von Sven Korte...
Seit über einem Jahr, seit dem 24. Februar 2022, tobt in der Ukraine der Krieg; ein Krieg, in dem beide Seiten inzwischen eine „Sieg oder Tod“-Haltung eingenommen haben. Beide Seiten werfen Menschenleben und Material in die erbittert geführten Kämpfe, deren Ausmaß und Verlauf an ähnliche Schlachten in der Region erinnern, die vor über achtzig Jahren geführt wurden. Sowohl die personellen als auch die materiellen Verluste beider Konfliktgegner haben astronomische Höhen erreicht, und es bleibt zu wünschen, dass dieser schreckliche Konflikt so schnell wie möglich sein Ende findet.
Flickschusterei und Ausbessern statt Modernisierung
Mit Kriegsausbruch fuhr dem friedensverwöhnten Europa fuhr ein gehöriger Schrecken in die Glieder und führte speziell der deutschen Regierung schmerzlich vor Augen, dass und wie sehr Finanzierung, Ausbildung und Ausrüstung der Bundeswehr seit Jahrzehnten sträflich vernachlässigt worden sind. So kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz, in seiner ersten Reaktion zum russischen Angriff auf die Ukraine, am 27. Februar 2022 eine „Zeitenwende“ an: Der Bundeshaushalt sollte über ein "Sondervermögen” (sprich Sonderschulden) 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr enthalten, um diese zur „am besten ausgestatteten Streitkraft in Europa“ zu machen. Hochtrabende Worte, wie man sie von dieser Ampelregierung nur zu gut kennt. Doch was ist nach mehr als einem Jahr aus dieser groß angekündigten Zeitenwende geworden?
Nicht ein Schuss Munition nachbestellt
Die Antwort auf diese Frage ist ebenso einfach wie erschreckend: Die Zeitenwende ist eine Nullnummer. Die Bundeswehr wurde seitdem regelrecht ausgeplündert, musste ihre Munition, Schutzausrüstung, Kampf- und Schützenpanzer sowie selbstfahrende Artilleriegeschütze an die Ukraine abgeben. Stand März 2023 wurde nicht ein Schuss Munition, nicht ein Panzer, nicht eine Panzerhaubitze bei der Industrie nachbestellt.
Wenn man die derzeitige Entwicklung verfolgt, wird es wohl auch nicht mehr lange dauern, bis Deutschland seine letzten einsatzfähigen Kampfflugzeuge an Kiew abgibt. Diese Voraussage ist nicht unmöglich. Die Theorie des Overton-Fensters besagt, dass Themen eine Zeitlang politisch umsetzbar sind und dass man diesen Prozess lenken kann. Dabei durchläuft ein Thema verschiedene „Fenster“, in denen eine Maßnahme zunächst als „undenkbar“ und dann als „radikal“ angesehen wird, dann „akzeptabel“ wird, um anschließend als „sinnvoll“ und dann als „populär“ zu erscheinen, um dann zur „Staatspolitik“ zu werden.
Kommt Ihnen das bekannt vor? Wenn wir an die Debatte um die Lieferung schwerer Waffen (wie etwa der Schützenpanzer Marder oder der Kampfpanzer Leopard 2) denken, erleben wir im Hinblick auf die Overton-Theorie geradezu ein Déjà-vu. Kiew fordert - es bittet nicht, es verlangt (!) - ja schon seit längerem Kampfflugzeuge, U-Boote und Kriegsschiffe von Deutschland. Wir werden erleben, das auch diese Rüstungsgüter in Kürze in die Debatte aufgenommen werden und man uns wieder einmal erklären wird, selbst bei Überschreiten dieser nächsten roten Linie sei Deutschland noch keine Kriegspartei. Es wäre interessant zu erfahren, ab wann Deutschland nach Ansicht der Ampel-Regierung Kriegspartei wird - vielleicht erst, wenn deutsche Panzer auf den Roten Platz rollen?
Wer widerspricht, wird entlassen
Jedenfalls verfügt die Bundeswehr auch über ein Jahr nach Kriegsausbruch weder über ausreichend Soldaten, Waffen oder Munition, um ihren Hauptauftrag, die Verteidigung unserer Heimat, auch nur hinreichend erfüllen zu können. Doch wie bei so vielen "Baustellen" in Deutschland sind auch hier die meisten Probleme hausgemacht - denn das sogenannte „Sondervermögen“ für die Bundeswehr wird gerade mehr oder weniger sinnlos verbrannt. Die Misswirtschaft in den Streitkräften führt zu finanziellen Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe - was auch erklärt, warum selbst noch mehr Gelder für die Bundeswehr keines ihrer Probleme lösen können.
Das deutsche Verteidigungsministerium in Berlin ist, wie inzwischen so viele andere staatliche Institutionen im Land, zu einem Hort der Misswirtschaft verkommen. Dieser Umstand wird sofort ersichtlich, wenn man einmal die Schwierigkeiten der Bundeswehr mit ihrer unzulänglichen Ausrüstung, mit nicht vorhandenen Ersatzteilen und der fehlenden Munition Revue passieren lässt. Themenkomplexe wie diese beherrschen schon seit Jahren die Schlagzeilen, ohne dass sich daran etwas unter vier Verteidigungsministern geändert hätte. Auch die nun neu aufgenommenen Staatsschulden in Höhe von 100 Milliarden - etwas anderes ist das so deklarierte „Sondervermögen der Bundeswehr“ nämlich nicht - vermag an dieser Lage nichts zu verändern, denn die Probleme sind strukturbedingt.
Vorwürfe allein gegen die Führungsebene
Um nicht missverstanden zu werden: Die Vorwürfe richten sich nicht gegen die einfachen Soldaten, die tagtäglich all diese Mängel erleben und trotzdem noch über die Motivation und den Willen verfügen, ihre Pflicht zu erfüllen. Sie trifft keine Schuld an der Misere; im Gegenteil. Für ihr Engagement und ihren Einsatz gebührt den Männern und Frauen, die die Uniform unseres Landes tragen, höchster Respekt und Anerkennung. Nein: Die Vorwürfe richten allein gegen die Führungsebene. Gemeint sind hier die ranghohen Offiziere, die der teils irrwitzigen Politik aus Angst um den Fortbestand ihrer Karriere nicht widersprechen, sowie die politischen Vorgesetzten der Bundeswehr, die sich seit vielen Jahren nicht ausreichend um die Streitkräfte, um die Soldaten und um deren Belange kümmern.
Und wenn tatsächlich einmal ein solcher Offizier den Mund aufmacht, wird er sogleich entlassen. An dieser Stelle sei nur an Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach erinnert, der als Gast des Manohar Parrikar Institute for Defence Studies and Analyses (MP-IDSA) in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi vor laufender Kamera unter anderem zum Russland-Ukraine-Konflikt eine andere Ansicht vertrat als die offizielle Position der Bundesregierung. Natürlich kann man auf diese Weise kritische Stimmen aus den Reihen des Militärs mundtot machen; allerdings haben solche Verfahrensweisen dann nur noch wenig mit einer Demokratie gemein und sind einer Parlamentsarmee, als die sich die Bundeswehr definiert, gänzlich unwürdig.
Aufschlussreiche Vergleiche mit dem französischen Nachbarn
Um einmal ein reales Bild vor Augen zu bekommen, vergleichen wir die Streitkräfte unseres Nachbarn Frankreichs mit der Bundeswehr. Natürlich hinkt dieser Vergleich ein wenig, denn wir verfügen - aus gutem Grund - über keine aktuellen Zahlen zur Einsatzbereitschaft der Bundeswehr (diese wurden seit 2020 für "geheim” erklärt), und Frankreich ist eine Atommacht; aber wenn wir nur die konventionellen Streitkräfte betrachten - also Armee, Marine und Luftwaffe -, können wir uns ein brauchbares Bild machen. Deutschland und Frankreich haben für ihre Streitkräfte in etwa identische Summen ausgegeben und verfügen auch über vergleichbare Hauptwaffensysteme, also Kampfpanzer, Kampfflugzeuge und Schiffe. Frankreich unterhält 254 Kampfpanzer vom Typ Leclerc und Deutschland 244 Kampfpanzer vom Typ Leopard. Von den Stückzahlen her nehmen sich beiden Länder also nicht viel. Allerdings musste das deutsche Verteilungsministerium vor kurzem einräumen, man müsse die vorhandenen Panzer erst einmal zählen, um zu wissen, wie viele davon eigentlich noch bei der Bundeswehr zu finden sind. Wie soll man diesen Kommentar verstehen? Das zuständige Ministerium weiß nicht, wie viele Panzer unsere Armee überhaupt hat? Das ist wohl ein Armutszeugnis sondergleichen.
Bei den Luftstreitkräften sehen die absoluten Stückzahlen für Deutschland nicht sehr gut aus. Frankreich kann etwas mehr als 500 Kampfflugzeuge sein eigen nennen; Deutschland kommt auf rund 200, davon sind 140 Eurofighter Typhoon, von denen wiederum weniger als 25 Prozent - in absoluten Zahlen: weniger als 35 - überhaupt einsatzbereit sind. Und dieses „einsatzbereit“ ist dabei noch stark geschönt, denn "einsatzbereit” heißt nicht gleich "kampfbereit”; von der Fähigkeit also, zu starten, Waffensysteme zum Einsatz zu bringen und wieder zur Basis zurückzukehren, sind diese Jets weit entfernt. „Kampfbereit“ sind nach dieser Definition tatsächlich nur zehn bis zwölf unserer Eurofighter - was an den verschiedenen Upgrades liegt. Die ältesten Maschinen der zuerst ausgelieferten Tranchen müssen an die aktuelle Version angeglichen werden, und wenn neue Waffen, Sensoren oder Fähigkeiten integriert werden sollen, sind sie während dieser Zeit natürlich nicht kampfbereit, sondern müssen die „Hangar-Königin“ spielen.
Das Problem ist die Misswirtschaft
Bei der Marine wird der Unterschied unserer Streitkräfte zum westlichen Nachbarn besonders deutlich: Frankreich hat 10 Atom-U-Boote, mehrere konventionelle U-Boote, einen atomgetriebenen Flugzeugträger und noch etwa 55 weitere Kriegsschiffe im Dienst. Deutschland hingegen verfügt nur noch über 6 konventionelle U-Boote und insgesamt 14 Fregatten und Korvetten, und natürlich keine Atom-U-Boote oder gar Flugzeugträger. Von den genannten Einheiten sollen zudem nur ein oder zwei U-Boote sowie zwei, maximal drei Schiffe insgesamt einsatzbereit sein. Das alles ist schon dramatisch genug; der wichtigste Unterschied zwischen den beiden Streitkräften ist jedoch der, dass die französischen Panzer, Flugzeuge, Hubschrauber und so weiter praktisch ohne Ausnahme einsatzfähig sind - während das bei der Bundeswehr bekanntlich nicht der Fall ist. Dass die französische Truppenstärke rund 230.000 aktive, hochmodern ausgerüstete und bewaffnete Soldaten umfasst, gegenüber etwa 185.000 Mann leidlich ausgerüsteten Soldaten in Deutschland, sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Man kann also festhalten, dass der Bundeswehr nicht unbedingt zu wenig Geld zur Verfügung steht, sondern dass es ein sehr ernstes Problem mit Misswirtschaft, Verschwendung und teilweise sogar massiver Korruption geben muss. Wenn sich die Gelder für die Bundeswehr ständig irgendwie in Luft auflösen - angefangen von Gerätebestellungen über Beraterhonorare bis hin zur Gorch-Fock-Sanierung, wird auch mehr Geld dieses Problem nicht lösen, sondern es versickert in den gleichen Löchern wie bisher. Bevor also fröhlich weitere Milliarden verteilt werden, müssen zuerst einmal diese strukturellen Missstände behoben werden, muss im Verteidigungsministerium erst einmal wieder Ordnung geschaffen und geklärt werden, wohin die Unsummen überhaupt fließen und wo sie versickern. Das gleiche gilt für das Beschaffungswesen der Bundeswehr: Auch hier müssen Verträge und Angebote verglichen und überprüft werden, bevor man irgendein Waffensystem bestellt.
Überteuerte Pannenflieger
Da die einzelnen Problembereiche ganze Bücher füllen könnten, beschränken wir uns hier nur auf Einzelaspekte und nehmen einmal die unglückliche F-35 von Lockheed Martin als Beispiel: Im Dezember 2022 hat die Ampelregierung beschlossen, 35 Lightnings zu bestellen. Das Problem dabei ist jedoch, dass die F-35 noch immer nicht technisch ganz ausgereift ist, von Pannen geplagt wird und ganz nebenbei den Titel des teuersten Kampfflugzeugs der Welt trägt. Die Bundesregierung darf für die 35 Exemplare nun fast 300 Millionen Euro pro Flugzeug auf den Tisch legen – ein Rekordpreis! -, während unsere Schweizer Nachbarn für ihre 36 Maschinen gut ein Drittel weniger bezahlen müssen. In der freien Wirtschaft würde niemand einen Kaufvertrag unterschreiben, bei dem er für dieselbe Ware ein gutes Drittel mehr bezahlen muss als sein Nachbarn. Unser Verteidigungsministerium hat damit aber offensichtlich kein Problem.
Hinzu kommt, dass noch nicht einmal klar benannt werden kann, wann die neuen F-35-Exemplare in Dienst genommen werden können - denn für den Einsatz der Lightnings müssen zuerst die dafür vorgesehenen deutschen Luftwaffenstützpunkte umgebaut werden. Nach aktuellen Planungen wird die deutsche Luftwaffe ab 2026 insgesamt 35 Stück F-35A im Rahmen des Programms Block 4 erhalten. Dieses Programm für die F-35 schlägt laut Schätzungen mit insgesamt rund 15 Milliarden US-Dollar zu Buche und umfasst mehr als 75 Veränderungen – vorrangig im Bereich elektronischer Hard- und Software, aber auch bei der Triebwerksfrage. Das alles sind Dinge, die auf ungute Weise an die F-104 "Starfighter" erinnern, die ebenfalls von Lockheed stammte und über lange Jahre als „Witwenmacher“ traurigen Ruhm erntete.
Technische Laien und Parteiapparatschiks statt Profis
Die Bundeswehr benötigt auch dringend neue Transporthubschrauber, die ebenfalls in den USA gekauft werden sollen. Die Rede ist vom CH-47 Chinook, ein sehr guter, verlässlicher und einsatzerprobter Helikopter. Für die angestrebten 60 Exemplare waren rund 6 Milliarden Euro veranschlagt worden; nun hat sich der Kaufpreis auf 12 Milliarden Euro glatt verdoppelt! Laut "Business Insider” haben die USA Deutschland gegenüber erklärt, dass die von der Bundeswehr gewünschte Spezialausrüstung die Helikopter verteuere, weil einige der gewünschten Komponenten noch nicht einmal entwickelt sind. Dabei ist die Rede von Zusatztanks und der Möglichkeit zur Luftbetankung – alles Dinge, die jedoch in bisherigen Modellen des CH-47 bereits erfolgreich integriert und erfolgreich im Einsatz eingesetzt worden sind. Der wahre Grund für eine Verdoppelung des Kaufpreises erschließt sich dem Außenstehenden so also nicht; aber man darf vermuten, dass auch hier wieder für Deutschland ungünstige Konditionen in die Verträge eingeflossen sind. Das könnte den neuen deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius in eine unangenehme Lage bringen, und der Staatssekretär im deutschen Verteidigungsministerium für Rüstung, Informationstechnologie und Planung, Benedikt Zimmer, könnte sogar seinen Job verlieren, mutmaßt "Business Insider”.
Tja: So etwas passiert eben, wenn man den wichtigen Schaltstellen im Beschaffungs- und Planungswesen der Streitkräfte technische Laien positioniert, die fachlich wenig oder gar keine Eignung vorweisen können, jedoch über die richtigen Beziehungen und das korrekte Parteibuch verfügen. Die sachlichen Eingaben unserer Soldaten an das Verteidigungsministerium, die fachlich nicht zu beanstanden sind, werden aus Mangel an Fachwissen, Einsicht und ideologischer Blindheit verworfen und der Truppe wird teilweise sogar mit Konsequenzen gedroht, weil sie es gewagt hat, auf Missstände hinzuweisen. So kann man ein Ministerium nicht führen.
Der Fisch stinkt vom Kopf
Wie sagt der Volksmund doch so treffend: Der Fisch stinkt immer vom Kopf, und so verhält es sich auch im Falle der Bundeswehr. Wenn auf der Führungsebene und in den für die Beschaffung zuständigen Ämtern nicht sehr rasch ein radikales Umdenken erfolgt, wird auch der 100 Milliarden-Kredit vulgo „Sondervermögen“ irgendwo versickern - und unsere Soldaten stehen am Ende noch schlechter da, als es bereits jetzt schon der Fall ist.
Ebenso muss das Ansehen unserer Soldaten in der Bevölkerung wieder steigen. Jahrzehntelang wurde das Bild der "rechten”, "rechtsradikalen” und "rechtsextremen” Bundeswehr von Politik und Medien gefördert; so sehr, dass sich unsere Soldaten heute nicht einmal in Uniform in die Öffentlichkeit wagen können, ohne dafür beschimpft, bespuckt oder angegriffen zu werden. Die Männer und Frauen unserer Bundeswehr sind bereit, jeden Tag ihr Leben dafür einzusetzen, um unserer Land und unsere Bürger zu beschützen. Sie verdienen dafür nicht nur die beste verfügbare Ausrüstung, sondern verdienen und benötigen auch unseren Respekt, unsere Anerkennung und vor allem eine kompetente und fachlich gebildete militärische und politische Führung, die alles Notwendige und Mögliche unternimmt, um die Truppe zu unterstützen. Zum Abschluss noch ein Wort an die Kameraden der Bundeswehr: Wir denken an euch. Wir unterstützen euch. Und wir danken euch für euren Dienst an unserem Land. Mit kameradschaftlichem Gruß!
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