Der Fernsehsender Arte strahlte eine Dokumentation über den Iran, die USA und Israel aus, die den Zusehern vor allem Sand in die Augen streute.
von Florian Markl...
Stellen wir uns ein Wohnhaus vor, in dem die Bewohner einigermaßen miteinander auskommen und die verschiedenen Parteien teils sogar gut befreundet sind. Dann ziehen neue Mieter ein, die das bisherige Zusammenleben gründlich durcheinanderbringen: In ihrer eigenen Wohnung lärmen sie, im restlichen Haus randalieren sie und bedrohen die übrigen Bewohner. Manche zwingen sie, Freunde in ihre Wohnungen aufzunehmen und sie den Haushalt kontrollieren zu lassen. Und gegen die Mieter einer Wohnung richtet sich regelrechter Hass, der sich u.a. in eingeworfenen Fensterscheiben und unablässig wiederholten Drohungen niederschlägt, diese Bewohner aus dem Haus vertreiben oder massakrieren zu wollen.
Wollte man wirklich erkunden, warum es in dem Haus drunter und drüber geht, wäre die Vorgangsweise klar: Da die drastische Verschlechterung der Lage vor allem mit dem Einzug der neuen Mieter und mit deren Verhalten zusammenhing, müsste sich die Untersuchung auf sie konzentrieren: Was treibt sie an, Unfrieden zu stiften und die übrigen Bewohner zu terrorisieren? Warum tun sie, was sie tun? Was genau machen sie? Welcher Mittel bedienen sie sich dabei?
Ignoriert man im Gegensatz dazu diese Fragen weitestgehend und konzentriert sich stattdessen darauf, was die anderen Hausparteien zu der angeblich „gegenseitigen Feindschaft“ beitragen und wie die renitenten neuen Mitbewohner auf vermeintlich feindselige Akte der anderen „reagieren“, so leistet man nicht nur keinen Beitrag zur Erklärung der Situation, sondern streut denen Sand in die Augen, die nach zutreffenden Antworten suchen.
Auftritt Arte
Genau das tat der deutsch-französische Fernsehsender Arte am vorwöchigen Dienstag, als er eine zweiteilige Dokumentation mit dem Namen „Der endlose Krieg. Iran – Israel – USA“ ausstrahlte. Einem „Krieg der Ideologien und Strategien, der bis heute tiefen Groll und Hass schürt“, sollte in rund eindreiviertel Stunden auf den Grund gegangen werden. Man müsse, „die Fäden der Tragödie entwirren, hinter Dogmen und Meinungen die wahren Motive beider Seiten ergründen“ und so den Konflikt analysieren, der drohe, „ein neuer, weltweiter Konflikt“ zu werden.
Die Ausgangslage ähnelte der in unserem Haus-Beispiel: Lange hatte der Iran gute und enge Beziehungen zu den USA und Israel. Auch die zweiteilige Dokumentation auf Arte kam nicht umhin zu bemerken, dass sich das mit einem Schlag grundlegend änderte, als die Revolution von 1979 die Herrschaft des Schahs beseitigte und in der Folge eine neue Ordnung im Land geschaffen wurde. Insbesondere die Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft in Teheran im November desselben Jahres sei zu einem der „Gründungsmythen des neuen Regimes geworden und gilt als Hauptursache für den Bruch zwischen Iran und den USA“.
Was also läge näher, als sich im Detail mit dem Charakter dieses neuen Regimes zu beschäftigen und zu analysieren, warum und wie die Ideologie, von der es getragen wird, seit über 40 Jahren den Konflikt mit den USA und Israel befeuert? Doch wer das erwartete, hatte die Rechnung ohne die Macher der Dokumentation gemacht. Warum „die Ziele und Interessen von Teheran einerseits, und Washington und Tel Aviv andererseits aufeinanderprallen“, das wurde fortan unter einem verzerrenden Blickwinkel zu beantworten versucht.
Das Regime, das für den Bruch und den Konflikt mit den USA und Israel verantwortlich ist, versuche Arte zufolge immer wieder, seine Hände zur Versöhnung auszustrecken, werde aber stets zurückgewiesen. (In einem Punkt sind sich die Dokumentation und das iranische Regime übrigens einig: Beide erkennen nicht an, dass der Name der israelischen Hauptstadt Jerusalem lautet – und nicht Tel Aviv, wie in „Der endlose Krieg“ stets behauptet wurde.)
Im Dienst dieses alternativen Blicks auf die Ursachen des Konflikts wurden große Teile der tatsächlichen Außenpolitik der Islamischen Republik ausgeblendet oder so unvollständig und verzerrend wiedergegeben, dass am Ende der Eindruck bestehen blieb, irgendwie seien alle Beteiligten gleichermaßen verantwortlich. Nicht zufällig heißt es zum Abschluss der zweiten Folge:
„Seit über 40 Jahren die immer gleiche tödliche Spirale aus Konfrontation, Intoleranz und Hass. Als wäre die Vernichtung des anderen ein Gesetz. Als müssten immer wieder neue Fronten aufgemacht werden, um zu verhindern, dass Freundschaft und Frieden die Oberhand gewinnen.“
Die Antwort auf die recht einfache Frage, wer hier wem ständig mit Hass begegnet und ihm mit Vernichtung droht, war zu diesem Zeitpunkt längst vom Rauch einer Reihe von Nebelkerzen verdeckt.
Weißer Fleck
Eine „Revolution im Namen des schiitischen Islam“ soll es gewesen sein, die sich im Jahr 1979 ereignet hat – tatsächlich würden sich viele der Revolutionäre von damals in dieser Charakterisierung nur schwerlich wiedererkennen. Über das Regime, das mit der Revolution zu Fall gebracht wurde, ließ die Dokumentation einen „iranischen Studentenführer (1979)“ zu Wort kommen:
„Das Schah-Regime war eine Diktatur, eine Militärdiktatur – die Armee war allgegenwärtig –, und sie war korrupt. Das betraf nicht nur die Justiz, sondern alle Ebenen der Macht. Viele Türen waren normalen Bürgern verschlossen, es gab keine Chancengleichheit innerhalb der Gesellschaft.“
All das stimmt, doch ist auffällig, was in weiterer Folge nicht gesagt wurde: Über das von Khomeini ins Leben gerufene System – das eine mindestens genauso korrupte Diktatur ist, in der normalen Bürgern ebenso viele Türen verschlossen bleiben und die der Bevölkerung gegenüber noch repressiver auftritt als das Schah-Regime – waren ähnlich deutliche Worte nicht zu hören.
Khomeini, so hieß es, sei die Verwirklichung seines Traumes gelungen: die „Anwendung einer radikalen Lehre“ und die „Errichtung einer Islamischen Republik, also einer Theokratie, in der die höchste Macht in den Händen einer religiösen Autorität liegt – in seinen Händen“. Was das konkret für die Menschen im Iran bedeutet, darüber erfuhren die Zuschauer nichts. Worin die „radikale Lehre“ Khomeinis bestand und welchen Charakter das von ihm begründete totalitäre System aufweist, davon war nicht Rede. Der Iran, wie er seit 1979 existiert, blieb in der von Arte ausgestrahlten Sendung ein weißer Fleck.
Export der Revolution
Das galt ebenso für die Motive und Beweggründe der Außenpolitik des islamistischen Regimes: Ihnen wurde schlicht keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt. Die Revolution von 1979 wurde als antiimperialistischer Akt dargestellt, der sich gegen die USA und Israel als „Inbegriff des Imperialismus“ gewendet habe.
Die erklärten Ziele Khomeinis, die islamische Revolution in die übrigen Länder des Nahen Ostens zu exportieren und die USA aus dem Nahen Osten zu vertreiben, um selbst die regionale Vormachtstellung zu erringen, wurden nicht einmal erwähnt. Die aggressive und destabilisierende Politik des Iran gegenüber fast allen Staaten im Nahen Osten, die von Khomeinis Nachfolger Ali Khamenei mit „brutaler Rücksichtslosigkeit und weltanschaulicher Unerbittlichkeit“ (Guido Steinberg) weitergeführt wird, wurde genauso wenig thematisiert.
Kurzum: Die islamistisch-imperialistischen Ambitionen des neuen iranischen Regimes wurden weder beschrieben noch überhaupt als solche erkannt – imperialistisch, so der Arte-übliche Scheuklappenblick, verhalten sich immer nur der Westen und die USA; alle anderen sind deren Opfer. Es ist der gleichermaßen herablassende wie ignorante Blick sich aufgeklärt dünkender Europäer, in dem Akteure wie das iranische Regime nicht für voll genommen und so behandelt werden, als wären sie nicht etwa Handelnde mit eigenen Zielen und Vorstellungen, sondern Getriebene in der Auseinandersetzung mit den Vereinigten Staaten.
Da können Vertreter des islamistischen Gottesstaates noch so oft ihre Weltanschauung kundtun, der zufolge Amerika der „große“ und Israel der „kleine Satan“ seien, ernst genommen werden sie nicht. Statt ihnen wirklich zuzuhören und den Blick darauf zu werfen, wie das iranische Regime auf dieser Ideologie aufbauend seit Jahrzehnten in Terrorkampagnen vom Libanon über den Irak bis nach Saudi-Arabien Amerikaner attackiert, entführt und ermordet, wird so getan, als sei es ein großes Rätsel, warum sich auch nach so langer Zeit „der Dialog nicht endgültig durchsetzen konnte“.
Dass in diesem nutzlosen Unterfangen der Antisemitismus des iranischen Regimes, der sich nicht zuletzt in der abgrundtiefen Feindschaft gegen Israel und in der Unterstützung blutigen Terrors gegen den jüdischen Staat niederschlägt, komplett ausgeblendet wird, versteht sich fast von selbst – und das, obwohl dem aufmerksamen Seher die offen antisemitischen Karikaturen iranischer Provenienz nicht entgangen sein dürften, die im Bild mehrfach zu sehen waren, während der gesprochene Text darauf mit keinem Wort einging.
Das führte zwangsläufig zu sehr selektiven Darstellungen: Dass der iranische Handlanger Hisbollah im März 1992 mit einem Selbstmordanschlag die israelische Botschaft in Buenos Aires dem Erdboden gleichmachte und dabei 28 Menschen tötete, wurde in der Dokumentation als Antwort auf die gezielte Tötung des Hisbollah-Generalsekretärs Abbas al-Musawi durch Israel dargestellt. Dass die Hisbollah zwei Jahre später ebenfalls in Buenos Aires das jüdische Gemeindezentrum in die Luft jagte und dabei 85 Menschen ermordete, wurde dagegen nicht erwähnt – da dieser antisemitische Terrorakt nicht einfach als Reaktion auf eine israelische Handlung präsentiert werden konnte, wurde er einfach verschwiegen.
Alternative Geschichte
Die Geschichte, die „Der endlose Krieg“ erzählen wollte, war nicht die vom iranischen Hegemoniestreben im Nahen Osten und dem seit über 40 Jahren geführten Krieg gegen die USA und Israel, sondern die von einem iranischen Regime, das sich um Verständigung bemühe, aber von Amerika stets die kalte Schulter gezeigt bekomme. In den Worten eines der iranischen „Experten“, die in der Dokumentation zu Wort kamen und so ausgewählt wurden, dass sie stets kritisch gegenüber Amerika, aber weitgehend unkritisch gegenüber dem Iran waren: „Die amerikanische Iranpolitik war von großer Kontinuität geprägt. Wann immer Iran den USA zur Hilfe gekommen war, hatte es dafür eine Ohrfeige kassiert.“
Dieses Narrativ wurde in der Dokumentation vor allem anhand von drei Beispielen propagiert: dem israelisch-palästinensischen Friedensprozess in den 1990er Jahren, dem Krieg gegen die Taliban nach 9/11 und einem umfassenden Kompromissangebot, mit dem das iranische Regime angeblich an die Bush-Regierung herangetreten sei. Sehen wir uns das der Reihe nach an.
Enttäuscht
Nach der Vertreibung des Irak aus Kuwait durch eine internationale Koalition unter Führung der USA berief US-Präsident George Bush sen. in Madrid eine internationale Konferenz ein, um einen israelisch-arabischen/palästinensischen Friedensprozess in Gang zu bringen. Der Iran war, wie ein Berater des damaligen amerikanischen Außenministers in der Dokumentation erklärte, aus leicht nachvollziehbaren Gründen nicht mit von der Partie: Was hätte er angesichts seiner grundsätzlichen Feindschaft gegen die USA und Israel auch an einem Tisch zu suchen gehabt, an dem der „große Satan“ einen Frieden zwischen dem „kleinen Satan“ und dessen Nachbarn in der Region auf den Weg zu bringen versuchte?
Für die Macher von „Der endlose Krieg“ zählte dieses Argument allerdings nicht, denn für sie stellt sich die Sache ganz anders dar. Gewährsmann dafür war der bekannte Iran-Lobbyist und Vize-Präsident des amerikanischen, isolationistischen und überwiegend israelfeindlichen Quincy Institute for Responsible Statecraft Trita Parsi. Ihm zufolge hätten die Iraner den USA diskret im Krieg gegen Saddam Hussein geholfen und darauf gehofft, „dass man sie zum Lohn nach dem Krieg wieder einbeziehen würde“. Doch jetzt, da man nicht zur Madrider Friedenskonferenz eingeladen worden sei, habe die Führung in Teheran der Sprecherin der Dokumentation zufolge einsehen müssen, „dass die Amerikaner keine Beziehung mehr zu ihr wollen. (…) Also beschließt Ayatollah Khamenei zu reagieren.“
Und zwar in Form einer eigenen Konferenz, auf der israelfeindliche Terrorgruppen wie die Hisbollah, die Hamas und der Palästinensische Islamische Dschihad unter einem Banner mit Khomeinis Motto „Israel muss zerstört werden“ (eingeblendet, aber nicht weiter beachtet) eine enge Kooperation vereinbarten. Die „Lehre von Madrid“ habe, so Trita Parsi, für die iranischen Machthaber darin bestanden, „dass sie Probleme machen mussten, um nicht ignoriert zu werden. Wenn sie ihr Störpotenzial demonstrieren konnten, würden sich die USA mit ihnen befassen müssen.“ So wird aus einer Übereinkunft über blutigen Terror gegen Israel quasi ein reaktiver iranischer Schrei nach Aufmerksamkeit in Richtung der USA.
Für die Macher der Dokumentation war die so entstandene „Achse des Widerstands“ denn auch kein Gelöbnis zum endlosen Kampf gegen den jüdischen Staat, sondern mutierte alsbald selbst zum Opfer: „Diese Achse wird für die USA und Israel sehr schnell zur Zielscheibe.“ Damit war die Umkehrung erledigt: Nicht die grundsätzliche Israelfeindschaft des iranischen Regimes sei dafür verantwortlich gewesen, dass es nicht eingeladen wurde, an einem Friedensprozess teilzuhaben, den es buchstäblich mit Bomben und Granaten zu verhindern suchte, sondern die Enttäuschung über die Nichteinladung soll erst die Unterstützung des blutigen Terrors gegen Israel bewirkt haben.
Afghanistan
Der nächste iranische Versuch, die Aufmerksamkeit Washingtons zu gewinnen, habe sich nach den Anschlägen vom 11. September zugetragen, nachdem die USA „entsetzt“ festgestellt hätten, „dass ihr wahrer Feind vielleicht gar nicht der schiitische Islam aus Iran und der Hisbollah ist, sondern vielmehr der sunnitische Islamismus in Gestalt der al Qaida und ihres saudi-arabischen Führers Osama Bin Laden.“ Dass Kader der al Qaida vor wie nach 9/11 vom Iran aus agierten, wurde in der Dokumentation unter den Tisch fallen gelassen. Das iranische Regime wurde als Partner im Kampf gegen den Terror dargestellt; alles, was ein anderes Bild zeichnen würde, wie etwa der Umstand, dass ein hochrangiges al-Qaida-Mitglied erst letzten Sommer mitten in Teheran mutmaßlich von israelischen Agenten liquidiert wurde, musste daher außenvorbleiben.
Nach dem raschen Sieg über die Taliban wurde um eine neue politische Ordnung gerungen. Dabei hätten der Dokumentation zufolge die Iraner eine entscheidende Rolle gespielt und seien auf der Petersberger Konferenz nahe Bonn Ende 2001 maßgeblich für den Durchbruch in den zähen Verhandlungen verantwortlich gewesen. „Die Iraner triumphieren“, war in der Dokumentation zu hören. „Zehn Jahre nach ihrer Ächtung auf der Madrider Konferenz ist dies eine schöne Revanche – und der Beweis, dass sie international eine stabilisierende Rolle spielen können, wenn man sie nur lässt. Nun ist klar, dass sie die Wirtschaftssanktionen nicht verdient haben.“
Gestärkt von diesem Erfolg habe das iranische Regime eine weit über Afghanistan hinausgehende Kooperation angeboten, doch sei diese von den Amerikanern nicht angenommen worden. Denn: „Seit 9/11 haben in Amerika Neokonservative wie Vizepräsident Cheney und Verteidigungsminister Rumsfeld das Sagen. Für sie ist die Zusammenarbeit mit Iran rein taktischer Natur und damit vorübergehend.“
Nun mag man über Cheney und Rumsfeld denken, was man will, aber als „neo-konservativ“ kann man beide, insbesondere aber den Ex-Verteidigungsminister nur bezeichnen, wenn man diesen Begriff nicht in beschreibender, sondern denunziatorischer Absicht verwendet: Mit der Verbreitung von Demokratie, Nation Building und was man sonst noch mit Neo-Konservatismus in Verbindung bringen könnte, hatte der alte Konservative Rumsfeld wenig am Hut.
Anstatt also mit dem Iran eine weitgehende Kooperation einzugehen, habe Präsident George Bush jun. seine berüchtigte Rede über die „Achse des Bösen“ gehalten und damit „jede Annäherung an Iran endgültig“ ausgeschlossen.
Auch an dieser Geschichte, die maßgeblich wieder von Trita Parsi propagiert wird, ist wenig dran. Ja, die Iraner haben auf der Petersberger Konferenz zum Erreichen einer Kompromisslösung beigetragen, aber ihre Rolle wurde in „Der endlose Krieg“ deutlich überschätzt.
Die konstruktive Rolle wurde schon während der Konferenz von anderslautenden iranischen Stellungnahmen infrage gestellt. Der amerikanische Afghanistan-Gesandte James Dobbins, der auch in der Dokumentation zu Wort kam, beantwortete iranische Avancen von Anfang an mit dem Hinweis, dass eine Zusammenarbeit zwar wünschenswert sei, dass aber „das iranische Verhalten auf anderen Schauplätzen ein Hindernis für Kooperation darstellen“ würde. (Nur wenige Tage zuvor hatte die israelische Marine die Karine A aufgebracht, ein Schiff, das mit 50 Tonnen Waffen und Sprengstoff beladen war, die illegal vom Iran an die palästinensische Führung geliefert und dem Krieg gegen Israel zugutekommen sollten.)
Und auch was Afghanistan betrifft, erwies sich die iranische Kooperation als enden wollend: Das iranische Regime war von Anfang an gegen eine internationale Friedenstruppe in Afghanistan unter amerikanischer Beteiligung und unterstützte in weiterer Folge den militärischen Kampf gegen diese Truppe, u.a. auch mit Waffenlieferungen an die Taliban.
Das Guldimann-Memorandum
Den Höhepunkt der alternativen Geschichtsdarstellung von „Der endlose Krieg“ stellte die Passage über das berüchtigte Guldimann-Memorandum dar. Dabei soll es sich um einen Vorschlag der iranischen Führung an die USA gehandelt haben, „der im Nahen Osten alles verändern könnte“ und nur wenige Tage nach dem militärischen Triumph der Amerikaner im Irak Anfang Mai 2003 im Außenministerium in Washington eingelangt sei.
„Der Inhalt des Dokuments ist kaum zu glauben. Iran ist bereit, Gespräche über seine Verbindungen zur Hamas und zum Islamischen Dschihad, die Entwaffnung der Hisbollah und die Massenvernichtungswaffen zu führen. Im Gegenzug erwartet es die Aufhebung der Sanktionen, die Anerkennung seiner Rolle in der Region sowie Zugang zu westlichen Technologien, insbesondere für die zivile Nutzung der Atomenergie.“
Doch aus der Offerte sei nichts geworden, weil niemand in der US-Regierung das vom Schweizer Botschafter in Teheran Tim Guldimann unterbreitete Angebot ernst nehmen habe wollen. Wieder sei eine Gelegenheit zu einem großen Kompromiss zwischen dem Iran und den USA an amerikanischem Desinteresse gescheitert. Als Antwort auf „diese erneute Absage an einen Dialog“ hätte das iranische Regime die Ausweitung seines Atomprogramms beschlossen – indirekt, so lautet der Subtext, seien auch daran die Amerikaner schuld.
Der Haken an der Sache: Die Geschichte ist kaum mehr als heiße Luft. Der mysteriöse Vorschlag kam nicht von der iranischen Führung, sondern von dem Schweizer Diplomaten, der sich aus unerfindlichen Grund dazu berufen fühlte, einen historischen amerikanisch-iranischen Durchbruch herbeizuführen. Auch wenn Guldimann in seinem Memorandum behauptete, die iranische Führung sei zu 85 bis 90 Prozent mit dem Vorschlag einverstanden gewesen, weiß niemand, ob das stimmte und welche zehn bis 15 Prozent Khamenei nicht akzeptiert habe.
Und wenn das Regime tatsächlich auf die USA hätte zugehen wollen, hätte es sich darüber hinaus nicht der Dienste eines überambitionierten europäischen Botschafters bedienen müssen, sondern direkt mit den Amerikanern sprechen können, mit denen es zu just dieser Zeit ohnehin in Paris und Genf in Verhandlungen stand.
Der damalige US-Vize-Außenminister Richard Armitage wurde in „Der endlose Krieg“ mit den Worten zitiert, „dass der Schweizer Botschafter, der in Teheran [seit der Botschaftsbesetzung 1979] unsere Interessen vertrat, bekannt dafür war, seine Fähigkeiten als Problemlöser gerne ein wenig zu überschätzen.“ Deswegen sei man in Foggy Bottom, dem Sitz des US-Außenministeriums, sehr skeptisch gewesen. Und Michael Rubin, damals Berater im US-Verteidigungsministerium bringt auf den Punkt, warum aus dem vermeintlich historischen Gesprächsangebot nichts wurde: „(E)s war allen Beteiligten klar, dass es Guldimanns Vorschlag war und mit Teheran wenig zu tun hatte.“
Trotzdem geistert der weitgehend substanzlose Mythos über das Guldimann-Memorandum seit 2003 herum und wird immer wieder von jenen hervorgekramt, die partout den USA die Schuld an den schlechten iranisch-amerikanischen Beziehungen zuschanzen wollen. Es wäre ein Wunder wäre, wenn sich nicht auch „Der endlose Krieg“ seiner bedient hätte.
Ärgerlichkeiten
Zu den geschilderten Auslassungen und Verzerrungen der auf Arte ausgestrahlten Dokumentationen gesellten sich noch weitere Ärgerlichkeiten. Dazu gehörten eher plumpe Versuche, die Zuseher für dumm zu verkaufen. So zum Beispiel, wenn ein Iraner als „Studentenführer“ vorgestellt wurde – ohne dazuzusagen, dass der Mann, Mohsen Sazegara, nicht nur Student war, sondern einer der Gründer der Revolutionsgarde, der Elitetruppe der Islamischen Republik, die eigens zum Schutz des Gottesstaates geschaffen wurde.
Nicht weniger ärgerlich war die Darstellung der von der Revolutionsgarde ins Leben gerufenen Hisbollah im Libanon, die durchgehend als Gruppe präsentiert wurde, die sich bloß dem „Widerstand“ gegen Israel verschrieben habe. Dass entspricht zwar der heutigen propagandistischen Selbstdarstellung der Hisbollah, aber nicht der Realität. Gemäß ihrer streng an Khomeini orientierten Ideologie strebte sie von Anfang an die Neuordnung des konfessionell gespaltenen libanesischen Staates nach iranisch-islamistischem Vorbild an. Ihr erster Generalsekretär etwa, Subhi Tufayli, machte überhaupt kein Geheimnis daraus, dass es der Partei Gottes selbstverständlich um die Zerstörung des bestehenden libanesischen Staatsgefüges und die Ausrufung einer Islamischen Republik geht.
Regelreicht dreist war der Abschnitt der Dokumentation, in der Trita Parsi versuchte, die iranische Verantwortung für den verheerenden Angriff der Hisbollah auf das Quartier der US-Marines in Beirut 1983 infrage zu stellen, bei dem 241 amerikanische Soldaten ermordet wurden. Der amerikanische Geheimdienst behaupte Parsi zufolge, ein Treffen abgehört zu haben, bei dem der iranische Botschafter in Syrien, der eine der entscheidenden Personen bei der Gründung der Hisbollah war, ausdrücklich einen Angriff auch die Amerikaner gefordert habe.
„Der amerikanische Geheimdienst hat dafür jedoch niemals Beweise vorgelegt. Er hat sich in der Vergangenheit schon öfter geirrt und auch gelogen. Wir können also nicht hundertprozentig sicher sein. Letztlich bestimmt die Wahrnehmung die Realität: Die USA, Frankreich und andere Staaten taten so, als steckte der Iran dahinter.“
Tatsächlich gibt es an der iranischen Verantwortung spätestens seit dann keinen Zweifel mehr, als ein Mitglied der für den Angriff verantwortlichen Hisbollah-Zelle diese bei seiner Aussage vor einem US-Gericht ausdrücklich bestätigte. Man mag Zweifel an der Glaubwürdigkeit amerikanischer Geheimdienste haben, doch steht es um die Glaubwürdigkeit von Trita Parsi keinen Deut besser.
Das trifft übrigens auf einen weiteren „Experten“ zu, der in „Der endlose Krieg“ zu Wort kam: Lawrence Wilkerson, vorgestellt als Berater des US-Generalstabschefs Anfang der 1990er Jahre. Was nicht dazu gesagt wurde: Auch Wilkerson gehört zum bereits erwähnten Quincy Institute von Trita Parsi und hat sich darüber hinaus vor allem als antisemitischer Israelhasser mit einem deutlichen Hang zu abstrusen Verschwörungstheorien einen Namen gemacht. Das stellte er auch hier unter Beweis: Er delirierte vor sich hin, dass die USA unter Bush jun. Chaos im gesamten Nahen Osten stiften wollten, weil sich dann „Perser und Araber nicht verbünden und Israel angreifen“ hätten können. „Nach ihrer Philosophie war Israel am sichersten, wenn rundherum Chaos herrschte. (…) Sie wollten dieses Chaos.“ Zu manchen Behauptungen erübrigt sich jeder Kommentar.
Erwartungen bestätigt
Schon beim Lesen der Ankündigung von „Der endlose Krieg“ musste üble Vorahnungen bekommen, wer weiß, was üblicherweise dabei herauskommt, wenn Arte sich dem Nahen Osten widmet. Nach den zwei Folgen der Dokumentation muss man feststellen: So traurig es auch ist, es ist gekommen, wie es zu erwarten war.
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