Samstag, 26. November 2022

Voll witzig, der Böhmi!

von Mirjam Lübke...

Er ist der Heckenschütze der deutschen Pseudo-Satire und der Scharfrichter im öffentlich-rechtlichen Massen-TV: Jan Böhmermann. Sein Intellekt mag dem anderer "Comedians" in Deutschland überlegen sein, aber dennoch - oder gerade deshalb - schafft er es regelmäßig, deren Niveau hinsichtlich ethischer Standards meilenweit zu unterbieten. Dennoch ist es müßig, sich über ihn aufzuregen - dabei greift er sich wahrscheinlich vor Freude an seinen kleinen Jan - oder ihm Vorwürfe zu machen. Psychopathisch veranlagte Menschen wie ihn tangiert das ungefähr so sehr wie der sprichwörtliche Sack Reis, der in China vom Fahrrad fällt. Könnte man die gesamte Antifa zu einer einzigen Person zusammenschrumpfen, käme ein zweiter "Böhmi" dabei heraus - und mit einem sind wir schon gestraft genug. Lediglich eine kurze Zeit des "Kleine-Brötchen-Backens" durften wir erleben, als er sich mit dem türkischen Präsidenten Erdogan an einem Gegner vergriff, der nicht nur noch eitler ist als er, sondern darüber hinaus auch ein bisschen mächtiger. Aber auch das schüttelte er rasch von sich ab.
 

Du bist der "heute-Show" durch die Lappen geschlüpft, hast tapfer alle Shadowbans auf Facebook ausgesessen, dir nach dem Ausschluss von einer Bühne einfach eine andere gesucht? "Böhmi" wird dich aufspüren und jagen wie Tommy Lee Jones Harrison Ford bei "Auf der Flucht" jagte. Nur, dass sich Jones in seiner Rolle schließlich von den entlastenden Beweisen überzeugen ließ. Aber um "Wahrheitsfindung" geht es dem Star des ZDF auch nicht - sondern um Bloßstellung. Das neueste Werk zeigt ein nachgestelltes RAF-Fahndungsplakat mit auf alt getrimmten Fotos jener Personen, die der "Satiriker" als Terroristen diffamieren möchte. Christian Lindner und Hendrik Streeck als "Linksextremisten": Das hat im Land der "Faschismuskeule" schon einen Hauch von Originalität. Ob echte Linksextremisten das überhaupt verstehen werden? Vielleicht hat sich "Böhmi" gerade neue Gegner geschaffen - denn in diesen Kreisen versteht man nur wenig Spaß. "Er hat uns mit dieser Journalistin von der Welt verglichen! Lasst uns eine Eingreiftruppe bei Indymedia gründen!"
 
Wenn es so einfach wäre, wie es sich anhört, würde ich den betroffenen Journalisten und Politikern raten, die Sache kommentarlos auszusitzen. Aber ganz ehrlich: Diesen Rat erhält man so oft im Leben, als hätte man irgendwo standardmäßig einen Knopf eingebaut, mit dem sich die Wut auf den anderen einfach ausschalten lässt. Manchmal, wenn ich selbst einen solchen Rat bekam, fragte ich mich, ob der Ratgeber überhaupt mitbekommen hatte, welche Dreistigkeit da gerade vonstatten gegangen war. Es steckt die Hoffnung dahinter, die Bösartigkeit des Quälgeistes würde sich schon irgendwann erschöpfen - aber nein! - sie wächst nach wie ein kratziger Damenbart. Als Chefs oder Kollegen schaffen es die Böhmermanns, reihenweise Mitarbeiter zu verekeln, weil sie scheinbar unangreifbar sind oder ihre Ekeligkeit mit Stärke verwechselt wird. In den Medien sind sie erfolgreich, weil ihre Boshaftigkeit bei den Zuschauern mehr oder minder freiwillig eine gewisse Faszination erzeugt - und damit Einschaltquoten. Der normale Zuschauer geht nicht davon aus, jemals auf "Böhmis" Speisekarte zu landen und kann sich in entspannter Schadenfreude zurücklehnen.
 
Es ist wie bei den sogenannten "Reality Soaps" im Privatfernsehen: Wer auf einem ungünstigen Platz in der sozialen Fresskette steht, freut sich, auf dem Bildschirm andere zu sehen, die in der Hierarchie noch unter ihm angesiedelt ist. Der Politiker oder Journalist, der noch nicht auf der Abschussliste der öffentlich-rechtlichen Sender steht, empfindet ähnlich. Mancher hält dem Druck nicht auf Dauer stand und passt sich dem gewünschten Verhalten an. Auch wenn ihm das ab einem bestimmten Zeitpunkt nichts mehr nutzt - wie man es an einigen ausgestiegenen AfD-Politikern sehr gut sehen kann. Da sind alle Beteuerungen umsonst - wer in Ungnade gefallen ist, kommt auf keinen grünen Zweig mehr. Es scheint also tatsächlich sinnvoll zu sein, einfach das Krönchen geradezurücken und sein Ding zu machen.
 
Das Problem dabei: In Deutschland fehlt es medial an Gegenkultur, die den "Abweichlern" den Rücken stärken könnte. Zwar gibt es mittlerweile eine Reihe von Online-Magazinen und auch YouTube-Kanälen, die ein hochwertiges Programm anbieten. Aber der Fernsehbildschirm ist fest in der Hand jener, die lieber einen Böhmermann dort sehen wollen als "echte" Satire. Diesem ist bereits ein Dieter Nuhr zu rechts - auch Nuhr erscheint auf dem Fahndungsplakat. Allerdings dürfte es schwierig sein, hier eine Allianz zu formen, denn auch die "Dissidenten" sind sich untereinander nicht grün. Es fehlt oft sogar der Minimalkonsens, dass wir alle Abweichler sind - denn aus diesem Krabbenkorb möchten viele gern entkommen. Das hat oftmals noch nicht einmal etwas mit einer ehrlichen Abneigung der Agenda des anderen zu tun - für mich käme auch keine Zusammenarbeit mit Antisemiten in Frage - sondern mit der Hoffnung, vielleicht doch wieder einen Fuß in die Tür zu bekommen. Neben Dieter Nuhr fielen mir da noch ein paar andere Namen von Autoren aus dem Netz ein, die entrüstet von sich weisen, etwas mit "Rechten" gemeinsam zu haben. Denn den großen Fleischtopf kontrollieren die Öffentlich-Rechtlichen und man muss von irgendetwas leben.
 
Diese Aussichten scheinen recht trübe zu sein. Denn um den Böhmermanns etwas entgegenzusetzen, braucht es mehr Reichweite, mehr Vernetzung und mehr finanzielle Mittel. Dann schaltet bei den Böhmermanns wahrscheinlich gar keiner mehr ein - sondern lacht lieber woanders.




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