von Dr. Eran Yardeni...
Jürgen Todenhöfers Kreuzzug zur Rehabilitation des politischen Islams gerät inzwschen in die Dämmerzone des menschlichen Verstands, d.h. in den Swingerclub des Relativismus, in dem Tatsachen und Interpretationen sowie Ursachen und Folgen durcheinander wirbeln.
Unter dem Titel „KAUM ‘MUSLIMISCHER’ TERRORISMUS IM WESTEN“ veröffentlichte der Moralapostel am 5. Oktober auf seiner Facebook-Seite den folgenden Text:
Liebe Freunde, 2013 gab es im gesamten Westen 230 vollendete und versuchte Terroranschläge. Nur 2 davon wurden von Muslimen begangen. In Boston und London. Im Vorjahr waren es 6 von 196. Die meisten der 230 Anschläge wurden, soweit eine Aufklärung möglich war, von Separatisten, Linksextremisten, Rechtsextremisten und extremistischen Protestanten in Nordirland begangen. Anschläge durch Muslime lagen auf dem letzten Platz. Das ergeben die neuesten Zahlen von ‘Global Terrorism Database’, einem von der US-Regierung offiziell geförderten Exzellenz-Zentrum. Eigentlich müssten diese Zahlen nicht von mir veröffentlicht werden, sondern von unseren Innenministern. Das wäre gut für den inneren Frieden unseres Landes. Aber unsere Innenpolitiker betätigen sich lieber als Katastrophen-Staubsauger. Man kann Gefahren auch herbeireden. Zur Erzeugung einer ‘Kultur der Angst’ vor unseren muslimischen Mitbürgern (...)
Diese Angstmacherei nennt Todenhöfer „Gehirnwäsche“, die zur Folge hat, dass „der schlimme Anti-Muslimismus in Deutschland schon heute viel stärker als der genauso schlimme Antisemitismus ist“.
Diese Verteidigungs- bzw. Anklageschrift – es hängt davon ab, wer das liest – ist aus vielen Gründen einfach skandalös.
Das erste Problem liegt in der ‘Global Terrorism Database’. Wer diese Database kennt, der müsste auch wissen, nach welchen Kategorien da Informationen gesucht werden können. Diese sind country, attack type, target type, weapon type, perpetrator, casualties, fatalities, injuries und regions – die konfessionelle Zugehörigkeit des Täters gehört nicht dazu.
Erst dann, wenn sich herausgestellt hat, welche Organisation hinter dem Terroranschlag steckt, kann man daraus etwas über die Konfession des Täters bzw. über die Rolle, die sie bei der Terroraktion gespielt hat, ableiten. Woher Todenhöfer weiß, dass nur zwei Terroranschläge von Muslimen begangen wurden, ist nicht ganz klar. Das ist aber nur das kleinere Übel. Das größere kommt jetzt.
Todenhöfer weist selbst darauf hin, dass seine Statistik sich nur auf die aufgeklärten Fälle bezieht, d.h. auf die Fälle, bei denen unter „perpetrator“ (Täter) nicht „unkown“ (unbekannt) steht. Diese aufgeklärten Fälle sind aber nicht sehr zahlreich. Schlimmer noch: Manchmal weiß die Database nicht, was sie eigentlich wissen müsste. Hier sind zwei Beispiele aus Israel und den USA.
Nach der Database wurde am 13.11.2013 in der nordisraelischen Stadt Afula einen Terroranschlag begangen, der einen israelischen Soldaten das Leben kostete. Der Database ist der Täter („perpetrator“) unbekannt. Dem israelischen Inlandsgeheimdienst ist die Identität des Täters aber wohl bekannt: Es geht um einen Palästinenser, 16 Jahre alt, aus der Nähe von Jenin. Er wurde nach der Tat vor Ort festgenommen – die Geschichte stand in jeder israelischen Zeitung. Nur die Database, auf welche sich Todenhöfer beruft, konnte dazu keine Information finden. Über wie viele andere Täter „im gesamten Westen“ uns die Database gar keine Information liefert, das können wir nicht wissen. Wie viele von ihnen Muslime, Juden oder Christen sind oder was sie motivierte, werden wir niemals erfahren.
Das zweite Beispiel ist ebenso übel. Am 19.4.2013 wurde in der amerikanischen Stadt Watertown einen Terroranschlag begangen. Ein Mann wurde getötet und zwei verletzt. Nach der Database ist der Täter „unknown“, unbekannt. Was war da eigentlich passiert? In diesem Fall musste man nicht lange recherchieren: Es ging damals um die Fahndung nach Dzhokhar and Tamerlan Tsarnaev, die Tatverdächtigen des Anschlags auf das Boston-Marathon. Im Rahmen der Fahndung wurde ein Polizist getötet und der Verdächtige Tamerlan Tsarnaev erschossen. Sein Bruder hat es zwar geschafft zu fliehen, wurde aber später festgenommen. Dieser Vorfall hat keinen Eingang in die Statistik von Todenhöfer gefunden.
Das dritte Problem stinkt zum Himmel: Was meint Todenhöfer mit dem Begriff „im gesamten Westen“? Im politischen Kontext ist der Westen kein geografischer Ort, sondern eher eine Idee. Dazu gehören auch Länder wie z.B Israel, die nicht im geografischen Westen liegen.
Ich habe mehrmals versucht, mit Hilfe der Suchmaschine der Database auf die Zahl 230 zu kommen, leider ohne Erfolg. Nach den Suchkriterien ist auch nicht ganz klar, wie Todenhöfer zwischen vollendeten und versuchten Terroranschlägen unterscheiden konnte. Das bleibt sein kleines Geheimnis.