von Thomas Heck...
Als ehemaliger Panzergrenadieroffizier bekenne ich mich hiermit ausdrücklich zum Puma. Die Häme, mit der hier über die Vorfälle mit der Einsatzbereitschaft des neuesten Schützenpanzers der Bundeswehr berichtet wurde, werden dem Gerät und der Bundeswehr nicht gerecht, die unter einer Verteidigungsministerin Christine Lambrecht zu leiden hat, die nicht zum ersten Mal mit Nichtkenntnis aufwartet und Informationen lanciert hatte, ohne über den notwendigen Überblick zu verfügen. Ich bin davon überzeugt, der Puma wird einer der besten Schützenpanzer der Welt werden, die technischen Probleme wird die Truppe kurz über lang in den Griff bekommen. Wenn man sie lässt. Die üblichen Schnellschüsse bis zu Forderung nach dem Stopp des Projektes lösen hier kein Problem, sondern verursachen höchstens noch mehr Kosten.
Schützenpanzer Puma – Pannenpanzer oder Prellbock?
Die Meldung, dass alle für die VJTF eingeplanten Schützenpanzer Puma – in der modernsten Ausführung – einer Kompanie bei einer Übung ausgefallen sind, war nur wenige Minuten alt, da begannen die Unkenrufe auf den in der Vergangenheit zugegebenermaßen pannengeplagten Puma. Schließlich wurde viel Geld in die Beseitigung der Mängel gesteckt, so dass der Puma – der für viele Experten als der modernste und wenn er funktioniert auch als der leistungsfähigste Schützenpanzer der Welt gilt – einsatztauglich für die NATO-Speerspitze VJTF gemacht werden konnte.
Die Verteidigungsministerin stellte umgehend die Unterschrift auf einen bereits ausverhandelten und finanzierten – die Finanzmittel wurden just in der Mitte der Woche freigegeben, als die jüngste Pannen gemeldet wurden – Vertrag in Frage, mit dem die komplette Puma-Flotte auf den modernsten Konfigurationsstand S1 gebracht werden soll. Auch die Beschaffung zusätzlicher Schützenpanzer wurde von Verteidigungsministerin Lambrecht an die Kondition gebunden, dass die Industrie endlich die Hausaufgaben macht und den Panzer so abliefert, dass dieser die geforderte Einsatzbereitschaft erfüllt – welche das Heer dem Puma bereits 2021 attestiert hatte.
Wohlgemerkt: Lambrecht äußerte sich wiederholt vorschnell zu einem Thema, bei dem die Ursachen beziehungsweise das Ausmaß noch gar nicht klar waren.
Wenn man nun der jüngsten Berichterstattung Glauben schenken darf, dann muss man feststellen, dass die Ministerin die Anschuldigungen an die falschen Adressaten ausgesprochen hat.
In vieler Hinsicht ein komplexes Waffensystem
Der Puma kann zurecht zu den komplexesten Landwaffensystemen der Welt gezählt werden. Die Gesamtkomplexität des Fahrzeuges setzt sich aus zwei Ebenen zusammen. Zum einen verfügt der Schützenpanzer über eine Vielzahl von zusätzlichen Subsystemen, von denen die Mehrzahl aktuell im Feld befindlicher Schützenpanzer nur träumen kann.
Dazu zählen unter anderem ein unbemannter Turm mit einer stabilisierten Waffenanlage mit einer herausragenden Präzision, ein abstandsaktives Schutzsystem (soft-kill), ein entkoppeltes, hydropneumatisches Stützrollenlaufwerk sowie eine Sichtsystem für die Besatzung und die im Kampfraum aufgesessenen Grenadiere, nur um einige zu nennen. Viele dieser Subsysteme für sich alleine sind komplexer als frühere Gefechtsfachzeuge in Summe.
Die zweite Ebene der Komplexität ist die Art und Weise, wie alle diese Subsysteme zu einem Gesamtwaffensystem Schützenpanzer zusammengefügt werden mussten. Um die mittlerweile als obsolet geltende militärpolitische Forderungen nach der Luftverlastbarkeit des Puma im A400M – die eh nicht mehr erreicht werden kann, weil der A400M so konstruiert wurde, dass seine Rampe nicht die geforderte Gewichtstrageklasse erfüllt, um den Puma verladen zu können – in Kombination mit den Forderungen des Heeres bezüglich Schutz, Mobilität und Feuerkraft zu erreichen, musste der Puma äußerst kompakt konstruiert werden. Hinzu kamen die in den Medien vielzitierten regulatorischen Forderungen bezüglich Arbeitsschutz und Straßenverkehrstauglichkeit. Andere militärisch sinnvoll Aspekte bezüglich Wartungsfreundlichkeit und Raum für Besatzung oder deren Ausrüstung mussten da zurückstecken.
Die Kombination dieser Forderungen hat es den Konstrukteuren von Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann unmöglich gemacht, einen guten Schützenpanzer auch „gut“ konstruieren zu können. Zu viele konstruktive Kompromisse mussten dafür in Kauf genommen werden.
Diese tief in der DNS des Puma verwurzelten Umstände führten zu zahlreichen Verzögerungen und Kinderkrankheiten, da einiges Neuland betreten werden musste, um die geforderte „Quadratur des Kreises“ zu erfüllen.
Mit viel Geduld, zusätzlichen Finanzmitteln – die auch dazu genutzt wurden, um Nachforderungen der Truppe umzusetzen – und viel Engagement aller Beteiligten konnte das Fahrzeug letztes Jahr endlich als „kriegstauglich“ erklärt werden. Was durchaus als Wunder angesehen werden kann, wenn man bedenkt, dass Versuche anderer Nationen, ähnlich komplexe Systeme einzuführen, trotz deutlich höherer Investitionen, entweder komplett im Sande verlaufen sind – beispielsweise die Bradley-Nachfolge der U.S. Army – oder immer noch entwickelt werden – wie der Ajax der britischen Streitkräfte.
Wie dem auch sei, das System steht auf dem Hof und bestimmte Merkmale können im Nachhinein nicht mehr geändert werden, ohne dass ein komplett neuer Schützenpanzer entwickelt wird. Mangels Alternativen – der in Europa weitverbreitete CV90 ist zwar ausgereift, gehört aber der vorherigen Schützenpanzergeneration an und hat sein Zenit bereits erreicht, der Lynx hingegen hat erst vor kurzem den Vorserienstatus erreicht und wird noch viele Jahre brauchen, bis er den Einsatzstatus erzielt, den der Puma heute hat – hält das Heer an dem Projekt fest. Bis vor kurzem schien diese Entscheidung auch die richtige gewesen zu sein, schließlich haben die modernisierten VJTF-Pumas in vielen Übungen im Großen und Ganzen so performt, wie sie sollten.
Pannenpanzer oder Prellbock
Aber eben nur bis vor kurzem, bis die in der Einleitung angesprochenen 18 Pumas komplett ausgefallen sind. Eine Woche nachdem die Ausfälle medial bekannt geworden und der Puma erneut als Pannenpanzer tituliert wurde, verdichtet sich langsam das Lagebild, was im Schießübungszentrum tatsächlich vorgefallen sein soll. Einem Beitrag der FAZ zufolge, der weder durch das BMVg noch durch das Heer bestritten wird, ist die Schadenslage der 18 Panzer komplett uneinheitlich.
Die große Masse der technischen Probleme sollen zudem einfach zu beheben sein und teilweise auf vorgeschriebenen aber nicht durchgeführten technischen Dienst zurückzuführen sein. Zudem wird einer Aussage des Divisionskommandeurs in der Hinsicht widersprochen, dass die Fahrzeuge zwar nicht bei der Übung selbst, dafür im Vorfeld arg beansprucht wurden, indem diese für etwaige Übungen von Zug zu Zug beziehungsweise von Kompanie zu Kompanie herumgereicht wurden. Erfahrene Soldaten wissen ganz genau, dass das immer in einem wenig pfleglichen Umgang mit dem Material endet. Dem FAZ-Beitrag nach sollen nur zwei der 18 Systeme tatsächlich größere Schäden aufweisen.
Hier gilt es tatsächlich präzise hinzusehen, was genau dazu geführt hat, dass Panzer in einem voll ausgestatteten Verband herumgereicht werden müssen. Liegt es an der Wartungsintensivität des Puma, an zu wenig Ersatzteilen, fehlenden Instandsetzungskapazitäten oder vielleicht sogar an Fehlplanungen der Truppe, die aus welchen Gründen auch immer notwendige Zeiten für technischen Dienst und Übungsbetrieb nicht adäquat synchronisieren konnte?
Die Masse der nun öffentlich werdenden Hinweise deuten zunehmend darauf hin, dass dem Puma eher das Attribut Prellbock als Pannenpanzer zugesprochen werden muss. Wenn die Einsatzfähigkeit eines Systems darunter leidet, dass ungenügend Ersatzteile vorhanden sind, Instandsetzungspersonal fehlt, nicht ausreichend qualifiziert oder unerfahren ist, planerische Mängel in der Nutzung des Systems vorliegen oder das System entgegen den Vorgaben genutzt wird, dann liegt es nicht alleine an der Technik, dann sind die Ursachen im System verankert. Dies wird zudem durch den Umstand bestärkt, dass es dem Vernehmen nach im Heer durchaus Puma-Verbände mit sehr guten Klarständen gibt – trotz Übungsbetrieb. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass am Ende der Untersuchung festgestellt werden muss, dass der Puma hier als Prellbock für Fehler anderer herhalten musste.
Bedarf für tiefergehende Anpassungen am System
Die Bundeswehr hat viel Geld in die Hand genommen, um den Puma konstruktiv dermaßen anzupassen, dass eine geforderte Einsatzfähigkeit theoretisch erreicht werden kann. In der Praxis müssen neben der Technik auch der Soldat und das dahinter stehende System ihren Teil dazu beitragen. Und genau hier hapert es bei der Bundeswehr, wie man anhand der oftmals geringen Einsatzbereitschaft weiterer Waffensysteme sehen kann. Damit diese Mängel in Zukunft abgestellt werden, muss die Bundeswehr auch an ihre Strukturen ran.
Die Nutzungsverantwortlichkeit für die jeweiligen Waffensysteme gehört wieder zurück in die Teilstreitkräfte. Zudem muss die Truppe von der Kompanie bis aufwärts zur Division über entsprechende quantitativ und qualitative logistische Kräfte und Ersatzteilvorräte verfügen, um Ansprüche und Wirklichkeit hinsichtlich der Einsatzbereitschaft der Waffensysteme zu synchronisieren. Auch die Struktur logistischer Kräfte auf allen Ebenen muss überdacht werden. Es hatte ja seinen Sinn, dass in früheren Strukturen ausgeprägtere Schrauberfähigkeiten in der Kompanie und im Bataillon vorhanden waren. Der Logik nach müsste die Anzahl und Fähigkeiten dieser Schrauber zunehmen, um die quantitativ und qualitativ komplexeren modernen Waffensysteme adäquat einsatzbereit halten zu können. Mit der zunehmenden IT-Lastigkeit der Waffensysteme müssen auch die Qualifikationsbilder der „Schrauber“ angepasst werden, damit diese adäquat arbeiten können.
Blickt man jedoch in die Truppenstruktur, stellt man genau das Gegenteil fest. In den letzten Reformen wurde nicht nur an Material und Ersatzteilen gespart, sondern auch an entsprechendem Personal. Wenn heute etwas kaputt geht, muss erst eine Meldung abgesetzt werden, ein Auftrag vergeben und das System unter Umständen auch für einfache Arbeiten an einen anderen Ort (Industrie oder HIL) verbracht werden. Was früher in wenigen Stunden an Ort und Stelle in der Einheit oder im Verband geregelt werden konnte, braucht heute auf Grund der systemisch bedingten Durchlaufzeiten Tage, Wochen oder Monate. So lassen sich Kaltstartfähigkeit und Kriegstauglichkeit auch im optimalsten aller Fälle nicht herstellen.
Last but not least muss aber auch ein Umdenken in der Truppe erfolgen. Es muss Schluss sein mit dem Herumreichen von Material, egal ob Schützenpanzer oder Nachtsichtgerät. Materialverantwortung gehört in die Hände einzelner Soldaten, die auch dementsprechend in Verantwortung genommen werden können, wenn kein pfleglicher Umgang damit geschieht. Und wenn Panzer ausfallen oder im logistischen System auf Wartung beziehungsweise Reparatur warten, dann muss auch der Zugführer, Kompaniechef oder Kommandeur das Kreuz haben, die Truppe für den entsprechenden Zeitraum abzumelden. Anders wird sich keine Besserung einstellen, egal ob das Waffensystem Puma, Marder oder einen anderen Namen hat.
Wenn die Bundeswehr es ernst meint mit Kaltstartfähigkeit und Kriegstauglichkeit, dann müssen grundlegende Änderungen vorgenommen werden. Es wird eine Ersatzteilbevorratung geben müssen und Umlaufreserve für die Waffensysteme, die planmäßig länger ausfallen (Modernisierung oder Grundüberholung). Zudem braucht es mehr Personal und Anpassungen in der Struktur. Das alles wird Geld kosten, viel Geld, mehr als derzeit von der Politik zur Verfügung gestellt wird. Damit der nötige Wurf gelingt, müssen alle Beteiligten zudem aufhören, die eigenen Fehler mit Schuldzuweisungen an andere zu kaschieren und sich vielmehr darauf konzentrieren, Ursachen für Probleme klar zu benennen und an der Lösung mitzuarbeiten.
Im September 2021 ist mit der Auslieferung des 342. Schützenpanzers Puma die Serienproduktion des ersten Loses abgeschlossen und ein wichtiger Meilenstein im derzeit teuersten Rüstungsprojekt des Heeres erreicht worden. Seit Beginn der Auslieferung 2010 sind zahlreiche Verbesserungen und Ergänzungen in die Serienproduktion eingeflossen.
Mit der Festlegung, dass der Schützenpanzer (SPz) Puma zur Ausstattung des deutschen Truppenkontingents der NATO-Speerspitze VJTF 2023 gehören sollte und der gleichzeitigen Feststellung, dass die dafür benötigte Einsatzreife nicht gegeben war, setzte ein Zwischenspurt ein, der mit der Einsatzprüfung im März 2021 und der Erklärung der Gefechtstauglichkeit des Systems Panzergrenadier durch den Inspekteur des Heeres erfolgreich beendet werden konnte. Zum System Panzergrenadier gehört neben dem Schützenpanzer Puma eine Variante des Soldatensystems Infanterist der Zukunft – Erweitertes System (IdZ-ES).
Damit ist der Konfigurationsstand VJTF 2023 für den SPz Puma definiert, der als Zwischenschritt vorab im Puma VJTF 2023 realisiert wird. Er ist die Grundlage für die Konfiguration S1, auf die alle SPz Puma des ersten Loses hochgerüstet werden sollen.
Schützenpanzer Puma VJTF 2023
Zwei wesentliche Merkmale kennzeichnen diesen Zwischenschritt zur Konfiguration S1: Verbesserte Führungsfähigkeit durch Digitalisierung und gestärkte Panzerabwehrfähigkeit durch vollständige Integration des Mehrrollenfähigen Leichten Lenkflugkörper-Systems (MELLS).
Digitale Funkgeräte ermöglichen die Kommunikation mit Sprache und Datenfunk über alle taktischen Führungsebenen hinweg. Der mit IdZ-ES ausgestattete Schützentrupp ist über das Battlefield-Management-System (BMS) TacNet angebunden. Über die digitale Lagekarte verfügen die Gefechtsteilnehmer vom Einzelsoldaten bis zur Bataillonsführung über ein gleiches Lagebild mit der Darstellung der Positionen gegnerischer und eigener Kräfte. Der abgesessene Panzergrenadier kann darüber beispielsweise eine digitale Zielzuweisung vornehmen und somit der auf dem Fahrzeug verbliebenen Kernbesatzung die Zielbekämpfung ermöglichen.
Damit hat das System Panzergrenadier eine wesentliche Stärkung erfahren und leistet einen erheblichen Beitrag im Projekt des Heeres zur Digitalisierung Landbasierter Operationen (D-LBO).
Aufklärung und Situationswahrnehmung werden mit neuen Farbkameras für Tag- und Nachtsicht und Farbmonitoren auf ein neues Niveau gehoben. Kommandant und Richtschütze erhalten durch die jeweiligen optronischen Systeme eine verbesserte Darstellung des Zielgeländes. Der aufgesessene Schützentrupp kann mit den Kamerasystemen und farbigen Displays die Umgebung ständig beobachten und gegebenfalls Ziele aufklären. Die Soldaten kennen so schon vor dem Absitzen das Umfeld, in dem sie eingesetzt werden. Auch der Kraftfahrer profitiert von leistungsfähigeren Sichtsystemen und wird in die Lage versetzt, das Fahrzeug in bebautem und unbebautem Gelände sicher und den taktischen Anforderungen gerecht zu manövrieren.
Mit der vollständigen Integration des Lenkflugkörpersystems MELLS konnten die Fähigkeiten im Kampf gegen Feind in gepanzerten Fahrzeugen und Deckungen wesentlich verbessert werden. Zwei abschussbereit mitgeführte Lenkflugkörper EuroSpike LR können aus dem Fahrzeug – also geschützt unter Luke – mit den gleichen Bediengeräten wie für Haupt- und Sekundärbewaffnung eingesetzt werden.
Die Nachrüstung mit der Turmunabhängigen Sekundärwaffenanlage (TSWA) ist vorgesehen aber noch nicht unter Vertrag.
Ein weiteres Merkmal des SPz Puma VJTF 2023 ist die Vorrüstung zur Aufnahme der Turmunabhängigen Sekundärwaffenanlage (TSWA) am rechten Fahrzeugheck. Die unbemannte Waffenstation TSWA dient dem Eigenschutz und kann nichtletale und letale 40-mm-Munition bis 400 m weit verschießen. Nach Abschluss der Entwicklung wird der Serienauftrag für 2023 erwartet.
Das vorgesehene Kontingent von 40 SPz Puma VJTF 2023 ist im Wesentlichen auf den vorgesehenen Konfigurationsstand umgerüstet und steht zum großen Teil schon jetzt für die Ausbildung für die einsatzgleiche Verwendung VJTF 2023 zur Verfügung. Bis Ende 2021 werden alle SPz Puma VJTF 2023 ausgeliefert sein.
Schützenpanzer Puma S1
Die nächste Ziel-Konfiguration für den SPz Puma heißt S1. Im Juni 2021 ist das Herstellerkonsortium Projekt System & Management (PSM) vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr beauftragt worden, die restliche Puma-Flotte nachzurüsten.
Gegenüber der Version VJTF 2023 werden noch elektronische Komponenten modernisiert. Die Ausstattung mit SEM-Funkgeräten (SEM 80, SEM 90, SEM 93) wird durch die neue digitale querschnittliche Streitkräftegemeinsame Verbundfähige Funkgeräteausstattung (SVFuA) ersetzt. Die Bordverständigungsanlage SOTAS IP wird durch die aktuellere Version SOTAS IP6R erweitert. Das explosionssichere GPS-Navigationssystem ERGR (Explosion Resistant GPS Receiver) wird durch das Nachfolgesystem ERGR II ersetzt.
Weiterentwicklung
Mit der gefechtstauglichen Konfiguration S1 ist die Entwicklung des SPz Puma nicht abgeschlossen. Das Heer hat noch weitere Fähigkeitsforderungen, die noch nicht erfüllt werden konnten und unter dem Begriff Full Operational Capability (FOC) zusammengefasst sind. Hinzu kommen die ständigen Veränderungen des sicherheitspolitischen Umfelds und Fortschritte in Technik und Technologie. Daher hat die Bundeswehr im Juni 2021 auch eine „Konzeptstudie FOC“ in Auftrag gegeben, in der untersucht werden soll, welche weiteren Fähigkeiten realisiert werden sollen, wie der Zeitplan dazu aussehen soll und welche Finanzmittel benötigt werden.
Zu den Themen der Studie gehören u. a. die Optimierung der TSWA mit Tracker und Nebelmunition, akustische Schützendetektion und die Integration des Multifunktionalen Selbstschutz-Systems MUSS 2 zur Verbesserung der Lenkflugkörperabwehrfähigkeit. Nicht zuletzt gehört auch die Beibehaltung der Zukunftsfähigkeit des Schützenpanzers zu den Untersuchungsgegenständen.
Die Zielrichtung des Heeres und auch der Industrie ist die Weiterentwicklung des SPz Puma über die Konfiguration S1 hinaus, mit der die FOC erreicht werden kann und das Schaffen der Voraussetzungen für ein mögliches zweites Los SPz Puma, über das nach derzeitiger Planung 2022 entscheiden werden soll.
Von Seiten der Industrie stehen Lösungen bereit bzw. werden entwickelt wie Drohnenergänzungssatz von Krauss-Maffei Wegmann, der aus Detektor, KI-Bildverarbeitungseinheit und Softwareupdate besteht und mit der MK30 mehrere Ziele gleichzeitig bekämpfen kann, PanoView von Rheinmetall mit Echtzeit-Bildübertragung von außen angebrachten Kameras auf eine Brille des Kommandanten. Der „Blick durch die Panzerung“ kann mit Lageinformationen angereichert werden und MUSS 2 von Hensoldt zum Schutz vor modernen Lenkflugkörpern und Geschossbedrohungen bestehend aus Warnsensoren, Zentraleinheit, IR-Jammer sowie richtbarem Nebelwerfer mit Steuerelektronik.
Ablauf der Nachrüstung
Die Umrüstung der Schützenpanzer Puma zum einheitlichen Konfigurationsstand S1 erfolgt in mehreren Abschnitten. Die Arbeiten an den 40 SPz Puma in der Konfiguration VJTF 2023 sind – wie oben beschrieben – fast abgeschlossen. Der Vertrag von Juni 2021 deckt die Umrüstung eines ersten Loses mit zunächst vier Nachweismustern und anschließend weiteren 150 SPz im Zeitraum bis 2026 ab. Dafür wird rund eine Milliarde Euro ausgegeben. In zwei Optionen ist die Umrüstung eines zweiten Loses mit 143 Puma im Wert von 820 Millionen Euro vereinbart, aber noch nicht in Auftrag gegeben. Diese soll bis 2029 abgeschlossen werden.
In der Maßnahme sind die Fahrschulpanzer nicht berücksichtigt. In einem noch nicht abgeschlossenen Werkvertrag sollen vier SPz zu Fahrschulpanzern umgebaut werden. Dann stehen insgesamt zwölf Fahrschulpanzer zur Verfügung. Ein Fahrzeug soll zu einem Ausbildungspanzer Wanne umgestaltet werden.
Weiteres Vorgehen
Der Haushaltsausschuss hat in einem Maßgabebeschluss zum Puma das BMVg aufgefordert, den VJTF-Einsatz der Puma für eine kritische Bestandsaufnahme zu nutzen. Mit Erkenntnissen aus der Nutzung unter realistischen Alltagsbedingungen über einen längeren Zeitraum soll eine valide Zeit- und Finanzplanung für eine voll einsatzfähige Puma-Flotte erarbeitet werden. Diese soll zusammen mit Kosten-Nutzen-Abwägungen die Grundlage für die Entscheidung über ein zweites Beschaffungslos Puma bilden.
Derzeit ist das Heer mit 350 SPz Puma und knapp 400 SPz Marder ausgestattet. Die Lebensdauer des 50 Jahre alten Marder ist trotz Nachrüstungen begrenzt. Für die Nutzung nach dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr von 2018 und als Ausrüstung der Panzergrenadiere nach dem Plan Heer in der Division 2032 ist der Marder nicht geeignet. Daher muss eine Entscheidung für ein zweites Los Puma möglichst bald fallen, auch wenn die Haushaltsmittel knapp sind.
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