von Mirjam Lübke...
Panzerlieferungen und Maskenpflicht - da gibt es dich keinen Zusammenhang, oder? Wie immer habe ich da so eine Theorie...
Leben wir nicht in verrückten Zeiten? Wir erleben gerade Militärexperten wie Brigadegeneral Vad, die Pazifisten erklären müssen, dass es gar nicht so einfach ist, in den Krieg zu ziehen. Wenn man mir vor zwanzig Jahren so etwas erzählt hatte, würde ich ungläubig den Kopf geschüttelt haben. Im Berliner Hauptstadtstudio des ZDF steht Anton Hofreiter breitbeinig vor der Kamera und will 47 - nicht ganz betriebsbereite - Panzer in die Ukraine schicken. Und Brigadegeneral Vad gilt nun als Putin-Versteher, weil er in einer Talkshow erklärte, dass dieser Transport schon wegen seiner logistischen Aufwändigkeit keine gute Idee wäre: Die Panzer wären eventuell schon einem Angriff zum Opfer gefallen, bevor sie überhaupt im Zielgebiet befunden hätten. So einen Panzer verschickt man nicht mal eben mit DHL und er schluckt, nebenbei gesagt, auch eine Menge Diesel. Grüne Parolen sind offenbar nur was für das einfache Volk und ansonsten flexibel wandelbar.
Was noch verrückter ist: In großen Teilen deckt sich die Menge der Säbelrassler mit jenen, die noch vor ein paar Wochen eine Todesangst vor einem winzigen "Killervirus" hatten. Und immer noch haben. Es geht mir hier nicht um eine strategische oder moralische Bewertung der Waffenlieferungen, aber angesichts des panischen Verhaltens in den letzten zwei Jahren kommt mir das Rühren der Kriegstrommeln ein wenig wie der Salonsozialismus des 20. Jahrhunderts vor, der Menschen am anderen Ende der Welt das Ertragen kommunistischer Experimente aufnötigte, während man selbst bei einem guten Rotwein saß. Kann sich jemand vorstellen, dass sich Annalena Baerbock oder Toni Hofreiter selbst durch den Matsch robben, um Europa zu verteidigen? Auch die grüne Jugend sieht mir nicht so aus, als würde sie sich freiwillig ins Getümmel gegen Putins Horden werfen. Das verurteile ich noch nicht einmal, ich würde wahrscheinlich schon am ersten Tag vor Angst sterben - Deutsche im Allgemeinen empfinden eine Abneigung gegen derlei Risiken.
Ob es eine Art Stellvertreterkrieg ist? Nicht im gleichen Sinne wie der Konflikt im Jemen, wo der Iran und Saudi-Arabien ihre Gefechte auf dem Rücken der Bevölkerung austragen, sondern eher in Form eines zur Realität gewordenen PC-Spiels. Denn die Angst sitzt den meisten Deutschen noch in den Knochen, nicht nur die Angst vor dem Virus, sondern auch davor "etwas falsch zu machen". Man sieht es an dem Erfahrungsbericht aus Twitter im Bild: Sobald sich deutsche Touristen in einer Umgebung befinden, in der es nicht üblich ist, einen Mundschutz zu tragen, wird die Angst, unangenehm aufzufallen, größer als die vor dem Virus. Nach der Rückkehr in die Heimat wird man zwar die Erkenntnis im Gepäck haben, dass ein Überleben ohne Maske durchaus im Bereich des Möglichen liegt - aber dann greift wieder die Angst davor, als unsozialer Corona-Leugner beschimpft zu werden. Wenn wir davon ausgehen, dass eine Menge Deutsche zwischenzeitlich Urlaub im maskenlosen Ausland gemacht haben, dürften in unserem Land ebensoviele Bürger herumlaufen, die genau wissen, wie blödsinnig eine Maskenpflicht ist - aber sie machen trotzdem weiter mit.
Die Maske erfährt derzeit eine Renaissance im Paniker-Lager, denn der Deckel auf den Nachrichten über Impfschäden und den zweifelhaften Nutzen der Gebräue schließt nicht mehr dicht. Aber diesen Krieg will man noch nicht verloren geben: Um einmal im einschlägigen Jargon zu bleiben, ist der Mundschutz nun so etwas wie der "Volkssturm" gegen das Virus. Jetzt werden die letzten Kräfte mobilisiert! Ich glaube, manch einer sieht sich so auf Augenhöhe mit den Verteidigern Mariupols. Ob Virus oder Kugel, das macht doch keinen Unterschied!
Den gibt es natürlich sehr wohl - der Krieg gegen Corona lässt sich nämlich bequem vom Sofa aus führen, und der Feind hat deutlich an Bedrohlichkeit verloren. Karl Lauterbach wird der Omikron-Variante wohl nie verzeihen, dass sie die Lage entspannt hat. Wächst also in den Deutschen ein Bedürfnis nach neuer Gefahr heran? Wollen die Hofreiters der Welt beweisen, ganze Kerle zu sein, obwohl man es ihnen nicht mehr zutraut? Wenn sie nun ihre Männlich- und Wehrhaftigkeit wiederentdecken, wälzen sie den schwierigen Teil der Arbeit freilich auf andere ab - "Liebe Ukrainer, wir sind leider persönlich verhindert, aber wir drücken euch ganz fest die Daumen! Immerhin besitzt ihr jetzt mehr fast funktionstüchtige Panzer als die Bundeswehr!"
Es geht nicht darum, ob es moralisch geboten ist, die Ukraine mit Waffen zu unterstützen, für Ablehnung oder Zustimmung gibt es jeweils vernünftig klingende Argumente. Vielleicht macht es sogar Sinn, zu schummeln und Lieferungen über Drittstaaten laufen zu lassen. Und man kann und muss auch darüber diskutieren, wie viel Neutralität wir uns als Staat leisten können. Gern wird dabei ins Feld geführt, dass Europa heute anders aussähe, wenn die Alliierten Hitlers Treiben untätig zugesehen hätten. Das ist natürlich ein wunder Punkt - aber ist die Situation wirklich vergleichbar?
Mich interessiert in diesem Zusammenhang erst einmal nur, warum es bei ehemaligen Pazifisten zu einem derart radikalen Gesinnungswandel kommen konnte. Hat erst die geographische Nähe unterdrückte Aggressionen durchbrechen lassen? Das allein kann es nicht sein, denn das Recht auf die Verteidigung des Eigenen wird uns noch nicht einmal im eigenen Umfeld zugestanden. Als es noch eine Sowjetunion gab, fanden die grünen Urväter deren Aufrüstung stets ein bisschen harmloser als die der Amerikaner. Und nun ist plötzlich Erdogan aus der Schusslinie und darf keineswegs mit Putin verglichen werden - das gilt als Relativierung. Vielleicht sucht man auch vergebens nach einem roten Faden in dieser Wankelmütigkeit, weil das einzige Bindeglied der Wunsch ist, diesmal alles "richtig" zu machen. Dann könnte Deutschland gerade wieder von einer Massenpsychose in die nächste gerutscht sein. Von Corona bis zu Putin - auch jetzt gibt es angeblich nur den einen richtigen Weg.
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