Samstag, 16. Oktober 2021

"Wowereit, Dein Flughafen ist scheiße..."

von Thomas Heck...

Der Berliner war in Sachen Flughäfen eigentlich immer ein wenig privilegiert. Immerhin hatten wir in Spitzenzeiten 4 Flughäfen, Schönefeld in Brandenburg, Tegel, Gatow und Tempelhof. Gatow wurde 1994 außer Dienst gestellt, 2008 folgte der Zentralflughafen Tempelhof, von dem mein erster Flug als Kind nach Sylt erfolgte und auf dem ich unter Anleitung einmal eine Cessna starten und landen durfte. Tegel wurde im Zuge der Eröffnung des BER ebenfalls geschlossen, was angesichts des Berliner Schlendrians so intelligent war, wie die Entscheidung zur letzten Bundestagswahl mit Wahl zum Abgeordnetenhaus und Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung, gleichzeitig den Berlin Marathon stattfinden zu lassen.

Angesichts des Chaos am BER wünschten sich viele Berliner ihren alten Flughafen Tegel und/oder Tempelhof zurück. Beides Flughäfen der kurzen Wege. In Tegel war immer beeindruckend, wie schnell nach der Landung das Gepäck zur Verfügung stand.  Heute kann der Berliner nur noch auf den BER zurückgreifen.


Genau, ich rede vom BER. Diesem Witz von einem Airport, der noch in Klaus Wowereits Amtszeit durchgeprügelt werden musste. Dann wurde er zehn Jahre nicht in Betrieb genommen und nun gilt er international als Sinnbild für Missmanagement und Fehlplanung am Rande der deutschen Hauptstadt. Ein Monument Berlin-Brandenburgischer Wurschtigkeit.

Einmal gelandet, begann der Ärger ohne Verzögerung. Die gute Laune verpuffte mit dem Ausstieg aus dem Easyjet-Flieger. Während in Italien die Gepäckausgabe gefühlt direkt neben dem Flugzeug beginnt, muss man am BER eine Viertelstunde durch das Gebäude traben. Vorausgesetzt, man übersieht auf seinem Marsch die handtellergroßen Schilder nicht, die den Weg zum eigenen Koffer weisen. Das passiert aber sehr leicht. Denn wie bei einem Hindernisrennen werden einem alle möglichen Steine in den Weg gelegt. Die Brandenburger Version von „Squid Game“ sozusagen. Nur dass hier bislang niemand erschossen wurde.

Wir hasteten die Gänge entlang, immer auf der Suche nach den kleinen Schildchen. Die Förderbänder, die uns in Italien so lautlos und sanft durch den „Aeroporto silencio“ transportiert hatten, den Flughafen, wo auf alle unnötigen Ansagen verzichtet wird, waren am BER außer Betrieb. Bewegungslos lagen sie neben dem Strom genervter Reisender auf der Suche nach der Gepäckausgabe. 

Ich fühlte mich wie in Kalkutta

Fluchend betrat ich eine der Vereinzelungsschleusen aus Sicherheitsglas, die die Menschenmengen vom Rennen abhalten sollen. Um zu rennen, war es aber ohnehin zu voll. Die Schleuse öffnete sich, schloss sich hinter mir und – öffnete sich nicht wieder. Das Signal war grün, doch nichts bewegte sich. Eine Stimme vom Band faselte etwas von falscher Laufrichtung, egal, in welche Richtung ich mich drehte. Ich war gefangen in der Kleinbürgervision eines Provinzflughafens. Von außen sah das bestimmt komisch aus, doch keiner lachte. 

Drinnen spürte ich die Wut in mir aufsteigen, ich hätte jetzt gerne jemanden angeschrien – einen Bürgermeister a.D., die Flughafenplaner, den Vereinzelungsschleusenentwerfer oder den nächstbesten Rollkofferfuzzi in seinen karierten Dreiviertelshorts und dem „Camp-David-by-Dieter-Bohlen“-Shirt. Natürlich tat ich das nicht, sondern bedankte mich höflich bei einem Mann, der die Schleusentür beherzt aufdrückte und mich befreite. Die Computerstimme schwatzte weiter, draußen schrie ein Vater seine quengelnden Kinder an, mein Freund suchte eine Toilette.

Die meisten Toiletten waren jedoch geschlossen. Handwagen mit Reinigungsutensilien versperrten die WC-Eingänge, vor einem stand nun mein Freund und grinste gequält. Neben ihm wartete eine verzweifelte Frau, auf dem Arm einen weinenden Säugling, der sich offenbar in die Windeln gemacht hatte und nun von seiner Mutter nicht gewickelt werden konnte, außer auf einem der dämlichen Hartschalensitze an der Wand neben der Toilette. Ich fühlte mich wie in Kalkutta. Der Lärm war ohrenbetäubend und es roch nach Schweiß, Urin und schlecht gelüfteten Gängen, als wir endlich die Gepäckausgabe erreichten.

Guten Tag, Sie haben diesen Flughafen überlebt

Waren Sie schon mal im Hochsommer auf Kreta? Der Airport Iraklio der ansonsten wunderbaren Insel gleicht dann einem Schweinestall mit angegliedertem Flugsteig. So muss man sich die Gepäckausgabe am BER vorstellen. Es war voll, Leute riefen durcheinander, Durchsagen quäkten kaum Verständliches und an jedem Förderband warteten Menschen dicht gedrängt auf ihr Gepäck, das mit aufreizender Behäbigkeit aus dem Keller dieser Karikatur eines Flughafens ans Licht ruckelte.


Wir rissen nach einer gefühlten Ewigkeit unsere Taschen vom Band und flüchteten zu einem Hinterausgang, wo der Spaß erst richtig begann. Noch mehr schreiende Leute und Dutzende Taxis erwarteten uns, dazu grauer Beton und der graue Brandenburger Himmel. Doch ein Taxi aus der Schlange durften wir nicht nehmen, wie uns ein netter, mit türkischem Akzent sprechender Fahrer erläuterte. Denn wir wollten ja nach Berlin, waren aber in Brandenburg und in dieser Taxireihe waren nur Fahrgäste zugelassen, die auch in Brandenburg bleiben wollten. Aber wer will das schon?

Die Taxis nach Berlin seien da hinten, erklärte uns der Mann und deutete mit dem Arm in eine unbestimmte Richtung, wo weitere Autos warteten. Das alles kann man kaum nachvollziehen, wenn man aus Berlin kommt. Wie aber muss all dieser Irrsinn, diese bratärschige Beamtenmentalität, die hier am Werke war und ist, erst auf Gäste aus dem Ausland wirken? Guten Tag, Sie haben diesen Flughafen überlebt, aber dieses freie Taxi dürfen Sie trotzdem nicht nehmen. Willkommen am BER, dem Prestigeobjekt der deutschen Hauptstadt.



1 Kommentar:

  1. Was haben die bisherigen Kommentare mit dem Thema des Blogbeitrages zu tun?
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    Ansonsten überrascht es mich immer wieder, daß meine Vorstellungen vom Flughafenchaos in Berlin immer wieder durch Erlebnisschilderungen weit übertroffen werden. Unglaublich. Um diesen Flughafen werde ich immer einen großen Bogen machen, naja, um Berlin sowieso.

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