von Jörg Gastmann...
Unter anderem dank der Unterstützung durch Leser von Ansage! konnte eine Klage beim nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshof gegen den Landtag NRW finanziert werden. Dabei ging es um die verfassungswidrigen Landeslisten und ungültigen Zweitstimmen für die Grünen. Ansage! berichtete unter anderem hier im Detail über den Fall. Kurzfassung: Die Landeslisten der Partei “Bündnis 90 / Die Grünen” diskriminieren entgegen Artikel 3 Grundgesetz die Kandidaten nach Geschlecht. Frauen stehen grundsätzlich immer auf Platz 1, es sind 100 Prozent weibliche Kandidaten möglich, Männer sind hingegen auf maximal 50 Prozent begrenzt. Transfrauen konkurrieren nicht mit Frauen, sondern mit Männern um Listenplätze.
Dirk Westerheide, Landesvorsitzender der Partei „neo – Wohlstand für Alle“, die an der NRW-Landtagswahl teilnahm, legte daher eine Wahlprüfungsbeschwerde ein. Bei einem Erfolg würden die Grünen alle Zweitstimmenmandate verlieren; Folge: die NRW-Landesregierung aus CDU und Grünen hätte keine Mehrheit mehr. Wie erwartet bügelten die im Landtag vertretenen Parteien – mit Ausnahme der AfD – die Wahlprüfungsbeschwerde ab. Der nächste Schritt war also eine Klage gegen diese Ablehnung beim Verfassungsgerichtshof NRW in Münster. Auch hier gilt: Hat die Klage Erfolg, platzt die Landesregierung. Vor diesem Hintergrund ist entscheidend, ob die Richter am Verfassungsgerichtshof NRW befangen sind. Schauen wir uns den Partei-Hintergrund der Richter nachfolgend einmal an.
CDU-, FDP- und Grünen-Richter urteilen über CDU-Grüne Regierung
Frau Professor Dr. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb wurde 2021 von der Laschet-CDU-Regierung zur Präsidentin gewählt beziehungsweise ernannt. Professor Dr. Andreas Heusch war 2021 laut Wikipedia „als bevorzugter Kandidat der Landesregierung für das Amt des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs gehandelt“ worden. Er wurde schließlich Vizepräsident. Dr. Bernd Grzeszick wurde 2021 ebenfalls von der Laschet-CDU-Regierung zum Landesverfassungsrichter gewählt / ernannt. Dr. Dirk Gilberg arbeitete von 2007 bis 2010 für die Rüttgers-CDU-Regierung. Dr. Matthias Röhl saß für die FDP – den Grünen-Ampel-Koalitionspartner der Bundes-FDP – im Düsseldorfer Stadtrat.
Professor Dr. Joachim Wieland wurde bereits 2006 von der Rüttgers-CDU-Regierung zum Landesverfassungsrichter ernannt. Bei Wikipedia ist über ihn nachzulesen: “Wegen des Vorwurfs der Befangenheit durfte Wieland diejenigen Verfahren, welche die AfD wegen fehlender parlamentarischer Auskünfte gegen das Land NRW führt, nicht entscheiden.“ Und Dr. Claudio Nedden-Boeger ist Mitglied bei den Grünen. Zusammengefasst: Mehr Befangenheit eines Gerichts ist kaum möglich.
Einstieg von Professor Schachschneider
Mit Unterstützung von Ansage!-Lesern gelang es, Verfassungsrechts-Koryphae Professor Dr. Karl Albrecht Schachtschneider zu gewinnen, der eine „Beschwerde gegen die Zurückweisung des Wahleinspruchs“ einreichte (siehe im Wortlaut hier). Ein Sieg war von vorherein unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, sofern die Richter über ihre Partei-Schatten springen. Im wahrscheinlichsten Fall würden der Landtag NRW und der Verfassungsgerichtshof NRW zeigen, dass auch sie außerhalb des Grundgesetzes stehen und dessen Anwendung verweigern. Die öffentliche Debatte darüber kann den Grünen, ihren Koalitionspartnern und dem politischen Establishment enorm schaden, sofern diese Ansage!-Artikelreihe größere Verbreitung findet.
In seiner ersten Antwort lehnte der Landeswahlausschuss – gegen die Stimmen der AfD – die Wahlprüfungsbeschwerde mit der bemerkenswerten Begründung ab, Parteien seien in ihren Satzungen nicht an das Grundgesetz gebunden (!). Seit dies von Professor Schachtschneider widerlegt wurde und der Landeswahlausschuss sowie der Landtagspräsident argumentativ nichts entgegenzusetzen hatten, konzentriert sich der Landeswahlausschuss nunmehr auf formaljuristische Spitzfindigkeiten, um einen demokratisch besetzten Landtag zu verhindern.
Schlagabtausch: Argumente vs. Formaljuristerei
Einziger Aufhänger ist dabei Paragraph 3 des Wahlprüfungsgesetzes NRW, der einschränkt: „Einspruchs- und antragsberechtigt ist jeder Wahlberechtigte, jede in einem Wahlkreis mit einem Wahlvorschlag aufgetretene Partei, der Präsident des Landtags sowie der Landeswahlleiter. Der einzelne Wahlberechtigte bedarf hierzu der vorherigen schriftlichen Zustimmung von mindestens 50 weiteren Wahlberechtigten.“ Das heißt: Für Wahlberechtigte schufen die Regierungsparteien in NRW ohne sachlichen Grund die Hürde einer Unterschriftensammlung. Eine solche Hürde gibt es in anderen Bundesländern nicht, und im nachfolgenden Schriftsatz demontierte Professor Schachtschneider diese verfassungswidrige Hürde mit den Worten: “Jeder Bürger hat ein Recht auf Demokratie. Dieses Recht ist als Grundrecht jedes Bürgers, gestützt auf Art. 38 Abs. 1 GG, in ständiger Rechtsprechung vom Bundesverfassungsgericht praktiziert (seit BVerfGE 89, 155 (171 ff.). Das ist ein wegen Art. 20 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG nicht einschränkbares Grundrecht. Dieses Grundrecht kann nicht etwa wegen Art. 33 Abs. 4 Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen eingeschränkt werden, der es dem Gesetzgeber überträgt, ‘das Nähere’ (s.: der Wahlprüfung) durch Gesetz zu regeln.”
Weiter schreibt Professor Schachtschneider: „50 Unterstützer eines Wahleinspruchs zu finden, ist für die meisten Bürger unmöglich. Kaum einer kennt überhaupt so viele andere Wahlbürger. Wer als Einzelner gegen eine Wahl in Nordrhein-Westfalen Einspruch erhebt, müßte tausende von Bürgern um eine solche Unterstützung bitten, um 50 Unterstützer zu finden. Das ist unzumutbar.“ Wer glaubt, es sei einfach, 50 Bürger zur Unterstützung eines Rechtsstreits gegen eine Landesregierung zu finden, kann das ja mal selbst versuchen. Fast niemand möchte in Rechtsstreitigkeiten verwickelt werden – und schon gar nicht gegen eine Regierung, die Polizei, Staatanwaltschaften, Finanzamt, Gewerbeaufsicht und alle sonstigen Behörden unter sich hat, die politische Gegner in Schwierigkeiten bringen können (siehe unter anderem Kontosperrungen und die allgegenwärtige Cancel Culture gegen Oppositionelle).
Blamage für Landtagspräsident André Kuper (CDU)
Bemerkenswert und unzweifelhaft verfassungswidrig ist auch die Einschränkung, dass Parteien nur dann einspruchsberechtigt sind, wenn sie „in einem Wahlkreis mit einem Wahlvorschlag aufgetreten“ sind, will sagen: wenn sie mit Erststimmen -Kandidaten angetreten sind. Für Erststimmen-Mandate genügen nicht 5 Prozente wie bei Zweitstimmen-Mandaten; nur wer die meisten Stimmen eines Wahlkreise erhalten hat, kann diese Mandate gewinnen, was in der Regel 25 bis 35 Prozent der Stimmen erfordert. Da seit Gründung der Bundesrepublik noch nie ein Kandidat einer Kleinpartei ein Direktmandat gewonnen hat, sind Erststimmen-Kandidaturen für Kleinparteien eine reine Zeit- und Geldverschwendung. Die großen Parteien treten hingegen immer auch mit Erststimmen-Kandidaten an. Offensichtlich diskriminiert also Paragraph 3 des Wahlprüfungsgesetzes NRW kleine Parteien, während es große Parteien privilegiert. Bei der Frage, ob Dirk Westerheide seine Wahlprüfungsbeschwerde als Vertreter der Partei „neo – Wohlstand für Alle“ oder als Wahlberechtigter einlegte, entschied sich Professor Schachtschneider für die “sowohl-als-auch“-Argumentation.
Wer Interesse an juristischen Kabinettstücken hat, wird Freude an Professor Schachtschneiders Schachzug haben, Landtagspräsident André Kuper (CDU) bei seinen Pflichten festzunageln. Dazu verwendete er Paragraph 2 des Wahlprüfungsgesetz NRW, der besagt: “Werden dem Präsidenten des Landtags nach Ablauf dieser Frist in amtlicher Eigenschaft Umstände bekannt, die einen Wahlmangel begründen könnten, kann er innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden dieser Umstände Einspruch einlegen.“
Staat darf Bürger nicht “ins Messer laufen” lassen
Das Wort „kann“ heißt hier nicht, dass es sich Landtagspräsident Kuper aussuchen kann, ob er für einen demokratischen und verfassungsmäßigen Landtag sorgt. Sondern „kann“ bedeutet, dass ihm dieses Gesetz die rechtliche Grundlage zum Handeln gibt. Professor Schachtschneider nimmt dem Landtagspräsidenten den Interpretationsspielraum, indem er schreibt: „Das ‘kann’ in der Vorschrift gibt dem Präsidenten kein Ermessen, allenfalls einen Beurteilungsspielraum, allerdings nur einen kleinen. Dogmatisch teilt hier das Wort ‘kann’ eine Befugnis zu. Die Klärung der Rechtmäßigkeit der Wahl ist seine Amtspflicht.”
Und schließlich beruft sich Professor Schachtschneider auf Paragraph 25 Verwaltungsverfahrensgesetz: Dieser schreibt Behörden vor, Bürgern bei möglichen Formfehlern rechtzeitig und klar Hilfestellung bei der Beseitigung derselben zu leisten. Professor Schachtschneider hierzu: „Auch wegen der Missachtung dieser Vorschrift kann sich der Landtag nicht auf den Mangel an Klarheit des Einspruchsschreibens berufen. Auf die Richtigkeit und Klarheit wirken auch die Gerichte hin, wenn Klageanträge oder sonstige Anträge gestellt werden. Diese Hilfestellung ist ein allgemeines Gebot fairen Umgangs der Amtswalter mit den Bürgern. Es ist dem Staat nicht gestattet, die Bürger gewissermaßen ‚ins Messer laufen‘ zu lassen, weil deren Einsatz für das Recht nicht die richtigen Verfahrensschritte gegangen ist. Sie dürfen Rechtsklärungsinitiativen nicht abzuwehren, die ihnen etwa aus parteilichen Interessen nicht nützlich sind.”
Nachfolgend dokumentiert Ansage! den Schriftsatz im Wortlaut (gekürzt um die Einleitung):
Prof. Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider
Ordinarius a. D. des Öffentlichen Rechts
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen
Königsallee 51 – 53
48143 Münster
VerfGH 78/22
Wahlprüfungsbeschwerde
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
ich danke für Ihr Schreiben in Sachen Wahlprüfungsbeschwerde 78/22.
Erlauben Sie mir, die folgenden Überlegungen zur Zulässigkeit der Beschwerde vorzutragen.
Ich nehme jetzt erst Stellung zu Ihrem Schreiben vom 15. November 2022, weil ich auf eine substantielle Erwiderung des Landtages des Landes Nordrhein-Westfalen auf die Beschwerdebegründung gewartet habe. Ich bitte um Verständnis.
Zur Sache:
1. (…) Es gibt weitere gewichtige Gesichtspunkte für die Zulässigkeit der Beschwerde:
Der Präsident des Landtags hätte den oder die Einspruchsführer auf die Unklarheit, wer der Einspruchsführer ist, Dirk Westerheide oder die Partei „neo. Wohlstand für alle“ oder alle drei Beschwerdeführer, hinweisen müssen, um diesen Gelegenheit zu geben. die Unklarheit zu beheben. Es war für eine solche Klarstellung noch viel Zeit, weil der Einspruch vom 20. Mai 2022, zwei Monate lang nach der Wahl erhoben werden kann. Die Wahl hat am 15. Mai 2022 staatgefunden.
Der Landtag kann sich darum nicht darauf berufen, daß das Einspruchsschreiben keine Klarheit über den oder die Einspruchsführer geschaffen hat. Das ist ein venire contra factum proprium. Der Landtag hat es nach diesem gefestigten Prinzip verwirkt, den Einspruch zurückzuweisen. Folglich kann auch das Verfassungsgericht aus der Unklarheit nicht die Unzulässigkeit der Beschwerde folgern, keinesfalls die des Beschwerdeführers Dirk Westerheide.
Dagegen steht auch der verwaltungsrechtliche Grundsatz des § 25 Abs. 1 S. 1 VerwVerfGes. Nach dessen Absatz 1 „soll die Behörde die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung (!) von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehendlich oder aus Unkenntnis unterblieben, unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind.“ Der Tatbestand dieser Vorschrift des Bundesgesetzes ist erfüllt. Der Landtag handelt im Einspruchsverfahren nicht als Gesetzgeber, sondern als vollziehende Gewalt. Auch wegen der Mißachtung dieser Vorschrift kann sich der Landtag nicht auf den Mangel an Klarheit des Einspruchsschreibens berufen.
Auf die Richtigkeit und Klarheit wirken auch die Gerichte hin, wenn Klageanträge oder sonstige Anträge gestellt werden. Diese Hilfestellung ist ein allgemeines Gebot fairen Umgangs der Amtswalter mit den Bürgern. Es ist dem Staat nicht gestattest, die Bürger gewissermaßen ‚ins Messer laufen‘ zu lassen, weil deren Einsatz für das Recht nicht die richtigen Verfahrensschritte gegangen ist. Sie dürfen Rechtsklärungsinitiativen nicht abzuwehren, die ihnen etwa aus parteilichen Interessen nicht nützlich sind. Dieser Rechtsgrundsatz kommt auch in der Pflicht zur Rechtsmittelbelehrung von Verwaltungsakten (§ 58 VwGO) zur Geltung. Die vornehmlichste Aufgabe des Staates ist es, das Recht zu verwirklichen. Vielfach agiert er jedoch immer noch als Obrigkeit über die Untertanen, nicht als Diener der Bürger. Mandatsträger verteidigen ihre Mandate wie ihr Eigentum. Sie sind aber Vertreter des Volkes.
2. Die Wahlprüfung ist ein objektivrechtliches Verfahren. Es geht darum, die Legalität des Parlaments zu sichern. Ohne diese Legalität, die nur durch ein verfassungsgemäßes Verfahren erreicht werden kann, sind alle Akte der Parlaments, insbesondere die Gesetze, illegal, wenn auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts um der Rechtssicherheit willen nicht nichtig (i. d. S. BVerfGE 121, 266, 311 ff., Rnrn.134 ff.).Wenn die Verfassungswidrigkeit nicht festgestellt wird, heilt das die Verstöße gegen das Wahlrecht nicht. Es wird gegebenenfalls der Rechtsschutz, der Sache nach für das ganze Volk, versagt, der freilich verfahrensrechtliche Voraussetzungen hat. Der Rechtsstaat, der um der Freiheit willen der Verwirklichung des demokratischen Prinzips bedarf, muß in jeder Weise darauf bedacht sein, die Verfassungsmäßigkeit seines wichtigsten Organs, des Parlaments, zu gewährleisten. Sonst geht das essentielle Vertrauen der Bürger in ihren Staat verloren. Demgemäß muß ein Verfahrensfehler eines Wahleinspruchs übergangen werden, wenn der Wahleinspruch den Verstoß oder den möglichen Verstoß der Wahl gegen das Wahl- und Verfassungsrecht dem Präsidenten des Landtags zur Kenntnis gebracht hat. Die Einspruchsführer nehmen eine bürgerliche Pflicht wahr, das Recht, zumal das Recht einer für ihr Land demokratisch essentiellen Wahl, im Interesse des Volkes insgesamt zu verwirklichen. Allemal hätte der Präsident des Landtages auf die formalen Mängel des Einspruchs hinweisen müssen, um die Legalisierung der Wahlen, gegen die rechtliche Bedenken entstanden sind, sicherzustellen.
„Werden dem Präsidenten des Landtags nach Ablauf dieser Frist in amtlicher Eigenschaft Umstände bekannt, die einen Wahlmangel begründen könnten, kann er innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden dieser Umstände Einspruch einlegen“. Diese Regelung des § 2 Abs. 1 S. 2 des Wahlprüfungsgesetzes Nordrhein-Westfalen ist zu verallgemeinern. Es geht um die Legalität vor allem der Gesetze. Das „kann“ in der Vorschrift gibt dem Präsidenten kein Ermessen, allenfalls einen Beurteilungsspielraum, allerdings nur einen kleinen. Dogmatisch teilt hier das Wort „kann“ eine Befugnis zu. Die Klärung der Rechtmäßigkeit der Wahl ist seine Amtspflicht.
Zudem steht eine Rücknahme der Beschwerde wegen des objektivrechtlichen Gegenstandes des Wahlprüfungsverfahrens einer Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht entgegen, weil die Rechtmäßigkeit der Wahl wegen deren demokratischen Essentialität von größtem öffentlichem Interesse ist (S. Magiera, in: M. Sachs, Grundgesetz. Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 41, Rn. 13). Der Landtag ist durchgehend fehlerhaft besetzt, weil die Kandidaten der Partei Die GRÜNEN/Bündnis 90 wegen des Paritätsgrundsatzes dieser Partei nicht den Wahlgrundsätzen gemäß aufgestellt worden sind. Das betrifft alle Mandate, besonders aber die der Partei Die GRÜNEN/Bündnis 90. Eine rechtmäßige Kandidatenliste der GRÜNEN/Bündnis 90 hätte die Wahl erheblich beeinflußt, wenn etwa anstelle einer Frau, wie im Frauenstatut dieser Partei vorgesehen, ein Mann den ersten Platz der Wahlliste eingenom-men hätte und damit der Praxis der Parteien nach der Kandidat der GRÜNEN/Bündnis 90 für das Amt des Ministerpräsidenten gewesen wäre.
3. Nach § 2 Abs. 2 Wahlprüfungsgesetz des Bundes „kann den Einspruch jeder Wahlberechtigte, jede Gruppe von Wahlberechtigten und in amtlicher Eigenschaft jeder Landeswahlleiter, der Bundeswahlleiter und der Präsident des Bundestages einlegen“.
Diese Regelung müssen gemäß Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG auch die Landesverfassungen treffen; denn sie ist notwendig, um die Verwirklichung der Wahlgrundsätze sicherzustellen, in diesem Verfahren der der Gleichheit der Wahl. Zu deren Bedeutung BVerfGE etwa 121, 266, Rn. 91: „Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl trägt der vom Demokratieprinzip vorausgesetzten Gleichberechtigung der Staatsbürger Rechnung (vgl. BVerfGE 41, 399 [413]; 51, 222 [234]; 85, 148 [157 f.]; 99, 1 [13]). Die Gleichbehandlung aller Staatsbürger bei der Ausübung des Wahlrechts ist eine der wesentlichen Grundlagen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wie sie das Grundgesetz verfasst (vgl. BVerfGE 6, 84 [91]; 11, 351 [360]). Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl gebietet, dass alle Staatsbürger das aktive und passive Wahlrecht möglichst in formal gleicher Weise ausüben können. Er ist im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit zu verstehen (vgl. BVerfGE 51, 222 [234]; 78, 350 [357 f.]; 82, 322 [337]; 85, 264 [315]; 95, 408 [417]).“
Jeder Bürger hat ein Recht auf Demokratie (grundlegend K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf Demokratie – Überlegungen zum Demokratierechtsschutz des Bürgers, JZ 1970, S. 401 ff.). Dieses Recht ist als Grundrecht jedes Bürgers, gestützt auf Art. 38 Abs. 1 GG, in ständiger Rechtsprechung vom Bundesverfassungsgericht praktiziert (seit BVerfGE 89, 155 (171 ff.). Das ist ein wegen Art. 20 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG nicht einschränkbares Grundrecht. Dieses Grundrecht kann nicht etwa wegen Art. 33 Abs. 4 Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen eingeschränkt werden, der es dem Gesetzgeber überträgt, „das Nähere (s.: der Wahlprüfung) durch Gesetz zu regeln. Die näheren Regeln erlauben keine Einschränkung des Grundrechts, sondern lediglich Bestimmungen über die Durchführung des Wahlprüfungsverfahrens. Sonst würde, wie oben zitiert, die feiheitliche demokratische Grundordnung verletzt. Wegen dieses Rechts des Bürgers auf Demokratie dürfen die Einspruchsrechte des Bürgers gegen Wahlen, die das Wahlrecht verletzen, nicht durch irgendwelche Hürden geschmälert werden, wie diese § 3 Abs. 1 S. 2 Wahlprüfungsgesetz Nordrhein-Westfalen errichtet hat. Das Bundeswahlrecht zeigt das in dem zitierten § 2 Abs. 2 Wahlprüfungsgesetz, das keine derartigen Hürden eines Wahleinspruchs kennt. Das Bürgerrecht auf demokratische Wahlen, wie sie die Wahlgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 S. GG und ebenso Art. 31 Abs. 1 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen regeln, ist ein Grundrecht und darf nicht durch schwer überwindbare Hindernisse geschmälert werden.
50 Unterstützer eines Wahleinspruchs zu finden, ist für die meisten Bürger unmöglich. Kaum einer kennt überhaupt so viele andere Wahlbürger. Wer als Einzelner gegen eine Wahl in Nordrhein-Westfalen Einspruch erhebt, müßte tausende von Bürgern um eine solche Unterstützung bitten, um 50 Unterstützer zu finden. Das ist unzumutbar. Diese Bestimmung in § 3 Abs. 1 Nordrhein-Westfalen ist offensichtlich verfassungswidrig und damit nichtig. Es ist für eine kleine Partei auch sinnlos, einen Wahlkreiskandidaten aufzustellen, weil eine solche Partei keinerlei Chance hat, ein Direktmandat zu erlangen. Eine Partei muß im Übrigen bei ihrer Entscheidung, einen Direktkandidaten aufzustellen, nicht in Rechnung stellen, daß sie die Wahl wegen irgendwelcher Verletzung des Wahlrechts wird anfechten müssen. Nach Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG muß
„die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen“.
Nach Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG „muß das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist“.
Eine verfassungsmäßige Ordnung, die die Rechtmäßigkeit der Wahlen nicht sicherstellt und den Bürgern nicht das Recht gibt, auf die Rechtmäßigkeit der Wahlen hinzuwirken, genügt nicht den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes, insbesondere nicht dem demokratischen Grundsatz, aber keinesfalls dem des Rechtsstaates. Zu diesen Grundsätzen gehört das Recht jeden Bürgers, auf die Rechtmäßigkeit der Wahl durch Einspruch beim Parlament und gegen die Zurückweisung des Wahleinspruchs durch den Landtag durch Beschwerde bei dem Verfassungsgericht oder einem Wahlprüfungsgericht hinzuwirken. Das Volk hat in Nord-rhein-Westfalen seit der Wahl vom 15. Mai 2022 keine Vertretung, die aus gleichen Wahlen hervorgegangen ist, wenn weil dieser Grundsatz bei der Aufstellung der Kandidatenlisten einer Partei mißachtet worden ist. Das ist in der Begründung der Beschwerde gegen die Ablehnung des Wahleinspruchs durch den Landtag vom 6. Oktober 2022 dargelegt.
Karl A. Schachtschneider
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