Montag, 24. Oktober 2022

Schweigt, oh Ihr ungläubigen Kartoffeln!

von Mirjam Lübke...

Derzeit erwäge ich die Anschaffung eines Alphorns. Es müsste besonders groß und wohlklingend sein, vor allem aber so laut, dass die Erde erhebt und ganze Orkhorden aus dem Winterschlaf erwachen, um sich auf ihre Kriegselefanten zu schwingen. Dann erkläre ich die Göttin "Helvetia" zur Schöpferin des Universums, der jeden Mittag mit dem Klang des Horns Respekt gezollt werden muss. Wer das albern findet, wird von mir unverzüglich als helvetiophob beschimpft. Ist es nicht furchtbar intolerant, mir das Praktizieren meines Glaubens in der Öffentlichkeit zu untersagen? Die Anwohner können sich schließlich Ohrenstöpsel kaufen. Wenn so einem Alphorn allerdings ähnlich mühsam Töne zu entlocken sind wie einem jüdischen Schofar, scheitert der Plan an meinem Lungenvolumen.



Es ist in Deutschland außer Mode gekommen, für ein Anliegen nett zu werben, schließlich will man selbst etwas von der Gemeinschaft. Aber anstatt freundlich nachzufragen oder um Verständnis zu bitten, knallt gleich die Faust auf den Tisch. Oder eine der derzeit beliebten Keulen. Der Gerechtigkeit halber muss man einräumen: Es sind nicht nur Muslime, die derart fordernd in Erscheinung treten. Andrij Melnyk gibt regelmäßig eine Bestellliste per Twitter an die Bundesregierung weiter, mit der er die gewünschten Waffensysteme ordert ("Zehn Leopard in nachtblau-metallic bitte, mit Ledersitzen!"). Andere "Aktivisten" werfen Tomatensuppe und Kölner Muslime bestehen auf dem Muezzinruf. Widerstand ist zwecklos, frech kommt weiter, wie eine Kaffeewerbung der Neunziger verkündete. Die Selbstverständlichkeit, mit der dabei zu Werke gegangen wird, lässt einen erst einmal mit Schnappatmung zurück.

"Darf's noch ein bisschen mehr sein?", möchte man ironisch fragen. Alufelgen für die Panzer, Suppendosen direkt am Museumseingang oder die Soundanlage von Rock am Ring für die Kölner Zentralmoschee? Vielleicht sollten wir die Forderung von Nasir Ahmad, uns nicht mehr in muslimische Angelegenheiten einzumischen, erst einmal dahingehend ernst nehmen, dass wir auch jede finanzielle Förderung einstellen. Die muslimischen Einwanderer früherer Zeiten haben es schließlich auch ohne Hilfe geschafft, sich Gebetsräume einzurichten - und verhielten sich dabei wesentlich freundlicher. Da wurde kein nicht-muslimischer Gast abgewiesen wie bei der Einweihung der Zentralmoschee durch Erdogan. Aber das hat wohl den Verantwortlichen nicht gereicht, um wach zu werden: Die Gemeinde wünscht, die Gemeinde bekommt. Die Empörung über die Ausladung hielt nicht lange an.

Der Moderator Micky Beisenherz preist den Kölner Muezzinruf als wohlklingend, als Zeichen der Vielfalt. Das ist natürlich Geschmackssache - aber wer den Klang als weniger melodisch empfindet oder gar Unangenehmes damit verbindet, möge bitte den Mund halten. Offenbar auch Ex-Muslime, die vor den religiösen Restriktionen ihrer Heimatländer geflohen sind. Da hat man es nämlich mit der Vielfalt nicht so - schon gar nicht, wenn ein Mann sich zu seiner Homosexualität bekennt oder eine Frau ein gleichberechtigtes Leben führen will. Lautstarke Werbung für die Religion, die einem das Leben schwer gemacht hat, ist dann wohl das Letzte, was man hören möchte - da glaubt man sich auf sicherem Boden und schon wird auch dieser als in Besitz genommen markiert. Islam findet in Deutschland längst nicht mehr dezent statt - man zeigt Präsenz.
 
Fordernde Aussagen wie die von Nasir Ahmad unterstreichen diesen Anspruch - und gleichzeitig würde er es wohl als "islamophob" bezeichnen, ihn direkt auf diese Tatsache anzusprechen. Es ist schließlich nicht so, dass in Deutschland jemand die Freiheit der Religionsausübung der Muslime beschränken will, keine Religion ist zudem so medienpräsent. Jeder gutsortierte Supermarkt in Deutschland bietet Wurstwaren an, die halal sind, manche Kantine hat sich schon vollkommen auf Muslime eingerichtet. Aus deutschen Städten sind Frauen mit Kopftuch nicht mehr wegzudenken, manche tragen sogar Ganzkörperverhüllung. "Ja was denn noch?", möchte man fragen. Wann sind sie zufrieden - wenn ganz Deutschland konvertiert ist?
 
Ich habe nichts gegen muslimische Läden oder Dönerbuden. Zu wem jemand betet, muss ebenfalls jedem selbst überlassen bleiben. Aber was meine Alarmglocken schrillen lässt, ist jeglicher Bekenntniszwang. Wahrscheinlich fühlt sich unsere "woke" Gesellschaft auch deshalb so vertraut mit dem Islam, weil sie diese Bekenntniszwänge selbst exzessiv praktiziert. Wer schon andere unter Druck setzt, weil sie sich zu Themen wie dem Klimawandel, Corona oder der queeren Szene neutral verhalten, hat natürlich ein massives Problem mit einem "Nein" oder jeglicher Grenzziehung. Es gibt keinerlei Bereitschaft, sich im öffentlichen Raum auf Kompromisse zu einigen.
 
Auch deshalb wird die Schraube immer weiter angezogen - die harmoniesüchtigen Deutschen werden einfach überrollt. Es ist nur immer wieder erstaunlich, dass die meisten dabei noch nicht einmal mit den Zähnen knirschen, sondern sich das gern gefallen lassen. Da haben aggressive Ideologen aller Couleur natürlich leichtes Spiel.




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