von Thomas Heck...
Es beginnt mit der Harmonisierung der öffentlichen Meinung, um den Diskurs zu bestimmen. Eine zunächst beiläufige Präferierung Grünen bei den einzuladenden Gäste bei Talkshows garniert mit einem ausgesuchten, grünhörigen Publikum. So beginnt Gleichschaltung. Nicht etwa durch die Hintertür, nein, ganz offen. Und so bringen sich öffentlich-rechtliche Moderatoren und andere "Kulturschaffende" bereits in Stellung und hoffen auch nach der zu erwartenden grünen Machtergreifung auf entsprechende Posten in der öffentlich-rechtlichen Propagandamaschinerie. Dabei soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk gemäß Grundgesetz mit seinen Programmangeboten „zur Information, Bildung, Beratung, Kultur und Unterhaltung einen Beitrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt und somit zur öffentlichen Meinungsbildung“ leisten. Mit Formaten wie Anne Will, Hart aber fair und eben auch Markus Lanz sind wir davon meilenweit entfernt. Auf dem Wege in die Gleichschaltung.
Annalena Baerbock und Robert Habeck sind gern gesehene Gäste in deutschen Talkshows. Markus Lanz ist es am Donnerstagabend gelungen, gleich beide Grünen-Vorsitzende in seine Sendung im ZDF zu lotsen. Mit überschwänglichen Zitaten von Parteikollegen und Medien stellte der Moderator die beiden links von ihm sitzenden Politiker vor. „Annalena ist die Wurzel unseres Baumes, und ohne sie würde manche Blüte von Robert schnell verwelken“, zitierte Lanz etwa Claudia Roth, die selbst einmal Bundesvorsitzende der Grünen war. Baerbock und Habeck lachten peinlich berührt. Durch das Studio ging ein Raunen.
Von Lanz auf den Hype um ihre Person angesprochen, versuchten die beiden Politiker, das Ganze runterzuspielen. Es sei schon so, dass man mehr erkannt werde, aber „wir sind ganz normal mit dem Zug hergekommen“, sagte Baerbock. Lanz bohrte nach und fragte, ob der Job denn gar keinen Spaß mache – „Spaß ist nicht die richtige Kategorie für das, was wir gerade erleben“, erklärte Habeck.
„Was wäre das Deutschland, das sie sich malen würden?“, lautete eine der nächsten Fragen – bezogen auf die Koalitionswünsche der Grünen. Doch auch hier ließen sich Baerbock und Habeck nicht aus der Reserve locken. „Politik ist kein Wunschkonzert“, hieß es vonseiten Baerbocks. Dass die Bremer Entscheidung für Rot-Grün-Rot ein Vorbild für den Bund sei, verneinte Habeck klar. Während die CDU den Bremer Grünen gute Angebote gemacht hätte, wäre es vor allem die FDP gewesen, an der eine dortige Jamaika-Koalition gescheitert wäre.
Der in der Runde sitzende Journalist Wolfram Weimer hakte nach: „Ist die Linkspartei für Sie genauso eine Partei wie die CDU?“, lautete seine Frage. Habeck reagierte und beschwerte sich darüber, dass die Diskussion – anders als von Lanz angekündigt – nicht um Inhalte, sondern sich um Machtkonstellationen drehe. Danach griff er die seiner Meinung nach von vielen Konservativen gezogene Unterscheidung zwischen der Linken in Westdeutschland und der Linken in Ostdeutschland an. „Damit baut man rein rhetorisch eine Teilung auf, die gerade von konservativer Seite überwunden werden sollte.“
„Das ganze Gerede darüber, ob die Grünen eine linke Partei sind, ist schlichtweg falsch“, schloss Habeck seinen Monolog und begründete es mit den vier schwarz-grünen Regierungen in Deutschland – und hielt diesen „nur“ zwei Kooperationen mit der Linken entgegen.
Publikum auf der Seite der Grünen
Auffällig war, dass bei der Diskussion zwischen Baerbock und Habeck sowie Lanz und Weimer auf der anderen Seite das Publikum immer wieder raunte – oft zugunsten der Grünen. Lanz sah diese Reaktionen als Indiz dafür, dass „wir wohl inhaltlich sprechen“.
Danach äußerten Baerbock und Habeck ihre Visionen für eine emissionsarme Mobilität und Wirtschaft – sprachen sich wie gewohnt für eine CO2-Steuer und einen schnellen Kohleausstieg aus. Markus Lanz fasste die Debatte mit der Frage zusammen: „Die Kindergärtnerin, die nach Mallorca fliegt: Was zahlt die mehr für einen Flug nach Mallorca?“ Habeck gab zu, dass Flüge mit ihrer Emissionsabgabe durchschnittlich teurer werden würden.
Daraus entwickelte sich ein lauterer Schlagabtausch zwischen Lanz und Baerbock. Lanz fand es mit Blick auf die soziale Gerechtigkeit ungerecht, dass die Kindergärtnerin dann genauso sehr belastet würde wie der Investmentbanker. Baerbock empfand den Vergleich als hinkend, hielt dagegen, dass die Kindergärtnerin heutzutage eh schon viel zahlen müsse, weil sie in den Ferienzeiten fliegen müsste – und die Flugtickets da sowieso teurer seien. Lanz wiederum fand diesen Vergleich unpassend.
„Das ist natürlich mega verräterisch, dass diejenigen, die sich sonst am wenigsten um soziale Gerechtigkeit kümmern, immer dann auf die Barrikaden gehen, wenn es um Fliegen, Fleischessen und Fahren geht“, mischte sich Habeck ein. Dafür erntete er viel Applaus vom Publikum – und Kritik von Lanz. Die Diskussion zwischen dem Moderator und seinen Gästen schaukelte sich hoch – auch von der Lautstärke. Wolfram Weimer sprang Lanz dabei immer wieder zur Seite.
„Lass uns bitte diese Schärfe hier rausnehmen“, sagte Markus Lanz plötzlich während eines Beitrags von Baerbock – wobei es vor allem er und Habeck und weniger Baerbock und Weimer waren, die der Debatte diese Hitzigkeit verliehen hatten. „Ich will Ihnen nichts, persönlich schon gar nicht. Ich mag diesen Unterton nicht“, sagte er in Richtung Habeck, der die Lippen zu einem gequälten Lachen zusammenpresste.
Annalena Baerbock, die „Oberlehrerin“
Und tatsächlich beruhigte sich das Gespräch danach, die Themen wurden programmatischer, Stichwort Windkraft und Stromtrassen. Habeck setzte seine kleinen Spitzen gegen die Energiepolitik der großen Koalition fort – und erntete immer wieder Applaus. Auch als er Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wegen seines Vorgehens im Straßenbau als derzeit größten Enteigner bezeichnete – und nicht die linken Kräfte in Deutschland.
In Habecks Argumentation meinte Journalist Weimer das Dilemma der Grünen zu erkennen: „In dem Ziel Klima- und Umweltschutz sind große Mehrheiten der Bevölkerung bei Ihnen, in der Realisierung sind die Antworten nicht so einfach, wie das im ersten emotionalen Reflex klingt.“ Habeck reagierte mit einem genervten Blick, wandte kurz den Kopf ab.
Nach einer Debatte über Europas unterschiedliche Auffassung von Klimaschutz und einen drohenden Stellenabbau in der Autoindustrie endete der politische Teil der Sendung. Obwohl sich Lanz und Habeck sowie Baerbock und Weimer beharkten, Weimer die Grünen-Vorsitzende sogar als „Oberlehrerin“ bezeichnete, wurde es nicht mehr laut – auch weil Lanz sich zurücknahm und den grünen Positionen zum Ende hin sogar zustimmte und sie bestärkte. Innerhalb von 50 Minuten hatte sich Lanz vom „bösen“ zum „guten“ Bullen gewandelt – wahrscheinlich um endlich die „inhaltliche“ Debatte führen zu können, die er sich zu Beginn der Sendung vorgenommen hatte.
Am Ende richtete Lanz die Diskussion auf den Fleischkonsum. Seine Frage an die beiden Grünen-Politiker lautete: „Wie sehr bringt Sie auf die Palme, wenn Christian Lindner Ihnen vorwirft, Sie träumten von einem fleischlosen Deutschland?“ „Gar nicht, das interessiert mich gar nicht“, antwortete Habeck trocken und wusste die Gunst des auflachenden und klatschenden Publikums auf seiner Seite.