Samstag, 17. Dezember 2022

"Ach bitte, lasst mich doch wieder mitspielen!"

von Mirjam Lübke...

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt – und so meint so mancher, der einmal, zumindest aus linker Perspektive betrachtet, vom richtigen Weg abgewichen ist, dies durch Sündenbekenntnisse und heftiges Weihrauchkesselschwenken in Richtung der »Schurken« wieder ins Lot bringen zu können. Welche Motive auch dahinterstehen: Der eine mag vielleicht aufrichtigen Herzens seinen Gang auf die dunkle Seite der Macht bereuen, weil die politischen Ziele dort ihm doch schlussendlich zu radikal sind. Manch einer möchte lieber wieder bei seinem Lieblingsitaliener eingelassen werden und nicht selbst auf der Speisekarte der Medien stehen oder bei eben jenen wieder als »seriöser Journalist« gelten – es ist nicht leicht, dem gesellschaftlichen Druck standzuhalten. Als »rechts« zu gelten, ist auch einem gewissen Lifestyle abträglich – in der urbanen Partyszene macht man sich damit eher unbeliebt, denn »bunt« ist hip. Jörg Meuthen, Vera Lengsfeld und Anabel Schunke gehören zu jenen, die sich ab und an aus den Fesseln der öffentlichen Meinung befreien möchten – doch ach, man dreht und wendet sich und wird dennoch nicht aus dem Tal der Verdammten entlassen. Eher kämpft sich eine Fliege wieder vom Leimstreifen frei, als dass man von diesem Stigma loskommt.


Die Spielregeln sind unerbittlich und Schummeln ist unmöglich, schon gar nicht, wenn man eher zu den »gemäßigten Rechten« zählt, also zu jenen, die hin und wieder ein wenig Migrationskritik üben oder es ganz in Ordnung zu finden, deutsche Kultur zu mögen. Wasch mich, aber mach mich nicht nass: Das funktioniert in der Medienwelt nicht. Diese gewöhnte sich schließlich so rasch an die Abstandsregeln im Lockdown, weil sie das »Social Distancing« im Blut hat. Wer sich vom »Bösen« nicht fernhält, gilt als infiziert, denn man achtet schließlich schon untereinander darauf, keine Abweichler in den eigenen Reihen zu dulden – man befrage Sahra Wagenknecht zu diesem Sachverhalt. Nur wer rechter als rechts ist, einst mit einschlägiger Kleidung und verdächtigen Tattoos unterwegs war und auch schon einmal gewalttätig, hat eventuell eine kleine Chance: Er kann medienwirksam an einem Aussteigerprogramm teilnehmen und anschließend als Behördenberater fungieren. Denkt man nur »verkehrt«, so bekommt man keinen Fuß mehr auf den Boden, so verrückt wie das klingt.
 
Anabel Schunke hat diese Regeln ebenfalls noch nicht begriffen und versucht es nun mit derselben Technik, die schon bei Meuthen und Lengsfeld nicht funktioniert hat: Wüster Höcke-Beschimpfung. Gewürzt mit einer ordentlichen Portion Verachtung für den ostdeutschen Wähler, der offensichtlich der politischen Aufklärung durch eine westliche Kolumnistin bedarf. Vielleicht kann ich diese Haltung nicht teilen, weil ich mütterlicherseits nicht nur einen pfälzischen, sondern auch einen sächsischen Migrationshintergrund habe, es mag aber auch daran liegen, dass ich derlei kollektive Abwertung höchst erbärmlich finde: Diese Mode, auf den Osten der Republik herabzuschauen, entsteht genau aus der mangelnden politischen Bildung, welche Frau Schunke den Sachsen, Thüringern und allen anderen vorwirft, die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR groß wurden oder diese gar noch erleben »durften«. Neben Calvin-Klein-Schlüpfern fehlte es dort bekanntlich auch an Meinungsfreiheit, weshalb man auf deren Einschränkung schon einmal heftiger reagiert.
 
Nun ist natürlich niemand gezwungen, die Thüringer AfD oder Björn Höcke zu wählen, aber die Heftigkeit der Ablehnung erstaunt dann häufig doch. Viele West-AfDler bevorzugen einen eher wirtschaftsliberalen Kurs, was ebenfalls akzeptabel ist, wenn die die unterschiedlichen Bedürfnisse der Ost-AfDler respektieren – die »Sozialismus«-Unkenrufe sind jedoch ähnlich deplatziert, wie das allgegenwärtige »Nazi«-Geschrei der Etablierten. Frau Schunke ist gewiss nicht die einzige, der die »Höcke-AfD« nicht fein genug ist, aber sie wird dabei gern besonders ausfallend. Das ist daher bemerkenswert, weil der Markenkern ihrer Arbeit in den sozialen Medien genau derjenige ist, den man der AfD gewöhnlich vorwirft: Das Zusammentragen von Berichten über Migrantenkriminalität. Stolz präsentiert sie täglich ihre Beute und schürt den Zorn jener Steuerzahler, zu denen sie nur bedingt gehört. Die Thüringer AfD-Fraktion um Björn Höcke befasst sich mit einem weitaus breiteren Themenspektrum, zu dem neben Migration auch Energiepolitik, die allgegenwärtige Inflation, Umweltschutz und die allgemeine Lage der Demokratie zählen – da geht es spannender zu. Was Frau Schunke antreibt, sich ausgerechnet Thüringen im Allgemeinen und Björn Höcke als Ziel ihres Unmuts herauszupicken, bleibt ein Rätsel. Natürlich ist es immer leichter, sich der mobbenden Meute anzuschließen als zumindest neutral zu bleiben, aber mir scheint, es steckt mehr dahinter – fast, als habe sie sich von ihm einen Korb irgendeiner Art geholt.
 
Das klingt doch sehr nach »Haltet den Dieb, er hat mein Messer im Rücken!«, was ebenfalls nichts Ungewöhnliches ist. Die eigene Migrationskritik ist eben doch immer die bessere, vor allem deren Motive. Und vielleicht kann man das noch klarer herausstreichen, indem man andere Kritiker als »völkisch motiviert« übel beleumdet, was immer das bedeuten soll. Da ist es ebenso glaubwürdig, sich ein Schild um den Hals zu hängen »Ich gehöre nicht dazu!« und von Mut zeugt es auch nicht. Frau Schunke gilt nicht gerade als pflegeleicht, sie selbst hat es geschafft, bei Facebook hinausgeworfen zu werden – was zugegebenermaßen auch ein Qualitätsmerkmal sein kann – aber auch die bezahlten Beiträge in ihren »Stammmedien« werden weniger. Vielleicht, weil sie am liebsten über sich schreibt und die ihr zustoßende Unbill, die sie im Gegensatz zu Björn Höcke natürlich nicht verdient hat. Das wird auch den größten Fans irgendwann zu langweilig, zumal sie sich eventuell überlegen, was ihnen wegen freier Meinungsäußerung selbst schon zugestoßen ist. Eine gewisse Zickigkeit Frau Schunkes gegenüber Kritikern rundet das Bild ab, wer nicht bereits das Interesse verloren hat, ist wahrscheinlich verächtlich geblockt.

Zum Glück dreht sich die Welt auch ohne ihre Meinungsäußerung weiter, doch in ihrer Gesamtheit ist die »Habt mich wieder lieb!«-Brigade außerordentlich anstrengend. Denn auch wenn sie weit davon entfernt ist, wieder in der »Society« mitspielen zu dürfen, werden ihre Äußerungen gern von dieser aufgegriffen: »Selbst die rechtsextreme xy distanziert sich von diesem Schurken!« - man liefert, wie bestellt. Doch der Opportunismus ist ganz umsonst, denn bekanntlich wird die Denunziation geliebt, während man den Denunzianten verachtet. Und irgendwann ist er dann in der Versenkung verschwunden.




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