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Ich wurde am Montag von Michael per PN auf Steady danach gefragt, was ich von einem Facebook Posting halte. | |
Nun bin ich in der Zwickmühle. | |
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Daher gehe ich das Posting einmal durch. | |
„Die Menschen, die die russische Bedrohung verharmlosen, versuchen sich mit dem Argument zu beruhigen, dass Russland ja nicht einmal in der Ukraine zurechtkommen würde und dort Menschen und Material in einem Umfang verlieren würde, dass es für Europa keine Gefahr sein kann.“ | |
Alle Medien und wirklichen Experten berichten etwas anderes. | |
„Das ist leider nur bedingt richtig. | |
Zunächst kämpfen keine 600.000 russische Soldaten in der Ukraine. | |
Und selbstverständlich sind sie Teil der „regulären russischen Armee“. (Hier spricht man von Streitkräften, aber geschenkt.) Denn in Russland besteht eine Wehrpflicht. | |
„Es sind Freiwillige und Vertragssoldaten. Die reguläre russische Armee ist weiterhin völlig intakt.“ | |
Hier wird der Eindruck vermittelt, es gäbe zwei Streitkräfte. Einmal das Gerümpel in der Ukraine und einmal die „richtigen“ Streitkräfte. Das ist grundlegend falsch. | |
Aufgrund von verschiedenen Quellen, auch russischen, habe ich bereits Ende 2023 oder Anfang 2024 erklärt, dass etwa 80 Prozent der Luftlandetruppen Russlands aufgerieben sind. Nur um ein Beispiel zu nennen. | |
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„2022 hatte Putin rund eine Million ausgebildeter und ausgerüsteter Soldaten in dieser Armee.“ | |
Man geht von weit weniger aus. Siehe untern. Und diese Million „ausgebildeter und ausgerüsteter Soldaten“ enthält eben auch die Wehrpflichtigen und die, die in der Ukraine im Einsatz sind. | |
„Heute sind es 1,5 Millionen.“ | |
Auch das ist falsch. | |
„Im Kriegsfall könnte er diese mit Rekruten, Reservisten und Freiwilligen auf bis zu 2,5 Millionen Soldaten aufstocken.“ | |
Ich weiß nicht, woher diese Zahl stammt. Ich halte es für reine Phantasie. | |
„Beim militärischen Material sieht es ähnlich aus. In der Ukraine wird fast ausschließlich altes eingelagertes Material aus Sowjetzeiten eingesetzt. Neu produziertes modernes Material wandert in Depots und nicht in die Ukraine.“ | |
Richtig ist, dass Russland an seinen Kapazitäten arbeitet, um über den Ukrainekrieg hinaus Panzer (und vermutlich andere Waffen) für die Depots produzieren zu können. | |
„Die Russen produzieren 1.500 moderne Panzer in 2025.“ | |
Das ist eine Schätzung, die durch den Generalinspekteur der Bundeswehr General Carsten Breuer im Juli 2024 geäußert wurde. Sie ist aber falsch wiedergegeben. | |
Das bedeutet, es ist eigentlich noch dramatischer. Denn das sind nicht alle produzierten, sondern die geschätzte Zahl der zusätzlich produzierten Panzer. (Dem kann ich mich übrigens nach wie vor nicht anschließen, da ich keinerlei Erklärung für diese oft wiedergegebene Aussage kenne. Bis dahin bleibe ich skeptisch.) | |
Von „modern“ hat niemand etwas gesagt. Russland hat in dem Bereich quasi nichts, was irgendwie „modern“ wäre. Bei den Kampfpanzern wäre das Modernste der T-90, der aber ungefähr (!) auf dem Niveau der Version des Leopard II ist, auf dem auch ich Anfang der 90er gelernt habe. | |
Nur um eine Relation zu geben: | |
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Das erklärt vielleicht auch, warum ich mir bei der Aussage erlaube skeptisch zu sein. Das ist nämlich gar kein so großes Ding. Der General wird da schon seine Quellen haben. | |
„Sie wollen mehr als 1.000 ballistische Raketen pro Monat produzieren, verschießen davon aber nur ca. zehn pro Monat auf die Ukraine.“ | |
Auch hier weiß ich nicht, woher diese Zahl stammen soll. Mir ist sie unbekannt. Ich halte sie für absolut illusorisch. Raketen vielleicht, aber ballistische? | |
„3 Millionen Artilleriegranaten produziert Russland jährlich, verschießt in der Ukraine aber fast ausschließlich aus Nordkorea gelieferte Munition. Drohnen aller Größenordnungen werden zu Hunderttausenden produziert.“ | |
Dazu kann ich nichts sagen, die Zahlen lese ich zum ersten Mal. | |
„Die starke Nordmeerflotte und die russische Luftwaffe sind nahezu vollständig intakt und werden weiter modernisiert.“ | |
Oh, mein Fachgebiet. Ich freue mich. | |
Die Kursk ist gesunken. Die Admiral Kusnezow, der einzige Flugzeugträger Russlands, war bereits in den 1990ern in erbarmungswürdigem Zustand, als meine Einheit ihn aufgeklärt hat. | |
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Die Besatzung der Kusnezow, also Seeleute, wurde übrigens Infanterieeinheiten in der Ukraine zugeordnet (3. Mechanisiertes Bataillon „Fregat“) und dort verheizt. | |
Mein altes „Lieblingsschiff“, der Atomkreuzer Kirow, wurde nach einem Reaktorunfall 1990 der „Reserveflotte“ zugeteilt. Ihr Schicksal ist ähnlich wie das der Kusnezow. | |
Deutschland hat übrigens 300 Millionen für die sichere Entsorgung des Atommülls gespendet. Man weiß aber, dass Russland vieles trotzdem einfach ins Meer geschmissen hat. Folgen? Unabsehbar. | |
Die Luftwaffe ist soweit intakt, wenn man die etwa 140 abgeschossenen Jets (davon waren einige dann tatsächlich mal „modern“) und 150 abgeschossenen Helikopter abzieht. Letztere fielen bereits in den ersten Tagen des Überfalls auf die Ukraine dadurch auf, dass sie in Ermangelung von Präzisionsmunition wie Artillerie beim Hochziehen einfach grob in die Richtung feuerten. | |
„Die Russen haben ihre Militärbezirke neu geordnet - mit Stoßrichtung Westen. In diesen westlichen Militärbezirken werden aktuell Hallen für Gerät gebaut und Depots angelegt.“ | |
Das habe ich jüngst erst auf Anfrage erklärt. Das ist logisch und absehbar. Da sich die russische Landgrenze mit dem Beitrag Finnlands zur NATO verdoppelt hat. Die NATO-Mitglieder machen ähnliches. Es ist eine Umstrukturierung, nicht zwangsläufig ein „Mehr“. | |
„Alle Anzeichen deuten klar darauf hin, dass Russland die Ukraine gedenkt, mit relativ wenig Aufwand niederzuringen. Währenddessen bereitet sich Russland auf eine größere militärische Auseinandersetzung vor.“ | |
Ich würde es eher so formulieren: | |
„Europa ist aktuell nicht abwehrbereit und wird der gewaltigen russischen Militärmaschine nicht standhalten können. Die Ukraine hält Russland in seinem Expansionsdrang Richtung Westen auf und nutzt die russische Militärmaschinerie ab - damit verschafft uns die Ukraine wertvolle Zeit, die wir schnell und konsequent nutzen müssen, nachzurüsten und uns wehrfähig zu machen.“ | |
Bei Letzterem gebe ich recht. Aber aus einer völlig anderen Perspektive heraus. | |
Die NATO ist Russland entsprechend der Verteidigungsausgaben etwa 15-fach überlegen. Vor dem Überfall auf die Ukraine. | |
Die Gefahr ist nicht, dass Russland einen „full scale“ Krieg vom Zaun bricht. Sondern dass es versucht, sich – aus seiner Sicht „verlorenes“ – Territorium zurückzuholen. Und damit die NATO und den Zusammenhalt in Europa dauerhaft zu schwächen. | |
Unsere Militärs sind natürlich darauf bedacht, es gar nicht erst soweit kommen zu lassen. Was bedeutet, dass man beim kleinsten Zucken sofort rigoros antworten können muss. | |
Das ist mit dem „wehrfähig werden“ gemeint. | |
Dieser Kontext wird aber weder von der Politik noch den Medien erklärt. Und letztere, meist vertreten durch Redakteure, die selber keine Ahnung haben, drücken den Panikknopf. | |
„Wir müssen zuerst vor allem die Ukraine stark machen und befähigen, Russland auch weiterhin aufzuhalten und zu schwächen, anstatt der Illusion nachzuhängen, Putin wäre zu einem Waffenstillstand oder gar einem Frieden bereit. | |
Da muss ich Recht geben. | |
Trotzdem habe ich den Eindruck, dass hier jemand eben jene verzerrenden oder falschen Quellen bemüht, das Ganze noch mit etwas Hyperventilation und Elend mischt, und dann Klicks bekommt. | |
Ich kann nur dazu aufrufen zu prüfen, von wem man was rezipiert. Erschienen auf steadyhq |
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Sie verbieten nicht die Hassrede, sondern die Rede, die sie hassen. Den Sozialismus erkennt man daran, daß es die Kriminellen verschont und den politischen Gegner kriminalisiert...
Donnerstag, 8. Mai 2025
Panikmache in den Sozialen Medien - Fallbeispiel
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