Donnerstag, 23. Februar 2023

Hohes Ruhegehalt in Gefahr: Geht es Franziska Giffey beim Machtkampf ums Geld?

von Thomas Heck...

Politiker hängen an der Macht. Das ist ja nun wirklich keine Neuigkeit. Und warum soll es beim Berufspolitiker anders sein, als beim gemeinen Pöbel, wenn es um die Penunzen geht. Wobei der Pöbel im Schnitt mit Almosen bei der Rente abgespeist wird und privat vorsorgen muss. Da geht es dem Politiker pekuniär schon einmal grundsätzlich besser. 

Die SPD-Politikerin hängt an der Macht, will in Berlin weiter regieren. Es geht auch um ihre „Rente“. Wenn sie scheitert, entscheidet die CDU über ihr Ruhegehalt: Es geht um zwei Millionen Euro. Erschreckend dabei, wie intransparent der ganze Entscheidungsprozeß abläuft. Ungewöhnlich für einen Staat, der seine Bürger bis ins kleinste Detail mit Gesetzen und Vorschriften gängelt. 


Das Haus im Grünen? Oder nur der Schrebergarten in Neukölln? Was drin ist, entscheidet sich für Franziska Giffey in den nächsten Tagen. 


Die Berliner wünschen sich einen Machtwechsel. Sie wollen künftig nicht mehr von der SPD und Franziska Giffey regiert werden. Laut Ergebnis einer Umfrage des Tagesspiegels und des Meinungsforschungsinstitutes Civey in der Woche nach der Wiederholungswahl sind 65 Prozent der Befragten dagegen, dass die SPD den Regierungschef stellt und damit weiterregiert in Berlin.

Ungeachtet der Stimmung in der Hauptstadt und der krachenden Niederlage der SPD (18,4 Prozent, historisch schlechtestes Ergebnis) treffen sich die Spitzen von SPD, Grüne und der Linken zu Sondierungsgesprächen. Am Donnerstag steht das nächste an.

Dass es dabei nicht nur um den Machterhalt von Parteien in der Hauptstadt geht, sondern auch um die ganz persönliche finanzielle Situation der einzelnen Politiker, zeigt das Beispiel der Noch-Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey. Denn die 44-jährige Spitzenpolitikern muss sich trotz ihres rasanten Aufstiegs, von der Bezirksstadträtin in Neukölln über die Stelle der Bundesministerin für Familie bis ins Rote Rathaus, Sorgen um die sonst für Spitzenpolitiker äußerst üppige Altersversorgung machen.

Gefährdete Rente? Verliert Franziska Giffey zwei Millionen Euro?


Das Problem: Sie könnte zu schnell aufgestiegen, und sollte sie jetzt in der nächsten Landesregierung als Regierende Bürgermeisterin oder Senatorin nicht mehr vertreten sein, zu schnell abgestiegen sein. Und dadurch könnten ihr für ihren Ruhestand grob gerechnet mindestens zwei Millionen Euro fehlen. Eine unter Umständen prekäre Situation für eine so bekannte Politikerin wie Giffey. (Oder auf deutsch: Die ist sogar beim Bescheißen zu blöde gewesen. Anmerkung des Heck Tickers)

Insgesamt müssen sich Spitzenpolitiker in Deutschland kaum Sorgen um ihre Altersversorgung machen. Im Gegensatz zu Menschen, die ihr ganzes Berufsleben in die Rentenversicherung einzahlen und als Rentner in Berlin durchschnittlich nur 1371 Euro monatlich bekommen, sorgt der deutsche Staat gut für seine Beamten und Amtsträger auf Landes- und Bundesebene. Mit stattlichen Pensionen und Ruhegehältern.

Laut Bundesministergesetz hat ein Bundesminister schon nach vier Jahren im Amt ab dem 67. Lebensjahr Anspruch auf ein abschlagsfreies Ruhegehalt von mindestens 27,74 und höchstens 71,75 Prozent des Amtsgehalts. Je länger ein Bundesminister im Amt ist, desto höher seine „Pension“. Wer also mindestens vier Jahre Bundesminister war, erhält nach seiner Karriere zwischen 4660 und 12.060 Euro monatlich. Mit Abschlägen ist ein „in Rente gehen“ schon ab dem 60. Lebensjahr möglich. Hinzu kommen noch üppige Übergangsgehälter nach einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Amt.

Zwischen 4771 und 12.341 Euro Pension für den Regierenden Bürgermeister

Auch das Land Berlin sorgt für einen entspannten Lebensabend seiner Regierenden Bürgermeister und Senatoren. Im Senatorengesetz des Landes Berlin haben Senatoren nach einer Zeit von mindestens vier Jahren im Amt grundsätzlich Anspruch auf ein Ruhegehalt. Als Regierende Bürgermeisterin erhält Franziska Giffey derzeit 17.200 Euro monatlich. Übersteht sie mindestens vier Jahre in diesem Amt, könnte sie ab dem 55. Lebensjahr zwischen 4771 und 12.341 Euro Ruhegehalt pro Monat bis an ihr Lebensende kassieren.

Nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler könne eine nur vierjährige Amtszeit als Regierender Bürgermeister oder als Senator in Berlin dem betreffenden Politiker bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von 80 Jahren einen „Gewinn“ von mehr als zwei Millionen Euro einbringen, inklusive Übergangs- und Ruhegehalt. So die Einschätzung des Verbands.

Und anders als in den meisten anderen Bundesländern und auf Bundesebene können Senatoren und Regierende Bürgermeister, die mindestens vier Jahre im Amt waren, schon ab dem 55. Lebensjahr abschlagsfrei ihr Ruhegehalt kassieren. Jeder normale Bürger würde sich wohl freuen, schon zwölf Jahre vor Erreichen der Altersgrenze in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen.

Nicht normal: Schon mit 55 statt mit 67 abschlagsfrei in Rente

„Unsere Berechnungen sind natürlich nur grob ohne irgendwelche Zins- und Zeitkomponenten überschlagen, zeigen aber deutlich, dass ein Berliner Senator bei seiner Altersversorgung im Vergleich zum Bund oder vielen andern Bundesländern durch den früheren Ruhegehaltsbezug den Gegenwert eines Einfamilienhauses zusätzlich obendrauf gepackt bekommt“, sagt Alexander Kraus vom Bund der Steuerzahler. Insgesamt belaufe sich derzeit der Gegenwert einer vierjährigen Amtszeit für den Regierenden Bürgermeister für Amtsgehalt, zwei Jahre Übergangsgeld und dem statistisch zu erwartenden Ruhegehalt auf einen Gegenwert von mehr als zwei Millionen Euro in heutigen Preisen.

Das Problem für Franziska Giffey persönlich ist allerdings, dass sie, sollte sie nach der Wiederholungswahl nicht mehr als Regierende Bürgermeisterin oder Senatorin dem neu gewählten Senat angehören, nicht in den Genuss dieser für den Normalbürger stolzen Pension kommt. Denn sowohl ihre Amtszeit als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend war mit 3 Jahren und 67 Tagen zu kurz für einen Ruhegehaltsanspruch. Auch als Regierende Bürgermeisterin von Berlin war Giffey im Anschluss nur 1 Jahr und 62 Tage im Amt. In keinem der beiden Ämter hat die SPD-Politikern also die erforderliche Amtszeit von vier Jahren erreicht.

Der einfachste und lukrativste Weg für eine stattliche Altersversorgung aus Staatsgeldern wäre für Giffey also, sich weiter so lange wie möglich an der Macht zu halten. Als Senatorin in einer Regierung mit der CDU oder noch lukrativer als Regierende Bürgermeisterin in einer rot-grün-roten Koalition. Denn mit jedem weiteren Amtsjahr käme sie dem Höchstsatz von 12.341 Euro monatlicher Pension einen Schritt näher. Vielleicht versucht sie auch deswegen so vehement das alte Bündnis zu bewahren.

Kai Wegner und der neue Senat entscheiden über Giffeys Pension

Nun können sich Amtsträger zu kurze einzelne Amtszeiten als Bundesminister und auf Landesebene unter Umständen anrechnen lassen. Laut Auskunft des Bundesinnenministeriums „werden für die Berechnung der Mindestamtszeit von vier Jahren Zeiten (...) einer vorausgegangenen Mitgliedschaft in einer Landesregierung mitgerechnet“. Allerdings war Giffey leider erst Bundesministerin und dann Regierende Bürgermeisterin von Berlin. Einen Anspruch auf Ruhegehalt hat sie somit auf Bundesebene nicht.

Sollten sich Giffey und die SPD nicht in der Regierung halten, gäbe es eine letzte Chance für sie – Stand jetzt – trotzdem einen finanziell entspannten Lebensabend zu genießen. Denn das Senatorengesetz enthält in Paragraf 17 die Formulierung: „Auf die Amtszeit kann eine vorangegangene Amtszeit als Mitglied der Bundesregierung oder einer Landesregierung angerechnet werden; die Entscheidung trifft der Senat.“

Laut Verfassungsrechtler Ulrich Battis entscheide über die Altersversorgung von Giffey der neue Senat nach Vorbereitung durch den Senator für Finanzen. Man stelle sich nun die jetzt Regierende Bürgermeisterin als Bittstellerin vor einer neuen Landesregierung unter Wahlsieger Kai Wegner (CDU) vor, der etwa in der Dienstagsrunde über die finanzielle Ausstattung der Amtsvorgängerin entscheidet.

Üppige Ruhegehälter für alle Parteien: ein in sich geschlossenes System

Die CDU und Wegner wollten sich auf Nachfrage vorab nicht dazu äußern, ob sie Giffeys Ruhegehaltsfrage positiv entscheiden würden. Warum auch? Schließlich möchte man als Amtsinhaber in einer neu gewählten Regierung wohl auch in einem solchen Fall nicht verzichten.

Alles geregelt also? Nicht ganz. „Eine bloße Formalie ist das nicht. Hans Eichel hat in einem vergleichbaren Fall vergeblich bis zum Bundesverwaltungsgericht geklagt“, sagt Verfassungsrechtler Battis. Der Grund dafür sind vor allem die für den Bürger völlig intransparenten Rechenprozesse, die hinter dem Gesetzestext in den Finanzbehörden von Kommunen, Ländern und des Bundes ablaufen.

Der ehemalige Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) stritt jahrelang um eine Anrechnung seiner 16-jährigen Amtszeit als Oberbürgermeister von Kassel. Zuzüglich zu seinem Ruhegehalt von 7100 Euro monatlich als Finanzminister forderte er 2011 zusätzliche 6350 Euro monatlich vom Staat aus kommunaler Tätigkeit.

Kosten für das Abgeordnetenhaus verdoppeln sich für den Steuerzahler

Es stelle sich die Frage, welche Körperschaft das Ruhegehalt bezahlt und was gegeneinander aufgerechnet werde, sagt der Steuerzahlerbund-Funktionär Kraus. Zu einzelnen individuellen Versorgungsansprüchen könne man sich „aus datenschutzrechtlichen Gründen“ nicht äußern, schreibt die Senatsverwaltung für Finanzen zum Fall Giffey. Auch das Bundesinnenministerium mochte sich nicht zu Fragen äußern, „die konkrete Einzelpersonalien betreffen“.

„Es wäre wünschenswert, wenn solche Dinge transparent gemacht würden“, fordert der Bund der Steuerzahler, „weil es ja hier um politische Ämter und um Steuergeld geht.“ Leider bestehe bei den Politikern wenig Problembewusstsein. Das zeige die Debatte um die Verkleinerung des Bundestages sowie die Kostenexplosion im Berliner Abgeordnetenhaus, sagt Kraus.

Seit 2012 hätten sich die Ausgaben für das Berliner Parlament mehr als verdoppelt. Hauptursachen seien die Ausweitung der Kostenpauschalen für die Abgeordneten ab 2014, die massive Erhöhung der Fraktionszuschüsse seit 2017 und die völlig maßlose Erhöhung der Entschädigungen und Ruhegehaltsansprüche seit 2020. Das alles zeige, wie groß die Privilegien im Vergleich zu normalen Angestellten seien, sagt Kraus. „Alle Parteien versprechen treuen und engagierten Mitgliedern einen guten Job, alle haben ein Interesse, das immer mehr Geld fließt.“

Bezirksbürgermeister bekommen schon mit 38 Jahren Ruhegehalt

Und so wird auch der neue Senat der Noch-Regierenden Bürgermeisterin am Ende ihre stattlichen Altersbezüge wohl gewähren. Für den Fall allerdings, dass sich der Senat dagegen entscheidet, würde für Giffey eine Ochsentour an den Ursprungsort ihrer politischen Karriere in Berlin-Neukölln beginnen. Laut Bezirksverwaltungsgesetz steht Bezirksstadträten und Bezirksbürgermeistern ein Ruhegehalt bei mehr als acht Jahren im Amt zu – und zwar ab Tag eins nach Ausscheiden von mindestens 2792 und maximal 7171 Euro im Monat. 2019 ging ein Bezirksstadtrat der CDU mit 38 Jahren bezahlt in den Ruhestand.

Das Problem hier wieder: Giffey war addiert nur 7 Jahre, 6 Monate, 14 Tage Bezirksstadträtin und später Bezirksbürgermeisterin in Neukölln. Seit dem Ausscheiden aus den Ämtern ruht laut Medienberichten ihr Verhältnis als Kommunalbeamtin. Ob Franziska Giffey allein aus ihrer Tätigkeit für den Bezirk Neukölln jetzt schon bis an ihr Lebensende ein Ruhegehalt oder eine Pension beziehen könnte, konnten wir bei den Recherchen nicht herausfinden.

Der Horror eines jeden Politikers: die Nachversicherung in der Deutschen Rentenversicherung statt der Beamtenpension oder dem Ruhegehalt


Muss sich Giffey als Kommunalbeamtin wiedereinstellen lassen?

Auch nicht, ob sie sich als Beamtin – etwa als Referatsleiterin beim Bezirk Neukölln – innerhalb von einem Monat nach ihrem Ausscheiden aus der Senatskanzlei wiedereinstellen lassen muss. Oder ob sie keinen Anspruch auf eine Beamtenpension hat und wie jeder normale Bürger in der Rentenversicherung „nachversichert“ werden muss, konnte in Anfragen nicht abschließend geklärt werden.

Eins allerdings ist ziemlich sicher, arm sterben wird Franziska Giffey wohl nicht. Das zeigt auch das Beispiel des ehemaligen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla, der nach vier Jahren Amtszeit und 24 Jahren als Bundestagsmitglied in den Vorstand der Deutschen Bahn wechselte und seine guten Kontakte in die Politik bis April 2022 vergoldete.



Franziska Giffey sieht das natürlich anders, so im Gespräch mit ZEIT Online.

Nach der Wiederholungswahl erlebt Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey nach eigenen Worten «im Moment Hass und Hetze aus bestimmten Lagern, die ich so noch nicht kannte». Das sagte die SPD-Landesvorsitzende in einem Interview dem Portal «Zeit Online» vom Samstag. «Nur weil ich es wage, als Zweitplatzierte in der laufenden Legislatur weiter mit meinen bisherigen Koalitionspartnern zu sprechen und zu arbeiten, bis ein neuer Senat vereidigt sein wird.»

Plötzlich werde ihre Legitimation in den sozialen Netzwerken und auch in manchen Medien infrage gestellt, «obwohl genau das nach der Verfassung meine Pflicht ist», sagte Giffey. Die Regierende sprach von einer «Art Kampagne» mit dem Vorwurf, sie klebe an der Macht. Das finde sie «wirklich schlimm». Giffey sieht demnach eine wachsende Verachtung gegenüber Menschen, die sich politisch engagieren. «Man hat mitunter den Eindruck, Politikern könne man heute jede Beleidigung, jeden Hass und jede Hetze einfach an den Kopf werfen.»

Über den Wahlabend sagte Giffey «Zeit Online», es sei «auch einer der bittersten Tage» ihrer Karriere gewesen. «Trotzdem halte ich es nicht für vermessen, weiterhin als Zweitplatzierte eine gestaltende Rolle in der Stadt spielen zu wollen». Auf die Frage, ob die Rolle einer Senatorin in einer Koalition mit der CDU für sie vorstellbar ist, sagte sie: «Ich bin bereit, den besten Weg für Berlin zu finden und für die SPD über den Tag hinaus zu denken. Es geht nicht darum, dass ich auf meinem Stuhl sitzen bleibe, sondern auch wie die SPD in drei Jahren bei der nächsten Wahl dasteht.» Auf eine entsprechende Frage bekräftigte sie: «Nein, ich klebe nicht an meinem Amt. Wirklich nicht.»

Es brauche nun eine klare Entscheidung, wie mit den Volksentscheiden zu Enteignungen und zur klimaneutralen Stadt umgegangenen werden soll, sagte Giffey weiter in dem Interview. «Wir werden es nämlich nicht schaffen, dass Berlin bis 2030 klimaneutral sein wird. Wir werden einen solchen Volksentscheid nicht in seinem gesetzlichen Wortlaut umsetzen können.» Es sei zu klären, «ob wir die Menschen aufrufen, für den Entscheid zu stimmen, oder ihnen gemeinsam sagen, dass dieses Ziel unrealistisch ist.» Und es brauche eine gemeinsame Haltung zu Enteignungen, bevor ein Koalitionsvertrag unterschieben werden könnte.

Kommende Woche wollen der Wahlsieger CDU und die SPD in Berlin entscheiden, mit welcher Partei sie Koalitionsverhandlungen anstreben. Das hatten CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner und Giffey am Freitag nach der dritten Sondierungsrunde beider Parteien angekündigt.


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