von Thomas Heck...
Wer sich über die Nähe der SPD zur Antifa wundert, braucht sich eigentlich nicht zu wundern. Eine linksfaschistische Antifa und eine ehemalige linke Volkspartei SPD, das passt gut zusammen, das gehört zusammen. Und nur, weil auf SPD-Parteitagen nicht "Sieg Heil"-Rufe ertönen, heisst es nicht, dass nicht auch antisemitische Klischees und Vorurteile gepflegt werden. Das wusste schon der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Maaßen.
So agierten alle SPD-Bundeskanzler, ich wiederhole ALLE, ganz offen gegen Israel. Brandt hätte Israel in die Vernichtung getrieben, weil er den dringend benötigten Nachschub für die israelischen Streitkräfte im Yom Kippur-Krieg 1973 über deutsche Seehäfen und Flughäfen verhinderte und zwar nur ein Jahr nach dem blutigen Terroranschlag auf israelische Sportler während der olympischen Spiele 1972 in München. Helmut Schmidt hatte mit dem Staat Israel auch so seine Probleme, für eine offene Aussage zu seinem Verhältnis zu Juden war er zu intelligent.
Israelkritik und Freundschaft mit Vertretern des palästinensischen Terrorismus haben in der SPD Tradition: So verneigte sich der ehemalige SPD-Parteivorsitzende und jetzige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier 2017 vor dem Grab des Mörders Jassir Arafat. Der damalige EU-Parlamentspräsident und spätere Parteivorsitzende Martin Schulz beschuldigte Israel – unter Bezugnahme auf falsche Zahlen – in seiner Knesseth-Rede von 2014, des Wasserraubs an den Palästinensern. Der frühere SPD-Vizekanzler und Außenminister Sigmar Gabriel nannte Mahmud Abbas in einem Tweet 2017 seinen „Freund“ und bezichtigte Israel der 2012 – als SPD-Parteichef – der Apartheid: ein Vorwurf, den er 2017 wiederholte. Zwischendurch „bedauerte“ er die Verwendung des Begriffs Apartheid, bloß um seine inhaltliche Kritik am „Besatzungsregime“ zu erneuern.
Und die amtierende SPD-Parteivorsitzende Andrea Nahles hatte schon in jungen Jahren bei einem Zusammentreffen mit Arafat nahezu erotische Gefühle für den Judenmörder? Die damalige SPD-Generalsekretärin betonte 2012 nach einem Treffen mit Vertretern der Fatah – der Partei von Arafat und seinem Nachfolger Mahmud Abbas – die „gemeinsamen Werte“ zwischen Fatah und deutscher Sozialdemokratie, die in einer „strategischen Partnerschaft“ ihren Ausdruck fänden.
André Anchuelo schrieb damals in der Jüdischen Allgemeinen: „‚Damit macht sich die SPD gemein mit einer Terror-Organisation, die zu Hass und Hetze gegen Juden aufruft‘, empört sich Dieter Graumann. Eine ‚moralische Verirrung‘ sei das. (…) Angesprochen auf Graumanns Kritik sagte Parteichef Sigmar Gabriel am Montag: ‚Ich verstehe die Kritik nicht.‘ Die ‚Zusammenarbeit mit der Fatah‘ sei ‚schon sehr alt‘, außerdem sei ‚die Fatah seit langer Zeit dafür‘, das ‚Existenzrecht Israels zu garantieren‘. Als Alternative zur Organisation von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas gebe es nur die Hamas. ‚Die allerdings halte ich für keine geeignete Alternative‘, erklärte der SPD-Vorsitzende. (…) Gefragt nach den ‚gemeinsamen Werten‘ und ‚Zielen‘ antwortete Gabriel: ‚Frieden in Palästina zum Beispiel; Existenzrecht des Landes Israel genauso wie das Existenzrecht eines palästinensischen Staates; Demokratie; Ablehnung von Gewalt.‘ All das seien Ideen, die die SPD mit der Fatah-Führung bereits seit langer Zeit bespreche. (…)
Andere Sozialdemokraten pflichten Graumann bei. Der ehemalige Wehrbeauftragte und frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Reinhold Robbe sagte der Jüdischen Allgemeinen: ‚Selbstverständlich muss es jeder Partei gestattet sein, mit allen demokratischen und gewaltfreien Organisationen im Nahen Osten zu sprechen.‘ Nicht akzeptabel sei hingegen ‚das Beschwören »von gemeinsamen Werten zwischen SPD und Fatah«, wie es Andrea Nahles getan hat‘. Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft betont: ‚Solange die Fatah keine demokratischen Strukturen in ihrer Organisation nachweisen kann und sich vor allem nicht in aller Deutlichkeit von den terroristischen ›Märtyrer-Brigaden‹ trennt, kann sie für demokratische Parteien kein Bündnispartner sein.‘ Deshalb sei auch ‚der Status einer beratenden Mitgliedschaft der Fatah in der Sozialistischen Internationale‘ nicht hinnehmbar.“
Sollte die SPD im Kampf gegen rechts auch mit Antifa und Antideutschen zusammenarbeiten? Darüber ist nach Chemnitz eine Debatte entbrannt. Die SPD ist auf breite Bündnisse angewiesen, sagt Angela Marquardt – denn es geht darum, den Wert der Demokratie zu verteidigen.
In einem Beitrag auf vorwärts.de über die Demonstrationen in Chemnitz war vor Kurzem zu lesen, dass die Stadt bei „Herz statt Hetze“ ihr „weltoffenes Gesicht gezeigt“ habe. Im Text warnt Sabine Sieble aus der SPD Sachsen davor, „im Kampf gegen Rechtsextremismus nicht den falschen die Hand zu reichen.“ Meine Frage, wer oder was damit wohl gemeint ist, wurde im Text schnell beantwortet: Demotouristen, Antifa und eine Band, „die den Antideutschen nahe steht“.
Mit Gewalt werden wir niemand überzeugen
Ich engagiere ich mich bereits seit 1990 gegen Rechtsextremismus und Rassismus und betone an dieser Stelle mit Absicht: dies nicht nur mit und innerhalb von Parteistrukturen. Ich habe in den vielen Jahren meiner Auseinandersetzung mit Neonazis und der dazu oft schweigenden Mehrheit viel Gewalt erfahren müssen, ohne dass es je für mich im Umkehrschluss in Frage gekommen wäre, Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung zu akzeptieren. Bevor ich also weiter ausführe und damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich lehne jede Form von Gewalt ab. Mit Gewalt und Hass werden wir weder Menschen überzeugen noch sie für eine solidarische Gesellschaft gewinnen.
Ja, ich lebe nicht in Chemnitz. Doch das Thema Rechtsextremismus hat mich insbesondere immer wieder nach Sachsen geführt. Ich habe Vorträge gehalten, bin in Schulen gewesen, habe große Bündnis-Demonstrationen angemeldet und an den unterschiedlichsten Demonstrationen bundesweit teilgenommen. Ich bin also auch so eine „Demotouristin“ und empfinde diese abwertende Beschreibung als Beschimpfung.
Wir haben seit vielen Jahren ein Problem mit Nazis
Ich war in Wurzen oder Bautzen mit jungen Menschen aus diesen Städten auf der Straße, die tagtäglich Angst vor Nazis hatten und sich damit allein gelassen gefühlt haben – von den Parteien, der Polizei und den Menschen ihrer Heimatstadt. Sie wurden alleine gelassen, weil sie nicht ins brave Bild passten oder eine Schüler-Antifa gegründet haben. Sie wurden alleine gelassen, weil man ihnen grundsätzlich Gewalt unterstellte, obwohl sie Opfer von rechtsextremer Gewalt geworden sind. Nur wenige wollte mit ihnen in Bündnissen zusammenarbeiten oder solidarisierten sich mit ihnen.
Immer wieder wurde ich für solche Unterstützung gerade in Sachsen kritisiert – von der Polizei, von den Konservativen, aber auch von der örtlichen SPD. Ganz ehrlich, wir haben in diesem Land seit vielen Jahren ein Problem mit Nazis und Rassismus und den Folgen einer entsolidarisierten Gesellschaft. Und ich werde mich immer mit Menschen, jung und alt, solidarisieren, die sich gleichfalls gewaltfrei gegen Rassismus, Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus und Nationalismus engagieren oder mit ihnen Bündnisse eingehen.
Lieber mit Antideutschen auf die Straße als zu schweigen
Warum muss man nach all den Ereignissen in Chemnitz so etwas schreiben? Ich jedenfalls gehe lieber mit gewaltfreien Antideutschen auf die Straße (ohne dabei jede ihrer Positionen zu teilen), als zur schweigenden Mehrheit zu gehören oder das Geschäft der Konservativen zu erledigen. Ja, vielleicht treffen junge Antifas oder Antideutsche nicht immer den Ton und die richtige Formulierung, auf Grundlage derer man gerne diskutiert. Und nicht jede Demoparole ist gelungen. Aber deswegen in Frage zu stellen, dass sie mit uns gemeinsam gegen Nazis auf die Straße gehen, dafür fehlt mir jedes Verständnis. Liebe SPD, irgendwann möchte niemand mehr mit uns in Bündnisse, wenn wir uns so unsolidarisch verhalten. Letztlich kommt hinzu, dass hier platt das Vorurteil bedient wird, dass es die eine Antifa gibt und alle sind natürlich gewaltbereite Antideutsche. Ist das ernsthaft eine demokratische Herangehensweise, für die viele Menschen in Sachsen und den anderen östlichen Bundesländern im Herbst 1989 auf die Straße gegangen sind?
Diese pauschalisierende Art des aber „den falschen nicht die Hand zu reichen“, bedient Vorurteile auf beiden Seiten statt ein Klima des demokratischen Meinungsaustausches zu schaffen. Und auf der Grundlage all meiner Erfahrungen, bin ich froh, wenn in diesen rassistischen und Angst machenden Zeiten, sich Menschen die Hand reichen und dagegen aufstehen. Und dann möchte ich, dass meine SPD in großen breiten Bündnissen dabei ist, selbstverständlich ohne Gewalt und Hetze aber dafür vom Konservativen bis zum Antideutschen.
Niemand will Bündnisse mit Schlägern
Niemand will Bündnisse mit gewaltbereiten Schlägern, aber gerade weil insbesondere junge Menschen, die sich antifaschistisch und antirassistisch in diesem Land engagieren, oft kriminalisiert und vorverurteilt werden, ist es verdammt noch mal unsere Aufgabe, an ihrer Seite zu stehen. Es ist unsere Aufgabe, die Diskussion und kritische Solidarität mit ihnen zu suchen.
Ich bin in der DDR damit groß geworden, dass mir vorgeschrieben wurde, wie ich zu denken habe. Ich bin auf die Straße gegangen, damit ich mir meine eigene Meinung bilden darf. Und meine Kontakte zu den unterschiedlichen antifaschistischen Gruppen waren und sind eine inhaltliche Bereicherung auch für meine Arbeit in der SPD, was nicht heißt, dass ich alles, was diese machen, unkritisch sehe. Wir sind auf breite Bündnisse angewiesen, um Rechtsextremismus und Rassismus nachhaltig entgegentreten zu können. Bündnisfähig sind wir jedoch nicht, wenn wir die rechtskonservativen Diskurse ohne Not selber mitmachen. Es geht derzeit um nicht weniger als darum, den Wert der Demokratie zu verteidigen.
Erschienen im Vorwärts
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