Mittwoch, 23. Juli 2025

Hunger Games: Leserfrage

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Es wird unappetitlich. Auf mehreren Ebenen.
Ich hätte es Euch und mir wirklich lieber erspart.

Ich wurde heute Morgen per Mail nach dem Bild zu einem Bericht des Spiegels gefragt.

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Screenshot des Beitrags

Das Foto soll einen unterernährten Jungen im Al-Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt zeigen. Als Quelle ist die Nachrichtenagentur Reuters angegeben und der Fotograf Dawoud Abu Alkas.
Letzterer ist tatsächlich Fotograf im Gazastreifen und hat bereits mehrere Fotos an Stock-Medien verkauft.
Der Beitrag stammt von heute Morgen, 23.07.2025 06:38h.

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Screenshot des Angebots der Agentur Reuters.

Das Bild wird in den vergangenen ca. 24 Stunden durch viele Medien international herumgereicht. Der Mann wird dabei als 14-jähriger Mosab al-Debs vorgestellt.
Es ist zumeist Aufhänger für die Berichterstattung über einen Appell von 110 Hilfsorganisationen. Hinzu kommt, dass die Hamas gerade erklärt hat, dass mehrere Kinder an einem Tag verhungert seien, die Zahlen gehen auseinander.

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Screenshot eines Berichts der BBC

Eines der ersten Medien-Outlets war laut Zeitstempel Al Jazeera.

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Screenshot des Berichts von Al Jazeera

In der Primärquelle (Reuters) wird der Zustand als „malnutrition“ bezeichnet. Und das bedeutet nicht „Unterernährung“, sondern ist der medizinisch korrekte Begriff für eine MangelernährungUnd eine solche Mangelernährung kann durch viele Erkrankungen hervorgerufen werden, beispielsweise Krebs oder Leukodystrophie.
Eine solche Abmagerung, wie sie auf den Bildern zu sehen ist, muss schleichend über einen langen Zeitraum passieren.

Deshalb habe ich auch einfach mal einen befreundeten Arzt angerufen. Dem sofort die Nasensonde und der frische Kopfverband auffielen. Ersteres zeigt eine Versorgung, zweiteres muss eine andere Ursache haben.
Bemerkenswert ist auch, dass der Guardian ein Bild der gleichen Fotoreihe veröffentlicht hat, auf dem zwei Frauen – sicherlich Angehörige – zu sehen sind, die man durchaus als Wohlgenährt bezeichnen darf.

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Screenshot des Beitrags des Guardian

Beim tieferen Tauchen im Netz lief mir dann eine Fotoreihe eines Patienten in Gaza von Omar Ashtawy über den Weg, der an Hirnatrophie („Hirnschwund“) leidet. Was übrigens Mangelernährung verursachen oder sogar durch eine Stoffwechselerkrankung wie Leukodystrophie verursacht werden kann.
Dort ist der Mann zwar 21 und heißt Ahmed Al-Najjar, aber die Bilder vom 05.07.2025 wären mit einem Krankheitsverlauf naheliegend.

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Screenshot des Angebots der Fotoreihe eines Stock-Anbieters

Auch Ahmed Al-Najjar wurde damals bereits durch die Medien und Social Media getrieben, als Nachweis für eine Hungerkriese im Gazastreifen.

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Screenshot eines Postings von Palestine Online auf X mit Bildern von Ahmed Al-Najjar

Ich kann nicht mit Gewissheit sagen, ob es sich um die gleiche Person handelt.
Doch ein Szenario finde ich sehr viel zutreffender, als die vorgestellte Geschichte:
Der Fotograf Dawoud Abu Alkas fotografiert in dem von der Hamas betriebenen Al-Shifa-Krankenhaus einen Patienten. Diese Bilder verkauft er mindestens an die Agentur Reuters, vielleicht auch an andere. Dort noch mit der medizinisch korrekten Beschreibung einer Mangelernährung.
Die Agentur Reuters verkauft die Bilder an verschiedene Medien. Die keine Möglichkeit haben, das zu verifizieren. Und so wird es mit der mehr oder minder zufällig zusammenfallenden Meldung der Hamas über verhungernde Kinder und dem Apell der Hilfsorganisationen von den Medien verwendet. Obwohl die Bilder selber auf eine andere Erkrankung hindeuten.

Und die „westlichen“ Leserinnen und Leser gehen implizit davon aus, dass viele „Kinder“ im Gazastreifen so abgemagert aussehen.

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Foto: Hunderte junger Gaza-Palästinenser tragen 25-Kilo-Säcke von einer Ausgabe nach Hause.

Das ist übrigens kein Skandal, sondern Tagesgeschäft.

Ich betone ausdrücklich, dass keine meine Aussagen bedeutet, dass es im Gazastreifen keine Hungernden gibt!
Ich wurde nach einem Bild gefragt, das habe ich recherchiert. Mehr nicht.

Bemerkenswert allemal, dass seit Dezember 2023 vor einer Hungerkatastrophe gewarnt wird, während aktuell tausende Tonnen Hilfsgüter auf palästinensischer Seite am Grenzübergang Kerem Schalom vergammeln, weil sie nicht abgeholt werden.


Erschienen auf steady.page


Es geht nicht um die Palästinenser, es geht gegen die Juden und Israel...

Da es mehrfach thematisiert wurde, und es Streitigkeiten in der Regierung gibt, habe ich das Bedürfnis, mich zu positionieren. Auch um weitere Debatten in Kommentarspalten vorzubeugen. 

Am Montag dem 21.07.2025 haben die Außenminister von 29 Staaten und ein EU-Kommissar eine Erklärung veröffentlicht. In dieser fordern sie, der Krieg im Gazastreifen müsse sofort gestoppt werden. Darüber hinaus wird indirekt die Hilfsmittelverteilung durch die GHF kritisiert, die Freilassung der Geiseln gefordert, einen Plan für ein Camp der Zivilbevölkerung als nicht akzeptabel bezeichnet und dem Siedlungsplan E1 in der West Bank widersprochen. 

Deutschland und die USA haben diese Erklärung, neben vielen anderen Staaten, nicht unterzeichnet. Ich begrüße das ausdrücklich. Man kann gerne vieles an der Kriegsführung, der Versorgungslage der Zivilisten im Gazastreifen oder auch den Plänen in der West Bank kritisieren. Vieles kritisiere ich selber.


Für mich sind jedoch zwei Dinge entscheidender als alles andere.  Die Verteilung der Hilfsgüter durch die bisherigen Kanäle (UN, WFP, etc.) ist undurchsichtig und begünstigt eine Vorteilsnahme durch einzelne Palästinenser, vor allem der Hamas. Das Recht des Stärkeren. Derzeit vergammeln erneut tausende Tonnen Hilfsmittel am Grenzübergang Kerem Schalom, weil sie durch eben diese Kanäle nicht abgeholt werden. Sie sind bereits durchgelassen, sie liegen im Lager auf der palästinensischen Seite. 

Das zeigt, dass die UN und andere Hilfsorganisationen nicht in der Lage sind, eine gerechte Verteilung zu gewährleisten. Die Verteilenden sind Palästinenser mit UN-Westen. Das Bedürfnis so lange zu übersättigen, bis auch der Letzte etwas abbekommt, kann nicht die Logik sein, die demokratische Staaten mit unserem Wertesystem vertreten sollten. Das ist eine Unterstützung einer hierarchischen, zutiefst korrupten Verteilung, der ich als linksliberaler Demokrat nur widersprechen kann. 

Die Hamas ist als politische Führung für diese Verteilung verantwortlich und sollte auch dafür in die Verantwortung genommen werden. Vielmehr sollte klar und deutlich adressiert werden, warum einerseits eine Mangelernährung herrscht, während andere auf Social Media Werbung machen für Waren, die ausschließlich aus den kostenlosen Hilfslieferungen hervorgegangen sind. Über die Probleme, wie getötete Zivilisten, Hungernde oder den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung, bin ich mir im Klaren. Ich komme dennoch zu der Meinung:. 

Manchmal sind Werte mehr wert als Menschenleben. Unsagbar tragisch, wenn man das abwägen muss.  Das Ziel des Krieges ist nicht nur die Befreiung der Geiseln. Sondern die Zerstörung der Hamas und - wie bei jeder Streitkraft weltweit - den Feind davon abzuhalten, weiter angreifen zu können. Nach wie vor wird Israel fast täglich beschossen, vor allem aus dem Jemen, aber auch aus dem Gazastreifen. Das Kriegsziel ist nicht erreicht. Israel ist Zeit seines Bestehens nicht nur einzelnen Angriffen oder Terroranschlägen ausgesetzt. Sondern existenziell bedroht. Das findet - auch aktuell - nur wenig Beachtung, weil Israel lernen musste, dagegen gewappnet zu sein. 

Doch es kann und darf nicht der Maßstab der Empathie sein, wie gut ein Land sich verteidigen kann. Nach über 75 Jahren muss auch mal gut sein. Jede Hilfe für die Palästinenser hatte lediglich weitere Angriffe und Terrorismus zur Folge. Das nur an der derzeitigen, rechtsaußen bis rechtsradikalen Regierung Netanjahu aufzuhängen, halte ich für vergessend, verzerrend und geschichtsrevisionistisch. 

Ebenso wie schlicht ignoriert wird, dass das bestehende Gesellschaftssystem im Gazastreifen zutiefst faschistisch ist und die Menschenrechte ignoriert, die sich vor allem jene auf die Fahnen schreiben, die als „Westler“ dieses System unterstützen und Israel auch dafür kritisieren, dass es sich zur Wehr setzt. Von Israel eine Beendigung des Krieges zu fordern, ist in meinem Wertesystem gleichbedeutend damit, die Alliierten 1944 aufzurufen, den Krieg gegen Nazideutschland einzustellen. 

Und ich stelle erschreckend fest, dass wenige Menschen in Europa und Nordamerika diese Parallele zu sehen scheinen. Mehr noch, die simple Tatsache, wer der Kriegsparteien der Angreifer ist, wird nicht nur aus politischem Kalkül von Politikern lieber klein gehalten. Sondern von Hilfsorganisationen verzerrt und von Medien schlicht ignoriert. 

Es mag vielen menschenverachtend erscheinen, aber wenn der Angreifer leidet, derjenige, der einen Genozid unternommen hat und selber seit Jahrzehnten versucht ein Land auszulöschen, empfinde ich keine Empathie. Aufgrund meiner Tätigkeit weiß ich nicht nur, dass viele Menschen das so beurteilen. Sondern dass sie darunter leiden, dass ihre legitime Einstellung und Position diskreditiert, bewusst umgedeutet und in den Medien und der öffentlichen Debatte kaum abgebildet wird. Jüdische Deutsche fühlen sich nicht gehört und beiseite geschoben. 

Deshalb, und nur deshalb, hätte ich auch Verständnis dafür, wenn die Israelis nach Jahrzehnten des Überlebenskampfes und fünf konkreter, durch die Palästinenser abgelehnte Vorschläge für eine Zwei-Staaten-Lösung die Schnauze voll hätten und den Gazastreifen annektieren. Umfragen zeigen, dass das bei immer mehr Israelis der Fall ist. Es wäre nicht meine bevorzugte Lösung. Aber ich hätte jedes Verständnis. Legen die Palästinenser die Waffen nieder und lassen die Geiseln frei, endet der Krieg. Legen die Israelis die Waffen nieder, endet Israel. Ich halte die Erklärung der Außenminister, Israel solle den Kampf gegen seine Feinde beenden, für eine Schande.


87% aller Palästinenser: Es gab keine Verbrechen am 7. Oktober

Ein Auto und ein Eselkarren fahren durch eine Straßenszene, die Häuser sind unbeschädigt, links grüne Bäume.

Foto: 21.07.25, Deir El-Balah, Gazastreifen

Von vielen Argumentationen beider Seiten werden Details ausgeblendet.
Dafür gibt es deutlichere Tendenzen auf der pro-palästinensischen Seite.

  • 50% aller Palästinenser finden den „Angriff“ am 07.10.23 richtig. (59% im Westjordanland, 38% im Gazastreifen)

  • Danach gefragt ob am 07.10.23 Grausamkeiten verübt wurden („wie das Töten von Frauen und Kindern“) sagten 87%, so etwas sei nicht passiert.

  • 85% der Palästinenser in der West Bank und 64% der Palästinenser im Gazastreifen sind gegen eine Entwaffnung der Hamas.

  • Wäre die Ausweisung von Hamas-Anführern eine Bedingung für einen Frieden, würden 65% aller Palästinenser dem Widersprechen.

  • Wären heute Wahlen, käme die Hamas im Gazastreifen auf 34% und auf der West Bank 22%. Sie wäre jeweils stärkste Kraft. In der West Bank sagten 42%, sie würden nicht wählen gehen.

  • 56% der Palästinenser auf der West Bank und 23% der Palästinenser im Gazastreifen glaubten, die Hamas werde siegreich aus dem Krieg hervorgehen.

  • Inzwischen unterstützen 40% der Gaza-Palästinenser, wenn die Palästinensische Regierung nach dem Krieg wieder die Kontrolle im Gazastreifen übernimmt.

  • 48% der Gaza-Palästinenser aber nur 14% der Palästinenser im Westjordanland befürworten die Demonstrationen gegen die Hamas.

  • 70% der Palästinenser auf der West Bank glauben, die Standhaftigkeit im Gazastreifen beruhe auf den Glauben an Allah, aber nur 38% der Palästinenser im Gazastreifen.

  • Nach einer Zwei-Staaten-Lösung gefragt, waren 57% aller Palästinenser dagegen und nur 40% dafür.
    Wurden sie aber ohne Verknüpfung zu dem Begriff danach gefragt, ob sie einem souveränen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 zustimmen würden, stieg die Zustimmung auf 60%, während 36% dagegen waren.

  • 33% der Palästinenser halten es für die oberste Priorität, in die 1948 Region zurückzukehren. 41% hielten die Schaffung eines palästinensischen Staates für die höchste Priorität.
    13% hielten den Aufbau einer religiösen Gesellschaft gemäß dem Islam für die höchste Priorität, 12% den Aufbau einer Demokratie.

  • 26% der Palästinenser verlangen eine Ein-Staaten-Lösung, also die Vernichtung Israels. 46% befürworten den bewaffneten Kampf und eine Intifada zur Durchsetzung politischer Ziele.

Quelle: Palestinian Center for Policy and Survey Research, Poll 95, 06.05.2025

Persönliche Anmerkung:

Aus den Befragungen gehen weit mehr Zahlen hervor, ebenso eine Entwicklung durch die vorherigen Erhebungen.

Mir persönlich drängt sich der Eindruck auf, dass die Palästinenser eine völlig falsche Vorstellung davon haben, welche Bedeutung, Wirkmacht und Selbstbestimmung sie überhaupt noch haben.
Das scheint in der West Bank deutlicher ausgeprägt zu sein, als im Gazastreifen.

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Zudem ist auffällig, dass die Befragten auf inhaltlich eigentlich identische Fragen je nach Formulierung völlig unterschiedlich antworteten.
Dort schein die Propaganda Spuren hinterlassen zu haben.
Fragt man beispielsweise nach einer Zwei-Staaten-Lösung, ist die deutliche Mehrheit dagegen. Erklärt man das jedoch ohne den Begriff, ist die deutliche Mehrheit plötzlich dafür.
73% hatten beispielsweise nie von der „Globalen Allianz zur Umsetzung der Zweistaatenlösung“ gehört, die sogar von Saudi-Arabien initiiert wurde.

Vielsagend auch die Angabe, dass über ein Drittel nicht an Wahlen teilnehmen würde. Das geht auch aus anderen Befragungen hervor. Ich interpretiere das als Unverständnis von Demokratie, wie es auch in Afghanistan deutlich wurde. Die „Anführer“ würden sich um so etwas kümmern, habe ich mehrfach gehört und gelesen.

Nach dem Existenzrecht Israels wurde nicht explizit gefragt. Man kann es sich aber aufgrund der anderen Ergebnisse denken.

Der größte Knackpunkt bei Friedensverhandlungen scheint die Entmachtung der Hamas zu sein. Was dann gerne so gedreht wird, Israel würde beispielsweise die Freilassung der Geiseln ablehnen.
Diese Unterstützung für die Hamas und die Negierung der Verbrechen findet sich auch in den Umfrageergebnissen wieder.

Die Umfrage ist schon zwei Monate alt. Doch das schlichte Ignorieren dessen, was die Palästinenser und die Hamas selber sagen, findet sich ja täglich in den Kommentarspalten.


Erschienen auf steady.page

Montag, 21. Juli 2025

Weidel-Interview vor Störkulisse: Mit dieser miesen Inszenierung hat sich die ARD journalistisch beerdigt

von Wilma Fricken

Hatte Schwierigkeiten, sich Gehör zu verschaffen: Alice Weidel beim heutigen ARD-„Interview“ 



Das heute um 18 Uhr ausgestrahlte ARD-“Sommerinterview” mit AfD-Chefin Alice Weidel sollte eigentlich ein politisches Gespräch von Gewicht werden. Stattdessen geriet es zu einem offenbar planvollen Desaster, das weniger über die AfD als über den erbärmlichen geistig-moralischen Zustand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aussagt: Lautstarke Proteste linksradikaler Aktivisten, angeführt vom „Zentrum für Politische Schönheit“ mit ihrem „Adenauer SRP+“-Bus, machten das Gespräch nahezu unverständlich. Trillerpfeifen, Hupen und Sprechchöre wie „Scheiß AfD“ dröhnten über die Spree, während Weidel so tapfer wie verzweifelt versuchte, die wie üblich tendenziösen und voreingenommen Fragen von Moderator Markus Preiß zu beantworten.

Die Krönung dieser Zumutung: Die ARD ließ zu, dass eine kleine Gruppe von 25 Aktivisten das Gespräch sabotierte – ohne jegliche Konsequenzen. Die Berliner Polizei beendete die “unangemeldete Aktion”, nahm jedoch niemanden fest. Das „Zentrum für Politische Schönheit“ feierte die Störung anschließend als „bestes Sommerinterview mit Faschisten“. Schon früh machte die Senderleitung überdeutlich, auf welcher Seite sie hier stand: Statt professionell zu reagieren und das Interview bei Aufkommen der ersten Störchoräle ins Studio zu verlegen (eine Maßnahme, die in Anbetracht der zu erwartenden Krawalle ohnehin angebracht gewesen wäre), gab sie dem Chaos seinen Lauf – “ein Tiefpunkt des öffentlich-rechtlichen Journalismus”, wie “Focus”-Co-Chefredakteur Thomas Tuma treffend anmerkte.

Niederträchtiges Spektakel

Tuma schrieb außerdem, dieses Fanal habe “mit Journalismus nur noch so viel zu tun wie eine Kirmes, bei der sich ein eigens eingeladener Gast plötzlich als Hau-den-Lukas-Objekt für die Dorfschläger wiederfindet”. Und: Diese halbe Stunde werde “noch lange nachhallen als Beispiel, wie Journalismus eben nicht geht”. Bereits um 15 Uhr war das niederträchtige Spektakel live in der ARD-Mediathek zu sehen – und obwohl die Ausstrahlung erst für 18 Uhr angekündigt war und somit noch Gelegenheit für einen Ortswechsel bestanden hätte (etwas, das bei Merz, Klingbeil oder linken und grünen Interviewpartner eine Selbstverständlichkeit gewesen wäre!), ließ man, offenkundig mit hämischer Genugtuung, die blamable Show inklusive “Soundtrack” der versammelten hörbaren Linksfaschisten laufen.

Mittendrin statt nur dabei. Das Erste war direkt eingebunden.



Nicht einmal eine (in der heutigen digitalen Zeit sogar KI-automatisiert problemlos mögliche) Nachbearbeitung der Tonspur unter Ausblendung der imbezilen Hassgesänge für die 18-Uhr-Hauptausstrahlung zog man offenbar auch nur in Betracht. So wurde das Interview in voller “Hintergrundlautstärke” ausgestrahlt, wohl um sicherzustellen, dass auch die Filterschranke der Hörgeräte des ARD-Durchschnittspublikums vor den heimischen Mattscheiben durchdrungen wird. Nein: Wer dieses Debakel sah und hörte, kann nur zu dem Eindruck kommen, dass die ARD diesen Eklat definitiv wollte und womöglich sogar provozierte, wenn nicht gar mitinszenierte.

Zonen-Überlebender Sudel-Markus Preiß...



Preiß: “Es ist ja sehr laut”

Das vermutet auch Erika Steinbach, die auf X kommentiert: “Das war mit Sicherheit hinter den Kulissen arrangiert. Ansonsten hätte man das Interview in die Räume verlegen können. Das wollte man nicht. Man hat wohl gehofft, dass Alice Weidel das Interview abbricht. Die Freude hat sie denen aber nicht gemacht.” Überhaupt wirkt die Bezeichnung „Live-Interview“ wie Hohn – denn ein echtes Gespräch war ja gewolltermaßen kaum möglich. Weidel musste sich vorbeugen, um Preiß’ Fragen zu verstehen, während dieser die Störungen mit einem süffisanten „Es ist ja sehr laut“ abtat. Schlimmer noch: Statt die Situation zu deeskalieren, füllte die ARD die Sendezeit mit Einspielfilmen, die einseitige Kritik an der AfD zusammentrugen. Nach dem Interview folgte eine Selbstdarstellung des Senders: Preiß wurde gefeiert, Weidel betont negativ dargestellt.

Dieser neuerliche Umgang des Staatsfunks mit der Vorsitzenden der größten Oppositionspartei, deren Wähler sein eigenes Zwangsgebührenbudget zu rund einem Viertel mitfinanzieren, macht deutlich, wie überfällig und alternativlos die ersatzlose Zerschlagung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist. Dieser Propagandaapparat hat nicht nur mit Journalismus rein nichts mehr zu tun, er entwürdigt auch seine ehrbare Tradition – und seine schwindenden und/oder wegsterbenden Zuschauer gleich mit. So wie hier wird die Opposition nicht einmal in Russland vorgeführt. Plumpe Verächtlichmachung und Kampagnentum liegen allerdings ganz auf dem Niveau einer maximal verhetzten, bildungsfernen Gegen-Nazi-Gesellschaft von Neurotikern und Hobbymoralisten. Gekreische statt Diskurs, Nazi-Keule statt fundierter Kritik – und Interviews als Tribunal.



Was der mit Milliarden ausgestattete öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht vermochte, nämlich die Störgeräusche in der Nachbearbeitung herauszufiltern, Zeit war dafür genug, andere schafften das...


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 

Mittwoch, 16. Juli 2025

Syrien - Es droht ein Völkermord

Die Lage eskaliert weiter, es droht ein Völkermord. Zudem kann die Situation entscheidend dafür sein, wie die neue Regierung Syriens international wahrgenommen wird.
Zuletzt hatte auch Deutschland Syrien Millionen Entwicklungshilfe gezahlt und alle Sanktionen aufgehoben.


Die Hoffnung, dass die nachgeführten syrischen Regierungstruppen die Lage beruhigen und die sunnitischen Beduinen zur Raison bringen, hat sich nicht bestätigt.
Auch die drusischen Religionsführer hatten dazu aufgerufen, die Waffen niederzulegen und mit den Regierungstruppen zusammenzuarbeiten. Die Hoffnung war also durchaus begründet.

Doch die Kämpfe haben sich intensiviert. Die angeführten Regierungstruppen haben ebenfalls begonnen, die Drusen zu bekämpfen.

Ein Konvoi von Pick Ups, besetzt mit maskerten Bewaffneten.

Foto: Syrische „Sicherheitskräfte“. 16.07.2025

Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in Großbritannien wurden inzwischen mindestens 250 Menschen getötet. Davon sollen etwa 100 Getötete zu den sunnitischen Regierungstruppen gehören. Stand heute Mittag.

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Foto: Kontrollposten der „Sicherheitskräfte“. 15.07.2025

Die Tagesschau titelt vor etwa zwei Stunden über einem Beitrag von Moritz Behrendt „Eine religiöse Minderheit kämpft um Mitsprache“.
Ich halte das für einen Versuch, die Kommunikation der Vorgänge auf eine politische Ebene zu heben. Da die Tagesschau sich dort zu Hause fühlt und nicht direkt aus der Region berichten kann.

Screenshot des Artikels der Tagesschau

Doch eben dadurch wird deutlich, welche Linie die Regierung der HTS (Haiʾat Tahrir asch-Scham, „Komitee zur Befreiung der Levante“) tatsächlich verfolgt. Man will die seit dem Sturz Assads weitestgehend autonome Region unter die eigene Kontrolle bringen.

Daher ist fraglich, ob es sich tatsächlich „nur“ um eine Eskalation durch einen Alleingang sunnitischer Beduinen handelte, oder ob die Regierung hier von vorn herein planvoll vorgegangen ist.

Auf Social Media sind Videos mit dramatischen Szenen im Umlauf. Gefesselte werden geschlagen und getreten, Zivilisten liegen erschossen vor ihren Häusern.Die Bilder möchte ich nicht wiedergeben.

Ein blutverschmierter junger drusischer Mann mit behelfsmäßigen Verband um den Kopf blickt in die Kamera.

Foto: Ein blutverschmierter junger drusischer Mann. 16.07.2025

Die Lage stellt sich bis heute Mittag so dar, dass Regierungskräfte gestern von Norden aus bis zum Stadtzentrum von Suwaida vorgestoßen sind und nun das Nationalmuseum im Nordosten und das Nationale Krankenhaus im Süden umschließen.

Satellitenbild mit dem Stadtzentrum, dem Krankenhaus und dem Museum markiert.

Wenn die Regierungstruppen hier durchstoßen, muss wohl mit einem massiven Massaker, wenn nicht einem Völkermord gerechnet werden. Pressebilder legen nahe, dass die Kombattanten Straße für Straße absuchen.
Bereits im März wurden etwa 1700 Angehörige der schiitischen Minderheit der Alawiten getötet.

Regierungstruppen gehen Straße für Straße vor.

Foto: Regierungstruppen gehen Straße für Straße vor. 16.07.2025

Junge Männer der israelischen Drusen hatten gestern bereits die Grenze nach Syrien überschritten, waren am Abend jedoch wieder zurückgekehrt. Heute Mittag wurde gemeldet, dass eine noch größere Anzahl die Grenze erneut überschritten hat.
Man sollte nicht vergessen, dass viele dieser jungen Drusen als Wehrpflichtige in den IDF dienen und sicherlich Kampferfahrung haben.

Zusätzlich hat Verteidigungsminister Katz nun – im Gegensatz zu gestern – sehr deutlich Syrien gedroht.
Die Lage ist jedoch noch komplizierter, da einige Stimmen unter den syrischen Drusen skeptisch gegenüber der Hilfe aus Israel sind. Weil sie Israel nicht trauen oder weil sie von der sunnitischen, zum Teil islamistischen Mehrheit nicht als Schutzbefohlene Israels wahrgenommen werden wollen. Denn das könnte den Konflikt auf Jahre zementieren.

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Foto: Syrische Flugabwehrkanone auf einem Pick Up, vermutlich zerstört durch einen Luftschlag der IDF. 16.07.2025

Die IDF haben erneut Ziele der Regierungstruppen mit Luftschlägen angegriffen. Doch diesmal wird es handfester, es wurden Ziele in der Hauptstadt Damaskus angegriffen. Darunter bekam der Sitz des Generalstabes im wahrsten Sinne einen Schuss vor den Bug, vor das Haupttor.

Zudem hat sich inzwischen eine neue, noch extremistischere Gruppe etabliert, die Saraya Ansar al-Sunnah (etwa: Unterstützer der sunnitischen Einheiten). Die von einem Aussteiger der HTS begründet wurde, weil die neue Regierung seiner Meinung nach zu nachlässig mit Schiiten umgeht.
Sie sind gegen alle: Christen, Drusen, Alawiten, Schiiten.
Vor nicht einmal vier Wochen hat ein Selbstmordattentäter dieser Gruppe in der Mar-Elias-Kirche in Damaskus mindestens 22 Menschen in den Tod gerissen. Das Innenministerium erklärte zunächst, der IS sei für den Anschlag verantwortlich, bevor die Saraya Ansar al-Sunnah die Verantwortung übernahm.

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Foto: Die zerstörte Mar-Elias-Kirch nach dem Selbstmordanschlag. 22.06.2025

Es ist also auch möglich, dass die Regierung „Jolani“ nicht mehr in der Lage ist, die islamistischen Kräfte in ihren Reihen zu bändigen und deshalb nun ihr wahres Gesicht zeigt.

Nachtrag: Gestern hatte ich ein grassierendes Video angesprochen, in dem einem alten Mann der Bart geschoren wurde.
Dabei handelte es sich wohl um den 80-jährigen Religionsführer Scheich Marahaj Shaheen, der nach den Aufnahmen getötet wurde.

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Dienstag, 8. Juli 2025

Luftschlag gegen Strand-Café: Hintergründe, Erklärungen, Medienversagen


Ein Verletzter wird auf einem Stuhl aus dem Al Baqa getragen

Stellen wir uns einen Krimi vor, wie Agatha Christie ihn geschrieben hätte. Ein mutmaßliches Verbrechen, ein Ermittler, ein eingeschränkter Personenkreis, ein paar Tote, viele Fragen.
Würden unsere Nachrichtenmedien diesen Krimi schreiben, würden sie sich ausschließlich damit beschäftigen, wie es den Verletzten geht und welche Gesetze womöglich gebrochen wurden. Nichts zum Motiv, nichts zur Tatwaffe, nichts zum Hergang des Verbrechens oder ob es überhaupt eins war.


Gar nichts. Das Buch endet damit.

Ich möchte am Beispiel des Luftschlags auf das Strand-Café zeigen, wie unterschiedlich die Perspektiven sind. Um deutlich zu machen, wie durch Inkompetenz ein falsches Bild des Gazakrieges verkauft wird. Und selbst diejenigen, die sich einfach nur offen informieren wollen, eben nicht informiert werden.
Desinformation.

Daher werde ich, entgegen der Dramaturgie, zunächst erklären, was tatsächlich passiert ist. Und erst danach werde ich darauf eingehen, was wie berichtet wurde.
Ich finde wichtig, es detailliert zu sezieren. Um zu zeigen, was die Medien alles nicht berichten.

Der Luftschlag

Am 30. Juli 2025, dem vergangenen Montag, haben die IDF einen Luftschlag gegen das Al Baqa Café Restaurant am Strand von Gaza-Stadt geflogen. Am helllichten Tag, was für eine solche Operation zunächst ungewöhnlich ist.

Deshalb gingen schnell die ersten Handy Videos online, vor allem auf X.
Nach einigen Stunden tröpfelten die ersten Zahlen von Verletzten und Toten rein. Die Zahlen gingen von 20 bis über 70. Selbstverständlich ohne Kombattanten auszuweisen.

Blick der Badegäste unmittelbar nach dem Luftschlag

Keine dieser Zahlen war unabhängig geprüft. Diese Zahlen waren nicht einmal die offiziellen Zahlen der Hamas bzw. der Palästinenser. Es waren Zahlen, die auf Aussagen ungenannter Mitarbeiter im Gesundheitsdienst beruhten. Die ihrerseits zumeist von der Hamas bezahlt werden.

Aus Erfahrung hatte ich sofort eine ungefähre Vorstellung. Als die ersten Pressefotos in den Stock-Anbietern zu sehen waren, war ich mir sicher. Das war ein zielgenauer Angriff der IDF. Man spricht auch von einem Hochwertziel oder einem Punktziel.
Nicht das Café war Ziel des Angriffs, sondern ein Ziel im oder beim Café. Ein Auto, eine Person. Deshalb auch ein solcher Luftschlag bei Tageslicht. Kriegsvölkerrechtlich ein enormer Unterschied.

Screenshot einer Auswahl bei einem Stock-Anbieter für Pressebilder.

Foto: Screenshot einer Auswahl bei einem Stock-Anbieter für Pressebilder.

Hätten die IDF einfach das Café plattmachen wollen, hätte sie das gekonnt. Sie hätten zwei bis vier 2000-Pfünder in die Gebäude setzen können, und es wäre nicht viel übriggeblieben. Und damit meine ich Mondlandschaft. Umso mehr, weil es nur ein Strand-Café in Leichtbauweise war.

Merksatz: Wenn nur eine einzelne Bombe fällt, hatte diese eine Bombe einen bestimmten Zweck.

Auf den Fotos der Stock-Agenturen war aber zu sehen, dass die gemauerte Fassade noch stand. Dass im Gebäude keine Brandspuren zu erkennen waren, dass alle Schäden von der Wucht und von Splittern herrührten.
Es war zu erkennen, dass ein großer Teil des Komplexes eher einem Zelt geglichen hatte. Stoffdächer hingen herab, Alustangen standen verbogen herum.

Auf einem Foto, das ich gekauft und schon auf Facebook Fanpage und dem X-Account veröffentlicht habe, sah man die Einschlagstelle, den Krater. Das Bild bestätigte ebenfalls meine Einschätzung.

Der Einschlag neben dem Café, ein Mann steht zum Größenvergleich dahinter.

Foto: Der Einschlag - Kaum sechs Meter, kaum mannshoch.

Die Bombe

Am Mittwoch dem 02. 07.2025 berichtete der britische Guardian unter dem Titel „Israelisches Militär verwendete 500-Pfund-Bombe für Schlag gegen Gaza-Café, enthüllen die Splitter“ („Israeli military used 500lb bomb in strike on Gaza cafe, fragments reveal“).

Sceenshot des Guardian-Beitrags

Sceenshot des Guardian-Beitrags

Unter anderem berichtet der Guardian, dass Fragmente durch den Guardian fotografiert worden seien. Eine übliche Aneignung, die genannte Enas Tantesh ist freier Journalistin (18) und war auch schon Gegenstand der Berichterstattung u.a. in: Voice of America (VOA), NZZ, VOA Africa, China National News, North Korea Times (!), afghanistannews, China News und New Delhi News. Kein westlicher, unmittelbarer Mitarbeiter des Guardians hält sich im Gazastreifen auf.

Des Weiteren wird berichtet, dass die Splitter von Bomben-Experten als Reste einer Mk-82 identifiziert worden seien. Wer diese Experten waren, berichtet der Guardian nicht. Es ist dennoch glaubwürdig.
Noch vor diesem eigentlichen Kern der Story werden „Experten des internationalen Rechts“ zitiert - ebenfalls ungenannt - die gesagt hätten, dass der Einsatz einer solchen Bombe fast sicher ein Kriegsverbrechen darstellt. Unabhängig davon, ob man von der Anwesenheit ungeschützter Zivilisten, „darunter Kinder, Frauen und Alte“, gewusst habe.

Diese Aussage ist schlicht Unfug. Abgesehen davon, dass das Recht keinen Unterschied zwischen Männern und „Kindern, Frauen und Alten“ macht. Das ist eine moralische Bewertung, keine juristische.
Das Kriegsvölkerrecht verbietet „exzessive oder unproportionale“ Gewalt gegen Zivilisten. Und um die einschätzen zu können, muss der Entscheidungsträger wissen, was mögliche Kollateralschäden sein könnten.
Wenn das wirklich Experten waren, die mit dem Guardian gesprochen haben, haben sie das sicher nicht so formuliert.

Aus genau diesem Grund ist ein Verfahren gegen die Entscheidungsträger der Bundeswehr bei dem Luftschlag gegen Tanker bei Kundus 2009 eingestellt worden. Weil sie keine genauen Informationen hatten und gute Gründe von Kombattanten auszugehen.
Dabei wurden übrigens zwei (!) fast identische Bomben eingesetzt, wie nun auf das Café.

Dumme und schlaue Bomben

Selbst mit meiner Nacherzählung des Guardians müssen Laien bereits den Eindruck haben, die IDF hätten ohne Rücksicht eine große Bombe in ein ziviles Café gesetzt.
Lassen Sie mich das einordnen.

Die von den ungenannten Experten identifizierte MK-82 (gesprochen „Mark“, was bei Bomben soviel wie „Version“ bedeutet) ist die zweitkleinste „Eisenbombe“, welche Israel und sogar die gesamte NATO überhaupt haben.
Israel selber hat eine kleinere solcher Bomben, die MLGB, und eine ähnliche, die aber andere Spezifikationen aufweist (Fastlight). Die größte dieser Bomben in Israels Arsenal ist achtmal so groß.

Angegeben werden solche Bomben in britischen Pfund. Der Grund dafür ist militärisch, da jedes Flugzeug nur eine bestimmte Last tragen kann, weshalb das Gesamtgewicht entscheidend ist.
Die „500-Pfund-Bombe“ aus der Guardian-Schlagzeile wiegt also eigentlich 230kg und hat einen Gefechtskopf von 89kg. Aber das macht sich nicht gut in Schlagzeilen.

Die Mk-82 ist allerdings eine dumme Bombe.
Es ist eine ungelenkte Freifall-Bombe. Und sowas braucht man eigentlich nur noch für Flächenbombardements. Trotzdem gehört sie bis heute zu den am häufigsten verwendeten Bomben.

Es gibt Nachrüstsätze, vor allem die JDAM.
Mit diesen Nachrüstsätzen werden „Flügel“ an die Bombe angebracht, sowie ein anderer Kopf. Es gibt verschiedene Versionen, je nach Bombe und Rüstsatz. Unter anderem die Paveway I – III, die auch Israel verwendet. Dadurch werden aus den dummen Bomben sehr schlaue Bomben. Denn Sie bekommen eine Laser-Zieleinrichtung.

Gegenüberstellung der Mk-82 Bombe und der Paveway mit der Bombe im Kern.

Grafik: Gegenüberstellung der Mk-82 Bombe und der Paveway mit der Bombe als Basis.

Warum die Experten des Guardian das nicht erwähnt haben, oder ob der verantwortliche Redakteur Jason Burke in Jerusalem das einfach weggelassen hat, wird immer ein Geheimnis bleiben.

Das Kartell

Das Prinzip ist leicht zu verstehen.
Jemand zielt mit einem Laser auf einen Punkt und die Bombe fliegt genau in diesen Punkt. Mit einer enormen Präzision, auch auf fahrende Ziele. Ich habe von Versionen mit einem Radius von höchstens 30cm gelesen. Das ist die Länge eines Schullineals.

In der simpelsten Operation wird ein Trupp Spezialisten geschickt. KRK, Kampfschwimmer, Navy Seals, Delta Force, jeder hat in Filmen diese Namen schon gehört. In Israel wären das beispielsweise die Schajetet 13 oder Brigade Oz.
Diese schleichen sich unentdeckt an ein Ziel an, vielleicht auf zwei Kilometer, zielen mit dem Laser, ein Flugzeug setzt die Bombe ab und die geht genau auf den Laser. Der am Boden natürlich nicht zu sehen ist.

Deutsche Kampfschwimmer tauchen mit den Waffen im Anschlag aus dem Wasser auf.

Foto: Deutsche Kampfschwimmer tauchen mit den Waffen im Anschlag aus dem Wasser auf.

Die Hauptfigur der Reihe Jack Ryan wurde in dem Blockbuster „Das Kartell“ von Harrison Ford gespielt. In diesem Film ist genau ein solcher Einsatz wichtiger Teil der Handlung. Der Film stammt von 1994, ist also über 30 Jahre alt.
Die Buchvorlage „Schattenkrieg“ stammt gar von 1989 und wurde geschrieben von Tom Clancy. Der u.a. auch „Jagd auf Roter Oktober“ verfasste und als erster Journalist auf ein Atom-U-Boot durfte, um ein Sachbuch darüber zu schreiben. (Was ich damals verschlungen habe, eine kleine Sensation.)
In den Köpfen der Nachrichtenredaktionen scheint diese Möglichkeit nach wie vor nicht angekommen zu sein.

DVD Hülle des Films Das Kartell.

Grafik: Das Kartell

Allerdings wäre es natürlich schwierig, ein Team von Kampfschwimmern an einem sonnigen Tag an einem Badestrand auf ein Café zielen zu lassen. Möglich, aber schwierig.
Heutzutage wird so etwas mit Helikoptern, anderen Flugzeugen oder Drohnen gelöst.

Und das erklärt dann nicht nur den kleinen Krater, der von vielen Medien als groß bezeichnet wurde. Sondern es erklärt auch, warum die Bombe offenbar südlich von dem Café eingeschlagen ist und nicht im Hauptgebäude. Das Gebäude unmittelbar nördlich von dem Café, also vom Krater aus auf der anderen Seite, scheint unbeschädigt geblieben zu sein. Ich habe ein aktuelles Sattelitenbild abgeglichen, das ich nicht veröffentlichen darf.
Auf palästinensischen Fotos sieht man nie, was noch intakt ist. Die wissen, was sie zu fotografieren haben.

Das Ziel

Es gibt zwei Hochburgen der Hamas. Auch wenn der Begriff von Medien Inflationär verwendet wird.
Das ist einmal Chan Yunis im Süden, aus dem Yahya Sinwar und seine Brüder - alles wichtige Leute innerhalb der Hamas - stammten. Und das ist Dschabaliya, ein als Flüchtlingslager gegründeter Vorort nördlich von Gaza-Stadt. Dort begann die erste Intifada.

Und das ist der Bereich, der noch vor der Bodenoffensive durch Israel massiv bombardiert wurde. Die Bombardements sind auf Sattelitenbildern deutlich zu erkennen, während andere Viertel nach wie vor intakt erscheinen. Die meisten Bilder der Zerstörung, die in Medien zu sehen waren, stammen aus diesem Viertel.

Nach beiden Orten sind Bataillone der Qassam-Brigaden, der offiziellen Streitkräfte der Hamas, benannt.

Sattelitenbild von Dschabaliya, der Zerstörung ist deutlich zu erkennen. Die Häuserblocks darüber (westlich) sind weitestgehend unzerstört.

Foro: Sattelitenbild von Dschabaliya, der Zerstörung ist deutlich zu erkennen. Die Häuserblocks darüber (westlich) sind weitestgehend unzerstört.

Ayman Atiya Mansour war Kommandeur des Dschabaliya-Bataillons. Und damit auch der Kommandeur der Hamas im gesamten Norden.
Er wurde, zusammen mit seinem Sohn Atiya, im Juni 2023 erschossen. Also vor dem Krieg.

Ayman Mansour in einem Pressebild in Uniform mit einem Strumgewehr, lächelnd in einem typischen Hamas-Bunker.

Die Geschichte ist skurril, könnte aber aus der realitätsnahen Netflix-Serie Fauda stammen.
Mansours Verwandter Eid Muhammad Mansour betätigte sich als Waffenschmuggler für die Hamas. Familiengeschäfte. Er wurde beschuldigt, mit den Israelis zu kooperieren. Daraufhin soll er die beiden erschossen und sich zum Schluss die Waffe an den eigenen Kopf gesetzt haben. Vielleicht wissend, was ihn erwartet.
Das ist zumindest die Version, die das Hamas-Innenministerium veröffentlicht hat. Allerdings sind Kooperation mit den Israelis und Homosexualität standarisierte Beschuldigungen um unliebsame Mitstreiter aus dem Weg zu räumen. Es gibt einige Beispiele.

Bereits am Dienstag, 01.07.2025, also einen Tag nach dem Luftschlag, war aus palästinensischen Kreisen zu hören, dass das Ziel des Luftschlages auf das Café Hisham Ayman Mansour war. Ein anderer Sohn des bisherigen Kommandeurs, der auch aktiv am 10/7 teilgenommen hat. Er soll hochrangiger Kommandeur im Familiengeschäft gewesen sein, vielleicht sogar den Posten seines Vaters übernommen haben.
Inzwischen gilt das als gesichert.

Hisham Mansour (rechts) mit seinem Vater Ayman Atiya Mansour.

Foto: Hisham Mansour (rechts) mit seinem Vater Ayman Atiya Mansour.

Am gleichen Tag grassierte bereits das Gerücht, dass Hisham Mansour in dem Café war, um dort Mitglieder und Affiliierte zu bezahlen. Behalten wir das für einen Moment im Hinterkopf.

Was vermutlich passiert ist

Ich gebe eine alternative Version. Was ich mir so denke, was passiert ist.

Aus verdeckten Quellen hat der für den Gazastreifen zuständige Nachrichtendienst Schin Bet erfahren, dass der Kommandeur der Hamas Hisham Mansour sich frei bewegt. Vielleicht haben Sie ihn „getrackt“, vielleicht durch Kollaborateure zufällig entdeckt, vielleicht wussten sie durch ein abgehörtes Telefonat, dass er sich mit jemandem im Café treffen will.

Eine Beobachtungsdrohne wurde gestartet und das Ziel wurde visuell bestätigt. Die Drohne, sicher nur eine kleine Beobachtungsdrohne, verfolgte das Ziel.
Daraufhin stieg eine weitere Drohne mit einem Laser auf. Beispielsweise ein Heron, wie die Bundeswehr sie auch bestellt hat. Ein kleines Flugzeug, das in großer Höhe sehr langsam fliegen und lange in der Luft bleiben kann.

Eine Heron Drohne, wie die Bundeswehr sie jetzt bekommt.

Foto: Eine Heron Drohne, wie die Bundeswehr sie jetzt bekommt.

Als klar wurde, wo sich das Ziel hinbewegt oder sein würde, wurde ein Flugzeug mit einer lasergelenkten Bombe gestartet. Zur Sicherheit wurde eine Bombe gewählt und keine übliche Panzerabwehrrakete wie die Spike, um das Ziel auch sicher zu erwischen. Vielleicht weil man noch nicht wusste, wohin es sich bewegen würde. In jedem Fall wird es handfeste Gründe für die Verwendung genau dieses Musters gegeben haben.

Hisham Mansour hält an dem Café, parkt vielleicht. Vielleicht trifft er sich im Fahrzeug mit anderen. Vielleicht steigt er aus.
Das Ziel wird bestätigt, der Entscheidungsträger in einem Bunker in Israel gibt Feuer frei, die Drohne, gesteuert von einem Luftwaffenstützpunkt in der Negev, schaltet den Laser auf, das Flugzeug startet die Paveway und so wurde aus Hisham ein Ex-Hisham.

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An einer solchen Operation sind hunderte Menschen beteiligt. Spezialisten, darunter Nachrichtendienstler, Piloten und Drohnenpiloten. Das ist keine lapidare Bombardierung eines bekannten Ziels, das man auf jeder Karte findet. Das hätte man sicher nachts erledigt.

Und plötzlich ergibt sich ein völlig anderes Bild als das, was von den Medien kommuniziert wurde. Keine willkürliche Bombardierung von Zivilisten, sondern das präzise Ausschalten eines Hochwertzieles. Das zu Kollateralschäden geführt hat, weil das Ziel sich unter Zivilisten versteckt hat. Ein Geheimdienst-Thriller von Tom Clancy, kein halbfertiger Krimi von Agatha Christie.

Das ist nur eine Vorstellung. Auch wir haben schon in den 90ern ähnliche Einsätze geübt.
Wieder überlasse ich es den geneigten Lesern zu entscheiden, was sie für wahrscheinlicher halten.
Ich weise aber darauf hin, dass ich bisher keine einzige Information der IDF verwendet habe. Lediglich offene Quellen, die jedem Nachrichtenredakteur auch zur Verfügung stehen.
Die IDF haben sich bisher nicht geäußert.

Verzerrte Narrative

Diese Form der Berichterstattung hat System. Ob bewusst oder nicht, ob absichtlich oder nicht. Meiner Meinung nach eine Mischung aus vielen Gründen, vor allem das System Agenturmedien und Kompetenzlosigkeit. Israelfeindlichkeit und Antisemitismus mögen vereinzelt eine Rolle spielen, letztendlich weiß ich es nicht.
Zwei Beispiele:

Mohammed Deif

Eines der sehr wenigen zeitnahen Fotos, die von Deif bekannt wurden. Mit einem Bündel Dollars in der Hand.

Foto: Eines der sehr wenigen zeitnahen Fotos, die von Deif bekannt wurden. Mit einem Bündel Dollars in der Hand.

Im Juli 2024 wurde Mohammed Deif ausgeknipst.
„Deif“ bedeutet eigentlich „der Gast“. Den Namen hatte Mohammed Masri daher, dass er seit 1995 abgetaucht war. Er hat nomadisch immer wieder für einige Tage bei irgendwelchen Familien Unterschlupf gefunden.

Die Medien berichteten, Israel habe die humanitäre Zone al-Mawasi bombardiert. Das war Kern des Narrativs. Zumal Israel lange gewartet hat, die Eliminierung der Nummer 2 der Hamas zu bestätigen.
Ich konnte den Ort aufgrund einiger Informationen lokalisieren. Es handelte sich um ein durch Mauern umschlossenes Anwesen mit einem kleinen Gebäude im Hinterhof, in dem wohl einer der Tunneleingänge lag, in dem Deif sich versteckte.

Das Gelände lag tatsächlich am Rand von al-Mawasi. Doch selbst wenn es einen völkerrechtlichen Schutzstatus gegeben hatte, erlosch dieser, als Deif sich darunter versteckte.

Bild

Da er und seine Mitstreiter durch Bunkerbrecher getötet wurden, deren Wucht nach oben weggeht, habe ich die angegebenen Opferzahlen schnell für absurd geraten. Ein von Al Jazeera veröffentlichtes Video, auf dem Menschen auf der Hauptverkehrsstraße lagen, halte ich für gestellt.

Fotos: Aus meiner Auswertung, Screenshots des IDF-Videos

Fotos: Aus meiner Auswertung, Screenshots des IDF-Videos

Deshalb haben die IDF auch ein Drohnenvideo der Einschläge veröffentlicht. Anhand dessen ich Bild für Bild zeigen konnte, dass nicht einmal die Zelte in 30 Metern Entfernung auch nur weggeschubst wurden. Geschweige denn, dass auf der besagten Hauptstraße Menschen getötet worden sein können, obwohl die aufgereihten Marktstände noch standen.

Krankenhaus bombardiert

Im Mai dieses Jahres berichteten die Medien, dass das Europäische Krankenhaus bombardiert wurde.
Bekannt wurde das Bild des in einen Bombentrichter abgerutschten Busses.

Tatsächlich konnte ich anhand der Medienbilder nur zwei Einschläge bzw. Angriffspunkte lokalisieren.
Einen vor einem Gebäude und einen außerhalb des Krankenhausgeländes. Beide mittig auf der Straße, vermutlich um keine Gebäude zu zerstören.
Anhand der Bilder war sofort ersichtlich, dass es sich um Bunkerbrecher gehandelt hatte. Es musste also ein Ziel unter dem Krankenhaus anvisiert worden sein.

Alleine auf X haben über 170.000 Nutzer meine Auswertung gesehen. Ich hatte dazu aufgerufen, mir Bilder von beschädigten Krankenhausgebäuden zu schicken oder zu posten. Es kam keines. Die Palästinenser hätten so etwas sicher freudig verteilt.
Das Krankenhaus ist übrigens bis heute im Betrieb.

Eine von mir gefertigtee Grafik war fast deckungsgleich mit der später veröffentlichten Grafik der IDF. Lediglich der mutmaßliche Tunnelverlauf war komplexer.
Als die IDF im Rahmen der Operation „Gideons Chariots“ das Krankenhaus dann einnahm und in den Bunker gelangte, fand sie die Leichen von Mohammed Sinwar und anderen. Der hochrangige Kommandeur und Bruder des bereits getöteten Yahya Sinwar war wohl recht elendig auf seiner Matratze erstickt.

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Grafik: Die Einschläge auf einem Satellitenbild, korrespondierend zu den Pressebildern.

Die Liste solcher verzerrten Berichte ist lang. Sehr lang. Sie geht weit über das Al-Ahli Krankenhaus hinaus. Bei dem weltweit alle Medien von einem israelischen Luftschlag auf das Krankenhaus am 17.10.2023 mit 500 Toten berichtet hatten.

Die nächtliche Pressekonferenz mit aufgereiten Toten, Links der Hamas-Offizier.

Foto: Die nächtliche Pressekonferenz mit aufgereiten Toten, Links der Hamas-Offizier.

Bis sich nur kurze Zeit später herausstellte, dass es sich um eine verirrte Rakete des Islamischen Dschihad in Palästina gehandelt hatte, die auf dem Parkplatz hinter dem Krankenhaus runtergegangen ist. Und damit schwerlich ein Zehntel der Opfer gefordert haben kann, die von der Hamas in einer nächtlichen Pressekonferenz mit Ärzten in aufgebarten Leichen, überwacht durch einen Hamas-Offizier (damals noch in Uniform), verkündet wurden.

Bild

Grafik: Relationen des Einschlags und der Krankenhausgebäude.

Auch das konnte ich durch öffentlich zugängliche Stock-Bilder darlegen. Also hätte jeder Nachrichtenredakteur es auch gekonnt.

  • Ein angebliches bombardiertes Zelt Geflüchteter, dass sich als brennender Unterschlupf herausstellt, in dem massiv und auf Videos hörbar Munition explodiert. (Cook off)

  • Ein Zelt in einem Flüchtlingslager, das weit von Flüchtlingen entfernt stand und in dem sich Hamas-Kommandeure trafen.

  • Eine angeblich bombardierte UNRWA-Schule, in der zielgenau ein Klassenraum, ein mutmaßlicher Kommandopunkt, herausgefräst wurde. Während im angrenzenden Innenhof danach noch die Wäsche sauber auf der Leine hing.

Die Liste ist lang. Sehr lang.

Die taz

Auf X hatte ich eine kleine Maulfechterei mit dem Linguisten Prof. Dr. Vogel.
Es ging um Aussagen, die er traf. Die er durch einen Artikel der taz vom 01.07.2025 stützte, mit dem Titel „Überall um mich herum lagen Leichen“.

Screenshot des Beitrags

Die verantwortliche Redakteurin ist Lisa Schneider. Sie ist bei der taz Redakteurin gleich für ganz Nahost, Westasien und Nordafrika.
In ihrem Werdegang war sie auch für über ein Jahr Volunteer bei Amnesty International.

Co-Redakteurin ist die Gaza-Palästinenserin Malak Tantesh. In der taz hat sie vier Beiträge mit zu verantworten, drei davon mit Lisa Schneider. Sie ist recht umtriebig und verkauft auch Inhalte an den Spiegel, den Guardian und einige andere. Vielleicht auch über Agenturen, so genau weiß man das ja nie.
Alle diese Beiträge sind aus der Rubrik „Stimmenfang in Gaza“, alle berichten über das Leid der Palästinenser. Ich habe keinen Artikel gefunden, in dem sich über Politik oder Militär, geschweige denn über die Hamas geäußert hat.
Im Juni titelt die NZZ einen Beitrag von Tantesh „»Es sind Todesfallen« sagen Palästinenser über die neuen Hilfszentren.“ Natürlich geht es um die GHF.

Und wem der Name nun vertraut vorkommt: Malak Tantesh ist die ein Jahr ältere Schwester von Enas Tantesh, die dem Guardian das Foto der Bombe verkauft hat.

Bild

Screenshot: Die beiden Tanesh-Schwestern auf einem Bild bei Instagram.

Man muss also davon ausgehen, dass Tantesh aus dem Gazastreifen Material liefert und die „westlichen“ Redakteure daraus eine Story stricken, ohne selber vor Ort gewesen zu sein. Was durch die Art des Erzählens verschleiert wird und vielen Leserinnen und Lesern gar nicht so bewusst sein dürfte. Hörensagen.
Ob Tantesh Verbindungen zur Hamas hat… Wer weiß das schon?

In diesem Beitrag der taz fällt u.a. folgender Satz:
„Auch die Journalistin Bayan Abu Sultan, der auf X fast 120.000 Menschen folgen, ist unter den Betroffenen – sie überlebte verletzt.“

Die Frau Sultan ist nochmal eine ganz andere Hausnummer. Die sicher einen eigenen Beitrag wert wäre.

Frau Sultan

Bekannte geworden ist Bayan Abu Sultan vor allem durch ein Foto, das durch viele Medien und vor allem auf Social Media herumging. Es stammt aus der gleichen Reihe wie andere Bilder, weshalb ich mir ebenfalls die Rechte gesichert habe.

Foto: Bayan Abu Sultan unmittelbar nach dem Luftschlag auf das Café

Foto: Bayan Abu Sultan unmittelbar nach dem Luftschlag auf das Café

Frau Sultan hat an einer Uni in Gaza studiert. Massenkommunikation und Medien übrigens. Die von der Hamas geführten Universitäten haben viele solcher angehenden „Journalisten“ produziert.
Von 2019 bis 2021 hat Frau Sultan dann bei JAWWAL gearbeitet, einem Telekommunikationsanbieter. Als „Sales Officer“, was alles sein kann, von einem Manager im Vertrieb bis zu einer Verkäuferin in einem Handy Shop.

Als Journalistin gibt sie an, für AFMN zu arbeiten.
Was tatsächlich etwas Recherche gekostet hat. Denn AFMN ist das Al Fida’l Media Network. Eine winzige Internetseite mit kaum zwei Dutzend Video-Beiträgen. Das ausschließlich mit „Freiwilligen“ arbeitet, also Unbezahlten, und sich selber als „The Resistance Report“ („Der Widerstands-Bericht“) bezeichnet.

Dort hat Sultan eine Handvoll Videos veröffentlicht, u.a. mit der Behauptung, die IDF würden gezielt Behinderte angreifen. Und einem richtungsweisenden Investigativ-Report über das Überleben von Nutzvieh während des Krieges. Vor allem Ziegen.

Amüsant: In einer ihrer Moderationen trägt sie eine Weste mit der Aufschrift „Presse“. Also nicht das international übliche „Press“, sondern wirklich das deutsche „Presse“.

Sultan mit der deustchen Presse-Weste

Screenshot: Sultan mit der deutschen Presse-Weste

Darüber hinaus konnte ich keine Veröffentlichungen der „Journalistin“ Sultan auf anderen Plattformen finden. Außer ihren eigenen.

Auf Instagram berichtet sie in Storys über ihr Leben in Gaza-Stadt. Auf einem Foto posiert sie wie eine Mode-Influencerin neben einem umgedrehten, roten Dreieck. Eine Chiffre für Hamas, die auf Videos so ihre Gegner markiert.

Bild

Screenshot des Bildes auf Instagram

Auf ihrem X-Account postet Sultan auf Englisch und Arabisch. Und es lohnt sich, die arabischen Postings zu übersetzen.
Anlässlich einer Geiselübergabe fragt sie beispielsweise, ob man die Hamas verdamme. Über 100 Nutzer feiern die Hamas in den Kommentaren. In einer Umfrage fragt sie Ende Oktober 2024, ob „wir“ (Palästinenser) mehr unser Land lieben oder die Israelis hassen. Mit einigen Prozentpunkten Vorsprung für den Hass, bei über 1000 Stimmen.

Am 07.10.2023 wünschte sie allen einen glücklichen 7. Oktober. Drei Tage später riet sie dazu, wenn man ermattet sei (vermutlich von den israelischen Luftangriffen) solle man sich nochmal die Videos vom 7. Oktober ansehen.

Sie unterhält übrigens einen zweiten Account, der mit ihrem Namen eher zu finden ist. Dort finden sich jedoch nur sieben Postings. Eine absichtlich eingebaute Hürde.

Screenshot des Postings zu den Videos

Screenshot des Postings zu den Videos.

Das ist die Frau, die die taz-Redakteurin Lisa Schneider als „bekannte Journalistin“ beschreibt. Frau Schneider war wohl nicht willens, einfach mal selber zu suchen und zu scrollen.
Die Realität zeigt wohl eher eine lupenreine Hamas-Influencerin, die Israel die Vernichtung wünscht. Mehrfach offen bekundet.

Und nur als Amuse Gueule nebenbei:
Ich hatte mir den Spaß erlaubt, die Uhr zu suchen, die Sultan auf dem Bild trägt. Fündig wurde ich bei dem Modell Rolex Datejust 31, allerdings mit einem anderen Armband aus der Reihe. Für läppische 13.900 Euro.
Natürlich kann man darüber streiten, ob es sich um ein Plagiat handelt. Aber alleine der Ansatz, dass eine Hamas-Anhängerin und „Journalistin“ in einem Krieg auch nur mit einem Rolex-Imitat herumläuft, lässt tief blicken.

Das Bild von Sultan mit der Uhr im Abgebhot und Kommentaren aus ihrem Account.

Grafik von der Facebook Fanpage und dem X-Account

Es wurden auch Videos von Sultan veröffentlicht, die von einigen so interpretiert wurden, dass sie gerade geschminkt wird, um für die Propaganda als Opfer durch das Café zu laufen. Ich halte es für Aufnahmen, die tatsächlich nach dem Luftschlag aufgenommen wurden. Sultan hat Pflaster auf einem Arm, was beim Schminken keinerlei Sinn ergeben würde. Zudem ist das Blut deutlich sichtbar eingetrocknet.
Blutmenge und Schwere der Verletzung sind nicht immer kongruent.

Screenshot der Postings.

Das Kriegs-Café

Einen letzten Punkt möchte ich kurz ansprechen, der von den Medien vollkommen ignoriert wird. Obwohl er doch so offensichtlich ist.

Medien berichteten häufig, dass das Al Baqa Café und Restaurant ein Treffpunkt von Journalisten war, die das dortige Internet nutzten. Ohne dass auch nur ein einziger Journalist einmal fragt, warum es dort überhaupt ein laufendes Café gibt.

Alle Lebensmittel, bis auf sehr wenige Ausnahmen wie Tomaten, wenige Ziegenmilch-Produkte oder Kräuter, kommen derzeit von außen in den Gazastreifen. Es sind Hilfslieferungen. Geschenke.
Der Gazastreifen hat auch vor dem Krieg nicht genug produziert um sich selber versorgen zu können. Was nichts Außergewöhnliches ist, Großbritannien kann das auch nicht. Die Briten verdienen das Geld über Dienstleistungen und Banken und bestellen sich dann halt Tomaten und Salat in Spanien. Aber der Gazastreifen hat auch das nicht. Er produziert nichts, er exportiert nichts.

Würde man die Gaza-Palästinenser in die Eigenverantwortung entlassen, käme es sicher in kürzester Zeit zu Unruhen. Da sie zwar Shopping Malls gebaut haben, aber sich nicht ernähren können. Ähnliches gilt übrigens für das Westjordanland. Der größte Arbeitgeber ist das Palästinenserhilfswerk UNRWA, eine Hilfsorganisation der UN, keine Firma.

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Spendet jemand, beispielsweise für die Hungerkatastrophen im Jemen oder Sudan, erwartet er zu Recht, dass seine Hilfe auch tatsächlich bei den Hungernden ankommt.
Gut, die Hilfslieferungen der UN sind nur sehr mittelbar von Spenden abhängig, sie werden vor allem durch die Beiträge der Mitgliedsstaaten finanziert. Aber die Hilfslieferungen anderer Organisationen, wie der World Central Kitchen, werden vor allem durch Spenden finanziert. Und durch die Koordination der UN verteilt.

Im Gegensatz zur GHF, die grundsätzlich als „umstritten“ von den Medien geframed wird und nur Lebensmittel in Größen verteilt, die man auch hierzulande in Supermärkten findet, verteilt die UN beispielsweise Mehl und Reis in 50kg-Säcken. Da drängt sich die Frage auf, was jemand, der ausgebombt in einem Zelt in Chan Yunis sitzt, mit einem 50kg-Sack Mehl soll.

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Foto: Junge Männer tragen unbehelligt 50kg-Säcke an einer Ausgabestelle der UN weg, einer mit einer UN-Weste (World Food Programme).

Zudem stand in mehreren Mitteilungen der Hilfsorganisationen zu lesen, dass u.a. Bäckereien beliefert werden. Das kann durchaus Sinn machen, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Aber an eben dieser Wirtschaft verdient die Hamas mit. Was schlicht ignoriert und negiert wird.
Den Aufdruck, dass die Lebensmittel nicht zum Verkauf sind, hätte man sich auch sparen können.

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Foto: Ein Junger Mann trägt von einer Ausgabestelle der UN einen 50kg Sack Mehl weg, der beschritftet ist mit “NOT FOR SALE”.

Auf einem älteren Sattelitenbild (01.12.2024) ist auch zu sehen, dass das Al Baqa schon einmal angegriffen wurde. Unbestätigten Informationen nach bereits 2023.

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Foto: Sattelitenbild vom 01.12.2024, das Al Baqa markiert.

Es wurde am 27.07.24 wiedereröffnet. Dafür gibt es sogar Rezensionen. Die erwähnen, dass die obere Etage noch renoviert werde.

Screenshot TikTok zur Wiedereröffnung, 27.07.2024

Und nicht ein einziger Journalist kommt auf die Idee, das zu hinterfragen.

  • Nicht einer denkt darüber nach, warum ein schon einmal angegriffenes Café an der Strandpromenade offenbar genug abwirft, um schnell renoviert und wiedereröffnet zu werden.

  • Nicht einer fragt, warum dort Badegäste unter Sonnenschirmen und beim Planschen im Wasser den Tag genießen, während die UN und andere täglich das Lied der bevorstehenden Hungerkatastrophe singen.

  • Nicht einer fragt, woher das Mehl und der Kaffee stammen, die im Al Baqa angeboten wurden. Und das von Journalisten regelmäßig frequentiert wurden. Die mit genau den Journalisten hierzulande zusammenarbeiten, die das hinterfragen müssten.

Mehr noch, es wird so kommuniziert, als sei da ein Journalisten-Treffpunkt angegriffen worden. Einen Treffpunkt, den es eigentlich gar nicht geben dürfte.

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Foto: Unmittelbar nach dem Luftangriff. Splitter, die Fassade steht noch. Planschende Badegäste in Sicht.

Noch absurder kann es eigentlich nicht mehr werden.

Ob das Gerücht nun stimmt, dass der getötete Hayam Mansour dort Geld auszahlen wollte, oder nicht: Es wirft einen Schatten. Sowohl auf die Funktionsweise der Gesellschaft im Gazastreifen, als auch auf die Berichterstattung der Journalisten, hüben wie drüben.

Man muss nur die Informationen haben, um sich solche Fragen überhaupt einmal zu stellen. Weshalb es für diejenigen, die sich einfach nur neutral informieren wollen und keine Ahnung von Militär haben, verständlich und verzeihlich ist.
Wenn ich nur eine Art von Pizzalieferanten habe, kann ich auch nicht beurteilen, wie gut oder teuer seine Pizza ist. Es gibt eine Struktur, die im Grunde ein Informationsmonopol ist. Von genau jenen, die danach schreien, Israel solle dort Journalisten in den Gazastreifen lassen. Was die Palästinenser davon halten würden, wird nicht hinterfragt.

Zwei Perspektiven

Keine willkürliche Bombardierung eines Cafés, sondern ein präziser Angriff auf einen Kommandeur der Hamas. Wie sicher jeder mit etwas Kompetenz schon an den ersten Bildern erkennen konnte.

Keine große Bombe, kein großer Krater. Sondern eine lasergelenkte Präzisionswaffe. Die zweitkleinste im Arsenal, die Kollateralschäden minimiert hat.

Keine bekannte Journalistin als Opfer, sondern eine Hamas-Influencerin, die womöglich nicht zufällig vor Ort war.

Keine Auswertung von Experten, sondern Nachfragen durch einen Redakteur, die dann ungenau, verschleiernd und ohne Quellenangabe kommuniziert werden.

Und das ist das, was seit Beginn des Gazakrieges als Nachrichten verkauft werden.


Erschienen auf steady.page