von Thomas Heck...
Katharina Pfister, die Chefin des Amts für Migration und Flüchtlinge im Kreis Böblingen, sieht keine Loyalitätsprobleme, wenn Menschen mehrere Staatsbürgerschaften haben. Im Gegenteil: Das entspreche der Lebensrealität vieler Bürger.
Böblingen - Die Einbürgerungskampagne zeigt bereits erste Erfolge. Viele Anrufer meldeten sich auf die persönlichen Schreiben des Böblinger Landrats, berichtet die Amtschefin Katharina Pfister.
Frau Pfister, warum sollen die hier lebenden Ausländer unbedingt Deutsche werden?
Die Einbürgerung steht für hundert Prozent gleichberechtigte Teilhabe in Deutschland und ist damit das logische Ziel der Integration. Mit der Einbürgerung wird man deutsch und ist an Rechten und Pflichten gleich. Mit unserer Kampagne „Hier pass ich rein“ wollen wir auch ein Signal senden: Wir sind offen für Zuwanderer. Und wir möchten, dass ihr ganz zu uns gehört. Das ist ein persönliches Anliegen unseres Landrats Roland Bernhard.
Für EU-Bürger ändert sich aber auch mit der Einbürgerung kaum etwas.
Sie dürfen dann aber auch auf jeden Fall auf Bundes- und Landesebene mitwählen. Vor allem aber geht es um das Standing. Mit der Einbürgerung bekennt man sich zu dem Land, in dem man lebt.
EU-Bürger haben dann die doppelte Staatsbürgerschaft. Sehen Sie da keine Probleme mit der Loyalität?
Nicht nur EU-Bürger, die sich einbürgern lassen, haben mehrere Staatsbürgerschaften, das gilt auch für Iraker, Brasilianer oder Tunesier. Denn diese und andere Länder entlassen niemanden aus der Staatsbürgerschaft. Ich denke, es ist sehr gut möglich zu sagen: „Ich bin Iranerin und Deutsche.“ Das ist Lebensrealität für viele Menschen. Sie haben Erfahrungen in ihrem Herkunftsland gemacht und Erfahrungen in Deutschland, wo sie leben.
Wie wollen Sie die Leute motivieren, Deutsche zu werden?
Wir schreiben alle Personen an, die die Voraussetzungen erfüllen. Zudem haben wir eine Broschüre entworfen, die wir auslegen. Und wir organisieren bereits seit Jahren zweimal im Jahr eine Einbürgerungsfeier. Da kommen manche mit der ganzen Familie und mit Freunden. Das ist immer sehr feierlich. Auch da senden wir das Signal: „Ihr seid uns willkommen."
Nicht jeder will Deutscher werden.
Das ist auch in Ordnung. Es gibt gute Gründe eines jeden einzelnen, der sich gegen eine Einbürgerung entscheidet. Wir hatten kürzlich den Anruf eines Mannes, der schon sehr lange in Deutschland lebt. Er hatte unseren Brief missverstanden und gefragt, was passiert, wenn er sich nicht einbürgern lässt. Wir haben ihn beruhigt und ihm gesagt, dass das alles freiwillig ist. Aber wir freuen uns auch über Rentner, die den Einbürgerungsantrag stellen.
Erschienen in den Stuttgarter Nachrichten
Man muss schon tiefer recherchieren, um die eigentliche Intention der massiven Einbürgerungsanstrengungen zu erkennen. Die politische Zielrichtung ist klar, es geht u.a. gegen die AfD, anders ist dem politischen Erfolg wohl nicht mehr beizukommen. Ganz offen beschrieben in der Leonberger Kreiszeitung:
An den Tag, an dem Ana Drescher beschloss, Deutsche zu werden, kann sie sich gut erinnern. Es war vor anderthalb Jahren, kurz nach der Bundestagswahl. „Ich hatte mich sehr geärgert über das Abschneiden der AfD“, sagt die 38-Jährige. Und ihr war klar: „Wenn ich politisch mitbestimmen möchte, dann muss ich mich einbürgern lassen.“
Ana Drescher, die seit vier Jahren mit Mann und Kindern auf dem Flugfeld in Böblingen lebt und Betriebswirtschaft und Religion am Leonberger Berufsschulzentrum unterrichtet, ist in Frankfurt geboren und aufgewachsen und hat in Mannheim studiert. Als Slowenin genießt sie EU-Freizügigkeit. Mit ihren blonden Haaren fiel sie nie als Ausländerin auf. Lediglich ihr kroatischer Nachname, den sie bis zur Hochzeit trug, brachte ihr gelegentlich Bemerkungen ein wie: „Meine Putzfrau stammt auch aus Kroatien.“ Jegliche Form von Nationalismus liege ihr fern, betont Drescher. Das versucht sie auch, ihren Schülern zu vermitteln. „Ich möchte ihnen Vorbild sein, ihnen zeigen, dass man es auch als Ausländer zu etwas bringen kann“, sagt die Tochter von Gastarbeitern.
Landrat Roland Bernhard lädt Ausländer dazu ein, Deutsche zu werden
Ana Drescher ist eine von 876 Menschen, die im vergangenen Jahr im Kreis Böblingen den deutschen Pass in Empfang genommen haben. Diese Zahl möchte der Landrat Roland Bernhard (parteilos) steigern. Er hat deshalb eine Einbürgerungskampagne ins Leben gerufen unter dem Motto: „Landkreis Böblingen, hier PASS ich rein!“. Sämtliche Ausländer im Kreis, die die Voraussetzungen erfüllen, werden persönlich von Bernhard angeschrieben und eingeladen, Deutsche zu werden. In einer ersten Welle wurden 1500 Briefe an EU-Bürger verschickt.
Die Resonanz war enorm. „Wir hatten in den ersten Tagen schon 110 Anrufe von Leuten, die sich nach den Voraussetzungen erkundigt haben“, berichtet Katharina Pfister, die Chefin des Amts für Migration und Flüchtlinge.
Gute Erfahrungen mit Einbürgerungskampage in Stuttgart
Gute Erfahrungen mit einer solchen Aktion hat man bereits vor Jahren in der Landeshauptstadt Stuttgart gemacht. „Wir haben von 2009 bis 2013 alle Personen angeschrieben, die für eine Einbürgerung in Frage kommen“, berichtet Andreas Deuschle, der Leiter des Amts für Einbürgerung. „Die Zahl der Anträge ist daraufhin gestiegen und hat sich nun auf einem hohen Niveau eingependelt.“ So habe es im Jahr 2008 noch 1800 Anträge gegeben. Heute seien es 2200 bis 2400 pro Jahr. Auch im Landkreis Esslingen bescherte eine Werbekampagne unter Ausländern 2013 dem Kreis einen Zuwachs . „Mittlerweile sind die Zahlen wieder zurückgegangen“, sagt der Kreissprecher Peter Keck.
Nicht alle Anträge haben Erfolg, sie werden gründlich geprüft, das dauert manches mal viele Monate. In Stuttgart werden etwa zehn Prozent der Anträge abgelehnt. Gründe dafür: Die Antragsteller können ihren Lebensunterhalt nicht ohne staatliche Zuschüsse finanzieren oder die geforderten Sprachkenntnisse – erwartet wird eine Prüfung auf Level B1 - reichen nicht aus. Gelegentlich sprächen auch Bedenken des Verfassungsschutzes gegen eine Einbürgerung, sagt Deuschle.
Diese Probleme hatte Ana Drescher nicht. Trotzdem erlebte auch sie eine Überraschung während des mehrmonatigen Einbürgerungsprozederes: Es stellte sich heraus, dass sie nicht nur die slowenische Staatsbürgerschaft ihrer Mutter, sondern auch die kroatische ihres Vaters hat. Als EU-Bürgerin darf sie beide behalten und hat die deutsche noch hinzugewonnen.
Sindelfinger Klinik kommt ohne ausländische Kräfte nicht über die Runden
Mustafa Al-Asiri hätte seine bisherige Staatsbürgerschaft eigentlich aufgeben müssen. Er stammt aus dem Jemen. Doch weil in seiner Heimat ein Krieg tobt, konnte der 30-Jährige die notwendigen Papiere nicht beschaffen, ist Doppelstaatler. An seiner neuen Heimat Deutschland schätzt er vor allem „das Grundgesetz, nach dem alle Menschen gleich sind.“ Da habe er zum Beispiel in den Golfstaaten anderes erlebt. Dort würden ausländische Arbeitskräfte auch nach Jahrzehnten im Land als Menschen zweiter Klasse behandelt.
In Deutschland gelang es dem jungen Mann, sich innerhalb von zehn Jahren mit Fleiß zum Assistenzarzt in der Sindelfinger Unfallchirurgie hochzuarbeiten. Sein Studium hat er sich selbst finanziert – mit einem Job als Pflegehelfer in der Tübinger Uniklinik. Diese Erfahrungen sind es, die Axel Prokop, der Chefarzt der Sindelfinger Unfallchirurgie, an Al-Asiri schätzt. „Solche Leute brauchen wir bei uns.“ Ohne ausländische Kräfte käme die Klinik nicht über die Runden, sagt Prokop. Nicht nur Ärzte, auch viele Pfleger holt sich der Klinikverbund Südwest aus dem Ausland, weil der heimische Stellenmarkt leer gefegt ist.
Seit einigen Monaten ist Mustafa Al-Asiri nun Deutscher. Für ihn ein logischer Schritt. Denn seine Zukunft sieht der gebürtige Jemenit mittlerweile in Deutschland, vor allem auch wegen seiner anderthalbjährigen Tochter. Ursprünglich war sein Ziel, als Arzt den Menschen in seiner Heimat zu helfen. „Doch wegen des Kriegs kann ich seit Jahren noch nicht mal meine Eltern besuchen.“ Ob er jemals zurückkehren kann, steht für Al-Asiri in den Sternen.
Eines verbindet die neuen Deutschen Drescher und Al-Asiri: Beide freuen sich, nun politisch mitbestimmen zu können. Und anders als Drescher, durfte Al-Asiri bisher auch nicht an Kommunalwahlen teilnehmen. Im Mai aber, da ist er dabei.
Wer einen deutschen Pass möchte, muss acht Jahre in Deutschland leben und einen unbefristeten Aufenthaltstitel haben sowie Deutschkenntnisse auf dem sogenannten Sprachniveau B 1 nachweisen, vom eigenen Einkommen leben und darf nicht vorbestraft sein. Man muss ein Bekenntnis zum deutschen Grundgesetz ablegen und einen Einbürgerungstest bestehen. Vom Antrag bis zur Einbürgerung dauert es mehrere Monate oder auch bis zu zwei Jahre. Wer Deutscher werden will, muss seine bisherige Staatsbürgerschaft aufgeben, das gilt nicht für EU-Bürger. Ausgenommen sind auch Personen aus Ländern, die nicht aus der Staatsbürgerschaft entlassen wie Marokko, der Iran und Algerien. Pro Jahr werden 800 bis 900 Personen im Kreis Böblingen eingebürgert, ähnlich ist es im Kreis Esslingen. In Stuttgart sind es knapp 2000. Gestiegen ist die Zahl der eingebürgerten Briten: in Stuttgart um das Fünffache.
Die Einbürgerung steht für hundert Prozent gleichberechtigte Teilhabe in Deutschland und ist damit das logische Ziel der Integration. Mit der Einbürgerung wird man deutsch und ist an Rechten und Pflichten gleich. Mit unserer Kampagne „Hier pass ich rein“ wollen wir auch ein Signal senden: Wir sind offen für Zuwanderer. Und wir möchten, dass ihr ganz zu uns gehört. Das ist ein persönliches Anliegen unseres Landrats Roland Bernhard.
Für EU-Bürger ändert sich aber auch mit der Einbürgerung kaum etwas.
Sie dürfen dann aber auch auf jeden Fall auf Bundes- und Landesebene mitwählen. Vor allem aber geht es um das Standing. Mit der Einbürgerung bekennt man sich zu dem Land, in dem man lebt.
EU-Bürger haben dann die doppelte Staatsbürgerschaft. Sehen Sie da keine Probleme mit der Loyalität?
Nicht nur EU-Bürger, die sich einbürgern lassen, haben mehrere Staatsbürgerschaften, das gilt auch für Iraker, Brasilianer oder Tunesier. Denn diese und andere Länder entlassen niemanden aus der Staatsbürgerschaft. Ich denke, es ist sehr gut möglich zu sagen: „Ich bin Iranerin und Deutsche.“ Das ist Lebensrealität für viele Menschen. Sie haben Erfahrungen in ihrem Herkunftsland gemacht und Erfahrungen in Deutschland, wo sie leben.
Wie wollen Sie die Leute motivieren, Deutsche zu werden?
Wir schreiben alle Personen an, die die Voraussetzungen erfüllen. Zudem haben wir eine Broschüre entworfen, die wir auslegen. Und wir organisieren bereits seit Jahren zweimal im Jahr eine Einbürgerungsfeier. Da kommen manche mit der ganzen Familie und mit Freunden. Das ist immer sehr feierlich. Auch da senden wir das Signal: „Ihr seid uns willkommen."
Nicht jeder will Deutscher werden.
Das ist auch in Ordnung. Es gibt gute Gründe eines jeden einzelnen, der sich gegen eine Einbürgerung entscheidet. Wir hatten kürzlich den Anruf eines Mannes, der schon sehr lange in Deutschland lebt. Er hatte unseren Brief missverstanden und gefragt, was passiert, wenn er sich nicht einbürgern lässt. Wir haben ihn beruhigt und ihm gesagt, dass das alles freiwillig ist. Aber wir freuen uns auch über Rentner, die den Einbürgerungsantrag stellen.
Erschienen in den Stuttgarter Nachrichten
Man muss schon tiefer recherchieren, um die eigentliche Intention der massiven Einbürgerungsanstrengungen zu erkennen. Die politische Zielrichtung ist klar, es geht u.a. gegen die AfD, anders ist dem politischen Erfolg wohl nicht mehr beizukommen. Ganz offen beschrieben in der Leonberger Kreiszeitung:
An den Tag, an dem Ana Drescher beschloss, Deutsche zu werden, kann sie sich gut erinnern. Es war vor anderthalb Jahren, kurz nach der Bundestagswahl. „Ich hatte mich sehr geärgert über das Abschneiden der AfD“, sagt die 38-Jährige. Und ihr war klar: „Wenn ich politisch mitbestimmen möchte, dann muss ich mich einbürgern lassen.“
Ana Drescher, die seit vier Jahren mit Mann und Kindern auf dem Flugfeld in Böblingen lebt und Betriebswirtschaft und Religion am Leonberger Berufsschulzentrum unterrichtet, ist in Frankfurt geboren und aufgewachsen und hat in Mannheim studiert. Als Slowenin genießt sie EU-Freizügigkeit. Mit ihren blonden Haaren fiel sie nie als Ausländerin auf. Lediglich ihr kroatischer Nachname, den sie bis zur Hochzeit trug, brachte ihr gelegentlich Bemerkungen ein wie: „Meine Putzfrau stammt auch aus Kroatien.“ Jegliche Form von Nationalismus liege ihr fern, betont Drescher. Das versucht sie auch, ihren Schülern zu vermitteln. „Ich möchte ihnen Vorbild sein, ihnen zeigen, dass man es auch als Ausländer zu etwas bringen kann“, sagt die Tochter von Gastarbeitern.
Landrat Roland Bernhard lädt Ausländer dazu ein, Deutsche zu werden
Ana Drescher ist eine von 876 Menschen, die im vergangenen Jahr im Kreis Böblingen den deutschen Pass in Empfang genommen haben. Diese Zahl möchte der Landrat Roland Bernhard (parteilos) steigern. Er hat deshalb eine Einbürgerungskampagne ins Leben gerufen unter dem Motto: „Landkreis Böblingen, hier PASS ich rein!“. Sämtliche Ausländer im Kreis, die die Voraussetzungen erfüllen, werden persönlich von Bernhard angeschrieben und eingeladen, Deutsche zu werden. In einer ersten Welle wurden 1500 Briefe an EU-Bürger verschickt.
Die Resonanz war enorm. „Wir hatten in den ersten Tagen schon 110 Anrufe von Leuten, die sich nach den Voraussetzungen erkundigt haben“, berichtet Katharina Pfister, die Chefin des Amts für Migration und Flüchtlinge.
Gute Erfahrungen mit Einbürgerungskampage in Stuttgart
Gute Erfahrungen mit einer solchen Aktion hat man bereits vor Jahren in der Landeshauptstadt Stuttgart gemacht. „Wir haben von 2009 bis 2013 alle Personen angeschrieben, die für eine Einbürgerung in Frage kommen“, berichtet Andreas Deuschle, der Leiter des Amts für Einbürgerung. „Die Zahl der Anträge ist daraufhin gestiegen und hat sich nun auf einem hohen Niveau eingependelt.“ So habe es im Jahr 2008 noch 1800 Anträge gegeben. Heute seien es 2200 bis 2400 pro Jahr. Auch im Landkreis Esslingen bescherte eine Werbekampagne unter Ausländern 2013 dem Kreis einen Zuwachs . „Mittlerweile sind die Zahlen wieder zurückgegangen“, sagt der Kreissprecher Peter Keck.
Nicht alle Anträge haben Erfolg, sie werden gründlich geprüft, das dauert manches mal viele Monate. In Stuttgart werden etwa zehn Prozent der Anträge abgelehnt. Gründe dafür: Die Antragsteller können ihren Lebensunterhalt nicht ohne staatliche Zuschüsse finanzieren oder die geforderten Sprachkenntnisse – erwartet wird eine Prüfung auf Level B1 - reichen nicht aus. Gelegentlich sprächen auch Bedenken des Verfassungsschutzes gegen eine Einbürgerung, sagt Deuschle.
Diese Probleme hatte Ana Drescher nicht. Trotzdem erlebte auch sie eine Überraschung während des mehrmonatigen Einbürgerungsprozederes: Es stellte sich heraus, dass sie nicht nur die slowenische Staatsbürgerschaft ihrer Mutter, sondern auch die kroatische ihres Vaters hat. Als EU-Bürgerin darf sie beide behalten und hat die deutsche noch hinzugewonnen.
Sindelfinger Klinik kommt ohne ausländische Kräfte nicht über die Runden
Mustafa Al-Asiri hätte seine bisherige Staatsbürgerschaft eigentlich aufgeben müssen. Er stammt aus dem Jemen. Doch weil in seiner Heimat ein Krieg tobt, konnte der 30-Jährige die notwendigen Papiere nicht beschaffen, ist Doppelstaatler. An seiner neuen Heimat Deutschland schätzt er vor allem „das Grundgesetz, nach dem alle Menschen gleich sind.“ Da habe er zum Beispiel in den Golfstaaten anderes erlebt. Dort würden ausländische Arbeitskräfte auch nach Jahrzehnten im Land als Menschen zweiter Klasse behandelt.
In Deutschland gelang es dem jungen Mann, sich innerhalb von zehn Jahren mit Fleiß zum Assistenzarzt in der Sindelfinger Unfallchirurgie hochzuarbeiten. Sein Studium hat er sich selbst finanziert – mit einem Job als Pflegehelfer in der Tübinger Uniklinik. Diese Erfahrungen sind es, die Axel Prokop, der Chefarzt der Sindelfinger Unfallchirurgie, an Al-Asiri schätzt. „Solche Leute brauchen wir bei uns.“ Ohne ausländische Kräfte käme die Klinik nicht über die Runden, sagt Prokop. Nicht nur Ärzte, auch viele Pfleger holt sich der Klinikverbund Südwest aus dem Ausland, weil der heimische Stellenmarkt leer gefegt ist.
Seit einigen Monaten ist Mustafa Al-Asiri nun Deutscher. Für ihn ein logischer Schritt. Denn seine Zukunft sieht der gebürtige Jemenit mittlerweile in Deutschland, vor allem auch wegen seiner anderthalbjährigen Tochter. Ursprünglich war sein Ziel, als Arzt den Menschen in seiner Heimat zu helfen. „Doch wegen des Kriegs kann ich seit Jahren noch nicht mal meine Eltern besuchen.“ Ob er jemals zurückkehren kann, steht für Al-Asiri in den Sternen.
Eines verbindet die neuen Deutschen Drescher und Al-Asiri: Beide freuen sich, nun politisch mitbestimmen zu können. Und anders als Drescher, durfte Al-Asiri bisher auch nicht an Kommunalwahlen teilnehmen. Im Mai aber, da ist er dabei.
Wer einen deutschen Pass möchte, muss acht Jahre in Deutschland leben und einen unbefristeten Aufenthaltstitel haben sowie Deutschkenntnisse auf dem sogenannten Sprachniveau B 1 nachweisen, vom eigenen Einkommen leben und darf nicht vorbestraft sein. Man muss ein Bekenntnis zum deutschen Grundgesetz ablegen und einen Einbürgerungstest bestehen. Vom Antrag bis zur Einbürgerung dauert es mehrere Monate oder auch bis zu zwei Jahre. Wer Deutscher werden will, muss seine bisherige Staatsbürgerschaft aufgeben, das gilt nicht für EU-Bürger. Ausgenommen sind auch Personen aus Ländern, die nicht aus der Staatsbürgerschaft entlassen wie Marokko, der Iran und Algerien. Pro Jahr werden 800 bis 900 Personen im Kreis Böblingen eingebürgert, ähnlich ist es im Kreis Esslingen. In Stuttgart sind es knapp 2000. Gestiegen ist die Zahl der eingebürgerten Briten: in Stuttgart um das Fünffache.
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