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Mittwoch, 22. Februar 2023

Munition: Die hohe Kunst der Logistik...

von Thomas Heck...

Deutschland hat die nationale Verteidigung seit Jahren extrem vernachlässigt. Die Befähigungslücken sind so klaffend, dass man sich fragen muss, was haben die mit den unzähligen Milliarden Euros angestellt, dass wenig substanzielles vorhanden ist? Denn Verteidigungsfähigkeit ist nicht ausschließlich die Bereitstellung moderner Waffensysteme, an denen es im Westen weiß Gott nicht fehlt, wie die Erfahrungen im Ukraine-Krieg gezeigt haben. Denn Russland fürchtet sehr wohl die direkte Konfrontation mit westlichen Kampf- und Schützenpanzern, die sich bislang in allen Konflikten weltweit den russischen Modellen als überlegen erwiesen haben.

Nein, es sind Fragen der Logistik, die schon immer kriegsentscheidend waren. Deutschland hat den 2. Weltkrieg (Gottseidank) nicht verloren, weil seine Waffensystem nicht überlegen waren, denn das waren sie, sondern weil Deutschland in Sachen Massenproduktion und vor allem Logistik unterlagen war. Und das trotz Umstellung der Wirtschaft auf eine Kriegswirtschaft.

Nun sind wir davon sicher noch weit entfernt, müssen aber realisieren, dass Kriege in Europa wieder wahrscheinlicher geworden sind. Und dies hat Auswirkungen auf logistische Anforderungen. In der Ukraine verschiesst die Artillerie die Munition schneller, als sie geliefert werden kann.

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 war für einen großen Teil der Welt, nicht zuletzt für Westeuropa, ein Weckruf und die Erkenntnis, dass ein hochintensiver Krieg in Europa weniger unwahrscheinlich ist, als man bisher angenommen hatte. Diese Erkenntnis hat zu einem intensiven Nachdenken über die Finanzierung von Streitkräften und die militärische Einsatzbereitschaft geführt. Ein erheblicher Teil dieser Diskussion galt der Logistik. Konkret der Munitionsproduktion und -versorgung im Krieg, worauf auch dieser Beitrag eingehen. Dabei gilt zu bedenken, dass die im Beitrag aufgeführten Argumente auch auf allen anderen Versorgungsgüter – von Ersatzteilen für Gefechtsfahrzeuge bis zum Toilettenpapier für die Truppe – übertragbar sind, auch wenn sich der vorliegende Artikel auf die Thematik der Munitionslogistik konzentriert.

"Game"-Changer HIMARS


Ein Großteil der vergangenen und aktuellen Diskussionen über die Munitionslogistik beschränkt sich auf Lagerbestände. Häufig anzutreffende Fragen sind: Wie viel von welcher Art von Munition benötigen die NATO und die Staaten, um für einen möglichen Krieg in Europa gerüstet zu sein? Und wie sieht es mit der Versorgungssicherheit aus, d.h. wie kann diese Munition unter Berücksichtigung der europäischen (und weltweiten) Kapazitäten der Verteidigungsindustrie und der Lagerbestände der verbündeten Staaten nachbeschafft werden?

Zur Beantwortung dieser Fragen spielen drei Faktoren eine wesentliche Rolle: Die vorhandenen Bestände (wie viel haben wir derzeit auf Lager), die erwartete Verbrauchsrate im Kriegsfall (wie viel brauchen wir pro Tag/Woche/Monat) und in welchem Tempo können wir mit Nachschub aus der Industrie oder von verbündeten Nationen rechnen?

Wie in einem vorhergehenden Artikel („Munitionsproduktion für Handwaffen im postnuklearen Zeitalter“ von Scott E. Willason und Thomas L. Nielsen, veröffentlicht im Wehrtechnischen Report Soldat & Technik 2023) dargelegt, haben viele Nationen nach dem Ende des Kalten Krieges die nationale Munitionsproduktion aufgegeben, da der erheblich geringere Bedarf an Munition eine nationale Produktion als unwirtschaftlich erscheinen ließ. Der „Trickle-Down“-Effekt für die europäische Munitionsindustrie war ein Mangel an Entwicklung, Erweiterung und Aufrechterhaltung von Fähigkeiten aufgrund des reduzierten Kundenstamms (zum Teil auch aufgrund relativ restriktiver europäischer Exportkontrollgesetze, die den Export beschränkten). Wenn die europäische Munitionsproduktion nicht wiederbelebt wird, und zwar sowohl in Bezug auf die Kapazitäten als auch auf die Fähigkeiten, wird dies den dritten oben genannten Faktor (Nachschub aus der Industrie) ernsthaft beeinträchtigen. Gleichzeitig und aus denselben Gründen wird die Versorgung durch verbündete Staaten immer unwahrscheinlicher, insbesondere im Falle eines größeren Krieges, da die genannten verbündeten Staaten a) ihre nationalen Bestände ebenfalls reduziert haben und b) diese Bestände nun selbst dringend benötigen. Damit gewinnt die Frage nach dem aktuellen Umfang und dem künftigen Bedarf an nationalen Beständen an Bedeutung.

Die NATO selbst hat sich bereits seit Jahren vor der Invasion in der Ukraine darum bemüht, die Frage der Lagerbestände durch die Arbeit ihres „Stockpile Planning Committee“ (SPC) in einen formelleren Rahmen zu stellen. Das SPC hat sich um die Formalisierung und Harmonisierung der Versorgungs- und Vorratsplanung bemüht, um zumindest ein gewisses Maß an Übereinstimmung in der Frage zu erzielen, wie zu bestimmen ist, was eine „ausreichende“ Vorratsmenge ist, wie diese Menge aussieht und wie sie am besten erreicht werden kann.

Die Höhe der Lagerbestände ist zwar ein wesentlicher Bestandteil jeglicher Diskussionen und Planungen im Bereich der Munitionslogistik, aber sie ist nicht das A und O. Man könnte sogar argumentieren, wie es in diesem Artikel getan wird, dass die oben genannten Fragen der Lagerbestände und der Versorgungssicherheit die letzten Fragen sind, die wir stellen müssen, so wichtig sie auch sind.

Das Argument ist, dass ein Großteil der vergangenen und aktuellen logistischen Planung das Thema sozusagen „vom falschen Ende her“ betrachtet hat. Wir sollten dort ansetzen, wo die Munition gebraucht wird: An der Front.

Die Front

Es dürfte niemanden überraschen, dass an der vordersten Front Munition für Artillerie, Infanterie, Panzer, Flugabwehr und eine Vielzahl anderer Waffensysteme benötigt wird. Die Erfahrungen aus dem Krieg in der Ukraine haben die Bedeutung der Rohr- und Raketenartillerie noch einmal deutlich gemacht, so dass wir sie im Folgenden als Beispiel heranziehen werden.

Aus ukrainischen Daten geht hervor, dass der Verbrauch von Rohrartilleriemunition während schwerer, schneller Kämpfe bei etwa 300-400 Schuss pro Rohr und Tag lag.

Im Gegensatz dazu enthält der alte US-amerikanische Vorschrift FM 101-10-1/2 „STAFF OFFICERS‘ FIELD MANUAL; ORGANIZATIONAL, TECHNICAL, AND LOGISTICAL DATA PLANNING FACTORS“ andere Planungsdaten für Munitionsmengen, wobei zu betonen ist, dass dieses Feldhandbuch von den US-Streitkräften nicht mehr für die Logistikplanung verwendet wird. Abgesehen davon enthält die Tabelle P-16 des Handbuchs Munitionsmengen pro Waffe (Plattform) und Tag für Planungszwecke. Für die 155-mm-Haubitze M109, die Teil einer mechanisierten Division ist, beträgt die Basismenge in der Operationsart Verteidigung 203 Schuss pro Haubitze für den ersten Kampftag und 207 Schuss pro Tag für die darauffolgenden Tage.

Obwohl die US-Mengen niedriger sind als die in der Ukraine beobachteten, sollte berücksichtigt werden, dass die sowjetische (und vermutlich auch die heutige russische und ukrainische) Militärdoktrin extrem „artillerielastig“ war und ist. In der sowjetischen Doktrin war die Artillerie das wichtigste Mittel zur Vernichtung des Feindes, wobei Infanterie und Panzer die Artillerie bei dieser Aufgabe unterstützten, indem sie feindliche Einheiten angriffen und „festsetzten“, so dass sie von der Raketen- und Rohrartillerie angegriffen und zerstört werden konnten. Dies ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil der westlichen/NATO-Doktrin, bei der die Artillerie zur Unterstützung von Infanterie und Panzern eingesetzt wird, während letztere den Feind bekämpfen und vernichten. Naturgemäß wird die sowjetische/russische/ukrainische Doktrin daher zu einem höheren Verbrauch an Artilleriemunition führen.

Die hier vorgelegten Zahlen sollten daher nur als Mittel zur Veranschaulichung der in diesem Artikel dargelegten Punkte betrachtet werden – nicht als realistischer Versuch, den tatsächlichen Verbrauch oder den Bedarf an Lagerbeständen zu berechnen oder vorherzusagen. Auch wenn westliche/NATO-Waffensysteme ihren russischen Pendants in Bezug auf Reichweite, Genauigkeit und Wirkung im Allgemeinen qualitativ überlegen sind, kann davon ausgegangen werden, dass die von einer westlichen/NATO-Streitmacht nicht verbrauchte Artilleriemunition trotzdem verbraucht wird, nur in Form einer anderen Munitionsart (Flugzeugbomben, Panzergeschosse oder andere), so dass der logistische Aufwand mehr oder weniger gleich bleibt.

Außerdem beziehen sich die Zahlen aus dem Ukraine-Krieg speziell auf schwere und hochintensive Gefechte, was nicht jeden Tag und an jedem Frontabschnitt der Fall sein wird.

Nebenbei bemerkt und als zweiter Kontrapunkt zeigen die Erfahrungen der USA mit den Munitionsverbräuchen während der Operationen „Desert Storm“ und „Iraqi Freedom“, dass die Munitionsverbräuche deutlich unter dem liegen, was gemäß FM 101-10-1/2 vorgesehen war (dies ist einer der Gründe, warum der FM nicht mehr für die logistische Planung verwendet wird).

Aber selbst unter Berücksichtigung dieser Vorbehalte hat der Krieg in der Ukraine zwischen zwei nahezu gleichwertigen Gegnern deutlich gezeigt, dass erhebliche Mengen an Munition benötigt werden. Und diese Munition muss irgendwoher kommen.

Die dänische Regierung hat beschlossen, die erst im Zulauf befindlichen 8×8-Radhaubitzen vom Typ CAESAR nicht weiter wie geplant in die dänischen Streitkräfte einzuführen, sondern alle bereits ausgelieferten und noch anstehenden Systeme an die Ukraine zu spenden. 


Am Beispiel eines der kleineren NATO-Staaten hat Dänemark vor wenigen Jahren 19 CAESAR-Haubitzen des französischen Rüstungskonzerns Nexter erworben, die mittlerweile alle an die Ukraine verschenkt wurden. Wenn wir den niedrigeren Verbrauchswert der Ukraine zugrunde legen, benötigt jede Haubitze bei schweren Kämpfen 300 Schuss pro Tag, was insgesamt 5.700 Schuss Artilleriemunition (Granaten, Treibladungen, Zünder und Zündmittel) pro Tag ausmacht. Wiederholen wir das einfach: Fünftausendsiebenhundert vollständige Schüsse. Pro Tag. Und das ist nur die Berechnung für eine der kleineren NATO-Nationen.

Frontnahe Munitionsversorgung

Die Versorgung der Front mit Munition erfolgt in der Regel von temporären oder semi-permanenten Versorgungspunkten im rückwärtigen Bereich, oder einer Reihe von ihnen. Wie die Erfahrungen in der Ukraine gezeigt haben, müssen diese nahe genug an der Frontlinie liegen, um die dortigen Waffensysteme und Soldaten zuverlässig und rechtzeitig versorgen zu können, gleichzeitig aber weit genug von der Frontlinie entfernt sein, um hoffentlich nicht für den Großteil der feindlichen Waffensysteme erreichbar zu sein.

Diese Situation deutet auch stark darauf hin, dass der Transport der Munition von diesen rückwärtigen Versorgungspunkten zu den Waffensystemen, die sie benötigen, zumindest teilweise Gebiete durchqueren muss, die in Reichweite feindlicher Waffen liegen, sowohl unter direktem als auch indirektem Beschuss. Dies kann nicht nur eine unmittelbare Gefahr für die Transporte selbst darstellen, sondern auch bedeuten, dass ein Großteil der Infrastruktur in diesem Gebiet teilweise oder vollständig zerstört wurde. Dies bedeutet auch, dass die Transportmittel geschützt (gepanzert) und geländegängig sein müssen.

Wechselladersysteme wie der MULTI erleichtern die frontnahe Munitionsversorgung. 


Eine schnelle Überschlagsrechnung zeigt, dass ein geschützter geländegängiger Lkw mit einer Kapazität von 15 t ca. 225 komplette Geschosse für 155-mm-Haubitzen (Granaten, Treibladungen, Zünder und Zündkapseln) transportieren kann. Um beim Beispiel der dänischen Artillerie zu bleiben, bedeutet dies, dass wir bei schweren Kämpfen 25 LKW-Ladungen Artilleriemunition pro Tag benötigen. Verfügt die Nation(en) über diese Transportkapazität und -fähigkeit, die ausschließlich der Artillerie zur Verfügung stehen? Wenn nicht, ist es zumindest für den akuten Gefechtstag unerheblich, wie viel Munition in den nationalen Lagerbeständen vorhanden ist.

Nachschub für die rückwärtigen Versorgungspunkte

Damit die rückwärtigen Versorgungspunkte die an der Front kämpfende Truppe mit je 20 LKW-Ladungen Rohrartilleriemunition pro Tag versorgen können, muss diese Munition natürlich dort vorhanden sein. Das bedeutet, dass die erforderlichen Munitionsmengen zu den rückwärtigen Versorgungspunkten transportiert werden müssen, in der Regel aus nationalen Lagereinrichtungen und Depots.

Der Transport der Munition aus den nationalen Lagern zu dem/den rückwärtigen Versorgungspunkt(en) wird in den meisten Fällen mit „nichtmilitärischen“ Transportmitteln durchgeführt, d. h. selbst wenn die Transporte von den Streitkräften durchgeführt werden, werden die eigentlichen Transportmittel höchstwahrscheinlich zivile Lastwagen oder Züge und bei größeren Mengen über längere Entfernungen auch Containerschiffe sein. In vielen Situationen wird dieser Teil des logistischen Transports außerhalb der Reichweite feindlicher Waffen stattfinden. Dennoch kann er durch feindliche Luftangriffe oder – beim Seetransport – durch feindliche Kriegsschiffe, einschließlich U-Boote, gefährdet werden. In den letzten beiden großen Kriegen in Europa erforderte der Versuch, feindliche Lieferungen während des Seetransports (über den Atlantik oder den Ärmelkanal) abzufangen und zu verhindern, dass sie abgefangen werden, erhebliche Anstrengungen auf allen Seiten des Konflikts (im Zweiten Weltkrieg gingen beispielsweise 3.500 alliierte Handelsschiffe, 175 alliierte Kriegsschiffe, 783 deutsche U-Boote und 47 deutsche Kriegsschiffe direkt oder indirekt durch diese Anstrengungen verloren).

Obwohl sich die heutige Kriegsführung in vielerlei Hinsicht von der des Zweiten Weltkriegs unterscheidet, insbesondere im Hinblick auf die Verbreitung von Präzisionswaffen mit großer Reichweite, können dennoch einige Parallelen gezogen werden, einschließlich der Frage, ob die oben genannten Transporte von den nationalen Lagern zu den Nachschubstellen im rückwärtigen Bereich eskortiert werden müssen, sei es auf See, in der Luft oder an Land.

Wie bereits erwähnt, ist es unerheblich, wie viel Munition in den nationalen Beständen vorhanden ist, wenn die betreffende(n) Nation(en) nicht über die Fähigkeit und Kapazität verfügt (verfügen), die Versorgung der Versorgungspunkte im rückwärtigen Bereich aus den nationalen Lagern aufrechtzuerhalten, gegebenenfalls einschließlich der Fähigkeit und Kapazität, diese Versorgungstransporte zu eskortieren.

Für den Transport vom Depot an die Versorgungspunkte im rückwertigen Raum des Kampfgebietes ist oftmals der Rückgriff auf zivile Transportkapazitäten notwendig. 


Um beim Beispiel Dänemarks zu bleiben: Die dänische Marine verfügt derzeit nur über ein einziges spezielles Transportschiff, die HDMS Sleipner (benannt nach dem achtbeinigen Pferd des nordischen Gottes Odin). Die Sleipner hat eine Ladekapazität von 150 Tonnen. Eine grobe Berechnung zeigt, dass dies etwa 2.300 kompletten 155-mm-Artilleriegeschossen entspricht (wenn diese in den Frachtraum der Sleipner passen würden, was nicht bekannt ist). Wie unsere obigen Berechnungen zeigen, entspricht dies etwa 40 Prozent des geschätzten Tagesbedarfs an 155-mm-Munition! Die HDMS Absalon und Esbern Snare, die ursprünglich als „Flexible Support Ships“ in Dienst gestellt wurden, verfügen zweifellos über eine größere Ladekapazität sowie über Selbstverteidigungsfähigkeiten, doch wurden beide Schiffe im Jahr 2020 zu U-Boot-Fregatten umklassifiziert, und es ist höchst unwahrscheinlich, dass die dänische Marine eines oder beide dieser Schiffe von der U-Boot-Jagd abziehen würde, um sie als Transportschiffe einzusetzen. Die dänische Marine und andere haben natürlich die Möglichkeit, zusätzliche Transportkapazitäten von zivilen Schifffahrtsunternehmen zu mieten, und in vielen Fällen bestehen bereits Vereinbarungen für diesen Fall, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Kapazitäten für diese Transporte vorhanden sein müssen, einschließlich der Kapazität, sie bei Bedarf zu eskortieren.

Der Platzbedarf

Nachdem wir nun die logistische Kette von der Front zurückverfolgt haben, befinden wir uns wieder zu Hause, bei den nationalen Lagereinrichtungen, sofern diese überhaupt existieren.

Im Rahmen des allgemeinen Truppenabbaus am Ende des Kalten Krieges haben viele Staaten ihre nationalen Munitionsbestände erheblich reduziert, entweder durch Demilitarisierung und Entsorgung oder durch Verwendung für Ausbildungszwecke. Infolgedessen standen viele Lagereinrichtungen leer, und um keine Haushaltsmittel für die Instandhaltung leerer Strukturen auszugeben, wurden viele dieser Einrichtungen stillgelegt. Im konkreten Fall der Munitionslager bedeutete dies auch, dass die um die Lager herum eingerichteten Sicherheitszonen, in denen das Bauen verboten war, um Mindestabstände zu den Munitionslagern einzuhalten, für die Bebauung geöffnet wurden und neue zivile Gebäude entstanden.

Das bedeutet, dass in vielen Fällen, selbst wenn die Infrastruktur des Lagers (Bunker, Bürogebäude, Straßen usw.) noch in brauchbarem Zustand vorhanden ist, es nicht einfach als Munitionslager wieder in Betrieb genommen werden kann, da die zivile Infrastruktur im Laufe der Jahre zugewachsen ist und die Sicherheitsabstände zur zivilen Infrastruktur folglich nicht eingehalten werden können.

Um ausreichend Munition lagern zu können (was natürlich stark von der Definition des Begriffs „ausreichend“ abhängt), müssen daher mit ziemlicher Sicherheit neue nationale Lagereinrichtungen mehr oder weniger von Grund auf gebaut werden.

In der „guten alten Zeit“ wurde als Richtwert für die Vorräte regelmäßig ein Vorrat von 30 Tagen genannt. Am Beispiel Dänemarks haben wir oben errechnet, dass für schwere Kämpfe etwa 5.700 Schuss Rohrartilleriemunition pro Tag benötigt würden. Wie bereits erwähnt, wird nicht jeder der 30 Tage ein „hochintensiver Kampf“ sein, aber dies sollte dennoch berücksichtigt werden.

Nehmen wir als Rechenbeispiel an, dass von den oben genannten 30 Tagen 10 Tage mit schweren Kampfhandlungen verbunden sind und für die restlichen 20 Tage nur 10 Prozent (570 Schuss pro Tag) der „schweren Kampftage“ benötigt werden, so ergibt sich für 30 Tage ein Gesamtbedarf an Artilleriemunition (Granaten, Treibladungen, Zünder und Zündhütchen) von 68.400 Schuss.

In einem Munitionslagerhaus der Bundeswehr werden die Artilleriegeschosse vor dem Weitertransport sicher gelagert. Insgesamt passen in so ein geschütztes Lagerhaus über 300 Geschosse mit einer Gesamtmasse von über 240 Tonnen.


Eine weitere grobe Berechnung ergibt, dass dafür etwa 2.000 m² Lagerfläche benötigt werden; dabei ist der Sicherheitsbereich um das Depot noch nicht berücksichtigt, in dem für hochexplosive Munition leicht ein Radius von 600 bis 1.000 m oder mehr erforderlich sein könnte.

Sind die Kapazitäten auf nationaler Ebene vorhanden, um die erforderlichen Munitionsmengen zu lagern? Und wenn nicht, wie schnell und zu welchen Kosten kann sie entwickelt werden?

Selbst wenn eine kleine NATO-Nation wie Dänemark die Mittel aufbrächte, um 68.400 komplette Schuss 155-mm-Artilleriemunition in Auftrag zu geben, würde dies nicht viel nützen, wenn keine Munitionslager zur Verfügung stünden, die diese Munition aufnehmen könnten. Und wir haben an dieser Stelle noch gar nicht über die Ressourcen gesprochen, die für die Wartung der Munition, die regelmäßige Entnahme von Proben der Treibladungen zur Überprüfung der Alterung, das Röntgen von Proben der HE-Granaten zur Überprüfung auf Risse und Hohlräume im Sprengstoff oder die Durchführung regelmäßiger Testschüsse erforderlich sind.

Schlussfolgerung

Um auf den ersten Absatz zurückzukommen: Bei den gegenwärtigen Diskussionen in der NATO und in den Staaten über die militärische Einsatzbereitschaft und die militärischen Fähigkeiten geht es bei der Erörterung von Munition in erster Linie um Lagerbestände und erforderliche Mengen. In diesem Artikel wird darauf hingewiesen, dass Diskussionen und Berechnungen von Munitionsmengen und Lagerbeständen durchaus relevant sind, aber sie müssen von einer Planung begleitet werden, die sicherstellt, dass die NATO und die Staaten auch über folgende Voraussetzungen verfügen:die erforderlichen Kapazitäten zur Lagerung der Munition auf nationaler Ebene die erforderlichen Kapazitäten für den Transport der Munition von den nationalen Lagern zu den Versorgungspunkten in den rückwärtigen Kampfgebieten die erforderlichen Kapazitäten für den Transport der Munition von den rückwärtigen Versorgungspunkten zu den Soldaten und Waffensystemen, die sie benötigen.

Dienstag, 10. Januar 2023

Darf's noch ein bisschen mehr sein?

von Mirjam Lübke...

"Hey, Marie-Agnes, als ihr die alten Marder-Panzer abgestaubt habt, lagen da zufällig noch ein paar gebrauchte U-Boote und Kampfjets in der Ecke? Wir nehmen auch B-Ware, unsere Ansprüche sind nicht so hoch." Nein, das hat Herr Melnyk natürlich nicht zu Frau Strack-Zimmermann gesagt, als sie wieder einmal ein gemütliches Plauderstündchen bei einer Tasse Tee eingelegt haben. Denn die Ukraine hat recht genaue Vorstellungen davon, was sie von Deutschland haben will, vor allem, seitdem Kanzler Scholz in der Panzerfrage weichgeklopft wurde. Nun gut, zunächst einmal handelt es sich um Altbestände, die nun geliefert werden sollen, denn der Marder ist der Veteran unter den deutschen Nachkriegspanzern. Aber wer weiß, was der nächste Schritt sein wird? Dann doch der Leopard? Wäre ich Bundeswehroffizier, würde ich längst nachts ins Kissen weinen - oder mir einen Plan austüfteln, wie ich der Ampelkoalition ebenfalls eine Lieferung des begehrten Kampfgeräts abringen könnte.


Als Privatperson allerdings wäre es mir lieber, einen objektiven Lagebericht aus der Ukraine zu bekommen. In meiner Vorstellung wird das Land von Tag zu Tag größer, denn die russischen Truppen werden in der Darstellung von Tagesschau & Co. seit Wochen erfolgreich zurückgeschlagen, sie müssten sich meiner Einschätzung nach längst östlich des Urals befinden. Zumal Putin offenbar Mühe hat, Kämpfernachschub für seine Sache zu rekrutieren. Ganz egal, wie man zu der Schuldfrage im Ukraine-Krieg steht, es gestaltet sich alles sehr undurchsichtig. Das Vertrauen in die Berichterstattung ist verloren, denn vieles passt nicht zusammen. Die Propagandaschlacht tobt auf beiden Seiten, während gleichzeitig auch von Kriegsverbrechen beider Parteien die Rede ist. Jedes Mal, wenn die Russen aus einem Gebiet abgezogen und Tote in der Zivilbevölkerung zu beklagen sind, startet die "Wer war es?"-Diskussion. Massaker oder Racheakt der ukrainischen Truppen? Hinzu kommt die schwankende Drohkulisse: Steht Putin schon morgen unter dem Brandenburger Tor oder ist seine Armee schon mit den ukrainischen Truppen komplett überfordert? Die widersprüchlichen Medienmeldungen lassen beide Schlüsse zu. Für den Normalbürger ist es fast unmöglich, sich ein objektives Bild des Geschehens zu machen, bei mir sagt lediglich der Bauch: "Hier stimmt etwas nicht!"

Die Ampel-Regierung verfügt sicherlich über genauere Informationen als wir, trotzdem sollten gerade diese Unklarheiten zu Zurückhaltung führen. Aber bekanntlich lässt sich die Bundesregierung auf stets neue Zugeständnisse jenseits von humanitärer Hilfe ein. Dies nur auf den äußeren Druck durch den großen Bruder USA zurückzuführen, scheint mir zu kurz zu greifen, denn als Deutschland unter Kanzler Schröder die Gefolgschaft im Irak-Krieg verweigerte, hatte das außer einer Abkühlung der "Freundschaft" keinerlei weitreichende Konsequenzen für unser Land, sogar die New Yorker ließen sich trotz Handelskrieg den deutschen Riesling weiter schmecken. Betrachtet man Deutschlands Abstimmungsverhalten gegenüber Israel in der UN, so dürfte auch dieses nicht im Sinne der USA liegen, sondern vielmehr dem Erhalt der Wirtschaftsbeziehungen mit der arabischen Welt geschuldet sein. Mit dieser wollte es sich die deutsche Industrie schon zu Adenauers Zeiten nicht verscherzen.

Auch wenn deutsche Regierungen also nicht so frei vom Einfluss der USA in ihren Entscheidungen sind, wie sie es sein sollten: Es geht in der Ukraine-Frage wieder einmal darum, der Weltgemeinschaft gefallen zu wollen und "das Richtige" zu tun. Während Russland droht, weiß die ukrainische Führung sehr gut, welche Knöpfe bei den Deutschen zu drücken sind, um sich deren Unterstützung zu sichern. Das Dilemma dabei: Während einige ukrainische Gruppen sich gern an die Zusammenarbeit mit Deutschland im zweiten Weltkrieg erinnern - auch Andrij Melnyk ist bekanntlich ein Anhänger Stepan Banderas - will man diese Zeit gleichzeitig als Druckmittel einsetzen: "Wer jetzt Russland unterstützt, hätte auch Nazi-Deutschland unterstützt", stand in einem ukrainischen Meme am gestrigen Tag. Man könnte es auch böse formulieren: Um nicht zu sein wie Hitler, soll Deutschland das gleiche Bündnis eingehen wie er, im zweiten Durchlauf passt es dann moralisch. Gepaart mit den Forderungen nach immer mehr Waffen sollte das eigentlich ein Signal sein, schon aus gesunder Sturheit auf Vorsicht und Mäßigung zu drängen, aber stattdessen schaltet die Ampel wunschgemäß in den Gebermodus.
 
Stolz verweist man dabei immer wieder auf die neu errungene wirtschaftliche Unabhängigkeit von Russland, die uns bekanntlich allerdings erhebliche Mehrkosten bei der Gasversorgung beschert und in neue Abhängigkeiten geführt hat, bei denen ebenfalls nicht immer deutlich wird, worin wenigstens der moralische Vorteil liegen soll. Auch aus Russland wird weiterhin Gas bezogen, nur eben in flüssiger Form und mehrfach teurer - das erinnert ein wenig daran, dass Grüne an Greenpeace spenden, wenn sie in den Urlaub fliegen, der Ablass beruhigt das Gewissen. Einzig Rheinmetall dürfte sich über finanzielle Profite freuen und schafft darüber hinaus noch Platz in den Lagerhallen für Neues. Zwei Fliegen mit einer Klappe.
 
Man wünscht sich angesichts dieser Irrwege dringend mehr Pragmatismus zurück und weniger wohlfeile Feindbilder. Das Gut-Böse-Schema taugt in diesem Falle nichts, da keine beteiligte Partei als unschuldiges Opferlamm taugt. Warum sollte also ausgerechnet Deutschland in einem Spiel, in jeder seine eigenen Interessen verfolgt, seinen Retterkomplex ausleben und sich damit selbst in Gefahr bringen? Mit der Lieferung schweren Kriegsgeräts erklären wir uns selbst zur Kriegspartei. Selbst wenn es eher unwahrscheinlich ist, dass Russland deshalb auch hier einmarschiert, heizt dies den Konflikt weiter an. Ein Konflikt, in dem wir im übrigen recht wehrlos dastehen, sollte Putin es sich wider alle Vernunft doch überlegen, es Deutschland heimzuzahlen. Zum Glück müsste er dazu erst an den besser ausgerüsteten Armeen unserer Nachbarländer vorbei, und das mit jetzt schon erschöpften eigenen Streitkräften. Denn nur wenige Länder sind so dumm, erst die Armee eines anderen Staates aufzurüsten, bevor sie sich um die eigene kümmern.
 
Ist das der neue deutsche Pazifismus? Das grüne Wahlversprechen "Keine Waffen in Krisengebiete!" ist längst vergessen - und damit den Weg der meisten Wahlversprechen gegangen. Wir erinnern uns auch an die Empörung, als Ex-Präsident Trump forderte, Deutschland müsse mehr in seinen Verteidigungshaushalt investieren. Stattdessen lassen wir jetzt kämpfen, denn das scheint moralisch hochwertiger zu sein. Auf den ersten Blick ist es auch mit weniger Risiko verbunden - führt aber dennoch dazu, dass wir wirtschaftlich weiter in den Abgrund rutschen. Man könnte fast glauben, den Verantwortlichen sei das egal.



Freitag, 6. Januar 2023

Schützenpanzer Marder

von Thomas Heck...
Der Schützenpanzer Marder wird nun doch endlich an die Ukraine geliefert. Das peinliche Zaudern Bundeskanzler Scholz hat nun endlich ein Ende gefunden, obwohl es Scholz wohl offensichtlich lieber gewesen wäre, Russland hätte diesen lästigen Krieg schnell gewonnen. Dennoch eine gute Gelegenheit, auf eine bewährtes Waffensystem zu schauen, welches nunmehr seit 50 Jahren in der Truppe ist und noch weiter seinen Dienst tun wird. Zum Thema Lieferung von Leopard-Kampfpanzer ein Gedanke: Der Marder braucht den Leopard, wie der Leopard den Marder braucht. Für das Gefecht der verbundenen Waffen...



Schützenpanzer Marder

Der Marder feiert in 2021 sein 50-jähriges

Einsatzbewährtes Waffensystem der Panzergrenadiere

Hohe taktische Mobilität, eindrucksvolle Feuerkraft und die Möglichkeit des schnellen und sicheren Truppentransports in hochgefährliche Einsatzgebiete machen den Schützenpanzer Marder zu einem herausragenden Waffensystem.

Seine SPz-Konstruktion ist praxiserprobt: der Motorraum liegt vorn, der Geschützturm ist im vorderen Teil des Fahrzeugs integriert, der Mannschaftsraum im Heck mit einer großen Heckrampe für schnelles Auf- und Absitzen. Wartungsfreundlich, ist der Marder speziell für leichte Handhabung und maximale Zuverlässigkeit konzipiert. Rheinmetall bietet zahlreiche Upgrade-Möglichkeiten zur Verbesserung des Schutzniveaus, zur Steigerung der Feuerkraft bis zu umfangreichen Aufklärungsmitteln.

Übergabe des ersten Serienfahrzeugs an die Truppe am 7. Mai 1971 bei MaK in Kiel. Die Fahrzeuge besaßen noch keine Kettenschürzen. Quelle: MaK

Übergabe des ersten Serienfahrzeugs an die Truppe am 7. Mai 1971 bei MaK in Kiel. Die Fahrzeuge besaßen noch keine Kettenschürzen. Quelle: MaK

Am 7. Mai 1971 wurden die ersten Serienfahrzeuge des Schützenpanzers Marder offiziell an die Truppe übergeben. Dies geschah mit zeitgleichen Zeremonien in Kassel und Kiel – den Sitzen der Herstellerfirmen Thyssen-Henschel und Krupp MaK, seit 1999 bzw. 2001 zu Rheinmetall gehörig. Bei der Konzeption des Schützenpanzers ging man seinerzeit davon aus, dass der Marder im Verbund mit dem Kampfpanzer Leopard1 im Heer einen entscheidenden Beitrag zur Landesverteidigung leisten würde. Der reale Ablauf der Geschichte sollte aber noch ganz andere Herausforderungen mit sich bringen.

Im „Kalten Krieg“ erfolgten lediglich Manövereinsätze, welche aber die glaubhafte Verteidigungsbereitschaft des NATO-Partners Bundesrepublik Deutschland unterstrichen. Unterdessen befindet sich schon lange kein Leopard1 mehr bei der Bundeswehr in der Nutzung. Gleiches gilt für andere der militärgeschichtlichen Zeitgenossen des Marders, darunter der Spähpanzer Luchs, das Kampfflugzeug Starfighter F-104 oder die Hubschrauber BO105 und Bell UH-1D. Der Marder hingegen musste sich als Bestandteil der Quick Reaction Force in Feuergefechten in den Räumen von Kunduz und Mazar-e Sharif in Afghanistan bewähren und dient bis heute in den deutschen Streitkräften.

Historisch: Die Entwicklung der Prototypen

Die Suche nach dem richtigen Konzept

Nach Untersuchung der ersten Fahrzeuge reifte beim Führungsstab des Heeres die Erkenntnis, dass die einengenden Forderungen aufgegeben werden mussten, um ein optimaleres SPz-Konzept zu ermöglichen. Neben dem Wegfall der Vorgabe nach einer maximalen Bauhöhe von 1.890mm wurde auch die Besatzungsstärke von zwölf auf zehn Mann reduziert.

Prototyp RU261 aus dem Jahr 1964 mit kompakten Triebwerksblock im Bug – aber noch mit Ein-Mann-Turm. Dem Schützentrupp standen für den aufgesessenen Kampf zwei große Klappen im Kampfraumdach zur Verfügung. Quelle: Ruhrstahl AG

Prototyp RU261 aus dem Jahr 1964 mit kompakten Triebwerksblock im Bug – aber noch mit Ein-Mann-Turm. Dem Schützentrupp standen für den aufgesessenen Kampf zwei große Klappen im Kampfraumdach zur Verfügung. Quelle: Ruhrstahl AG

Im Oktober 1962 wurden die Entwicklungsverträge für sieben neue Prototypen des Gruppenfahrzeugs mit den Firmen Ruhrstahl (Hanomag) und MOWAG abgeschlossen. Die Firma Henschel nahm an diesem Wettbewerb nicht teil, da sich dieses Unternehmen vorrangig auf die Entwicklung weiterer Prototypen der Varianten Jagdpanzer Kanone, Mörserträger, Krankenkraftwagen (KrKW) und Raketenwerfer konzentrierte. Die Kooperation mit der Firma MOWAG wurde zuvor wegen Patentstreitigkeiten für beendet erklärt.

Für die Prototypen der zweiten Generation erfolgte ein konzeptioneller Neuansatz. Um einen großen Heckzugang zu ermöglichen, wurde bei den RU-Fahrzeugen der komplette Triebwerksblock nunmehr im Bug untergebracht – damit entfielen auch die störanfälligen Gelenkwellenverbindungen. Für die Fahrzeuge stand auch der von Rheinmetall neu konstruierte Ein-Mann-Turm DL-RH3 zur Verfügung, bei dem neben der 20mm-Maschinenkanone (MK) auch ein achsparalleles Maschinengewehr (MG) vorgesehen war.

Nachdem der Kommandant anfangs noch links neben dem Turm platziert war, rutschte sein Platz bei den späteren Prototypen direkt hinter den Fahrer – damit konnte links neben dem Turm Platz zur Unterbringung eines später einzurüstenden Panzerabwehr-Raketensystems (Bofors Anti-Tank-Missile/BANTAM) geschaffen werden. Das neue Konzept führte zu einer Vergrößerung der Fahrzeuge, das Gefechtsgewicht stieg auf ca. 26 Tonnen an.

Im Rahmen des Truppenversuches wurde die Unterbringung des Kommandanten außerhalb des Turms bemängelt, da hierdurch Sichtmöglichkeiten und Führungsfähigkeit stark beeinträchtigt waren. Da die drehstabgefederten Fahrzeuge im Gelände ein unbefriedigendes fahrdynamisches Verhalten aufwiesen, wurde in den RU264 eine Hydrop-Federung eingebaut. Hiervon versprach man sich bessere Fahreigenschaften; nach fast fünfjähriger Erprobung wurden die Versuche wegen unzureichender Zuverlässigkeit und Standfestigkeit der Federelemente abgebrochen.

Größenvergleich des Prototyps RU262 (rechts) mit dem SPz HS30 (hier mit 106mm Leichtgeschütz). Der RU262 war gut zehn Tonnen schwerer als der HS30. Quelle: KTS II/III Munster

Größenvergleich des Prototyps RU262 (rechts) mit dem SPz HS30 (hier mit 106mm Leichtgeschütz). Der RU262 war gut zehn Tonnen schwerer als der HS30. Quelle: KTS II/III Munster

Zusätzliche Forderungen erfordern neue Konzeptlösungen
Die Vorserienfahrzeuge

Weitere Kampfwertsteigerungsmaßnahmen

Bemerkenswerterweise ergaben sich auch nach intensiver Erprobung und eingehenden Truppenversuchen später immer wieder Wünsche des Nutzers nach funktionellen Verbesserungen. Auch erforderte die Anpassung des Kampfwertes an die aktuelle Bedrohungslage eine stetige Modellpflege. Stichwortartig seien die bislang durchgeführten Kampfwertsteigerungsmaßnahmen (KWS) aufgeführt:

1977 – 1979

Adaption der Waffenanlage MILAN mit vier Lenkfl ugkörpern an Bord; die Absitzstärke reduzierte sich dadurch auf 6 bzw. 7 Mann

1979 – 1982
SPz Marder1A1 mit nachgerüsteter MILAN-Waffenanlage und Wärmeortungsempfänger (WOE) auf dem Tragarm des Schießscheinwerfers. Die Fahrzeuge haben nun auch Kettenschürzen erhalten. Quelle: Archiv Autor

SPz Marder1A1 mit nachgerüsteter MILAN-Waffenanlage und Wärmeortungsempfänger (WOE) auf dem Tragarm des Schießscheinwerfers. Die Fahrzeuge haben nun auch Kettenschürzen erhalten. Quelle: Archiv Autor

1. KWS zum Marder1A1

u.a.: Einbau passiver Nachtsichtgeräte der 1. Generation (Restlichtverstärker) mit Wärmeortungsempfänger (Passives Nachtziel- und Beobachtungsgerät mit Wärmeortungsempfänger/PNZG WOE), Doppelgurtzuführer (DGZ) für die MK, Verstärkung des Seitenrichtgetriebes

1984 – 1989
SPz Marder1A2 mit nachgerüstetem Wärmebildgerät auf dem Richtschützenplatz. Die Hecklafette ist entfallen. Quelle: Thyssen-Henschel AG

SPz Marder1A2 mit nachgerüstetem Wärmebildgerät auf dem Richtschützenplatz. Die Hecklafette ist entfallen. Quelle: Thyssen-Henschel AG

2. KWS zum Marder1A2

u.a.: Umrüstung von 1.462 Fahrzeugen auf Wärmebildgerät (WBG-X) beim Richtschützen, bzw. Einsatz von Milan-Infrarot-Adapter MIRA für Waffenanlage MILAN; Entfall der Hecklafette, Umrüstung auf Funkgerät SEM 80/90, Einführung des Flecktarnanstrichs

1989 – 1998
SPz Marder bei schneller Durchfahrt durch ein Wasserloch. Durch die Bugform wird der größte Teil der Wassermassen nach vorne weggeschleudert. Quelle: WTD 41

SPz Marder bei schneller Durchfahrt durch ein Wasserloch. Durch die Bugform wird der größte Teil der Wassermassen nach vorne weggeschleudert. Quelle: WTD 41

3. KWS zum Marder1A3

u.a.: Ausrüstung von 2.097 Fahrzeugen mit einer Zusatzpanzerung für Turm und Wanne (Schutz gegen MK30mm), Neugestaltung von Munitionslagerung und -zuführung; Verlagerung des Turm-MGs aus Waffengehäuse an die linke Turmseite; Anbringung von Staukästen bei gleichzeitigem Verzicht auf die Nutzung der Kugelblenden; Reduzierung der Dachluken für den hinteren Kampfraum von vier auf drei; Einbau verstärkter Drehstäbe, neue Sitze für Kommandant und Richtschütze, neue Heckklappe mit größerem Ladevolumen, Gewichtsanstieg auf 33,5t.

1998 – 2000

KWS zum Marder1A4:

Verwendung dieser Version als bewegliche Befehlsstelle (Bataillonskommandeur); damit zusätzliche Ausstattung von 24 Fahrzeugen mit Funkgerät SEM93.

2002 – 2005
SPz Marder1A5 bei der Übergabe am 18. Dezember 2002 bei Rheinmetall in Kassel. Durch die besonderen Minenschutzmaßnahmen musste außen durch drei Kästen ein zusätzlicher Stauraum geschaffen werden. Quelle: Archiv Autor

SPz Marder1A5 bei der Übergabe am 18. Dezember 2002 bei Rheinmetall in Kassel. Durch die besonderen Minenschutzmaßnahmen musste außen durch drei Kästen ein zusätzlicher Stauraum geschaffen werden. Quelle: Archiv Autor

4. KWS zum Marder1A5

Nachrüstung von 74 Fahrzeugen mit einem Schutz gegen Blast- und projektilbildende Minen; Änderung des Verstauungskonzeptes, Freiräumen des Kampfraumbodens, Befestigung des Sitzgestells am Wannendach; Installation eines GPSEmpfängers (PLGR), Einbau verstärkter Bremsen und leistungsfähiger Lüfterpumpen, neue Kettenschürzen (Panzerstahl), breitere Kette (500mm), Ersatz der Kegelstumpffedern durch hydraulische Endanschläge, Installation von drei zusätzlichen Staukästen, Auskleidung des Kampfraumes mit einem Anti-Spall-Liner, Gewichtsanstieg auf 37,4t.

2010 – 2011
SPz Marder1A5A1 mit nachgerüsteter Raumkühlanlage im Fahrzeugheck. Quelle: Rheinmetall

SPz Marder1A5A1 mit nachgerüsteter Raumkühlanlage im Fahrzeugheck. Quelle: Rheinmetall

KWS zum Marder1A5A1

Ausrüstung von 35 Fahrzeugen u.a. mit Raumkühlanlage und Ausstattung mit Multispektraler Tarnausstattung (MMT), elektronische Schutzausstattung CG-12, Schutzaufbau auf dem Kampfraumdach im Bereich der Luken, Gefechtsgewicht: ca. 38,1t.

Aktuelle Aktivitäten: Die Nutzungsdauerverlängerung

Von aktuell in der Bundeswehr vorhandenen 382 Fahrzeugen sollen voraussichtlich noch bis Ende der 2020er Jahre knapp 300 Marder in der Panzergrenadiertruppe in Nutzung gehalten werden. Dazu kommen noch weitere Fahrschulpanzer, Versuchsträger, etc. Ab 2016 wurde die Durchführung eines weiteren Programms zur Verlängerung der Nutzungsdauer und der Obsoleszenzbereinigung beschlossen. Beauftragt wurden die Maßnahmenpakete zunächst als Prototypenentwicklungen und dann Stück für Stück als Serienumrüstungen. Dieses Nutzungsdauerverlängerung (NDV)-Programm umfasst folgende Einzelmaßnahmen:

  • Ab 2016 Entwicklung und Musterintegration der Panzerabwehrwaffenanlage Mehrrollenfähiges Leichtes Lenkflugkörpersystem (PzAbwWA MELLS) in den SPz Marder1A5.
  • Ab 2017 Lieferung von Umrüstsätzen zur Einrüstung der PzAbwWA MELLS in SPz Marder1A5 Flotte (bei 35 Fahrzeugen schon umgesetzt) als Ersatz für die obsoleten MILAN-Waffenanlagen.
  • Ab 2017 Beginn des Programms zur Nutzungsdauerverlängerung des SPz Marder mit der Entwicklung und Mustereinrüstung
    - der PzAbwWA MELLS in die restlichen SPz Marder- Varianten,
    - einer neuen Feuerwarn- und Löschanlage für die SPz Marder1A3-Familie,
    - eines neuen Wärmebildzielgerätes (WBG) zum Ersatz des obsoleten WBG-X,
    - eines neuen Fahrersichtsystems in die Varianten der A3-Familie (SPECTUS II),
    - kleiner Komponenten zur Obsoleszenzbereinigung. Darüber hinaus wurde eine Studie in Auftrag gegeben, die den Ersatz des Antriebsstranges des SPz MARDER1A5 sowie eine umfassende Obsoleszenzbereinigung zum Ziele hatte.
  • Ab 2018 Erweiterung des NDV-Programms um den Aufbau eines Musterfahrzeugs mit neuem Antriebsstrang beauftragt.
  • Ab 2019 Entwicklung und Musterintegration eines Battle Management Systems in die verschiedenen SPz Marder-Varianten zur Realisierung eines vollständigen Informations- und Datenverbunds auf Basis eines gemeinsamen und durchgängigen Führungsinformationssystems/Battle Management Systems (FüInfoSys/BMS) und bereits eingeführter Funkgeräte- und Führungsmittelausstattungen, um so den Digitalisierungsgrad der durch die Bundeswehr gestellten NATO-Speerspitze VJTF (Very High Readiness Joint Task Force) 2023 zu verbessern.
  • Ab 2019 Lieferung von Umrüstsätzen zur Einrüstung der im Rahmen des NDV-Programms entwickelten Feuerwarn- und Löschanlage (FWLA).
  • Ab 2021 Lieferung von Umrüstsätzen zur Einrüstung des neuen Fahrersichtsystems SPECTUS II. Hierbei handelt es sich um ein System, bei dem die Bilder einer Restlichtverstärker-Kamera und eines Wärmebildgerätes kombiniert werden können. Am Heck wird zusätzlich eine Rückblickkamera mit separatem Infrarotscheinwerfer installiert.
  • Ab 2021 Lieferung von Umrüstsätzen zur Einrüstung des neuen Wärmebildzielgerätes SAPHIR 2.6MK (eine Entwicklung von Rheinmetall), sowie die Lieferung von Umrüstsätzen zur Einrüstung des neuen Antriebsstrangs bei den 71 Fahrzeugen der 1A5-Familie. Bei dem neuen Triebwerk handelt es sich um den Grundmotor D956 mit einer Leistung von 563kW; das Getriebe wird an das höhere Leistungsniveau angepasst; zudem wird eine digitalisierte Triebwerkselektronik eingebaut.

Auslandseinsätze der SPz Marder

SPz Marder1A3 im Einsatz bei der KFOR-Truppe im Kosovo. Quelle: Archiv Autor

SPz Marder1A3 im Einsatz bei der KFOR-Truppe im Kosovo. Quelle: Archiv Autor

Während des Einmarsches der NATO-geführten Kosovo Force (KFOR) im ehemaligen Jugoslawien ab dem 12. Juni 1999 rückte der Schützenpanzer Marder (in der Version 1A3) Seite an Seite mit dem Kampfpanzer Leopard2 und dem Spähpanzer Luchs vor. Danach wurde der SPz Marder vornehmlich zu Sicherungsaufgaben eingesetzt. Die Absicherung von mobilen, temporären Check-Points sowie das Überwachen von Räumen waren dabei die Hauptaufgaben.

Mobilität auch in schwerem Gelände, die zur Sicherung und Überwachung eingesetzte Bordmaschinenkanone (BMK) sowie Transportkapazität für Sicherungskräfte und zusätzliches Material zeichneten den Marder hier aus. Dazu kamen weitere Aufgaben wie die Konvoi- und Patrouillenbegleitung.

Ab Anfang 2003 wurden aufgrund der herrschenden Minenbedrohung die Fahrzeuge gegen die Version 1A5 ausgetauscht.

Im Rahmen des Internationalen Security Assistance Force-Einsatzes (ISAF) in Afghanistan wurden Ende 2007 die ersten Marder1A5A1 dem deutschen Einsatzkontingent zugeführt. Insgesamt waren bis zu 35 SPz Marder in Afghanistan in Mazar-e Sharif sowie ab 2009 in Kunduz zur Verstärkung des Quick Reaction Force (QRF)-Verbandes im Einsatz. Auch hier bewährte sich der SPz Marder hervorragend.

SPz Marder1A5 im Einsatz bei der ISAF-Truppe in Afghanistan. Quelle: Bundeswehr

SPz Marder1A5 im Einsatz bei der ISAF-Truppe in Afghanistan. Quelle: Bundeswehr

Seine reine Anwesenheit führte bei eigenen und verbündeten Kräften zu einem deutlich gesteigerten Gefühl der Sicherheit sowie beim Gegner zu großem Respekt. Aus taktischen Überlegungen heraus wurde der SPz Marder oftmals in gemischten Verbänden gemeinsam mit Radfahrzeugen, etwa vom Typ Dingo genutzt. Neben Sicherungsaufgaben und als gepanzerte Reserve erfüllte der SPz Marder hier oftmals die Aufgabe des flankierenden Einsatzes. Der Kampfraum wurde wegen der sperrigen Ausrüstung meist nur von maximal vier Soldaten besetzt. Das offene, teilweise durchschnittene Gelände in Nordafghanistan kam dem SPz Marder sehr entgegen, Wassergräben und landestypische Lehmwälle, sogenannte Compounds, stellten meist kein Hindernis dar.

Probleme bereitete dem SPz Marder lediglich örtlich überlegener, aus dem Hinterhalt operierender Feind (z.B. mit großen IED-Sprengfallen oder gebündeltem Feuer mit Panzerabwehrhandwaffen) sowie die große Hitze. Im hinteren Kampfraum wurden Spitzentemperaturen von bis zu 80°C gemessen. Daher wurden alle eingesetzten 35 SPz Marder ab 2010 mit Kampfraumkühlanlagen ausgestattet.

Exportkunden

Der Hersteller war natürlich bemüht, den SPz Marder auch auf dem internationalen Markt zu platzieren. Hier gab es einen beachtlichen Anfangserfolg, als es Thyssen-Henschel im Jahr 1977 gelang, den leichten Panzer Tanque Argentino Mediano (TAM) nach Argentinien zu exportieren. Es folgten dann als Familienfahrzeuge der Schützenpanzer Vehiculo de Combate Transporte de Personal VCTP, der Mörserträger, der Führungspanzer, die Panzerhaubitze, das Sanitätsfahrzeug, der Bergepanzer und ein Raketenwerfer (teilweise nur Prototypen). Damit wurde in Argentinien die Marder-Familie realisiert, die bei der Bundeswehr nicht zum Zuge kam. Weitere Verkäufe von Marder-Fahrzeugen in südamerikanische Staaten sowie nach Thailand kamen überwiegend aus politischen Gründen nicht zu Stande. Versuche des Herstellers in den 1990er Jahren, den SPz Marder in die Schweiz, bzw. nach Griechenland zu verkaufen, blieben ebenfalls ohne Erfolg. Griechenland hatte im Jahr 2009 ein vehementes Interesse am Kauf von 422 Exemplaren. Letztendlich scheiterte dieses Vorhaben an der Finanzierung.

SPz Marder1A3 im Einsatz bei der chilenischen Armee. Quelle: Archiv Autor

SPz Marder1A3 im Einsatz bei der chilenischen Armee. Quelle: Archiv Autor

Im Jahr 2008 hat sich Chile zum Kauf von 200 Marder1A3 sowie sieben Fahrschulpanzern aus Beständen der Bundeswehr (Langzeitlagerung/LZL) entschlossen. Hinzu kamen im Jahr 2011 weitere dreißig Fahrzeuge, die als Ersatzteilspender fungieren sollen. In Chile unterliegt das Fahrzeug bei Einsätzen auf einer Höhe von bis zu 4.300 Metern über dem Meeresspiegel und Außentemperaturen von über 40 Grad Celsius einer besonders hohen Belastung. Der extrem hohe Staubanfall erfordert eine intensive und sorgfältige Wartung aller Filter.

SPz Marder1A3 im Einsatz bei den indonesischen Streitkräften. Quelle: Wikimedia

SPz Marder1A3 im Einsatz bei den indonesischen Streitkräften. Quelle: Wikimedia

Ab dem Jahr 2015 wurden 42 SPz Marder1A3 aus dem Firmenbestand von Rheinmetall an Indonesien verkauft.

Des Weiteren wurden im Zeitraum 2017 – 2020 insgesamt 75 SPz Marder1A3 inklusive zweier Fahrschulpanzer sowie ein Ersatzteilpaket im Rahmen einer „Ertüchtigungshilfe“ der Bundesregierung an Jordanien abgegeben.

Aktuelle Nutzerländer

Deutschland
Chile
Indonesien
Jordanien
Argentinien
(TAM)

Ablöseplanung und die Zukunft

Im Jahr 1984 wurde im Rahmen des Programms „Kampfwagen 90“ die Taktische Forderung (TaF) zur Entwicklung eines Nachfolgers für den SPz Marder erlassen. Die Entwicklung begann zunächst sehr verheißungsvoll; bereits nach sieben Jahren konnte dem Bedarfsträger ein Prototyp für Truppenversuche zur Verfügung gestellt werden. Dann hat die sicherheitspolitische Wende in Europa und die massive Kürzung des Verteidigungshaushalts („Friedensdividende“) im Jahr 1992 zu einem Abbruch dieser erfolgversprechenden Entwicklung geführt. Ein weiterer Versuch zur Entwicklung eines neuen SPz scheiterte im Jahr 2001 an extrem hohen militärischen Forderungen bezüglich des Schutzes.

Der Start des dritten Entwicklungsprogramms stand durch die zwischenzeitlich erhobene Forderung nach Lufttransportfähigkeit des zukünftigen SPz in einem relativ kleinen Transportflugzeug unter stark einschränkenden Parametern. Hierdurch entstand am Ende ein an diese Forderungen optimiertes Gesamtsystem mit modularem Schutz und unbemanntem Turm. Letzteres erforderte für die Truppe gerade mit Blick auf die klassische Führungsfähigkeit ein Umdenken.

Im 50sten Jubiläumsjahr des Marders bleibt festzuhalten: Am 18. März 2021 erklärte der Inspekteur des Heeres die taktische Gefechtstauglichkeit des Schützenpanzers Puma in der modernisierten Version S1, welche bei der durch die Bundeswehr gestellte NATO-Speerspitze Very High Readiness Joint Task Force VJTF 2023 eingesetzt werden wird – 37 Jahre nach Erstellung der Taktischen Forderung für den Nachfolger des Marders! Gleichwohl verbleibt der deutschen Panzergrenadiertruppe mit ihrem vor 50 Jahren eingeführten Schützenpanzer Marder noch immer ein zuverlässiges und in Einsätzen bewährtes System – auch wenn das Fahrzeug in einigen Kampfwertkriterien und Funktionen nicht mehr die optimal erreichbaren Werte aufweist.

SPz Marder1A3 und Puma. Quelle: Ralph Zwilling via Rheinmetall

SPz Marder1A3 und Puma. Quelle: Ralph Zwilling via Rheinmetall

Mit den derzeit vorgenommenen Maßnahmen zur Nutzungsdauerverlängerung soll der SPz Marder voraussichtlich bis zum Ende dieses Jahrzehnts betrieben werden können. Im Jahr 2030 würde sich dann die Epoche des SPz Marder nach fast 60 Jahren (!) Nutzungszeit – z.T. unter extremen klimatischen und geographischen Bedingungen – und vielen Bewährungen im harten Einsatz dem Ende neigen. Der SPz Marder hat damit die Messlatte für seinen Nachfolger sehr hoch gelegt.

Autor: Wissenschaftlicher Direktor a.D./Dipl. Ing. Rolf Hilmes war mehrere Jahre im Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) in Koblenz u.a. als Referent für Panzertechnologie tätig. Danach wechselte er an die Bundesakademie für Wehrverwaltung und Wehrtechnik (BAkWVT) in Mannheim und nahm dort bis zu seiner Pensionierung die Aufgaben als Dozent und Fachgebietsleiter im Bereich „Waffensysteme Land“ wahr. Er ist Autor von über 200 Artikeln in Fachzeitschriften sowie Autor mehrerer Panzerbücher.