Dienstreisen nach Hessen fünffach überrepräsentiert
Am 31. Oktober 2022 haben wir „um die Zusendung einer Liste aller Dienstreisen der Bundesinnenministerin Nancy Faeser in Deutschland seit Dienstantritt“ gebeten. Diese einfache Anfrage löste einen Rechtsstreit mit dem Bundesinnenministerium aus. Eine Antwort erhielten wir nicht, eine erste Liste schickte das Ministerium erst im Rahmen einer juristischen Auseinandersetzung – diese war jedoch offenkundig unvollständig, wie eine einfache Recherche in den sozialen Netzwerken zeigte.
Was hatte Faeser also zu verbergen?
Insgesamt liegen uns nun alle 50 öffentlichen, nicht unter Geheimhaltung fallende, Dienstreisen vor. Von diesen 50 Dienstreisen von Nancy Faeser gingen 21 nach Hessen und 29 in alle anderen Bundesländer zusammen. Hessen ist damit deutlich überrepräsentiert: Die hessische Heimat von Frau Faeser ist, gemessen an der Bevölkerungszahl, mit 21 Dienstreisen fünffach überrepräsentiert.
Im Vergleich: NRW ist das einwohnerreichste Bundesland Deutschlands, dort leben Stand Juli 2022 mehr als 18 Millionen Menschen. In Hessen, das nur den fünften Platz im Einwohner-Ranking Deutschlands bekleidet, leben Stand Juni 2022 etwa 6,37 Millionen Menschen. Trotzdem hat die Innenministerin nur sieben Reisen nach NRW unternommen – sieben im Vergleich zu 21 Reisen nach Hessen. Und dass, obwohl in NRW mehr Behörden ansässig sind, die in den Zuständigkeitsbereich der Innenministerin fallen – zum Beispiel das Bundesverwaltungsamt und der Bundesverfassungsschutz in Köln oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Bonn.
Von den insgesamt 21 Dienstreisen nach Hessen führten außerdem nur zwei Besuche direkt zu Behörden – Faeser besucht am 23. Mai 2022 das BKA in Wiesbaden und am 15. Juli 2022 die Bundesbereitschaftspolizei in Fuldatal.
Faeser war 21 Mal in Hessen – aber nicht ein einziges Mal in Bremen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und dem Saarland.
Das BMI gab vor Gericht nur 33 Dienstreisen heraus
Um an die zuvor genannten Informationen zu gelangen, mussten wir gerichtlich gegen das BMI vorgehen. Wir stellten deshalb einen Antrag auf einstweilige Anordnung(Eilantrag) beim Berliner Verwaltungsgericht. Das BMI nahm zu dem Antrag vor Gericht Stellung und händigte uns darin eine Liste mit insgesamt 33 Dienstreisen aus – genau hieß es: „Die Antragsgegnerin übermittelt in Anlage 2 eine Liste von Dienstreisen der Ministerin, soweit nicht Sicherheitsaspekte einer Auskunft entgegenstehen. Sie hält damit das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin für erledigt.”
Weil das BMI unser Begehren für erledigt hielt, impliziert die Aussage, dass die Liste vollständig ist – abgesehen von Terminen, die aus Sicherheitsgründen nicht herausgegeben werden können. Doch die Liste war alles andere als vollständig, womit das BMI vor den Augen des Gerichts bzw. der zuständigen Richter eine falsche Aussage tätigte.
Nach einer kurzen Recherche in den sozialen Medien zeigte sich, dass es noch 16 weitere öffentliche Dienstreisen gab – die allesamt von der Innenministerin persönlich oder dem BMI auf Facebook, Twitter oder Instagram veröffentlicht wurden – demnach können ihrer Nennung wohl kaum Sicherheitsbedenken entgegenstehen. Es drängte sich vielmehr der Verdacht auf, dass man uns die Reisen zunächst aus anderen Gründen verheimlichen wollte. Etwa, weil von den 16 Dienstreisen, die uns das BMI vor Gericht verschwieg und später in einer weiteren Presseanfrage als dienstliche Termine bestätigte, 13 nach Hessen führten.
13 verheimlichte Hessen-Reisen – mit auffallendem SPD-Bezug
Einige der 13 verheimlichten Hessen-Reisen haben zudem auffallend starken SPD- bzw. Wahlkampf-Bezug.
Am 16. September 2022 besuchte Nancy Faeser zum Beispiel den Bundesstützpunkt des deutschen Schützenbundes in Wiesbaden – laut BMI eine Dienstreise. Der Besuch taucht auf der Seite des Landesverbandes der SPD Hessen aber unter dem Titel „Hessentag der Landesvorsitzenden Nancy Faeser” auf. Nicht einmal die SPD scheint diese Reise also als Dienstreise der Innenministerin, sondern als Parteireise anzusehen. Außerdem: Am selben Tag besuchte Faeser die Firmen Brita in Taunusstein und die Molkerei Schwälbchen in Bad Schwalbach – wie das Schwälbchen selbst stolz mitteilte: in Anwesenheit des Schwalbacher SPD-Bürgermeisters Markus Oberndörfer und des SPD-Landtagsabgeordneten Marius Weiß. Kein dienstlicher Termin, wie uns das BMI auf Anfrage bestätigte. Und dann traf Faeser auch noch den SPD-Oberbürgermeister von Wiesbaden, Gert-Uwe Mende.
Und es geht noch weiter: Auch Frau Faesers Besuch im Polizeioldtimer Museum in Marburg am Wochenende des 4. / 5. November 2022 wird von der SPD unter der Überschrift „Hessentag der Landesvorsitzenden Nancy Faeser” geführt. Alte Polizeiautos klingen erstmal nach der Zuständigkeit einer Innenministerin, doch Frau Faeser traf sich im Anschluss auch noch zu einer Diskussion mit der Juso-Landesvorsitzenden & stellvertretenden Vorsitzenden der SPD Marburg, Sophie Frühwald, und Marburger Genossen im Bürgerhaus Wehrda. Gleichzeitig war Frau Faeser an diesem Wochenende, am Hessentag, zu Besuch beim THW in Alsfeld – eine „dienstlicher Termin“. Was jedoch kein dienstlicher Termin war: Der angeschlossene Besuch der May Eyth-Schule gemeinsam mit der SPD Vogelsberg, dem Landrat Manfred Görig und MdB Felix Döring (beide SPD).
Es gibt noch viele weitere auffällige Dienstreisen der Innenministerin, die man an dieser Stelle nennen könnte. Sie alle ergeben ein recht eindeutiges Bild davon, dass unsere Bundesinnenministerin nicht erst seit gestern Wahlkampf in Hessen macht – vielmehr scheint es so, als hätte Frau Faeser ihr Amt für Wahlkampfauftritte genutzt, auf Kosten des Steuerzahlers.
Thorsten Frei, Erster parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, fordert Nancy Faeser auf, die Vorwürfe auszuräumen: „Frau Faeser sollte ihr Haus nicht in Misskredit bringen und muss unverzüglich den Verdacht ausräumen, staatliche Mittel für ihren persönlichen Wahlkampf zu missbrauchen. Es zeigt sich einmal mehr, dass es höchst gefährlich ist, sich ausgerechnet in dieser Zeit nicht auf ihre eigentliche Aufgabe zu konzentrieren. Angesichts der dramatischen Folgen des russischen Angriffskrieges, der hohen Flüchtlingszahlen und der angespannten Sicherheitslage in Deutschland haben die Bürger einen Anspruch auf eine Vollzeitministerin.“
Stefan Müller, Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag: „Frau Faeser ist offenbar schon länger keine Vollzeitministerin mehr: Seit Monaten macht sie Wahlkampf in Hessen und verliert unser Land dabei aus den Augen. Die Kommunen können die immer weiter steigende Migration nicht mehr bewältigen. Während Frau Faeser also munter in Hessen Wahlkampf macht, steht bis heute nicht fest, wann und wie ein Migrationsgipfel stattfinden soll. Als Teilzeitministerin wird Nancy Faeser zum Sicherheitsrisiko für Deutschland.“
Auf Anfrage, ob einzelne oder alle Dienstreisen nach Hessen der Vorbereitung des Wahlkampfs dienten, hieß es aus Faesers Ministerium: „Sämtliche Dienstreisen nimmt die Bundesinnenministerin im Rahmen ihres Amtes vor. Parteipolitische Termine sind keine Dienstreisen.“