Montag, 24. Juni 2019

Iran will Israel in den Konflikt zwingen...

von Thomas Heck...

Seit dem Abschuss einer US-Drohne durch den Iran ist die Kriegsgefahr am Golf real. Wenn es dort zu größeren Kampfhandlungen käme. würde auch Israel zum Kriegsschauplatz werden. Dort bereitet man sich seit Jahren auf ein solches Szenario vor. Denn es ist nicht das erste Mal, dass ein feindliche gesonnenes Land versucht, Israel in seinen eigenen Krieg hineinzuziehen. So tritt der Iran, teilweise offen, teilweise verdeckt an der Seite der Feinde Israels auf und treibt den Kampf gegen die Juden voran, wie der Artikel in der WELT das beschreibt, obwohl der Titel "Israel wäre das erste Opfer des Iran", falsch ist.

Angeblich waren die US-Kampfflugzeuge schon auf dem Weg in den iranischen Luftraum, um Radareinrichtungen und Raketenstellungen zu bombardieren. Erst im letzten Augenblick hob US-Präsident Donald Trump den bereits erteilten Angriffsbefehl wieder auf. So behauptet er es jedenfalls. Aber auch diese Erzählung von einem ganz, ganz knapp abgeblasenen Angriff könnte zur Dramaturgie der Drohgesten gehören, die derzeit die Krise am Golf bestimmt.
Doch ein wichtiger Player schwieg lange – Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Offenkundig wollte der Premier nicht den Eindruck erwecken, die USA in einen Krieg treiben zu wollen.
Doch nachdem Tanker im Persischen Golf brannten, US-Basen und die Botschaft in Bagdad angegriffen wurden und alles auf iranische Kräfte oder ihre Verbündeten hindeutete, meldete sich auch der israelische Regierungschef zu Wort.

„Der Iran hat seine Aggression gegen die Vereinigten Staaten und gegen uns alle verstärkt“, sagte Premierminister Benjamin Netanjahu Mitte letzter Woche und rief „alle friedliebenden Länder dazu auf, den Vereinigten Staaten beizustehen, um die Aggression der Iraner zu stoppen“.

Israel werde „es nicht zulassen, dass der Iran eine Atombombe baut“. Eine solche Entwicklung werde Jerusalem mit allen Mitteln verhindern. Pläne für einen Präventivschlag gegen das iranische Atomprogramm hat Israel schon lange vorbereitet. Wie weit ist dieses Szenario noch entfernt?
Im Prinzip zöge Jerusalem eine friedliche Beilegung des Konflikts mit dem Iran vor, sagt Brigadegeneral a.D. Schlomo Brom, Forscher am Institute for National Security Studies in Tel Aviv und ehemaliger Direktor der Abteilung für strategische Planung im Generalstab der israelischen Armee. Israel setze auf diplomatischen und wirtschaftlichen Druck, sagt Brom, und unterstütze Washingtons verschärfte Sanktionen gegen den Iran.
Die verhindern den Verkauf iranischen Erdöls und schließen die Banken des Iran vom internationalen Zahlungssystem aus. Die Folgen für den Iran sind verheerend: Die Inflationsrate schnellte im April auf 51 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit Dezember 1995. Medikamente und Lebensmittel werden knapp.
Doch bislang erzielt dieser Druck nicht die gewünschte Wirkung, dabei hätten die USA und Israel ihre diplomatischen oder wirtschaftlichen Mittel allmählich ausgereizt, meint Brom. Kurzfristig sei der Iran so nicht zu stoppen. Zwar wachse der Unmut in der Bevölkerung. Die iranische Führung zeigt sich indes unnachgiebig.
Präsident Hassan Ruhani erklärte, die Zeit sei noch nicht reif für neue Verhandlungen. „Deshalb ist unsere einzige Wahl der Widerstand.“ Der oberste geistliche Führer Ali Khamenei prophezeite Studenten bei einem Treffen in Teheran, sie würden „Zeugen des Untergangs der Feinde der Menschheit“ werden, der „verkommenen amerikanischen Zivilisation“ und Israels.
Tatsächlich wären Angriffe gegen Israel mit die wichtigste militärische Option des Iran in der Eskalation mit Washington. Sie würden vor allem von Verbündeten des Iran umgesetzt werden – den von Teheran geförderten Milizen rund um den jüdischen Staat. Die palästinensische Terrororganisation Islamischer Dschihad im Gazastreifen, die libanesische Hisbollah-Miliz und iranisch kontrollierte Kampfgruppen in Syrien verfügen zusammen über Zehntausende Raketen, die jederzeit jedes Ziel in Israel treffen könnten.

Längst wurde dort die Armee angewiesen, sich auf ein solches Szenario vorzubereiten. Das Sicherheitskabinett berät inzwischen wöchentlich über die beste Antwort auf eine solche Provokation. Zugleich könnte Israel in die Offensive gehen, ohne gleich einen Krieg erklären zu müssen.
Hinter den Kulissen haben Israelis und Amerikaner längst einen digitalen Krieg gegen den Iran vorbereitet. US-Medien berichteten am Samstag von Cyberangriffen auf iranische Raketenkontrollsysteme. Bei „Yahoo News“ hieß es unter Berufung auf zwei ehemalige Geheimdienstvertreter, die US-Cyberangriffe hätten zudem ein Spionagenetzwerk getroffen, das Schiffe in der Straße von Hormus beobachte.
Laut „Washington Post“ waren die Cyberangriffe seit Wochen geplant. Zunächst seien sie von Militärs als Antwort auf die Tankerangriffe vorgeschlagen worden. Die iranische Nachrichtenagentur Fars erklärte hingegen, es sei unklar, ob die Cyberangriffe wirklich ausgeführt wurden. Die US-Medienberichte könnten auch ein Bluff sein. Dabei wäre es nicht das erste Mal, dass ein Cyberangriff auf den Iran Erfolg hätte.

Ab etwa 2007 infizierte der vermutlich von Israel, den USA oder beiden entwickelte Computerwurm Stuxnet iranische Computer. Bis der Virus 2010 entdeckt wurde, zerstörte er Hunderte hochempfindliche iranische Zentrifugen, indem er deren Drehgeschwindigkeit manipulierte. Das Atomprogramm des Iran wurde so nach manchen Schätzungen um viele Monate, vielleicht sogar um Jahre zurückgeworfen.
Der Geheimdienst Mossad sorgte zudem dafür, dass importierte Bauteile fehlerhaft waren, sodass Atomanlagen wochenlang brach lagen. Auch Kämpfer der Kidon-Einheit, die für Einsätze im Ausland verantwortlich ist, wurden aktiv. Mehrere iranische Atomforscher und Leiter des Nuklearprogramms wurden getötet oder verletzt, oft mitten im Teheraner Berufsverkehr.
Eine weitere Mossad-Aktion, die Entwendung des iranischen Atomarchivs aus einem Lagerhaus in einem Vorort Teherans, dürfte weiteres Material für neuerliche Angriffe liefern. Denn der spektakuläre Geheimnisraub wird Jerusalem nicht nur Erkenntnisse über den Wissensstand der Iraner geliefert haben, sondern „wohl auch viele Informationen über Schlüsselfiguren und den Standort kritischer Einrichtungen“, schätzt Brom.
Mit diesem Wissen könnte die Kidon-Einheit ihre nächsten Anschläge planen. Und Israels Luftwaffe könnte die Standorte iranischer Anlagen als Zielkoordinaten für Bombardements nutzen, im Worst-Case-Szenario eines Präventivschlags.
Unter Netanjahus Regierung hat die israelische Armee Milliarden für neue Rüstungsgüter erhalten, die Präzisionsangriffe gegen den Iran ermöglichen sollen. Ein Marschbefehl kam indes nie, wohl weil der vorige US-Präsident Barack Obama einem israelischen Alleingang nicht zustimmte und dem jüdischen Staat nie die notwendigen bunkerknackenden Bomben lieferte. Das ändert sich jetzt möglicherweise, schätzt der ehemalige US-Botschafter in Tel Aviv, Dan Schapiro, in einem Interview im Armeeradio. „Trump könnte den Israelis grünes Licht für einen Luftangriff auf den Iran geben“, meint er.
Dabei glauben nicht einmal optimistische Experten in Israel, dass so ein Schlag aus der Luft eine iranische Atombombe verhindern kann. „Israel kann nur einen kurzen Luftkrieg führen“, sagt Professor Dan Shueftan, Leiter des National Security Studies Center der Universität Haifa, der Armee und Regierung in strategischen Fragen berät.
Sein Kollege Brom aus Tel Aviv schätzt, dass das iranische Atomprogramm im besten Fall zwei Jahre zurückgeworfen, zugleich aber die Region in einen umfassenden Krieg gestürzt werden könnte. Dann wäre Israel isoliert und die Entschlossenheit der Iraner, eine Bombe zu bauen, noch größer, meint Brom.
Shueftan ist überzeugt, dass nur die USA die nuklearen Ambitionen des Iran mit militärischen Mitteln aufhalten könnten. Er hält ein solches Szenario indes für genauso unwahrscheinlich wie einen israelischen Alleingang. Trotz aller sehr konkreten Drohungen von Netanjahu in der Vergangenheit. „Israel hatte nie die Absicht, den Iran anzugreifen. Die Welt würde uns für einen Krieg verantwortlich machen, den niemand will.“
Vielmehr habe Netanjahu mit seinem Säbelrasseln das iranische Atomprogramm ins Rampenlicht der Weltpolitik rücken und die Haltung der USA gegenüber Teheran ändern wollen. „Damit hatte er spektakulären Erfolg“, urteilt Shueftan.
Doch heute seien Washington und Jerusalem – anders als unter Obama – hinsichtlich des Iran einer Meinung. Shueftan hält es für unwahrscheinlich, dass der Iran in naher Zukunft den Bau einer Atombombe in Angriff nehmen werde. Weil sich das Land damit endgültig zum Schurkenstaat machen würde.
„Die Iraner sind ein zivilisiertes Volk, sie wollen kein zweites Nordkorea werden“, sagt Shueftan. Sollte Teheran den Atomvertrag ostentativ verletzen, dann würden die Ajatollahs damit letztlich Israel und den USA in die Hände spielen: „Washington und Jerusalem hoffen darauf, dass die Europäer sich ihnen anschließen und wieder Sanktionen gegen Teheran verhängen. Nur das könnte den Iran in die Knie zwingen“, sagt Brom.


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