von Mirjam Lübke...
In diesem Jahr wird es in meinem Fenster um die Weihnachtszeit auch elektrisch leuchten - allerdings "auf jüdisch": Für Chanukka habe ich mir eine LED-beleuchtete Deko gekauft, die ich Mitte Dezember in Stellung bringen werde. Bei uns auf dem Hof geht das problemlos, von den Nachbarn sind keine bösen Reaktionen zu erwarten - in einem linken Kiez oder Duisburg-Marxloh sähe das anders aus. Da wäre klar: Das ist kein religiöses, sondern ein politisches Statement - hier ist die jüdische Weltverschwörung am Werke! Übrigens empfinde ich es als positives Zeichen, dass man solche Deko-Artikel in Deutschland mittlerweile problemlos erwerben kann - das spricht nicht nur für einen vorhandenen Bedarf, sondern auch für eine Normalisierung des Zusammenlebens: Man muss sich nicht verstecken, zumindest in einer "normalen" Nachbarschaft nicht.
Deshalb ist es auch so wichtig, in der Debatte um Antisemitismus Ross und Reiter zu nennen. Wenn Juden wie die Dame im unten genannten Tweet Angst haben, ihren Davidstern offen zu tragen, kann ich das gut nachvollziehen, auch wenn mir bis auf die Verwicklung in nervenaufreibende Diskussionen bisher noch nichts Gravierendes passiert ist. Eigentlich sollte man als Jude gleichzeitig ein T-Shirt mit der Aufschrift "Palästina mich nicht voll!" tragen, denn der Stern wirkt auf manche Menschen wie ein Signal, ihre moralische Empörung über den Staat Israel auf den Träger auszukübeln, als hätten sie ihr Leben lang auf eine solche Gelegenheit gewartet. Ein sachliches Gespräch entwickelt sich daraus in der Regel nicht, denn hier treffen Welten aufeinander. Und ja: Spätestens nach der dritten Begegnung dieser Art legt man sich dann auch einen entsprechenden Abwehrpanzer zu. Und denkt über einen Krav-Maga-Kurs nach. Bei Adam Sandlers Zohan.
Gibt es Juden, die sich diesbezüglich gern in einer Opferrolle sehen? Schließlich machte der Fall Gil Ofarim vor einiger Zeit Schlagzeilen: Der weniger berühmte Sohn eines berühmten Vaters hatte einen Hotelangestellten fälschlich beschuldigt, ihn wegen seines Davidsterns nicht einchecken lassen zu wollen. Und das auch noch im Osten der Republik - da freute sich mancher Journalist schon heimlich ein Loch in den Bauch, das übliche "In Sachsen leben nur Nazis"-Fass aufzumachen. Ofarims Verhalten war schäbig, einerseits, weil ein Mann deshalb seinen Job verlor, aber auch, weil er all jenen, die Berichte über Antisemitismus für aufgebauscht halten, eine Steilvorlage bot. Das durfte auch die junge Frau unter ihrem Tweet erfahren, dabei hat sie niemanden konkret beschuldigt. Leider gibt es bei jedem kontroversen Thema immer wieder Trittbrettfahrer, unabhängig von religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit. Löst man Ofarims Verhalten aus dem jüdischen Kontext heraus, so steckt einfach Geltungssucht dahinter. Ein Nichtjude hätte sich eben ein anderes Reizthema gesucht.
Ob Schleudertrauma, sexuelle Belästigung oder Rassismus, jedesmal, wenn dabei Lügner entlarvt werden, haben die danach wirklich Betroffenen einen schweren Stand. Es wird zum Augenroller-Thema - "Och nö, nicht schon wieder eine Debatte über Antisemitismus!" oder "Schmerzensgeld? Ich habe ihr Auto doch kaum berührt!". Gerade beim Antisemitismus wird die Definition darüber, was denn nun welcher sei, seit Jahren immer schwammiger. Man muss sich als Jude durchaus bewusst sein, dass so mancher, der sich als Kämpfer gegen Judenhass geriert, das nicht zu unserem Schutz tut, sondern um seine eigenen Interessen durchzusetzen. Da wird ein falsches Wort aus dem Munde eines Nicht-Linken gerne einmal zum Skandal aufgeblasen und man gräbt nach Beweisen, ob der Redner nicht schon immer ein schlimmer Finger gewesen ist. Luisa Neubauer hat das mit Hans-Georg Maßen praktiziert, jemandem, der sicherlich niemals jüdisches Leben in Deutschland gefährdet hat. Aber Maßen war unbequem geworden, spätestens seit seinen Zweifeln an den Ereignissen von Chemnitz. Da wird so ein Bröckchen von den Medien gern aufgeschnappt. Auch eine Luisa Neubauer hat damit den Juden in Deutschland keinen Gefallen getan - denn der Vorwurf, Antisemitismus zu instrumentalisieren, wird letztlich wieder an uns kleben bleiben. Und: Falls er einmal berechtigt vorgebracht wird, nimmt ihn niemand mehr ernst.
Verschweigen des importierten Antisemitismus auf der einen Seite, aber auch das sich ungefragte Aufschwingen zum Anwalt des Judentums, um tatsächlich nur den politischen Gegner zu schwächen, das muss klar benannt werden, sonst ändert sich nichts. Das ist auch eine Frage der Selbstachtung - mir ist es bis heute ein Rätsel, warum sich jemand wie Charlotte Knobloch von der Politik nach Belieben an- und abschalten lässt. Wenn man mich nicht über die deutsche Iran-Politik sprechen ließe, sondern nur zum Kritisieren der AfD ans Rednerpult holt, dann sollte ich mir überlegen, ob da nicht etwas faul ist. Vor allem, wenn Sinn und Zweck der Übung ist, letztlich noch mehr Antisemitismus nach arabischer Art in das Land zu holen, in dem ich lebe. Darüber täuscht auch die in Deutschland von den "Guten" zelebrierte Erinnerungskultur nicht hinweg. Die mag für uns schmeichelhaft sein, nutzt uns aber rein gar nichts, wenn ein paar Straßen vom Berliner Mahnmal entfernt Hamas-Anhänger unter dem Schutz des Senats unseren Tod fordern. Liebe Mitjuden - da werden wir ordentlich hinters Licht geführt.
Ja, es gibt auch Antisemitismus unter Deutschen, wie auch die Kommentare unter dem genannten Tweet bewiesen. Und da sind Kraut und Rüben verloren. Diese Leute nerven uns genauso, wie umgekehrt viele Nichtjuden von den Friedmans und Knoblochs genervt sind. Es ist in diesem Falle ratsam, sich gegenseitig weitläufig zu umgehen um den Blutdruck zu schonen. Stattdessen sollten wir tatsächliche, alltägliche Gefahren ansprechen. Auch diese werden im Kontext der Dauerempörung über Rassismus, Sexismus und andere -ismen nicht mehr ernst genommen. Wenn zu viele Menschen "Löwe! Löwe!" rufen, wo keiner ist, bleiben am Ende die tatsächlich Bedrohten auf der Strecke.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen