Mittwoch, 23. Februar 2022

Klimaschutz mit Annalena Baerbock...

von Thomas Heck...

Deutschland wird ja zur Zeit durch feministische Außenpolitik beglückt. Was es bislang gebracht hat, kann man ja am aktuellen Konflikt in der Ukraine ablesen. Beeindruckender Erfolg einer Annalena Baerbock. Was auch beeindruckend ist, ist die Umweltfreundlichkeit des politischen Wirkens unserer amtierenden Bundesaußenministerin. So hat Auswärtige Amt eine Maschine der Flugbereitschaft bestellt, doch die Ministerin nutzte lieber den Zug. Der Regierungsjet kehrte ohne Passagiere nach Deutschland zurück. Solche Leerflüge verursachen unnötige Schadstoffemissionen und Kosten. 


Außenministerin Annalena Baerbock reist derzeit für ihre Antrittsbesuche rund um die Welt. Ihre erste politischen Visite sorgt jetzt nachträglich für Kritik. Am 9. Dezember vergangenen Jahres war die Grünen-Politikerin vormittags mit der Flugbereitschaft der Bundeswehr nach Paris geflogen. Doch für die spätere Weiterreise ins 264 Kilometer Luftlinie entfernte Brüssel nutzte sie den vom Auswärtigen Amt bestellten Airbus nicht, sondern lieber den Hochgeschwindigkeitszug Thalys.

Um Schadstoffemissionen zu reduzieren, aber tatsächlich sparte Baerbock nichts ein: Denn die Regierungsmaschine flog ohne Passagiere nach Deutschland zurück. In sozialen Netzwerken wurde dies umgehend kontrovers diskutiert. Wollte die Ministerin nur ihr Image aufpolieren oder ernsthaft etwas für das Klima tun?

Auf den ersten Blick ist dies eher eine kleine Sache. Doch dem hohen Anspruch der Grünen, viel öfter klimaneutral unterwegs zu sein, ist Baerbock selbst nicht gerecht geworden. Glaubhafter wäre es gewesen, den ohnehin bereit gestellten Airbus für die ganze Strecke zu nehmen. Der Vorgang ist pikant, weil die Grünen – als sie noch in der Opposition waren – solche Leerflüge mehrfach als klimaschädlichen Missstand angeprangert haben.

„Einfach irre“ hatte Stefan Gelbhaar, der Grünen-Verkehrsexperte im Bundestag und frühere Berliner Parteichef, diese Praxis genannt. Auch der Grünen-Verteidigungsexperte Tobias Lindner hatte zu dem Thema eine parlamentarische Anfrage gestellt. Er wollte wissen, welche Schadstoffmenge die Regierungsflotte mit ihren 16 Maschinen bei Leerflügen insgesamt ausstößt. Die Antwort der Bundesregierung: Dadurch seien jährlich rund 4000 bis 5500 Tonnen an CO2-Emissionen verursacht worden.

Der Umgang mit der aktuellen Angelegenheit ist jedoch auffällig: Das für die Flugbereitschaft der Bundeswehr zuständige Verteidigungsministerium nimmt nämlich zu Baerbocks Fehltritt nur ausweichend Stellung. WELT fragte, wie klimaneutral die Dienstreise der Ministerin wirklich war? „Zur Klimabilanz/zum CO2-Ausstoß konkreter Flüge kann keine Auskunft gegeben werden, da die Verbrauchswerte stark von den tagesaktuellen Rahmenbedingungen abhängen“, teilte das Ministerium mit. Dies sei je nach Flughöhen, Geschwindigkeiten oder Temperaturen unterschiedlich.

Am 14. Januar stellte Unions-Verteidigungsexperte Florian Hahn (CSU) im Bundestag eine Anfrage zu Baerbocks Leerflug. Er wollte wissen, warum sie den Regierungsjet für die Visite in Brüssel nicht nutzte. Die Antwort von Baerbocks Staatssekretärin Susanne Baumann, die WELT jetzt vorliegt: „Zur Erledigung ihrer Amtsgeschäfte versucht die Bundesministerin möglichst nachhaltig zu reisen. Das Flugzeug der Flugbereitschaft, welche die Delegation am 9. Dezember 2021 nach Paris geflogen hat, wurde anschließend nach Köln/Bonn zurückverlegt.“

Auch WELT fragte bei Baerbocks Ministerium nach. „Für die Zugfahrt von Paris nach Brüssel wurde der Thalys genutzt, der nach Betreiberangaben zu 100 Prozent mit Ökostrom betrieben wird“, erklärte das Auswärtigen Amt. Damit habe man einen Kurzstreckenflug einsparen können. Dass die Maschine leer nach Köln-Bonn zurückkehrte, sei von der Flugbereitschaft nach deren „operativen Vorgaben“ festgelegt worden.


Soll heißen: Verantwortlich dafür ist nicht Baerbock, sondern das Verteidigungsministerium. Das Auswärtige Amt betont zudem, Leerflüge seien sinnvoll, weil Angehörige der Luftwaffe sie für die Aus- und Fortbildung nutzen würden. Allerdings fehlt ein Beleg dafür, dass es auch in diesem Fall so war.

Pro Jahr sind bei den bisherigen Bundesregierungen mehrere Hundert solcher Leerflüge registriert worden. Sie finden größtenteils deshalb statt, weil die Jets der Flugbereitschaft ständig zwischen ihrem Heimatflugplatz an der Luftwaffenkaserne Köln-Wahn (1200 Soldaten, 100 Zivilkräfte) und dem Regierungssitz Berlin hin und her geflogen werden müssen.

Bestellen Kanzleramt und Ministerien die Flugbereitschaft, müssen die Maschinen erst leer von Köln nach Berlin herangeschafft werden. Am BER steigen die Regierungsmitglieder bei der Hinreise ein, und auf dem Rückweg dort auch aus. Die Flugzeuge kehren anschließend vom BER wieder ohne Passagiere nach Köln zurück.

Denn einen richtigen Regierungsflughafen gibt es in der Hauptstadt selbst mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Umzug des Bundestags von Bonn nach Berlin immer noch nicht. Auf dem BER existiert bisher nur ein provisorisches Terminal ohne größere Abstellflächen, die aber für eine Stationierung der gesamten Regierungsflotte mit den schwarz-rot-goldenen Streifen nötig wären.

Immer wieder fragen Bundestagsabgeordnete die Anzahl der Leerflüge beim Verteidigungsministerium ab. 607 waren es im Zeitraum vom 1. März 2018 bis 28. Februar 2019 zwischen den Standorten Köln-Bonn und Berlin. Aufgrund der Pandemie sanken die Zahlen, auch Regierungsmitglieder waren seltener unterwegs. Das geht aus einer Antwort auf eine Anfrage von FDP-Vizefraktionschef Stephan Thomae in der letzten Legislaturperiode hervor. Ihm wurde mitgeteilt, dass vom 1. Januar 2020 bis 31. März 2021 insgesamt 353 Leerflüge stattfanden.

Für Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) zeigt „Baerbocks Fauxpas“, dass die um Klimaneutralität bemühten Grünen langsam in der Realität des Regierungshandelns ankämen. „Angesichts ihrer früheren Forderungen ist das offenbar ein schmerzhafter Prozess“, so Frei. Solche Leerflüge seien vermeidbar, mit Baerbocks Symbolpolitik werde Vertrauen bei den Bürgern verspielt. „Öffentlichkeitswirksam einen Zug zu besteigen, während die Regierungsmaschine leer heimkehrt, ist absurd.“

Und nach Ansicht des Unions-Verteidigungsexperten Florian Hahn ist Baerbocks Leerflug ein Beispiel für die Doppelmoral der Grünen: „Da ist die Show wichtiger als die Klimabilanz.“
Leerflüge kosten zehn Millionen Euro im Jahr

Was hat Baerbocks Leerflug gekostet? Nach internen Berechnungen der Flugbereitschaft schlägt eine Flugstunde im Airbus mit mehr als 40.000 Euro zu Buche, inklusive Crew und Wartung. Die Gesamtkosten für Leerflüge lagen in den letzten Jahren im Schnitt bei zehn Millionen Euro jährlich. Offizielle Angaben will das Verteidigungsministerium nicht machen, weil es die Kosten als geheime Verschlusssache einstuft.

Begründet wird dies damit, dass angeblich die Sicherheit Deutschlands gefährdet sein könnte: „Bei offener Beantwortung wäre eine freie Einsicht in die Möglichkeiten der Bundeswehr von vorhandenen Fähigkeiten, Abläufen und Zeitlinien in Bezug auf Verteidigung und Abwehr von Angriffen zu befürchten.“

Selbst der Jahresetat mit 284 Millionen Euro für die gesamte Regierungsflotte ist schwer zu finden, weil sie aus mehreren Haushaltstöpfen gespeist wird. Fest steht indes: Flüge mit Regierungsjets sind deutlich teurer als Linienflüge.

Wohl auch darum gelobt Baerbock Besserung. Das Auswärtige Amt hat jetzt angekündigt, die Ressortchefin wolle künftig das Angebot ziviler Luftfahrtgesellschaften nutzen, um den CO2-Ausstoß bei ihren Auslandsreisen gering zu halten. Vor einer Reise soll nun immer geprüft werden, ob diese terminlich und logistisch per Linienflug möglich ist. Den nahm Baerbock erstmals bei ihrem Antrittsbesuch am 15. Februar in Madrid.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen