Die Welt der Annalena Baerbock besteht aus drei Worten: Ich, ich, ich. Selbst wenn sie – wie oft in diesen Tagen – ihr Scheitern eingestehen muss, lobt sie sich. Der deutsche Staatsbürger Jamshid Sharmahd wurde in Teheran hingerichtet, obwohl die Grünenpolitikerin sich „unermüdlich“ für ihn eingesetzt habe.
Das sagte Baerbock in einem kurzen, hastig und stolpernd abgelesenen Statement. Vor allem aber teilte sie der Öffentlichkeit mit: „Ich persönlich“, „ich ganz persönlich als Außenministerin“ und „ich als Außenministerin“ arbeite permanent zum Wohle Deutschlands. Baerbock hat sich ihren Vielfliegerstatus redlich verdient. Das Problem ist nur: Sie segelt im Blindflug durch die Weltgeschichte.
Baerbock beklagt die „Ermordung“ Sharmahds durch das „iranische Regime“. Der Deutsch-Iraner sei zu Unrecht inhaftiert gewesen. Niemand aber glaubt ihr, dass sie sich energisch für Sharmahd eingesetzt habe. In der „Jüdischen Allgemeinen“ heißt es, Baerbocks Reaktion auf die Verhaftung seien Inhaltsleere, Gleichgültigkeit und „auf Zeit spielen“ gewesen. Das Mideast Freedom Forum Berlin kritisiert, Baerbocks „stille Diplomatie“ sei gescheitert. Die Bundesregierung sei offenbar „bei deutschen Staatsbürgern, die einen iranischen Namen haben, weniger engagiert“.
Und Baerbock selbst? Ist von sich beeindruckt. In weißer Bluse, einem seltsamen Outfit angesichts der zu betrauernden Hinrichtung, bleibt sie mit sich im Reinen: „Wie keine andere Bundesregierung zuvor haben wir das menschenverachtende Agieren des Regimes in Teheran in den letzten Jahren klarstens benannt.“ Worte ersetzen freilich keine Taten, und eine antisemitische Theokratie lässt sich von Benennungen nicht beeindrucken. Baerbock steht einmal mehr vor den Trümmern ihrer Bemühungen.
Man hätte sich denken können, dass eine englisch radebrechende Politikerin, die in London studiert haben will, keine optimale Besetzung ist für den Leitungsposten im Auswärtigen Amt. Auch der Umstand, dass sie ihr Buch „Jetzt“ nach massiven Plagiatsvorwürfen vom Markt nehmen musste, war keine vertrauensbildende Maßnahme.
Doch schlimmer als die fehlende Form und das mangelnde Format sind die falschen Prioritäten. Baerbock will die ganze Welt ungefragt und mit jeder Menge deutschem Steuerzahlergeld durch „feministische Außenpolitik“ umgestalten. Sie ist weniger eine deutsche Außenministerin als eine Handelsreisende in Sachen Moralexport. Jedem, der es nicht hören will, sagt sie: „Kein Land der Welt hat bisher echte Gleichstellung erreicht.“
Insofern kann Baerbock in jedem Staat, den sie besucht, tun, was sie wirklich gerne tut: herzzerreißende Geschichten erzählen von benachteiligten Mädchen oder mutigen Aktivistinnen – und vor der drohenden Klimakatastrophe warnen. Baerbock vertritt im Ausland das grüne Parteiprogramm, als handele es sich um die deutsche Staatsräson. Die „Klimakrise“ nennt sie „die größte Sicherheitsgefahr unserer Zeit“.
Baerbock will wie jede Grüne eine andere Gesellschaft und eine neue Wirtschaft, denn die „klimaneutrale Transformation ist die Sicherheitsaufgabe unserer Zeit“. Und wie alle Grüne im Ministerrang will sie, dass die Bürger auf die Regierung hören: „Der beste Schutz gegen Desinformation, Fake-News und Manipulation ist Vertrauen in die eigene Regierung.“ So Baerbock im Dezember 2022 bei der OSZE.
Zuhause, im Auswärtigen Amt, läuft es unrund. Jene „Transparenz, Selbstkritik und Selbstreflexion“, die Baerbock in ihrer OSZE-Rede den Regierungen ins Lastenheft schrieb, praktiziert sie selbst nur ausnahmsweise. Mit Händen und Füßen wehrt sie sich dagegen, dass die gesamte Teilnehmerliste eines Gesprächsabends im Außenministerium publik wird,
der offenbar ein Gipfeltreffen der Israelfeinde war. Die bisher bekannt gewordenen Namen lassen auf eine solche Schlagseite schließen.
Es würde ins Muster passen. Baerbock hält unbeirrt an der deutschen Unterstützung für das antisemitisch verseuchte Hilfswerk UNRWA der Vereinten Nationen fest. Parallel behelligt sie Israel mit zahlreichen, allesamt fruchtlosen Staatsbesuchen. Stets im Gepäck: die Warnung vor der „Gewaltspirale“.
Generell fürchtet Baerbock nichts so sehr wie eine Debatte über die Schattenseiten von Asyl und Migration. Wladimir Putin wirft sie vor, „unsere Gesellschaft beim Thema Migration zu spalten“. Im Wahlprogramm von 2021 heißt es, die Grünen wollten „faire und sichere Migrationswege aus Afrika nach Europa ermöglichen.“ Eine „selbstbestimmte und würdevolle Migration“ sei menschenrechtlich geboten. Daran hält Baerbock fest.
In jenen späteren Zeiten, die Baerbock gerne beschwört, wird man sich fragen: Wie konnte eine Politikerin Außenministerin werden, der die eigene Weltanschauung wichtiger ist als die Anschauung der Welt? Eine Politikerin, die sich selbst in der Welt bespiegelt, statt die Welt zur Kenntnis zu nehmen? Das Ansehen der deutschen Außenpolitik ist mittlerweile, um Baerbock aus ihrem Statement zu Sharmahd zu zitieren, „mehr als auf einem Tiefpunkt“.