Massiver Vertrauensverlust - CDU-Parteichef Friedrich Merz 2024 im Münchner Presseclub
Viele Christdemokraten sind enttäuscht von ihrem Parteivorsitzenden. Statt eines Richtungswechsels gibt es nur ein Weiter so. Im Koalitionsvertrag erwartet sie jetzt eine weitere Zumutung.
von Hubertus Knabe
Friedrich Merz, so scheint es, ist drauf und dran, der letzten Volkspartei den Garaus zu machen. Seit seinem Kurswechsel in der Schuldenfrage und dem 100-Milliarden-Geschenk an die abgewählten Grünen fühlen sich viele CDU-Wähler regelrecht betrogen. In einer aktuellen Umfrage kommt die Union nur noch auf 24 Prozent. Auch immer mehr CDU-Mitglieder erklären ihren Austritt. Und auf die Verbliebenen wartet im neuen Koalitionsvertrag die nächste Zumutung: Laut Entwurf wollen Union und SPD das umstrittene Subventionsprogramm „Demokratie leben!“ weiterführen und sogar ausweiten.
Das Programm, aus dem vornehmliche linke Initiativen „gegen rechts“ unterstützt werden, war von Merz und seiner Fraktion noch vor wenigen Wochen massiv in Frage gestellt worden. Anlass waren deutschlandweite Proteste gegen ihn und seine Partei kurz vor den Bundestagswahlen gewesen. Dabei waren nicht nur zahllose Wahlplakate beschädigt, sondern auch CDU-Geschäftsstellen attackiert worden.
In einer Kleinen Anfrage betonten Merz und seine Fraktion daraufhin, dass sich gemeinnützige Vereine und staatlich finanzierte Organisationen parteipolitisch neutral verhalten müssten. Mit Blick auf die Anti-CDU-Proteste bezweifelten sie, dass diese Vorschrift überall eingehalten würde. „Ein Beispiel ist das Bundesprogramm ‚Demokratie leben!‘, das einige Organisationen finanziell fördert, die an den Demonstrationen beteiligt waren.“
5000 Euro aus dem Kanzleramt – Demonstration der „Omas gegen Rechts“ im Juli 2023 in Magdeburg
Unterstützung wird fortgesetzt
Inzwischen ist von dieser Kritik keine Rede mehr. Statt dessen heißt es im Entwurf des Koalitionsvertrages: „Die Unterstützung von Projekten zur demokratischen Teilhabe durch das Bundesprogramm ‚Demokratie leben!‘ setzen wir fort.“ Und mehr noch: Nach einer unabhängigen Überprüfung des Programms werde man „weitere Maßnahmen für rechtssichere, altersunabhängige Arbeit gegen Extremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ prüfen.
Das unscheinbare Wort „altersunabhängig“ ist dabei von besonderer Bedeutung. Laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestages widerspricht das Förderprogramm nämlich der Verfassung. Der Bund sei nur für Fragen zuständig, die nicht durch die Länder geregelt werden könnten. Eine Ausnahme gelte lediglich für die politische Bildung Jugendlicher – doch genau diese Beschränkung wollen Union und SPD nun aufheben.
CDU/CSU kommen damit einem langgehegten Wunsch der SPD nach, auch Erwachsene aus dem Programm zu subventionieren. Um dies zu ermöglichen, hatten SPD und Grüne im März 2023 sogar ein „Demokratieförderungsgesetz“ eingebracht. Die Union stellte sich gegen das Vorhaben, weil, wie es der CDU-Abgeordnete Christoph de Vries in der Debatte formulierte, das Wohl und Wehe der Demokratie nicht davon abhänge, „politisch erwünschte Weltanschauungen staatlich zu prämieren oder dauerhaft zu finanzieren.“ Jetzt sollen die Pläne Eingang in den Koalitionsvertrag finden.

Die künftigen Koalitionäre setzen sich damit auch über Einwände des Bundesrechnungshofes hinweg. Mehrfach wies dieser auf die „fehlende Förderkompetenz des Bundes“ bei den Zahlungen hin. Denn die meisten Projekte sind weder von überregionaler Bedeutung noch besteht ein erhebliches Bundesinteresse an ihnen – Kriterien, die eigentlich Voraussetzung für eine Bundesförderung sind. Auch die Vorschrift, nur Projekte für Jugendliche zu fördern, wird regelmäßig missachtet.
Die Union störte sich auch an der politischen Einäugigkeit des Programms. Als Beispiel nannte de Vries die sogenannte Meldestelle für Antifeminismus, die die linkslastige Amadeu Antonio Stiftung betreibt. Aus dem Programm erhielt diese 2,7 Millionen Euro. Mit solchen Maßnahmen werde statt Demokratie politisches Denunziantentum gefördert.
Mittel mehr als vervierfacht
Offenbar planen Union und SPD sogar eine Erhöhung der Ausgaben. Laut Entwurf sind sie „überzeugt, dass wir verstärkt in die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie investieren müssen.“ Dabei wurden die Mittel für das Programm in den letzten Jahren bereits mehr als vervierfacht. So stiegen die Ausgaben seit 2015 von 40,5 auf 182 Millionen Euro pro Jahr. Insgesamt hat der Bund schon mehr als 1,2 Milliarden Euro investiert.

Tatsächlich fließen die meisten Subventionen in Aktivitäten „gegen rechts“ – obwohl die Zahl linker und rechter Extremisten in Deutschland nahezu gleich groß ist. So förderte die Bundesregierung nach eigenen Angaben die Bekämpfung des Linksextremismus 2023 mit 2,3 Millionen Euro. Fast das Zehnfache, nämlich 22,5 Millionen Euro, wandte sie für die Zurückdrängung des Rechtsextremismus auf.
In Wirklichkeit ist das Ungleichgewicht noch deutlich größer. Wie die Bundesregierung erklärte, seien nämlich viele Projekte „phänomenübergreifend“ angelegt, so dass eine thematische Zuordnung der Fördermittel nicht möglich sei. Als Beispiel nannte sie die Partnerschaften für Demokratie und sogenannte Landes-Demokratiezentren, von denen allein Letztere 2023 fast 30 Millionen Euro erhielten. Ein Blick auf deren Internetseiten zeigt jedoch, dass es diesen ebenfalls in erster Linie um Rechtsextremismus geht und nie um Extremismus von links.
Im Ergebnis erhalten Tausende linke Aktivisten Geld aus dem Programm. Dass diese tatsächlich für die Demokratie eintreten, ist dabei keineswegs sicher. Schon 2014 strich die SPD die Vorschrift, dass sich die Zuwendungsempfänger schriftlich zum Grundgesetz bekennen müssen. In der Praxis wird lediglich geprüft, ob ein Antragsteller im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird. Mehr als 1,5 Millionen Euro bekam zum Beispiel die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD), in deren Vorstand damals die Hardcore-Marxistin Bafta Sarbo saß. Wenn es im Entwurf des Koalitionsvertrages heißt, dass die Verfassungstreue der geförderten Projekte „weiterhin“ sichergestellt werde, sanktioniert die CDU das fragwürdige Verfahren noch nachträglich.

Zahl der Rechtsextremisten fast verdoppelt
Ob dieser Geldsegen den Extremismus zurückdrängt, muss bezweifelt werden. Die Zahl der Rechtsextremisten hat sich seit dem Programmstart nämlich fast verdoppelt. Die AfD kommt sogar auf viermal so hohe Zustimmungswerte. Bei der anvisierten Zielgruppe dürfte das linksalternative Vokabular der geförderten Vereine die Radikalisierung eher noch verstärken.
Bislang hat jedenfalls niemand ernsthaft versucht, die Wirkung des Programms zu überprüfen. Schon 2019 monierte der Bundesrechnungshof, dass „die Förderziele nur sehr allgemein und vage beschrieben werden und so in einer Erfolgskontrolle nicht messbar sind.“ 2022 kritisierte er erneut, dass auf dieser Basis die vorgeschriebene „sachgerechte Zielerreichungskontrolle nicht möglich“ sei. Auch in der neuen Förderrichtlinie vom November 2024 finden sich nur Allgemeinplätze. Die im Entwurf versprochene „unabhängige Überprüfung“ ist eine Illusion, da die in Frage kommenden Institute fast alle am Tropf des Ministeriums hängen.
Sollte die Unionsfraktion nicht noch rebellieren, dürfte also auch Merz‘ Regierung künftig linke Aktivisten mit Millionenbeträgen subventionieren. Die CDU züchtet sich damit den Protest gegen ihre Politik selbst heran. Statt des angekündigten Politikwechsels deutet alles auf ein Weiter so, was die Unzufriedenheit der Mitglieder und der Wähler weiter verstärken dürfte. Merz gefährdet damit nicht nur die Zukunft der CDU, sondern zerstört auch das Vertrauen in die etablierten Parteien, was die Extreme weiter stärken dürfte. Angesichts der Bedrohung durch Russland sind dies keine guten Aussichten für Deutschland.