von Thomas Heck...
Wie sehr Deutschland mittlerweile eine abgehobene Politik betreibt und Deutschland selbst innerhalb Europas immer mehr isoliert ist, konnte man heute erkennen, als Kanzlerin Merkel kurzzeitig in einen politischen Abgrund schaute. Denn die umstrittene Pipeline Nord Stream 2, eingefädelt unter der politischen Ägide von Gerhard Schröder, der sich damit einen hochdotierten Posten in Russland gekauft hat, ein rein deutsches Projekt auf Kosten der europäischen Nachbarn, ist aus deutscher Sicht erst einmal gerettet. Die Bundesregierung sorgte in den vergangenen zwei Tagen mit heftigem Druck dafür, dass eine von der rumänischen EU-Ratspräsidentschaft vorgeschlagene Änderung der EU-Gasrichtlinie beim Treffen der EU-Botschafter am Freitagmittag in Brüssel durchfiel.
Stattdessen stimmte eine große Mehrheit für einen Kompromiss, den Deutsche und Franzosen in letzter Minute ausgehandelt hatten. Er wird den Betrieb von Nord Stream 2 zwar erschweren, aber voraussichtlich nicht unmöglich machen.
Der Kompromiss sei gelungen, "weil Deutschland und Frankreich sehr eng zusammengearbeitet haben", sagte Angela Merkel. Damit ist nun erstmals deutlich geworden, wie sehr der Kanzlerin das umstrittene Pipeline-Projekt am Herzen liegt, welches Deutschland noch mehr als bisher und russische Abhängigkeit führen wird. Bislang hieß es oft, sie mache bei Nord Stream 2 nur mit, weil sie keinen Ärger mit den russlandfreundlichen Teilen der SPD oder zusätzlichen Streit mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin wolle. Doch als die französische Regierung am Donnerstag überraschend auf einen Gegenkurs zu Nord Stream 2 einzuschwenken schien, intervenierte die Bundesregierung entschlossen.
Schlüsselrolle für Deutschland
Der nun gefundene Kompromiss ist ein klassisch europäischer: Es bleibt dabei, dass Nord Stream 2, wie von der EU-Kommission gefordert, künftig in den Anwendungsbereich der Gasrichtlinie fällt. Damit müssen Pipelinebetreiber und Gaslieferant getrennt werden, insofern gefällt der Kompromiss den Gegnern des Projekts. Gazprom kann damit nicht ohne Weiteres, wie bislang geplant, beide Rollen übernehmen.
Deutschland hat sich aber in diesem Prozess eine stärkere Rolle zugesichert. So soll es nur noch einen Regulierer geben - Deutschland eben. Doch der muss die Gasrichtlinie anwenden. Sollte es, was wahrscheinlich ist, nun zu Verhandlungen mit Russland etwa über die Trennung von Netz und Produktion kommen, könnte Deutschland diese Gespräche im Namen der EU führen - allerdings erst nach entsprechender Ermächtigung. Der Preis für den Einfluss ist, dass nun EU-Recht für Pipelines mit Drittstaaten erstmals anwendbar wird.
Zusammengefasst kann man sagen, dass sich Deutschland in einem Prozess, den die Bundesregierung bislang strikt abgelehnt hat, nun immerhin eine Schlüsselrolle erkämpft hat. Am Ende stimmten alle EU-Staaten mit Ausnahme Bulgariens für den Kompromiss. Angesichts dessen, wie sehr das Projekt die EU spaltet, ist das eine kleine Sensation. Der deutsche Druck muss enorm gewesen sein.
Alles nur ein Missverständnis zwischen Paris und Berlin?
Noch am Donnerstag hatte es nicht danach ausgesehen: Völlig überraschend schien Frankreich auf die Seite der Nord-Stream-Gegner zu wechseln. Zuvor hatte man in Berlin stets den Eindruck, man könne sich auf Paris verlassen, um die Neufassung der EU-Gasrichtlinie zu verhindern. Umso überraschter war die Bundesregierung, als das französische Außenministerium am Donnerstag bestätigte, dass man über die Zustimmung zur neuen Gasrichtlinie nachdenke.
Inzwischen erklärt man sich den Vorgang in Berlin so, dass ein Beamter aus dem federführenden französischen Energieministerium getratscht habe, der Élysée-Palast und damit Präsident Emmanuel Macron aber mit der Sache überhaupt noch nicht befasst waren. Dafür spricht, dass der Élysée bei der Abstimmung von Verhandlungspositionen für Brüssel oft erst spät ins Spiel kommt.
Wenn die deutsche Deutung stimmt, handelt es sich bei dem deutsch-französischen Zwist der vergangenen Tage eher um einen Unfall und weniger um ein absichtliches Absetzen Macrons von Merkel. Und erst recht nicht um eine Revanche dafür, dass die Kanzlerin den Präsidenten immer wieder hat hängen lassen, etwa bei seinen Ideen für Reformen in der Eurozone. Es werde noch "viele Zusammentreffen geben, bei denen Sie sich davon überzeugen können, dass der Geist der Aachener Zusammenkunft lebt", sagte Merkel.
Offenbar mit Billigung Macrons machten sich deutsche und französische Fachleute Donnerstag und in der Nacht zum Freitag daran, einen alternativen Text zum Vorschlag der rumänischen Ratspräsidentschaft zu entwickeln.
Massiver Druck aus den USA
Der Kompromiss macht das Projekt nun noch komplizierter, das geben Fachleute unumwunden zu, aber: Nord Stream 2 wird nicht abgewürgt. Und das ist für die Bundesregierung entscheidend. Die Kommission, so heißt es, die bislang mehrfach vergeblich versucht hat, das Pipeline-Projekt mit rechtlich wackeligen Vorstößen zu torpedieren, gab am Ende ihren Segen.
Klar ist, dass Deutschland sich robust durchsetzen musste: Gegen die Zweifler in den Beamtenstuben des Pariser Energieministeriums, eine unwillige rumänische Ratspräsidentschaft und Druck aus den USA. Washington soll mehrere EU-Staaten nach Angaben von Diplomaten äußerst nachdrücklich auf ihre Interessen hingewiesen haben - auf eine Art, die schon im Umgang mit Iran zum Einsatz gekommen sei. Das heißt, es kamen wohl auch mehr oder weniger unumwundene Sanktionsdrohungen ins Spiel.
Ein Ziel war Rumänien, das die halbjährlich rotierende EU-Ratspräsidentschaft innehat und damit an der Schaltstelle der Macht sitzt. Bereits am Mittwoch versuchte Merkel, eine offenbar etwas schwerfällige rumänische Ministerpräsidentin Viorica Dancila telefonisch auf Linie zu bringen. Doch am Freitag wollte Bukarest den deutsch-französischen Vorschlag für die Gasrichtlinie beim Treffen der Botschafter erst gar nicht auf die Tagesordnung setzen, sondern nur über den eigenen Vorschlag abstimmen lassen.
Klare Ansage an Rumänien
Erst nach massiven Hinweisen aus Berlin und anderen Hauptstädten, dass dies nicht den Regeln entspreche, gab Bukarest nach. Für deutsche Verhältnisse war das eine ungewöhnliche klare Ansage: Als Ratspräsident hat Rumänen neutral zwischen den Ländern der EU zu vermitteln. In Geldangelegenheiten kann Deutschland auch unangenehm werden.
Klar ist jetzt auch: Kanzlerin Merkel steht tatsächlich zu Nord Stream 2. Sie setzte das ganze diplomatische Gewicht der Bundesrepublik ein, um die Pipeline mit Putins Russland gegen sperrige europäische Partner durchzusetzen - und auch gegen die USA, deren Präsident Donald Trump über den jetzt erreichten Kompromiss wenig erbaut sein dürfte.
Die US-Regierung hat zuletzt vehement und in aller Öffentlichkeit betont, dass sie gegen das Projekt ist. Europa mache sich von Putins Gas abhängig und werde erpressbar, heißt es aus Washington. Allerdings verfolgen die Amerikaner auch offen eigene Wirtschaftsinteressen: Sie wollen den Europäern ihr durch Fracking gewonnenes Flüssiggas verkaufen - das freilich deutlich teurer ist als russisches Gas. Dass Nord-Stream allerdings 10 Mrd. Euro kostet gehört zu diesen Tatsachen allerdings dazu.
Der abgeänderte Vorschlag geht nun ins Europaparlament. Dort hätten sich viele Abgeordneten zwar den schärferen rumänischen Vorschlag gewünscht, doch ihnen bleibt nur eine Wahl: entweder sie winken den deutsch-französischen Kompromiss durch, oder sie blockieren ihn. Dann kommt eine wohl noch schwächere Regulierung - und Nord Stream 2 erst recht.
Aus der Diskussion um das umstrittene Pipeline-Projekt kann es für den Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger nur eine Schlussfolgerung geben: „Wenn wir eine europäische Außenpolitik haben wollen, dann brauchen wir auch eine gemeinsame Energieaußenpolitik.“ Zukünftig dürfe es bei solchen Projekten keinen Alleingang mehr geben.
Aus der Diskussion um das umstrittene Pipeline-Projekt kann es für den Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger nur eine Schlussfolgerung geben: „Wenn wir eine europäische Außenpolitik haben wollen, dann brauchen wir auch eine gemeinsame Energieaußenpolitik.“ Zukünftig dürfe es bei solchen Projekten keinen Alleingang mehr geben.
Wenn man eine gemeinsame europäische Außenpolitik anstrebe, könne man nicht die Energiepolitik ausnehmen und allein nationalen Entscheidungen unterstellen.
„Dass ist der kleine Geburtsfehler dieser deutschen Einstellung zu Nord Stream 2 gewesen, dass wir geglaubt haben, wir können das bis zum Ende durchhalten, als ein Projekt, das nicht der europäischen Konsensfindung und Entscheidungsfindung unterliegt“, sagte Ischinger.
Warnung vor einem Scheitern von Nord Stream 2
Zugleich warnte der ehemalige deutsche Diplomat davor, das Projekt jetzt noch scheitern zu lassen, „sozusagen auf den letzten hundert Metern eines Marathonlaufs“. Wenn dies durch die Änderung bestehender Regeln geschehe, stelle dies eine Verletzung von Grundsätzen dar, die für deutsches politisches Verhalten immer ganz wichtig gewesen seien:
„Nämlich, dass wir berechenbar und verlässlich sind. Und das man mit uns Verabredungen treffen kann, die dann auch gehalten werden.“
Die Lehre aus der Auseinandersetzung um Nord Stream 2 müsse sein, dass sich so etwas nicht wiederholen sollte. „In Zukunft müssten solche Projekte europäisch basiert sein“, plädierte Ischinger.
Merkel hat die falschen Entscheidungen getroffen. Die schwerwiegendste war sich von Strom durch #Kernenergie zu lösen und sich in die Abhängigkeit von Importen (Strom, Gas) zu begeben. (BTW Und Merkels erklärtes Ziel "CO2 Reduktion" wird nicht erreicht.) Einigen EU-Staaten gefällt die gestärkte Rolle, die Deutschland durch Nordstream erhält. Deutschland wird Verteilstation für Gastransite nach anderen EU Staaten. Da dann 50% des importierten Gases durch Deutschland laufen sitzt deutschland damit wieder am Hebel der Macht. Das gefällt nicht allen EU Staaten. Abgesehen davon, dass Polen und die baltischen Staaten gegen Nordstream 2 sind.
AntwortenLöschenSorry, solch ein Kasperl Theater. Wann kommt der Tag das D mal wieder unumwunden "Klar macht" wer das sagen hat?
AntwortenLöschenNur weil die letzten Jahrzehnte immer nur geschwurbelt wird ist es doch überhaupt so weit gekommen das alle anderen Staaten versuchen uns zu sagen "was wir zu tun und zu lassen haben"
Man kann zu dem Projekt und auch zu seinem Initiator stehen wie man will; mir ist der russische Gaslieferant lieber als der Ami der mir einfach kein Schiff mehr schickt wenn wir nicht machen was Amiland will.
Auf Russland ist jedenfalls mehr Verlass als auf USA - die wollen nur unser Geld, mit allen Mitteln
Für mich ist der eigentliche Skandal Gasmann Gerd... Gerhard Schröder, der die Pipeline als Kanzler politisch ins Rollen gebracht hat, heute verdient er sich eine goldene Nase... das ist Korruption pur. Warum dieser Mann überhaupt noch in Deutschland hofiert wird und nicht schon längst in Festungshaft sitzt, konnte mir bislang niemand erklären.
AntwortenLöschenNaja, wenn Sie meinen, daß Gasmann Gerd schon längst "in Festungshaft" sitzen müßte, dann gilt das erst recht und schon längst für Merkel. Sie hat dem Land diese und viele andere völlig ungenießbare Suppen eingebrockt in ihrem Wahn, alles an die Wand zu fahren. Sie hat in ALLEM auf ganzer Linie versagt. Die Quittung wird kommen. Angesichts dessen sind die Diskussionen um NordStream 2, tja, nahezu Peanuts.
AntwortenLöschenUnd daß die EU ein Haufen in einem Augiasstall ist, braucht nicht nochmals betont zu werden.