von Thomas Heck...
Das Verteidigungsministerium plant die Einführung von weiblichen Dienstgraden noch in dieser Legislaturperiode. Die Fachfrauen im Bundestag sind skeptisch, in der Truppe rumort es, weil wenig fährt, fliegt, schwimmt oder schiesst. Die Auflösung der 2. KSK-Kompanie und die pauschalen Anfeindungen und Verdächtigungen liegen noch schwer im Magen. Und die Ministerin will sich noch nicht festlegen, wie so oft.
Denn AKK übt immer noch die Dienstgrade, kann bis heute einen Hauptmann oder Oberstleutnant nicht von einem Stabsgefreiten unterscheiden. Nichts fährt, schwimmt oder fliegt, aber DAS Thema soll jetzt angepackt werden. Damit künftig eine Frau Oberstleutnantin einem Hauptmann einen Einlauf verpassen kann. Die Truppe ist begeistert.
Frauen in der Bundeswehr: Kramp-Karrenbauer und die Oberstleutnantinnen
Beim vertraulichen Tischgespräch Anfang Juli im Bundesministerium der Verteidigung waren sich die Teilnehmer einig. Noch in dieser Legislaturperiode solle „die Anordnung des Bundespräsidenten über die Dienstgradbezeichnungen und die Uniform der Soldaten“ geändert werden. Ziel der Reform: die „Einführung weiblicher Dienstgradbezeichnungen“ in der Bundeswehr. Es soll beispielsweise nicht wie bisher „Frau Major“ heißen, sondern künftig „Frau Majorin“.
Auch einige Details wurden in der Runde schon fixiert. So soll „vor dem Inkrafttreten der Änderung ein Übergangszeitraum von etwa einem Jahr geschaffen werden, in dem die neuen Dienstgradbezeichnungen bereits genutzt werden können“. Einigkeit bestand auch darüber, „die Begriffe Hauptmann und Oberst nicht zu gendern“. Es soll also keine Hauptfrau und keine Oberstin geben, sehr wohl aber eine Feldwebelin oder Bootsfrau, eine Oberstleutnantin oder Brigadegeneralin.
Das Protokoll des Tischgesprächs wurde von Staatssekretär Gerd Hoofe, dem Abteilungsleiter für Personal, Generalleutnant Klaus von Heimendahl, sowie dem Leiter der Abteilung Führung Streitkräfte, Generalleutnant Kai Rohrschneider, abgesegnet. Der Abteilungsleiter Recht, Andreas Conradi, wurde in der Folge beauftragt, „einen konkreten Vorschlag zur Umsetzung“ auszuarbeiten. Auch ein Zeit- und Kommunikationsplan solle erstellt werden, heißt es weiter. In der kommenden Woche, am 15. September, schließlich soll Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer eine „Vorlage zur Entscheidung“ auf den Tisch bekommen.
Für die CDU-Vorsitzende ist das Thema durchaus heikel. Schon mehrfach gab es Vorstöße aus Reihen der Gleichstellungsbeauftragten der Bundeswehr oder der Personalwerbung, die Dienstgradbezeichnungen zu gendern. Zur Begründung hieß es, knapp 20 Jahre nach Öffnung sämtlicher militärischer Laufbahnen für Frauen sei es nun an der Zeit, die Gleichstellung männlicher und weiblicher Soldaten auch in dieser Form zum Ausdruck zu bringen. Außerdem erleichterten weibliche Dienstgrade und das damit verbundene Image von modernen Streitkräften die Rekrutierung von Frauen für die Truppe.
Doch selbst die bislang engagierteste Frauenförderin an der Spitze der Bundeswehr, die ehemalige Ministerin Ursula von der Leyen (CDU), packte das Thema nicht an. Grund: Ihre Berater erläuterten der Politikerin zuletzt vor zwei Jahren, dass alle bisherigen Befragungen innerhalb der Streitkräfte ein eindeutiges Ergebnis hatten: Die Mehrheit der Frauen in der Bundeswehr lehnte geschlechterspezifische Dienstgrade ab.
Auch jetzt regt sich Widerstand. Die Pläne der vertraulichen Runde blieben nämlich nicht vertraulich, sondern werden längst emotional diskutiert, ob im Flurfunk oder in den sozialen Medien. Und es gibt Briefe von Frauen aus den Streitkräften, gerichtet an das Ministerium und auch an die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD).
Darin wird dargelegt, dass weibliche Dienstgrade neue Unterschiede manifestieren würden. Den Anforderungen der Gleichstellung sei mit der vorangestellten Anrede „Frau“ Genüge getan. Genderdienstgrade seien eine von oben verordnete Zurschaustellung des Andersseins, die der Integration von Frauen mehr schade als nutze.
Eine moderne Armee zeichne sich außerdem nicht durch spezielle Anreden aus, sondern durch attraktive Arbeitsplätze. Solange die von Kramp-Karrenbauer angestoßene „Initiative Einsatzbereitschaft“ keine Ergebnisse zeige und es weiblichen wie männlichen Soldaten an Splitterschutzwesten, Kampfbekleidung und ausreichend Waffen mangele, seien Dienstgradbezeichnungen ein kaschierendes Feigenblatt.
Skepsis auch aus anderen Parteien
So ähnlich sehen das auch die Frauen im Verteidigungsausschuss des Bundestags. Es sei ihr „völlig egal“, ob es weibliche Dienstgradbezeichnungen gebe, sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, WELT: „Ich glaube aber, dass die Bundeswehr andere Sorgen hat.“
Die SPD-Verteidigungspolitikerin Siemtje Möller findet es „prinzipiell gut, sich über diskriminierungsfreie Sprache Gedanken zu machen. Wenn ich mit weiblichen Angehörigen der Bundeswehr spreche, dann klagen die allerdings nicht über einen nicht gegenderten Dienstgrad, sondern über fehlende Schutzwesten, zu wenig Stiefel oder leer gefegte Kleiderkammern, sodass sie keinen Fliegeranzug in ihrer Größe haben.“ Die realen Probleme der Truppe lägen also beim Material: „Ein gegenderter Dienstgrad ist ,nice to have‘, behebt aber die Mängel in der Ausrüstung gerade für Frauen nicht“, so Möller.
Es ist nun an Kramp-Karrenbauer, über die Vorlage zu entscheiden. Noch will sie sich nicht festlegen. Die Gleichstellung von Frauen und Männern sei „durchgängiges Leitprinzip im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung“, teilte eine Sprecherin auf WELT-Anfrage mit, die sprachliche Gleichbehandlung dabei „eine von vielen Fragestellungen“. Die Ministerin aber sei „mit Vorhaben zu diesem speziellen Punkt“ bislang nicht befasst gewesen.
Ohnehin sei die Debatte nur relevant für ruhige Zeiten. Im Gefecht, unter höchstem Druck und Lebensgefahr, habe niemand Zeit für Dienstgrade. Und auch das „Gesetz zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr“ führe aus, dass Genderregelungen „im Spannungs- und Verteidigungsfall nicht anwendbar“ seien.