habeck dort demütig um Gas bitten konnte. Auch wenn man in Katar von seinem großen Deal im Nachhinein nichts wusste. Da hat Habeck sich ganz umsonst gebückt - und darüber hinaus einmal wieder bewiesen, wie flexibel auch die Grünen mit ihrer Haltung umgehen. 

Gerade vor dem Hintergrund dieser Heuchelei ist es bedenklich, wie leichtfertig deutsche Unternehmen derzeit moralisch unter Druck gesetzt werden. Jetzt wurde sogar die Fresenius Medical Care kritisiert, weil sie weiterhin ihre Dialyse-Zentren in Russland betreibt. Natürlich ist das ein riesiges Geschäft, an dem die AG sehr viel Geld verdient. Allerdings: Darf Haltung so weit gehen, Dialysepatienten im Stich zu lassen? Man würde diesen Patienten von heute auf morgen die Versorgung nehmen, aber es ist mehr als zweifelhaft, ob dies Putin genügend anrühren würde, um seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen. Alleinherrscher können diesbezüglich verdammt stur sein - dazu müssen wir uns nur daran erinnern, aus welchem Grund in Deutschland die Fanta erfunden wurde. 

Natürlich steht es jedem Bürger frei, ein Produkt im Regal stehen zu lassen, wenn er die Firmenpolitik des Herstellers abscheulich findet. Da mir "Ben & Jerry's" ohnehin zu teuer ist, fällt es mir leicht, deren Eiskrem zu boykottieren, die nur noch von der Hamas geschleckt werden darf. Es gibt genug andere gute Eismarken. Die Deutschen boykottieren immer wieder gern, das gibt ihnen das Gefühl "etwas gegen das Böse zu machen". Dazu muss nur das Gerücht in Umlauf kommen, eine Firma spende an die falsche Partei, damals an die Republikaner oder heute an die AfD. Das betraf in den letzten dreißig Jahren - soweit ich mich erinnere - schon eine bekannte Sektfirma, den Hersteller von Gesundheitslatschen, eine muhende Buttermilch und eine edle Eissorte. Oft waren die Spendengeschichten frei erfunden, aber engagierte Bürger sprangen sofort darauf an. 

Es ist interessant, dass solche Aufrufe oft aus Kreisen kommen, die generell zum Konsumverzicht auffordern und uns am liebsten nur eine begrenzte Produktpalette gestatten würden. Ein Shampoo für alle, zwei Sorten Joghurt und Waschpulver ohne Duftstoffe. Nur die Vielzahl von Produkten bei uns macht es aber erst möglich, bequem einem Boykottaufruf zu folgen - man kauft eben etwas anderes. Wie wäre es um die Haltung bestellt, wenn es nur noch eine Sorte Schokolade oder Marmelade gäbe? Schon jetzt merken wir, dass sich der Krieg in der Ukraine auf unsere Versorgungslage auswirkt, einerseits, weil besorgte Bürger sich - wie es auch vom Katastrophenschutz geraten wird - haltbare Notvorräte anlegen, aber auch, weil Lieferungen ausbleiben. Zusätzlich setzen uns hausgemachte Probleme zu, etwa die durch die "Energiewende" verursachten Engpässe. Da wird ein ganzes Land gezwungen, die Folgen ideologischen "Haltungzeigens" mitzutragen - und das, ohne dass es einen erkennbaren Gegenwert gibt, für den sich der Verzicht lohnt. 

Es gibt gesunden und bösartigen Egoismus. Wer sich um seine Angestellten sorgt (und gleichzeitig auch sein eigenes Geld weiterverdienen will) und keine kriegswichtigen Güter an die Gegenseite liefert, handelt einfach nur vernünftig. Politische Moden wechseln heute so schnell, dass es gut ist, zunächst einmal dem eigenen Umfeld Stabilität zu garantieren. Ein Boykottaufruf ist schnell ausgesprochen, aber seine Konsequenzen nicht durchdacht. Schon morgen kann es den nächsten treffen, der heute noch die richtige Haltung hatte - man sollte sich also gut überlegen, auf welchen Zug man aufspringt. Es könnte auch ein moralisch fragwürdiger sein.