Da es mehrfach thematisiert wurde, und es Streitigkeiten in der Regierung gibt, habe ich das Bedürfnis, mich zu positionieren. Auch um weitere Debatten in Kommentarspalten vorzubeugen.
Am Montag dem 21.07.2025 haben die Außenminister von 29 Staaten und ein EU-Kommissar eine Erklärung veröffentlicht. In dieser fordern sie, der Krieg im Gazastreifen müsse sofort gestoppt werden. Darüber hinaus wird indirekt die Hilfsmittelverteilung durch die GHF kritisiert, die Freilassung der Geiseln gefordert, einen Plan für ein Camp der Zivilbevölkerung als nicht akzeptabel bezeichnet und dem Siedlungsplan E1 in der West Bank widersprochen.
Deutschland und die USA haben diese Erklärung, neben vielen anderen Staaten, nicht unterzeichnet. Ich begrüße das ausdrücklich. Man kann gerne vieles an der Kriegsführung, der Versorgungslage der Zivilisten im Gazastreifen oder auch den Plänen in der West Bank kritisieren. Vieles kritisiere ich selber.
Für mich sind jedoch zwei Dinge entscheidender als alles andere. Die Verteilung der Hilfsgüter durch die bisherigen Kanäle (UN, WFP, etc.) ist undurchsichtig und begünstigt eine Vorteilsnahme durch einzelne Palästinenser, vor allem der Hamas. Das Recht des Stärkeren. Derzeit vergammeln erneut tausende Tonnen Hilfsmittel am Grenzübergang Kerem Schalom, weil sie durch eben diese Kanäle nicht abgeholt werden. Sie sind bereits durchgelassen, sie liegen im Lager auf der palästinensischen Seite.
Das zeigt, dass die UN und andere Hilfsorganisationen nicht in der Lage sind, eine gerechte Verteilung zu gewährleisten. Die Verteilenden sind Palästinenser mit UN-Westen. Das Bedürfnis so lange zu übersättigen, bis auch der Letzte etwas abbekommt, kann nicht die Logik sein, die demokratische Staaten mit unserem Wertesystem vertreten sollten. Das ist eine Unterstützung einer hierarchischen, zutiefst korrupten Verteilung, der ich als linksliberaler Demokrat nur widersprechen kann.
Die Hamas ist als politische Führung für diese Verteilung verantwortlich und sollte auch dafür in die Verantwortung genommen werden. Vielmehr sollte klar und deutlich adressiert werden, warum einerseits eine Mangelernährung herrscht, während andere auf Social Media Werbung machen für Waren, die ausschließlich aus den kostenlosen Hilfslieferungen hervorgegangen sind. Über die Probleme, wie getötete Zivilisten, Hungernde oder den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung, bin ich mir im Klaren. Ich komme dennoch zu der Meinung:.
Manchmal sind Werte mehr wert als Menschenleben. Unsagbar tragisch, wenn man das abwägen muss. Das Ziel des Krieges ist nicht nur die Befreiung der Geiseln. Sondern die Zerstörung der Hamas und - wie bei jeder Streitkraft weltweit - den Feind davon abzuhalten, weiter angreifen zu können. Nach wie vor wird Israel fast täglich beschossen, vor allem aus dem Jemen, aber auch aus dem Gazastreifen. Das Kriegsziel ist nicht erreicht. Israel ist Zeit seines Bestehens nicht nur einzelnen Angriffen oder Terroranschlägen ausgesetzt. Sondern existenziell bedroht. Das findet - auch aktuell - nur wenig Beachtung, weil Israel lernen musste, dagegen gewappnet zu sein.
Doch es kann und darf nicht der Maßstab der Empathie sein, wie gut ein Land sich verteidigen kann. Nach über 75 Jahren muss auch mal gut sein. Jede Hilfe für die Palästinenser hatte lediglich weitere Angriffe und Terrorismus zur Folge. Das nur an der derzeitigen, rechtsaußen bis rechtsradikalen Regierung Netanjahu aufzuhängen, halte ich für vergessend, verzerrend und geschichtsrevisionistisch.
Ebenso wie schlicht ignoriert wird, dass das bestehende Gesellschaftssystem im Gazastreifen zutiefst faschistisch ist und die Menschenrechte ignoriert, die sich vor allem jene auf die Fahnen schreiben, die als „Westler“ dieses System unterstützen und Israel auch dafür kritisieren, dass es sich zur Wehr setzt. Von Israel eine Beendigung des Krieges zu fordern, ist in meinem Wertesystem gleichbedeutend damit, die Alliierten 1944 aufzurufen, den Krieg gegen Nazideutschland einzustellen.
Und ich stelle erschreckend fest, dass wenige Menschen in Europa und Nordamerika diese Parallele zu sehen scheinen. Mehr noch, die simple Tatsache, wer der Kriegsparteien der Angreifer ist, wird nicht nur aus politischem Kalkül von Politikern lieber klein gehalten. Sondern von Hilfsorganisationen verzerrt und von Medien schlicht ignoriert.
Es mag vielen menschenverachtend erscheinen, aber wenn der Angreifer leidet, derjenige, der einen Genozid unternommen hat und selber seit Jahrzehnten versucht ein Land auszulöschen, empfinde ich keine Empathie. Aufgrund meiner Tätigkeit weiß ich nicht nur, dass viele Menschen das so beurteilen. Sondern dass sie darunter leiden, dass ihre legitime Einstellung und Position diskreditiert, bewusst umgedeutet und in den Medien und der öffentlichen Debatte kaum abgebildet wird. Jüdische Deutsche fühlen sich nicht gehört und beiseite geschoben.
Deshalb, und nur deshalb, hätte ich auch Verständnis dafür, wenn die Israelis nach Jahrzehnten des Überlebenskampfes und fünf konkreter, durch die Palästinenser abgelehnte Vorschläge für eine Zwei-Staaten-Lösung die Schnauze voll hätten und den Gazastreifen annektieren. Umfragen zeigen, dass das bei immer mehr Israelis der Fall ist. Es wäre nicht meine bevorzugte Lösung. Aber ich hätte jedes Verständnis. Legen die Palästinenser die Waffen nieder und lassen die Geiseln frei, endet der Krieg. Legen die Israelis die Waffen nieder, endet Israel. Ich halte die Erklärung der Außenminister, Israel solle den Kampf gegen seine Feinde beenden, für eine Schande.