Freitag, 18. September 2020

Vom Ich zum Wir... willkommen in Berlin, der Hauptstadt der DDR

von Thomas Heck...

Mit dem Mietendeckel hat es in Berlin angefangen: Der Umbau der Stadt zu einer sozialistischen Planwirtshcaft. Die Folgen der Umgestaltung in eine DDR 2.0 lassen sich auf dem Mietermarkt bereits ablesen, der komplett eingebrochen ist. Nun folgt der nächste Schritt in den Sozialismus: Die Enteignung: Die Innenverwaltung hat dafür den Weg freigemacht. Willkommen in Berlin, der Hauptstadt der DDR 2.0 - auf dem Weg in die 3. sozialistische Diktatur auf deutschem Boden.




Vergessen wir die Geschichte, holt sie uns ein. Das gilt auch für einen Regierenden Bürgermeister. Rund 800.000 Bauernbetriebe wurden in der DDR bis Ende 1960 enteignet. Zwangskollektivierung. Viele Bauern flohen in die BRD, die Suizidrate der Landbevölkerung stieg signifikant. Leid, das die DDR-Propaganda mit dem Slogan „Vom Ich zum Wir“ verharmloste. 60 Jahre später schmückt dieser Spruch die Beschreibung des offiziellen Twitter-Accounts der Stadt Berlin. Auch auf der Seite der Senatskanzlei findet sich die Formel als theoretischer Überbau zum neuen Berlin-Slogan „Wir sind ein Berlin.“ Von einem AfD-Abgeordneten angesprochen, sagte der Regierende Michael Müller (SPD) gestern im Abgeordnetenhaus: „Erstens, es ist mir nicht bekannt und zweitens glaube ich, es ist auch sehr weit hergeholt.“ Jens Schöne, stellvertretender Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur beim Land Berlin, der zum Thema promoviert hat, ist „im höchsten Maße“ irritiert: „Mit Blick auf die Opfer und Folgen des Prozesses ist dieses Motto als neue Berliner Markenformel völlig ungeeignet.“

Gegenwart statt Geschichte ist das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, das die Innenverwaltung am Donnerstag für rechtlich zulässig erklärt hat. Eine inhaltliche Bewertung des Volksbegehrens sei damit aber nicht verbunden, teilt die Behörde mit. Inhaltlich gibt’s innerhalb der rot-rot-grünen Koalition Krach. Die Linke befürwortet die Initiative uneingeschränkt, SPD und Grüne sind skeptisch. Die CDU sprach von „ideologischem Wahnsinn“, die FDP von „fatalen Signalen“. Die Organisatoren der Initiative sind optimistisch, im zweiten Schritt Unterschriften von den erforderlichen sieben Prozent der Berliner Wahlberechtigten (etwa 175.000 Personen) zu sammeln. Die Deutsche Wohnen reagierte am Donnerstag nicht, ihr Aktienwert kletterte unbeirrt weiter.


So titelt der Tagesspiegel: Wo Berlins neue Werbekampagne an DDR-Propaganda erinnert

Die Begründung der neuen Markenstrategie klingt wie eine DDR-Losung. Ein Historiker findet das „im hohen Maße irritierend“, Michael Müller weist Kritik zurück.

Mehr als ein Jahr hat die Senatskanzlei gemeinsam mit der Werbeagentur „Jung von Matt“ gefeilt, Umfragen wurden in Auftrag gegeben, Statistiken ausgewertet. 1,5 Millionen Euro hat die Erarbeitung des neuen Berlin-Slogans „Wir sind ein Berlin“ gekostet. Jetzt, nicht einmal eine Woche nach der offiziellen Präsentation beim Festival of Lights, steht er bereits in der Kritik.

Konkret geht es um den Satz „Vom Ich zum Wir“, der unter anderem in der Beschreibung des Twitter-Accounts der Stadt Berlin oder auf Seiten der Senatskanzlei auftaucht. Dort wird er als zentrale Formel für die „partizipative Markenstrategie“ und den Übergang vom alten Slogan „be Berlin“ zum neuen Spruch angeführt, der „nun stärker das Gemeinschaftliche betont“.

Derselbe Slogan war 1960 als DDR-Propaganda genutzt worden, um die Zwangskollektivierung in der Landwirtschaft zu rechtfertigen. Nachdem der Tagesspiegel darüber berichtet hatte, wollte der AfD-Abgeordnete Martin Trefzer am Donnerstag im Abgeordnetenhaus wissen, ob dem Senat der historische Kontext bekannt sei.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) antwortete: „Erstens, es ist mir nicht bekannt, und zweitens glaube ich, es ist auch sehr weit hergeholt.“ Das sei „sehr bemüht konstruiert“. In der neuen Kampagne wolle man ausdrücken, dass eine solidarische Stadt vom Miteinander, vom „Wir“ lebe. „Das ist unsere Kampagne.“ Sie sei eine „gute Weiterentwicklung“, meinte Müller.

Müller: Eine Kampagne ist nicht nur eine Formulierung

Trefzer fragte nach, ob Müller auf die Erinnerungen der Opfer der DDR Rücksicht nehmen wolle. Müller antwortete, es sei ein Anliegen des Senats, „auf die Opfer der DDR-Diktatur zuzugehen und mit ihnen gemeinsam in unterschiedlichsten Gesprächsformaten zu sehen, wie ihre Situation verbessert werden kann“.

Aber das „zu vermischen mit einem werblichen Auftritt der Stadt“ und zu versuchen, einen Zwiespalt zu konstruieren, fände er der Sache nicht angemessen und den Menschen gegenüber nicht redlich. „Das weise ich mit Entschiedenheit zurück.“ Im Übrigen, ergänzte er später, erstrecke sich eine Kampagne auch nicht auf eine Formulierung.

Eine „kommunistische Parole“ für die Zwangskollektivierung

Jens Schöne, Zeithistoriker und stellvertretender Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur beim Land Berlin, sieht das anders. Er hat zur Kollektivierung der Landwirtschaft in der DDR promoviert. „Ich finde das im hohen Maße irritierend“, sagt er.

Schöne erklärt, es habe vor der Enteignung in der DDR 800.000 Bauernbetriebe gegeben, nach der Kampagne noch rund 2.000. „Theoretisch sollte das alles freiwillig ablaufen. Die Landwirte mussten das auch unterschreiben. Tatsächlich war es aber eine konzertierte Aktion und der Weg, das Privatbauerntum zu beenden“, sagt Schöne.

Hunderttausende Bauern seien enteignet worden, viele seien anschließend in die Bundesrepublik geflohen, auch die Suizidrate in der bäuerlichen Bevölkerung sei signifikant gestiegen. Die Folgen der Enteignung und der Gründung Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften bestünden in Ostdeutschland bis heute, kleine landwirtschaftliche Strukturen gebe es kaum. Schöne bilanziert, dass „Vom Ich zum Wir“ eine „kommunistische Parole“ gewesen sei, mit der die Zwangskollektivierung durchgesetzt wurde. „Mit Blick auf die Opfer und Folgen des Prozesses ist dieses Motto als neue Berliner Markenformel völlig ungeeignet.“

Nachtrag: Mittlerweile hat der Senat klammheimlich den Slogan entfernt. Die Hoffnung? Dass es keiner bemerkt hat.







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