von Dr. Eran Yardeni
Deutschland ist weltbekannt geworden durch seine florierende Autoindustrie, seine Biere, seine Schriftsteller und Konzentrationslager. Nicht durch Lava spuckende Vulkane, Hurrikane, Tornados und Taifune, endlose Dürreperiode, Erdbeben, Sintfluten oder flächendeckende Brände. In Deutschland lebt man relativ sicher.
Vor diesem Hintergrund kann man kaum nachvollziehen, warum nicht weniger als 56% der Deutschen Angst ausgerechnet vor Naturkatastrophen haben. Nur die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten ist noch weiter verbreitet (61%). Andere Ängste, wie z.B. die Angst vor schlechter Wirtschaftslage, schwerer Erkrankung oder Terrorismus scheinen die Deutschen weit weniger zu bekümmern als die Angst vor dem Zorn der Natur.
Ich befürchte, dass diese gesellschaftliche Paranoia nicht nur ein erfolgreiches Produkt der Arbeit der Abteilung für Agitation und Propaganda der Ökobewegung ist, sondern auch das erste Zeichen einer neuen Religiosität einer angeblich säkularen und aufgeklärten deutschen Gesellschaft, ein Rückgriff auf die alten und bekannten theistischen Kategorien, um die ungelösten metaphysischen Fragen der menschlichen Existenz zu beantworten.
Sünde und Tugend, Gott, Mensch, Religiöse Erfahrung und der Anspruchs Gottes auf Gehorsam und Anbetung sind die Kernkategorien der drei monotheistischen Religionen. In deren Rahmen wird Angst nicht nur als ein seelischer Zustand angesichts äußerlicher Bedrohungen oder einfach als Abwehrmechanismus vor potentiellen Gefahren verstanden, sondern vor allem als notwendige Begleiterscheinung der Sünde.
Denn mit der Sünde kommt die Angst vor der Strafe ins Spiel. Die Angst als religiöse Erfahrung ist kein unabhängiges Objekt, sondern ein Produkt menschlicher Taten bzw. Missetaten. Als solche ist sie allanwesend und fast immer von einem schlechten Gewissen begleitet.
Während die Höhenangst durch die Höhe hervorgerufen wird, ohne dass man sich schuldig fühlen muss, deswegen Angst zu haben, ist die religiöse Angst überall anwesend, wo es Menschen gibt. Die bloße Existenz des Menschen ist schon eine angsterregende Situation. Denn der Mensch ist ein latenter Sünder. Er kann jede Sekunde etwas falsch machen und dadurch den Zorn Gottes bzw. der Natur erwecken.
In diesem Sinne weist die Abwesenheit realer angsterregender Objekte in Deutschland (wie Vulkane, Erdbeben oder Tornados) darauf hin, dass der Deutsche keine Angst vor der Katastrophen an sich hat, sondern eher vor der Natur selbst. Und zwar in ihrer theistischen Rolle als Gott-Ersatz und als metaphysischer Richter.
Was diese Angst „religiös“ mach ist nicht die Tatsache, dass sie „unvernünftig“ oder übertrieben ist, sondern dass sie Schuldgefühle bei den Menschen hervorruft, also wie eine Religion funktioniert.
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