Montag, 16. April 2018

Der Ehrenmord im Tatort...

von Thomas Heck...

Der gestrige Tatort war wieder ein Lehrstück in Sachen GEZ-Propaganda, der zwar die Bevölkerung auf die richtige Linie bringen soll, mit der Wirklichkeit aber nichts mehr zu tun hat. Der Plot "Nazi ermordet Flüchtling" mag zwar beim Gutmenschen-Publikum ankommen und passt in den linken Mainstream in Deutschland, spiegelt sich aber in der Realität nicht wieder. Denn wieviele Morde von Neo-Nazis an Flüchtlingen gab es denn im letzten Jahr? Null. Und wieviele Messerangriffe gab es? Weiß niemand, weil statistisch nicht erfasst.


Als sie vom Tatort wieder wegfahren, da sitzen die beiden Nürnberger Kriminalkommissare Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und Felix Voss (Fabian Hinrichs) im Auto, und Voss fährt. Er kommt dabei ins Grübeln über die Dinge des Lebens. Über Grundlegendes. Über sie beide auch, die sie diesen Beruf ausüben: „Unser Leben ist ein schwarzer Raum. Rabenschwarz. Wir jagen irgendjemanden, den wir nicht sehen. Dann haben wir ihn, werfen ihn vor die Tür, und dann schließen wir die Tür ab. Und dann ist schon der Nächste drin, und der Nächste, und der Nächste. Und so machen wir immer weiter, immer weiter, immer weiter.“ Es klingt ebenso wütend wie verzweifelt. Ringelhahns cooler Rat vom Beifahrersitz, es sei generell hilfreich, mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen, macht Voss nur umso wütender.

Der Tatort, den sie gerade verlassen haben, liegt am Rande Nürnbergs. In einem abgelegenen Haus sind zwei Leichen entdeckt worden, die eines 58-jährigen Libyers und die seiner Schwester. Spurlos verschwunden ist ihr erwachsener Ziehsohn Ahmad, der 2014 aus Tripolis nach Deutschland kam und in Erlangen studiert. Das Geschwisterpaar wurde erschlagen und liegt bereits seit einer Woche in einem der dunklen Räume dieses einsamen Hauses. Ahmad muss den Doppelmord miterlebt und also auch den Täter gesehen haben.

Zunächst fischen Ringelhahn und Voss jedoch im Trüben. Es geht irgendwie nicht voran in diesem eigenartigen Fall, und auch von Ahmad fehlt weiterhin jede Spur. Als nur wenige Tage später plötzlich Frank Leitner (André Hennicke) – ein Kollege Paula Ringelhahns, dem sie vor Jahren einmal näherstand – während einer Autofahrt stirbt, nimmt der Fall eine neue Wendung an. Paula Ringelhahn steht vollkommen neben sich, der Tod des Kollegen und Freundes trifft sie tief.
Das Silberhaar am Tatort

Dann wird am ersten Tatort das silberfarbene Haar einer Perücke gefunden. Wie sich herausstellen wird, hat die Perücke Frank Leitners seltsam flattrige Frau Gudrun Leitner (Ursula Strauss) in einem Friseursalon gekauft, zu Fasching. Doch wie kommt das Silberhaar an den abgelegenen Tatort? Es sind strapaziöse Ermittlungen, die vor Ringelhahn und Voss liegen. Lange wissen sie erst gar nicht, mit wem und womit sie es überhaupt zu tun haben.

Erneut hat Max Färberböck bei diesem jüngsten Franken-„Tatort“ – dem vierten – Regie geführt und mit Catharina Schuchmann zusammen das Drehbuch verfasst. Bereits für den ersten „Tatort“ aus dem Fränkischen im Jahr 2015 zeichnete Färberböck verantwortlich. Max Färberböck, das ist einer der wenigen konstanten Qualitätsgaranten des deutschsprachigen Fernsehfilms: Seine Arbeiten zeichnen sich nicht zuletzt auch dadurch aus, dass sie unbequem und sperrig sind. Und sehr intensiv. „Ich töte niemand“ heißt dieser düstere, entfärbte Film, über dem als musikalisches Leitmotiv immer wieder das vom isländischen Elektronikmusiker Ólafur Arnalds für die britische Fernsehserie „Broadchurch“ komponierte, eindringlich sphärische Lied „So Far“ liegt.

Dem Doppelmord in diesem abgeschiedenen, allein auf der Wiese stehenden Haus sollen schließlich weitere folgen. Diese Toten sind keine Muslime. Diesmal sind es Deutsche. Dabei mag Max Färberböcks Drama – wenngleich auf überhöhter, narrativer, fiktionalisierter Ebene – durchaus die ebenso schwierige wie sensible Debatte berühren, die seit einiger Zeit darüber geführt wird, dass ein neuer tiefer Riss durch Deutschland geht. Ein sozialer, ein kultureller, letztlich ein politischer Riss.

Sogar bei einem der Verhöre, welches der sichtlich aufgebrachte, erhitzte Felix Voss mit einem Verdächtigen aus dem Umfeld des gesuchten Ahmad führt, wird diese gesellschaftliche Spaltung exemplarisch deutlich: Der Verhörte schweigt stoisch. Bis er den für Voss überaus provokativ klingenden Satz sagt, es gehe hier um „etwas, wovon Sie in diesem Land nicht wirklich etwas verstehen“. Voss fragt daraufhin wiederholt und vehement insistierend, was man hier denn nicht verstehe. Und der Verhörte sagt nur noch ein einziges Wort: „Ehre“.

Das aufreibende Leben der Kriminalkommissare Paula Ringelhahn und Felix Voss ist dunkel und von wenig Freude erfüllt. Immer wieder liegt Hoffnungslosigkeit in diesen grauen kalten Bildern (Kamera: Felix Cramer). Es sind diese rabenschwarzen Räume, durch die Max Färberböck in all seinen Fernsehfilmen immer wieder führt. Immer wieder. Immer weiter.

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